Chapeau
140 III 367
55. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_560/2013 vom 30. Juni 2014
Regeste
Art. 61 CPC; exception d'arbitrage en matière interne.
Examen d'une exception d'arbitrage selon l'art. 61 CPC (consid. 2); application au cas concret (consid. 3).
Faits à partir de page 367
A.a Mit Vereinbarung vom 17. Dezember 2007 ("Konsortialvertrag") schlossen sich B. AG, A., Bauleiter, das Ingenieurbüro C., die D. AG sowie die E. AG zu einem Konsortium zusammen.
A.b Die letzte Seite des Konsortialvertrags enthält unter der Überschrift "Ziffer XI Schlussbestimmungen" eine Klausel mit folgendem Wortlaut:
"Für den vorliegenden Vertrag ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar. Gerichtsstand ist Meilen.
Streitigkeiten unter den Gesellschaftern über den vorliegenden Vertrag wie auch über Werkverträge, die das Konsortium mit den Gesellschaftern abschliesst, werden nach Möglichkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schiedsgericht erledigt. Die Parteien, unter denen Meinungsverschiedenheit besteht, sollen sich in der Monatsfrist auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht einigen. Erst wenn eine solche Einigung nicht möglich oder der Entscheid des Schiedsgerichts nicht akzeptiert wird, kann das zuständige Gericht angerufen werden."
BGE 140 III 367 S. 368
B.a Mit Klage vom 27. Juli 2012 machte A. gegen seine vier Mitgesellschafter eine Forderungsklage auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 112'123.90 bzw. von einem nach Massgabe des Beweisergebnisses höheren Betrag anhängig.
Mit Eingabe vom 28. September 2012 erhoben die Beklagten die Schiedseinrede.
Mit Zirkulationsbeschluss vom 21. Mai 2013 trat das Bezirksgericht Meilen auf die Klage nicht ein.
B.b Gegen diesen Entscheid erhob der Kläger am 14. Juni 2013 Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich.
Mit Urteil vom 9. Oktober 2013 wies das Obergericht die Berufung ab.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 11. November 2013 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, es seien das obergerichtliche Urteil sowie der erstinstanzliche Nichteintretensbeschluss aufzuheben; die von den Beklagten erhobene Schiedseinrede sei abzuweisen und die Sache sei zur weiteren Behandlung an das Bezirksgericht Meilen zurückzuweisen.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde weist das Bundesgericht die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
2. Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Konsortialvertrag vom 17. Dezember 2007 eine Schiedsklausel enthält.
2.1 Beide Parteien hatten beim Abschluss des Konsortialvertrags ihren Sitz in der Schweiz, womit vorliegend die Regeln über die interne Schiedsgerichtsbarkeit zur Anwendung gelangen (
Art. 353 Abs. 1 ZPO i.V.m.
Art. 176 Abs. 1 IPRG [SR 291]). Der Vertrag datiert aus der Zeit vor Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011. Gemäss
Art. 407 Abs. 1 ZPO beurteilt sich im Binnenverhältnis die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden, nach dem für sie günstigeren Recht. Sowohl die Vorinstanz wie auch das Bezirksgericht gingen unangefochten und zutreffend davon aus, dass die formellen Anforderungen der ZPO an eine Schiedsvereinbarung gegenüber denjenigen des früheren kantonalen Rechts günstiger sind, und prüften dementsprechend das
BGE 140 III 367 S. 369
Vorliegen einer Schiedsvereinbarung und deren Auswirkung auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte nach Massgabe der ZPO.
2.2.1 Die Auswirkung einer internen Schiedsvereinbarung auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ist in
Art. 61 ZPO geregelt. Danach lehnt das angerufene staatliche Gericht seine Zuständigkeit ab, wenn die Parteien über eine schiedsfähige Streitsache eine Schiedsvereinbarung getroffen haben (Art. 61 Ingress ZPO), es sei denn, die beklagte Partei habe sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen (lit. a), das Gericht stelle fest, dass die Schiedsvereinbarung offensichtlich ungültig oder nicht erfüllbar sei (lit. b), oder das Schiedsgericht könne nicht bestellt werden aus Gründen, für welche die im Schiedsverfahren beklagte Partei offensichtlich einzustehen hat (lit. c).
2.2.2 Unter einer Schiedsvereinbarung ist eine Übereinkunft zu verstehen, mit der sich zwei oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Parteien einigen, eine oder mehrere, bestehende oder künftige Streitigkeiten verbindlich unter Ausschluss der ursprünglichen staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht nach Massgabe einer unmittelbar oder mittelbar bestimmten rechtlichen Ordnung zu unterstellen (
BGE 140 III 134 E. 3.1 S. 138;
BGE 130 III 66 E. 3.1 S. 70). Entscheidend ist, dass der Wille der Parteien zum Ausdruck kommt, über bestimmte Streitigkeiten ein privates Schiedsgericht unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit verbindlich entscheiden zu lassen (
BGE 140 III 134 E. 3.1 S. 138;
BGE 138 III 29 E. 2.2.3 S. 35;
BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 679 f.). Dabei muss sich der Wille, auf die staatlichen Gerichte zu verzichten, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung klar und unzweideutig aus der Parteivereinbarung ergeben (vgl.
BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138;
BGE 138 III 29 E. 2.3.1 S. 36 f.;
BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680 f.;
BGE 128 III 50 S. 58 E. 2c/aa).
2.2.3 Gemäss Art. 61 Ingress ZPO lehnt das staatliche Gericht seine Zuständigkeit nur dann ab, wenn die Parteien eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen haben und diese sich auf eine schiedsfähige Streitsache bezieht. Diese in Art. 61 Ingress ZPO genannten Elemente sind in einem ersten Schritt mit voller Kognition zu prüfen (vgl. in diesem Sinne TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 3 zu
Art. 61 ZPO; CHRISTOPH HURNI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 7 zu
Art. 61 ZPO). Erst wenn eine Schiedsvereinbarung über einen schiedsfähigen Streitgegenstand i.S. von Art. 61 Ingress ZPO vorliegt, ist in einem zweiten Schritt nach
Art. 61 lit. b ZPO zu prüfen,
BGE 140 III 367 S. 370
ob die Schiedsvereinbarung offensichtlich ungültig oder nicht erfüllbar ist. Dieser Wortlaut lehnt sich an jenen von
Art. 7 lit. b IPRG an, wobei diese Bestimmung im Unterschied zu
Art. 61 lit. b ZPO das Wort "offensichtlich" nicht enthält. Mit dem Kriterium der Offensichtlichkeit in
Art. 61 lit. b ZPO wollte der Gesetzgeber die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu
Art. 7 lit. b IPRG kodifizieren, wonach das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung mit einer bloss summarischen Prüfung auf eine Hinfälligkeit, Unwirksamkeit oder Unerfüllbarkeit hin überprüfen soll (
BGE 138 III 681 E. 3.2. S. 685 mit Hinweisen). Die summarische Prüfung nach
Art. 61 lit. b ZPO bezieht sich namentlich auf die inhaltliche Tragweite der Schiedsvereinbarung (
BGE 138 III 681 E. 3.2 S. 686) sowie auf pathologische Schiedsvereinbarungen, d.h. solche, aus denen zwar die verbindliche Unterstellung einer Streitentscheidung unter ein privates Schiedsgericht hervorgeht, die aber Bestimmungen enthalten, die unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind (
BGE 138 III 29 E. 2.2.3 S. 35 mit Hinweisen).
3. Der Beschwerdeführer rügt eine rechtsfehlerhafte Vertragsauslegung durch die Vorinstanz in Verletzung von
Art. 1 und 18 OR und
Art. 2 ZGB sowie eine Verletzung von
Art. 61 ZPO. Er moniert, dass beide Absätze des Textes von Ziffer XI des Konsortialvertrages auszulegen seien, und bemängelt, die Vorinstanz habe der Verwendung des Wortes "Schiedsgericht" im fraglichen Text zu Unrecht bereits entscheidendes Gewicht beigemessen.
3.1 Eine Schiedsvereinbarung entsteht durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien (
Art. 1 Abs. 1 OR). Massgebend ist in erster Linie der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien (
BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138;
BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71 mit Hinweisen). Kann ein solcher nicht festgestellt werden, sind die Willensäusserungen nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, d.h. der mutmassliche Parteiwille ist so zu ermitteln, wie er vom jeweiligen Erklärungsempfänger nach den gesamten Umständen nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (
BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138;
BGE 138 III 29 E. 2.2.3;
BGE 135 III 295 E. 5.2 S. 302;
BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71;
BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680). Dabei hat sich das Gericht an die von den Parteien im Hinblick auf die Erfüllung der Textformerfordernis (
Art. 358 ZPO) verwendeten Formulierungen zu halten.
3.2 Die Vorinstanz stellte fest, dass die Parteien in Bezug auf den Text von Ziffer XI Abs. 2 des Konsortialvertrages einen
BGE 140 III 367 S. 371
übereinstimmenden tatsächlichen Willen ausdrücklich nicht behauptet hatten, und nahm daher zutreffend eine objektivierte Auslegung der Klausel nach dem Vertrauensprinzip vor. Sie hob zunächst den Gebrauch der Wörter "Schiedsgericht" und "Einzelschiedsrichter" hervor und schloss daraus, dass diese nach Treu und Glauben nicht anders verstanden werden könnten, als dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts anstatt eines staatlichen Gerichts vereinbart worden sei. Die Vorinstanz hielt die Wendung "nach Möglichkeit" nicht für eine Relativierung dieses Schiedswillens, sondern für einen Vorbehalt der Möglichkeit einer Beschwerde nach
Art. 390 Abs. 1 ZPO. Sie fasste den Passus, wonach bei Nichteinigung auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht sowie bei Nichtakzeptanz eines schiedsrichterlichen Entscheids das zuständige Gericht angerufen werden könne, ebensowenig als Abschwächung eines Schiedswillens auf, sondern deutete ihn "im Gesamtzusammenhang" als Hinweis auf die Möglichkeit der Bestellung des Schiedsgerichtes durch ein staatliches Gericht gestützt auf
Art. 362 Abs. 2 ZPO.
3.3.1 Die fragliche Klausel in Ziffer XI des Konsortialvertrages enthält zunächst eine Rechtswahl ("Für den vorliegenden Vertrag ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar"). Weiter enthält sie eine Gerichtsstandsklausel ("Gerichtsstand ist Meilen"), welche eindeutig und unbedingt ist. Danach wird bestimmt, "nach Möglichkeit" sollten Streitigkeiten unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schiedsgericht erledigt werden. Zu diesem Zweck sollen sich die Parteien bei Meinungsverschiedenheiten "innert Monatsfrist auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht" einigen. Erst wenn eine "solche Einigung nicht möglich oder der Entscheid des Schiedsgerichts nicht akzeptiert" werde, könne "das zuständige Gericht angerufen werden".
3.3.2 Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, dass die Parteien damit (noch) keine Schiedsvereinbarung abgeschlossen haben, sondern lediglich "nach Möglichkeit" versuchen wollen, einen Einzelschiedsrichter oder ein nicht näher definiertes Schiedsgericht einzusetzen. Die Parteien wollen also versuchen, bei Meinungsverschiedenheiten eine konkrete Schiedsvereinbarung überhaupt erst abzuschliessen. Selbst wenn sie mit dem zweiten Halbsatz ("oder der Entscheid des Schiedsgerichts nicht akzeptiert wird") den Fall eines Rechtsmittels an die staatlichen Gerichte regeln wollten, haben sie mit dem ersten Halbsatz ins Auge gefasst, dass eine einvernehmliche
BGE 140 III 367 S. 372
Bestellung des grundsätzlich bevorzugten - aber noch nicht vereinbarten - Schiedsgerichts nicht möglich sein könnte, und für diesen Fall die Anrufung des zuständigen (staatlichen) Gerichts ausdrücklich vorbehalten. Sie haben dabei entgegen der Ansicht der Vorinstanz und der Beschwerdegegner nicht erklärt, das staatliche Gericht solle ein Schiedsgericht bestellen, sondern sie haben erklärt, es könne das staatliche Gericht angerufen werden.
3.3.3 Die Vorinstanz hat folglich den Text in Ziffer XI Abs. 2 des Konsortialvertrages vertrauenstheoretisch falsch ausgelegt, wenn sie darin bereits einen Konsens über den Verzicht auf die staatliche und die Einsetzung einer privaten Gerichtsbarkeit sah. Es fehlt an einer klaren und unzweideutigen Willenserklärung der Parteien, Streitigkeiten aus ihrem Konsortialvertrag unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einer verbindlichen Beurteilung durch ein Schiedsgericht zu unterstellen. Damit liegt keine Schiedsvereinbarung i.S.von Art. 61 Ingress ZPO vor; eine summarische Prüfung der Klausel unter dem Aspekt von
Art. 61 lit. b ZPO erübrigt sich.