Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
Chapeau

148 III 186


24. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_169/2021 vom 18. Januar 2022

Regeste

Art. 242, art. 308 al. 1 let. a et art. 319 let. a CPC; voies de recours en cas de radiation du rôle d'une procédure devenue sans objet pour d'autres raisons.
La radiation du rôle d'une procédure devenue sans objet pour d'autres raisons au sens de l'art. 242 CPC est une décision finale au sens de l'art. 308 al. 1 let. a CPC. Cette décision finale peut être attaquée par la voie de l'appel, si la valeur litigieuse est atteinte, sinon du recours en vertu de l'art. 319 let. a CPC (consid. 6.3-6.5).

Faits à partir de page 186

BGE 148 III 186 S. 186

A.

A.a B. (Arbeitnehmer, Beschwerdegegner) war seit dem 1. November 2016 als Senior Manager Marketing bei der A. (Arbeitgeberin, Beschwerdeführerin) angestellt. Sein Jahresgehalt betrug Fr. 130'000.- brutto (12 x Fr. 10'833.-). Im Arbeitsvertrag findet sich betreffend die Vergütung unter anderem folgende Klausel:
"Variable Pay: 20 % of annual base salary, pro rata temporis (Payment in March of the following year, based on achievement of the agreed business and individual objectives)"

A.b Mit "Pay Letter / Performance year January 1 to December 31, 2016" (nachfolgend: Pay Letter 2016) wurde als Resultat aus der Kombination der Gesamtergebnisse der Arbeitgeberin, den Leistungen der Geschäftseinheit des Arbeitnehmers und dessen individueller, als erfolgreich beurteilter, Leistung (...), sein Jahresgehalt um
BGE 148 III 186 S. 187
1.54 % auf Fr. 132'002.16 erhöht und ihm ein Bonus von Fr. 15'222.47 gewährt.

A.c Am 31. Januar 2018 endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Die Arbeitgeberin behauptete, es sei infolge Betriebsübergangs auf die C. GmbH übergegangen. Der Arbeitnehmer bestritt dies.

A.d In der Mitarbeiterbeurteilung vom 6. April 2018 wurde dem Arbeitnehmer für das Jahr 2017 wiederum eine erfolgreiche Leistung bescheinigt (...). In der Folge forderte dessen Rechtsschutzversicherung die Arbeitgeberin auf, die Berechnungsfaktoren für den Bonus bekannt zu geben. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab mit der Begründung, sie habe infolge des unerwartet schlechten Finanzergebnisses der A.-Gruppe davon absehen müssen, Bonuszahlungen für das Jahr 2017 auszurichten. Dazu sei sie berechtigt, da im Rahmen des Arbeitsvertrags eine echte Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR vereinbart worden sei, auf deren Ausrichtung weder der Höhe noch dem Grundsatz nach ein Rechtsanspruch bestehe.

B.

B.a Am 19. Oktober 2018 erhob der Arbeitnehmer beim Kreisgericht See-Gaster Klage gegen die Arbeitgeberin und verlangte, diese zu verpflichten, ihm ein variables Salär von mindestens Fr. 26'400.45 brutto für das Kalenderjahr 2017 (Ziff. 1) sowie ein solches von mindestens Fr. 2'200.05 brutto pro rata temporis für den Januar 2018 (Ziff. 2), jeweils zuzüglich Zins, zu bezahlen. Überdies sei die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm oder einem vom Gericht bezeichneten Sachverständigen gemäss Art. 322a Abs. 2 OR die nötige Einsicht in ihre Geschäftsbücher ab 1. Januar 2017 zu gewähren.
Am 13. März 2019 sandte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer einen Kurzbrief mit dem "Bonus Letter 2018" (entspricht dem Pay Letter) als Beilage. Der ihm für das Jahr 2018 zustehende Bonus wurde darin mit Fr. 3'685.62 beziffert. In der Folge wurde dem Beschwerdegegner dieser Betrag überwiesen.
Mit Entscheid vom 19. August 2019 verpflichtete das Kreisgericht die Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2017 Fr. 26'400.45 brutto zuzüglich Zins von 5 % seit 1. Februar 2018 zu bezahlen, schrieb die Klage betreffend die Forderung für den Januar 2018 aufgrund nachträglicher Zahlung als gegenstandslos ab, wies das Einsichtsbegehren ab und verpflichtete die Arbeitgeberin zur Bezahlung einer Parteientschädigung in Höhe von Fr. 6'700.-.
BGE 148 III 186 S. 188
Es qualifizierte die strittige Vertragsklausel als unechte Gratifikation, die dem Arbeitnehmer einen Anspruch von mindestens 20 % seines Bruttojahreslohns verschaffe und bloss für einen darüber hinausgehenden Teil freiwilligen Charakter aufweise.

B.b Gegen diesen Entscheid erhob die Arbeitgeberin am 18. September 2019 Berufung beim Kantonsgericht St. Gallen mit dem Antrag, den Entscheid des Kreisgerichts aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter beantragte sie, den Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kreisgericht zurückzuweisen.
Mit Entscheid vom 10. Februar 2021 hiess das Kantonsgericht die Berufung teilweise gut und reduzierte den von der Arbeitgeberin zu bezahlenden Bonus für das Jahr 2017 auf Fr. 25'735.65 brutto und passte den Zeitpunkt, von dem an Verzugszins zu bezahlen ist, auf den 1. April 2018 an (...). Im Übrigen wies es die Berufung ab, soweit es darauf eintrat (...).
Es erwog wie die Erstinstanz, die Parteien hätten eine unechte Gratifikation vereinbart. Diese sei im Grundsatz geschuldet und habe lediglich was die Höhe anbelangt teilweise im Ermessen der Arbeitgeberin gestanden. Im Unterschied zur Erstinstanz hielt das Kantonsgericht jedoch dafür, dass die Gratifikation nicht zwingend mindestens 20 % des Bruttojahreslohns betrage; sie könne auch weniger hoch ausfallen und gegebenenfalls ganz wegfallen. Anhand der bekannten und der von der Arbeitgeberin offengelegten Berechnungsfaktoren lasse sich der Bonus für das Jahr 2017 auf Fr. 25'735.65 beziffern. Auf die Berufung gegen die Abschreibung des Verfahrens zufolge Gegenstandslosigkeit betreffend den Bonus für den Januar 2018 sei nicht einzutreten, da diesbezüglich die Beschwerde das einschlägige Rechtsmittel gewesen wäre.

C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 17. März 2021 beantragt die Beschwerdeführerin, die Dispositiv-Ziffern 1-3 und 5 des Entscheids des Kantonsgerichts seien aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich kostenfällig abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz, subeventualiter an die Erstinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht St. Gallen zurück.
(Auszug)

Considérants

BGE 148 III 186 S. 189
Aus den Erwägungen:

6. (...)

6.3 In der Literatur ist umstritten, mit welchem Rechtsmittel eine Abschreibung zufolge Gegenstandslosigkeit nach Art. 242 ZPO angefochten werden kann, wenn die Gegenstandslosigkeit die ganze Streitsache betrifft.

6.3.1 Ein Teil der Autoren geht wie die Vorinstanz davon aus, dass ausschliesslich die Beschwerde möglich sei.
Es handle sich beim Abschreibungsentscheid gemäss Art. 242 ZPO nicht um einen Endentscheid i.S.v. Art. 236 Abs. 1 ZPO, sondern um einen Prozessentscheid sui generis, der gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO mit Beschwerde anfechtbar sei, wenn dadurch ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe (GSCHWEND/STECK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 20 zu Art. 242 ZPO; LAURENT KILLIAS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 24 zu Art. 242 ZPO; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario pratico al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC], Bd. II, 2. Aufl. 2017,N. 11 zu Art. 242 ZPO[mit Hinweis auf das Urteil 4A_131/2013vom 3. September 2013 E. 2.2.2.2]; DANIEL WILLISEGGER, Grundstruktur des Zivilprozesses, 2012, S. 371, 373).
Einzelne Autoren verneinen ebenfalls das Vorliegen eines Endentscheids, plädieren demgegenüber für eine Beschwerdemöglichkeit nach Art. 319 lit. c ZPO ("Fälle von Rechtsverzögerung"). Sie argumentieren, das Gericht bringe mit der Abschreibung zum Ausdruck, es wolle keinen Entscheid fällen; tue es dies, obwohl gar keine Gegenstandslosigkeit vorgelegen habe, begehe es eine formelle Rechtsverweigerung (so BAECKERT/WALLMÜLLER, Rechtsmittel bei Beendigung des Verfahrens durch Entscheidsurrogat [Art. 241 ZPO], ZZZ2014/2015 S. 24; BORIS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung[ZPO], Kommentar, Alexander Brunner und andere [Hrsg.],Bd. I, 2. Aufl. 2016, N. 27 zu Art. 59 ZPO).
Schliesslich wird die Auffassung vertreten, Abschreibungsbeschlüsse gemäss Art. 242 ZPO seien zwar keine Endentscheide, gleichwohl sei die Beschwerdemöglichkeit gemäss Art. 319 lit. a ZPO gegeben (MARKUS KRIECH, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Alexander Brunner und andere [Hrsg.],Bd. II, 2. Aufl. 2016, N. 9 zu Art. 242 ZPO, ohne nähere Begründung).
BGE 148 III 186 S. 190
Einige Autoren verzichten auf eine nähere Qualifikation und weisen bloss auf die (unabhängig vom Streitwert) ausschliessliche Zulässigkeit der Beschwerde hin (so etwa HERBERT WOHLMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 242 ZPO; unklar: KARL SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 12 zu Art. 319 ZPO).

6.3.2 Ein anderer Teil der Literatur hält dafür, dass die Abschreibung ein Endentscheid nach Art. 236 ZPO darstelle, der - je nach Streitwert - mit Berufung oder Beschwerde nach Art. 319 lit. a ZPO angefochten werden könne. Die Begründungen hierfür gehen ebenfalls auseinander.
So wird namentlich argumentiert, zwar sei nach dem Wortlaut der Zivilprozessordnung die Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit eine Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid (siehe die Überschrift zu Art. 241 f. ZPO "Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid"). Jedoch sei der Entscheid nicht nur deklaratorisch, sondern konstitutiv. Eine solche Abschreibung beende das Verfahren ähnlich wie ein Nichteintretensentscheid. Der Unterschied bestehe nur darin, dass ein Abschreibungsentscheid zufolge Gegenstandslosigkeit ergehe, wenn eine Prozessvoraussetzung erst im Nachhinein weggefallen sei, während es zum Nichteintreten komme, wenn eine Prozessvoraussetzung bereits bei Prozessbeginn gefehlt habe. Es bestehe daher kein Grund, einen Entscheid betreffend die Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit nicht gleich zu behandeln wie einen Nichteintretensentscheid. Letzterer gelte als Endentscheid und sei mit Berufung anfechtbar, also müsse auch der Abschreibungsentscheid wegen Gegenstandslosigkeit als grundsätzlich berufungsfähiger Endentscheid betrachtet werden (CHRISTOPH LEUENBERGER, Der Endentscheid nach Art. 236 und Art. 308 ZPO: Wie weit geht die Auslegung in Übereinstimmung mit dem BGG?, SZZP 2015 S. 95; in diesem Sinn auch ANNETTE DOLGE, Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden und anderen prozessleitenden Entscheiden, in: Zivilprozess - aktuell, 2013, S. 54; URS H. HOFFMANN-NOWOTNY, in: ZPO-Rechtsmittel Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den Art. 308-327a ZPO, 2013, N. 37 zu Art. 308 ZPO sowie N. 19 und 37 zu Art. 319 ZPO; PASCAL LEUMANN LIEBSTER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Thomas Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 8 zu Art. 242 ZPO; BENEDIKT SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2013, S. 185 Rz. 427; DENIS TAPPY,
BGE 148 III 186 S. 191
in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 7 zu Art. 242 ZPO; RICHERS/NAEGELI, ZPO, Kurzkommentar, 3. Aufl. 2021, N. 11 f. zu Art. 242 ZPO; FRANCESCA VERDA CHIOCCHETTI, in: Commentario pratico al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del 19 dicembre 2008, Bd. II, 2. Aufl. 2017, N. 11 zu Art. 308 ZPO; wohl auch: JAKOB STEINER, Die Beschwerde nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2019, S. 89 Rz. 176).
Ein Teil der Lehre beruft sich schlicht auf das Urteil 4A_137/2013 vom 7. November 2013 E. 7.3, nicht publ. in: BGE 139 III 478, mit welchem das Bundesgericht die Berufungsfähigkeit anerkannt habe (HEINZMANN/BRAIDI, in: CPC, 2021, N. 14 zu Art. 242 ZPO).
Andere Autoren befürworten zwar - bei gegebenem Streitwert - ebenfalls die Berufung, begründen ihren Standpunkt jedoch nicht vertiefter (etwa THOMAS ENGLER, in: ZPO Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Myriam A. Gehri und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 10 zu Art. 242 ZPO; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 242 ZPO; MICHAEL GRABER, Die Berufung in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2011, S. 82 f.; DANIEL STAEHELIN, in: Zivilprozessrecht, Adrian Staehelin und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2019, S. 472 § 23 Rz. 34.

6.4 Die in E. 6.3.1 erwähnte Literatur beruft sich zum Teil für ihre Auffassung auf das Urteil 4A_131/2013 vom 3. September 2013 betreffend die Abschreibung eines Schlichtungsverfahrens als gegenstandslos bei Säumnis der klagenden Partei nach Art. 206 Abs. 1 ZPO. In diesem Entscheid stellte das Bundesgericht fest, es handle sich dabei um einen gesetzlich besonders geregelten Fall der Abschreibung zufolge Gegenstandslosigkeit nach Art. 242 ZPO. Die Abschreibungsverfügung nach Art. 206 Abs. 1 ZPO stelle eine prozessleitende Verfügung besonderer Art dar und unterstehe nach Massgabe von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO der Beschwerde (E. 2.2.2.2). Die Frage nach dem zulässigen Rechtsmittel wurde in diesem Verfahren allerdings gar nicht thematisiert, weil der Beschwerdeführer selbst Beschwerde erhoben hatte (vgl. Sachverhalt Bst. B). Diese Rechtsprechung wurde in späteren Entscheiden wiedergegeben, wobei es sich dabei aber zum Teil um Einzelrichterentscheide handelte und die Abgrenzung weder thematisiert wurde noch eine Rolle spielte (Urteile 4A_198/2019 vom 7. August 2019 E. 3; 4D_80/2017 vom 21. März 2018 und 4A_156/2014 vom 15. April 2014 E. 3.1).
BGE 148 III 186 S. 192
Die bei E. 6.3.2 angeführte Literatur bezieht sich andererseits zum Teil auf BGE 139 III 478. In diesem Verfahren war ein Schlichtungsgesuch wegen Säumnis abgeschrieben und ein dagegen gerichtetes Wiederherstellungsgesuch abgewiesen worden. Das Bundesgericht klärte im publizierten Teil des Entscheids, dass auch ein Entscheid, mit dem eine Wiederherstellung im Schlichtungsverfahren verweigert wurde, anfechtbar sei. Denn wie gerade im streitgegenständlichen Verfahren betreffend Kündigung eines Mietvertrags oder bei der Geltendmachung einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 336a i.V.m. Art. 336b Abs. 2 OR) resultiere bei unzulässiger Abschreibung eine Verwirkung des materiellen Anspruchs. Es könnten daher die gleichen Wirkungen eintreten wie bei einer Abweisung der Klage durch das erstinstanzliche Gericht; es müssten deshalb auch ähnliche Rechtsmittelmöglichkeiten bestehen. Habe die Schlichtungsbehörde oder das erstinstanzliche Gericht das Verfahren bereits abgeschlossen und werde mit einem Wiederherstellungsgesuch dessen erneute Öffnung verlangt, sei die Abweisung dieses Gesuchs ein Endentscheid (BGE 139 III 478 E. 6.2 und 6.3). In der Folge äusserte sich das Bundesgericht in der nicht publizierten Erwägung 7 zur Auslegung von Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO ("Endentscheid"). Es erwog, eine Abschreibung gemäss Art. 206 Abs. 1 und 3, Art. 234 Abs. 2, Art. 241 Abs. 3 oder Art. 242 ZPO sei ein Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG. Die unterschiedlichen Auffassungen unter der Zivilprozessordnung - "Endentscheid" oder "prozessuale Verfügung sui generis" bzw. Berufung oder Beschwerde - seien letztlich eine Folge einer unterschiedlichen Konzeption der zwei Begriffe des Endentscheids. Mit Art. 236 Abs. 1 ZPO habe der Gesetzgeber nicht eine von Art. 90 BGG abweichende Definition des Begriffs des Endentscheids einführen wollen. Vielmehr habe er sich auf das dortige Verständnis berufen wollen. Folglich sei Art. 308 ZPO parallel zu Art. 90 BGG auszulegen. Der abweisende Wiederherstellungsentscheid sei somit auch ein Endentscheid i.S.v. Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO und mit Berufung anfechtbar.
Inwieweit zwischen diesen Entscheiden ein Widerspruch besteht (i.d.S. LEUENBERGER, a.a.O., S. 93), muss hier nicht weiter erörtert werden. Jedenfalls hat das Bundesgericht im späteren, als Grundsatzentscheid gefällten BGE 139 III 478 klar festgehalten, Abschreibungsbeschlüsse gemäss Art. 242 ZPO seien Endentscheide. Es gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, zumal auch
BGE 148 III 186 S. 193
die in der Literatur erwähnte Parallele zu Nichteintretensentscheiden (E. 6.3.2 hiervor) dafür spricht.
Schliesslich wird diese Auslegung bestärkt durch die Ausführungen in der Botschaft zur Revision der Zivilprozessordnung (Botschaft vom 26. Februar 2020 zur Änderung der Schweizerischen Zivilprozessordnung [Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung], BBl 2020 2762 f.; vgl. BGE 139 III 133 E. 1.2). Dort ist vorgesehen, in Art. 242 ZPO den Ausdruck "ohne Entscheid" durch "ohne Sachentscheid" zu ersetzen und den Gliederungstitel des 6. Kapitels von "Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid" in "Beendigung des Verfahrens ohne Sachentscheid" zu ändern. Die Botschaft führt dazu aus, damit sei keine inhaltliche Änderung beabsichtigt. Es solle bloss zum Ausdruck gebracht werden, dass erst der gerichtliche Entscheid betreffend die Abschreibung zur Beendigung des Verfahrens führe (BBl 2020 2763). Damit wurde mit der Botschaft ebenfalls die konstitutive Bedeutung des Abschreibungsbeschlusses betont.

6.5 Dem Gesagten zufolge ist die Abschreibung zufolge Gegenstandslosigkeit gemäss Art. 242 ZPO ein Endentscheid im Sinn von Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO, welcher der Berufung unterliegt, sofern der Streitwert gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO erreicht ist. Ist der Streitwert nicht erreicht, unterliegt er als Endentscheid der Beschwerde gemäss Art. 319 lit. a ZPO.

contenu

document entier
regeste: allemand français italien

Etat de fait

Considérants 6

références

ATF: 139 III 478, 139 III 133

Article: Art. 242, art. 308 al. 1 let. a et art. 319 let. a CPC, art. 308 al. 1 let. a CPC, art. 319 let. a CPC, Art. 308 ZPO suite...