86 II 243
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Chapeau
86 II 243
39. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Februar 1960 i. S. Siegrist und Mettler gegen Wenk-Löliger, Eheleute.
Regeste
Servitude foncière datant de 1910 (interdiction d'exercer certaines activités commerciales déterminées).
1. Si un tiers acquiert le fonds servant après l'introduction du registre foncier fédéral ou depuis qu'il y est suppléé par une autre institution en tenant lieu, le contenu de la servitude se détermine, en principe, d'après le nouveau droit (art. 17 al. 2, 46 et 48 al. 3 Tit. fin. CC; consid. 3).
2. L'inscription au registre foncier prévaut contre les autres moyens d'interprétation (art. 971 et, spécialement, 738 CC; consid. 4).
3. Dans la mesure où l'inscription ne se réfère pas à des règles ou notions du droit ancien, l'acquéreur du fonds est en droit de la comprendre selon l'usage actuel de la langue (consid. 5).
4. Sous certaines conditions, une servitude foncière peut aussi avoir pour objet une limitation de l'activité commerciale convenue à seule fin d'empêcher la concurrence (art. 730 al. 1 CC); toutefois, une telle servitude doit être interprétée restrictivement (consid. 6).
5. L'interdiction d'exploiter un commerce de denrées coloniales ou un grand magasin ne vise pas un kiosque tel qu'on en conçoit d'ordinaire l'exploitation à l'heure actuelle (consid. 7 et 8).
A.- Zu Gunsten der Parzelle Sektion A 299 des Grundbuches Riehen, haltend die Liegenschaft Baselstrasse 46, besteht seit dem 1. Oktober 1910 eine Grunddienstbarkeit zu Lasten der davon durch die Schmiedgasse getrennten Parzelle Sektion A 531 1 desselben Grundbuches, haltend die Liegenschaft Baselstrasse 48. Der Eintrag lautet heute wie ehemals:
BGE 86 II 243 S. 245
"Auf der belasteten Liegenschaft darf weder ein Kolonial-, Mercerie- und Schuhwarengeschäft, noch ein Warenhaus betrieben werden."
B.- Das berechtigte Grundstück gehört den Beklagten, Eheleuten Wenk-Löliger, die darin ein Geschäft für Lebensmittel, Merceriewaren, Eisenwaren und Brennmaterial betreiben.
Auf dem nun infolge Kaufes auf die Kläger, Siegrist und Mettler, übergegangenen belasteten Grundstück wurde bisher ein Restaurant betrieben. Die Kläger wollen an dessen Stelle einen Neubau zum Betrieb eines Kinos erstellen und am Eingang einen Kiosk einbauen lassen. Diesen hat bereits die Kiosk A.-G., Bern, gemietet beZw. gepachtet, um darin Zeitungen, Zeitschriften, Bücher uud daneben Tabakwaren, Schokolade, Ice-Cream und Confiserieartikel feilzubieten.
C.- Dem allgemeinen Verkauf von Waren der letztern Art (ausser dem Lesestoff) widersetzten sich die Beklagten mit Berufung auf die Dienstbarkeit. Sie waren nur bereit, die Abgabe solcher Waren ausschliesslich an Kinobesucher zu gestatten. Die Kläger hielten jedoch dafür, der vorgesehene Kioskbetrieb verstosse nicht gegen die Dienstbarkeit. Mit Klage vom 14. Mai 1958 verlangten sie die gerichtliche Feststellung, sie seien berechtigt, auf ihrem Grundstück einen Kiosk zu erstellen und darin Raucherwaren, sowie Schokolade, Ice-Cream und andere Confiserieartikel verkaufen zu lassen.
D.- Das Zivilgericht Basel-Stadt hiess die Klage in vollem Umfange gut. Das von den Beklagten angerufene Appellationsgericht wies sie dagegen im wesentlichen ab. Laut seinem Urteil vom 15. Mai 1959 dürfen die Kläger in dem geplanten Kiosk von den streitigen Waren nur Ice-Cream, frische Confiserieartikel und Backwaren (Törtchen und "Weggli"), dagegen keine Raucherwaren und auch nicht Schokolade, Biskuits und Bonbons verkaufen lassen.
E.- Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung
BGE 86 II 243 S. 246
an das Bundesgericht eingelegt und das Begehren der Klage erneuert.
F.- Zu der im angefochtenen Urteil nicht erörterten Frage, ob für die Auslegung dieser vor Inkrafttreten des ZGB errichteten Grunddienstbarkeit das alte (kantonale) oder das neue (eidgenössische) Recht massgebend sei, äusserte sich der Präsident des Appellationsgerichts auf Anfrage dahin, dem angefochtenen Urteil liege, trotz dem Hinweis auf Kommentare zum Sachenrecht des ZGB in den Erwägungen, das alte Recht zu Grunde. Es handle sich um das Gemeine Recht, wie es im Kanton Basel-Stadt subsidiär gegolten habe. In Betracht falle namentlich der Grundsatz, wonach bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs einer Dienstbarkeitsberechtigung die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks zu berücksichtigen seien (WINDSCHEID/KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Auflage, S. 1064). Es habe nahe gelegen, im angefochtenen Urteil auf die Kommentare zum ZGB zu verweisen, die denselben (wiewohl im ZGB nicht ausgesprochenen) Grundsatz anerkennen (WIELAND, Bem. 2. zu Art. 738 ZGB; LEEMANN, N. 11 hiezu und N. 28 zu Art. 730 ZGB).
G.- Mit Rücksicht auf diese Urteilserläuterung erhielten die Kläger Gelegenheit, die Berufungsschrift zu ergänzen. Sie erklärten zunächst, von der Anwendung kantonalen Rechtes sei bei der öffentlichen Urteilsberatung nicht die Rede gewesen, so wenig wie in den schriftlichen Erwägungen. Nach Ansicht der Kläger ist in Wahrheit eidgenössisches Recht anwendbar; sie rügen dessen Verletzung durch das angefochtene Urteil.
Die Beklagten wollen es dagegen bei der Anwendung des kantonalen Rechtes bewenden lassen, wie sie laut dem erläuternden Bericht der Vorinstanz erfolgt ist. Sie beantragen daher, auf die Berufung sei nicht einzutreten. Der Eventualantrag geht auf Abweisung der Berufung.
H.- Die staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten - die mit dem im wesentlichen zu ihren Gunsten ergangenen Rechtsspruch der Vorinstanz als solchem einverstanden
BGE 86 II 243 S. 247
sind, ihm aber, um einem Erfolg der Berufung der Kläger vorzubeugen, mit ihrer Beschwerde eine sicherere tatbeständliche Grundlage verschaffen wollten - ist heute abgewiesen worden. Die Berufung ist somit nun abschliessend zu beurteilen, und zwar auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie das angefochtene Urteil feststellt.Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Ob es angehe, das angefochtene Urteil gemäss dem nachträglichen Erläuterungsbericht der Vorinstanz als altrechtliches zu betrachten, obwohl sich die Erwägungen nicht auf altes Recht stützen und nach den unwiderlegten Erklärungen der Kläger auch bei der Urteilsberatung nicht von altem Rechte die Rede war, kann dahingestellt bleiben. Geht man von einer auf altem (kantonalem) Recht beruhenden Entscheidung aus, so ist auf alle Fälle zu prüfen, ob nicht richtigerweise, wie es die Kläger geltend machen, nach eidgenössischem Recht hätte entschieden werden sollen, wie denn die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechtes eine im Berufungsverfahren beachtliche Verletzung des Bundesrechtes ist (Art. 43 Abs. 2 OG). Sollte gegenteils Bundesrecht angewendet worden sein, so wäre vorweg zu prüfen, ob nicht gemäss dem Standpunkt der Beklagten kantonales Recht (in vollem Umfange oder doch in bestimmter Hinsicht) hätte angewendet werden sollen. Würde dies bejaht, so wäre, bei ausschliesslicher Anwendbarkeit des kantonalen Rechtes, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Beurteilung nach kantonalem Recht an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. Art. 60 Abs. 1 lit. c OG) oder, bei Anwendbarkeit kantonalen Rechtes neben eidgenössischem Recht, gemäss Art. 65 OG vorzugehen.
3. Die vor Inkrafttreten des ZGB entstandenen Rechte unterstehen nach Art. 17 Abs. 2 SchlT, "soweit dieses Gesetz eine Ausnahme nicht vorsieht", in bezug auf ihren Inhalt nun dem neuen Recht. Als Ausnahme
BGE 86 II 243 S. 248
von dieser Regel fällt in erster Linie die intertemporale Ordnung des Grundbuchrechts in Betracht. Die vorhandenen kantonalen Register boten zum grossen Teil keine genügende Gewähr und bedurften der Bereinigung. Das neue Grundbuchrecht konnte daher nicht durchwegs am 1. Januar 1912 in Kraft treten. Die volle Grundbuchwirkung des ZGB knüpft sich erst an die Einführung des eidgenössischen Grundbuches oder an die Gleichstellung einer andern Einrichtung mit diesem Grundbuch (Art. 48 Abs. 3 SchlT). Indessen ist neben andern gerade das Grundbuch des Kantons Basel-Stadt schon auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des ZGB dem neuen Grundbuch mit voller Wirkung gleichgestellt worden (§§ 228 und 229 des kantonalen EG zum ZGB; Bundesblatt 1917 II 181; MUTZNER, N. 9 zu Art. 46 SchlT; JENNY, Der öffentliche Glaube des Grundbuches, S. 221). Somit können sich die Kläger, die das belastete Grundstück auf Grund eines Kaufvertrages unter der Herrschaft des neuen Rechtes (und damit eben auch des neuen Grundbuchrechtes) erworben haben, als gutgläubige Dritte auf die neue Rechtsordnung berufen. Insoweit hat es beim Grundsatz des Art. 17 Abs. 2 SchlT sein Bewenden. Eine andere Frage ist, ob und wieweit diese Vorschrift überhaupt auf Grunddienstbarkeiten Anwendung finde. Deren konkreter Inhalt ist ja (anders als bei persönlichen Dienstbarkeiten bestimmter Art) nicht durch Gesetz, sondern durch Rechtsgeschäft, insbesondere Vertrag, festgelegt. In einer Reihe von Entscheidungen hat nun das Bundesgericht den Art. 17 Abs. 2 SchlT nur als Anwendungsfall der allgemeinen Norm des Art. 3 SchlT betrachtet und ihm die Auslegung der unter altem Recht errichteten Grunddienstbarkeiten mit der Begründung entzogen, ihr Inhalt werde nicht gemäss der Voraussetzung des Art. 3 SchlT "unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben". Es handle sich vielmehr um die Auslegung eines Rechtsgeschäftes nach dem Sinn, wie er ihm von Anfang an auf Grund der beim Geschäftsabschluss BGE 86 II 243 S. 249
geltenden Rechtsordnung zugekommen sei (vgl.BGE 38 II 750,BGE 39 II 152und 203,BGE 40 II 214/15,BGE 53 II 109und, betreffend Grundlasten, 383/85; dazu namentlich K. R. NAEGELI, Die Auslegung der Grunddienstbarkeiten, Diss. 1935, S. 158 ff.). Die neuere Rechtsprechung hat dann aber, mit Hinweis auf die von Art. 3 SchlT abweichende Fassung des Art. 17 Abs. 2 SchlT, dem neuen Recht zur Bestimmung des Inhalts einer unter altem Recht begründeten Grunddienstbarkeit insoweit Raum gegeben, als das Rechtsgeschäft diesen Inhalt weder ausdrücklich noch dem Sinne nach geordnet hat. Insbesondere können auch die nicht als zwingend zu erachtenden neurechtlichen Bestimmungen, die den Inhalt der Grunddienstbarkeiten betreffen, auf altrechtliche Grunddienstbarkeiten angewendet werden, sofern keine abweichende rechtsgeschäftliche Ordnung getroffen worden ist. Art. 17 Abs. 2 SchlT will eben auch solche altrechtliche Verhältnisse grundsätzlich dem Wandel der allgemeinen Rechtsgrundsätze unterwerfen (BGE 64 II 411; zustimmend GUHL in ZbJV 75 S. 550/51 und LIVER, N. 231-235 zu Art. 737 ZGB; in gleichem SinneBGE 70 II 31undBGE 73 II 27).
4. Das soeben Gesagte würde freilich im vorliegenden Falle die Anwendung des vor 1912 geltenden Rechtes zunächst nicht hindern. Geht der Streit doch hauptsächlich um den konkreten, auf altrechtlichem Vertrag beruhenden Sinn des als Grunddienstbarkeit festgelegten Verbotes, "ein Kolonialwaren- ... geschäft" oder "ein Warenhaus" zu betreiben, und um die Frage, ob dieses Verbot auch den von den Klägern geplanten Betrieb eines Kioskes treffe. Der Umstand, dass man es bei diesem Projekt mit einer erst nach Inkrafttreten des neuen Rechtes eingetretenen Tatsache zu tun hat, stünde an und für sich der Anwendung des alten Rechtes nicht entgegen. Denn ob eine neue Tatsache einem vom alten Recht beherrschten Vertrag widerspreche, bleibt eine Frage der Auslegung dieses Vertrages (vgl.BGE 79 II 401). Allein
BGE 86 II 243 S. 250
als Dritterwerber des belasteten Grundstückes sind die Kläger nicht an den alten Dienstbarkeitsvertrag als solchen gebunden. Wie bereits in Erw. 3 dargetan, stehen sie im Genuss der vollen Grundbuchwirkung des neuen Rechtes. Die Dienstbarkeitslast gilt daher für sie lediglich so, wie sie nach dem (unverändert gebliebenen) Stand des Grundbuches begründet ist. Denn der Grundbucheintrag ist gegenüber dem gutgläubigen Dritterwerber nicht nur für den Bestand, sondern auch für den Inhalt der dinglichen Rechte massgebend. Dieser Inhalt ist zwar in manchen Fällen, gerade bei Grunddienstbarkeiten, im Hauptbuch nur durch ein Stichwort umschrieben ("Fusswegrecht", "Gewerbebeschränkung" und dergleichen; siehe Art. 35 Abs. 2 der Grundbuchverordnung). Er kann aber nur "im Rahmen des Eintrages" durch die Belege oder auf andere Weise nachgewiesen werden (Art. 971 Abs. 2 ZGB; dazu OSTERTAG, N. 18, und HOMBERGER, N. 21). Für die Grunddienstbarkeiten verdeutlicht Art. 738 ZGB diesen Grundsatz in dem Sinne, dass, wenn sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, dieser - allein - für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend ist. In einem solchen Falle braucht der Grundstückserwerber gar nicht nach Belegen und andern Auslegungsmitteln zu forschen. Er kann sich an den Eintrag halten, und es können ihm daher nicht davon abweichende Schriftstücke entgegengehalten werden, selbst wenn sich solche bei den Grundbuchbelegen vorfinden (BGE 83 II 122; dazu ZbJV 95 S. 27/28). Im vorliegenden Falle beschränkt sich der Grundbucheintrag in der Tat nicht auf stichwortartige Bezeichnung der Dienstbarkeit, sondern sagt klar und bestimmt, was verboten sein soll: vier genau umschriebene Arten gewerblicher Betätigung. Im übrigen haben sich die Beklagten gar nicht auf Grundbuchbelege berufen. Der alte Dienstbarkeitsvertrag soll sich (laut S. 6 der Klagebeantwortung) nicht auf dem Grundbuchamt befinden, sondern seinerzeit nach damaligem Brauch dem verurkundenden Notar zurückgegeben BGE 86 II 243 S. 251
worden sein. Er enthalte übrigens (laut S. 4 oben der Berufungsantwort) nichts anderes als "genau dieselbe Bezeichnung der Parteien und dieselbe wörtliche Fassung wie das Grundbuchblatt sowie das Grundbuchprotokoll selbst". Unter diesen Umständen kann vollends nicht von einem den Grundbucheintrag in wesentlicher Beziehung ergänzenden Rechtsgrundausweis die Rede sein.
5. Gegenstand der Auslegung ist somit kein altrechtlicher Vertrag, überhaupt keine vom alten Recht beherrschte Urkunde, sondern ausschliesslich der Text eines neurechtlichen Registers öffentlichen Glaubens. Dieser Text ist seinem Rechtscharakter entsprechend aus sich selbst, nach heutigem (allgemeinen oder allenfalls auch örtlichen) Sprachgebrauch auszulegen. Es ist gleichgültig, ob sich allenfalls die seinerzeit beim Vertragsabschluss im Jahre 1910 gegebenen Verhältnisse, die Tätigkeit und die Vermögensverhältnisse, die Anschauungen und Absichten der Vertragschliessenden noch näher abklären liessen. All dies fällt für die Kläger ausser Betracht.
Damit ist allerdings nicht gesagt, die (aus dem Grundbuch ersichtliche) Entstehungszeit der Dienstbarkeit sei unter allen Umständen bedeutungslos. Hätte man es mit einem erkennbar dem alten Sachenrecht entnommenen Grunddienstbarkeitstypus zu tun (vgl. etwa die im alten kantonalen Recht näher ausgestalteten Weide- und Beholzungsrechte oder das sog. Streck- und Tretrecht, worüber siehe E. HUBER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Band III, S. 312, 338, 381 ff.), so wäre zur Erläuterung des heutigen Grundbucheintrages auf das alte Recht der Dienstbarkeiten zurückzugreifen. Davon ist hier aber nicht die Rede. Der vorliegende Eintrag nimmt keinen Bezug auf altrechtliche Dienstbarkeitstypen. Gegenstand der streitigen Dienstbarkeit ist eine Gewerbebeschränkung, die nicht etwa dazu dient, Einwirkungen durch Lärm, Rauch, üble Dünste oder Erschütterung und dergleichen über die Gebote des Nachbarrechts hinaus vom berechtigten Grundstück fernzuhalten, sondern
BGE 86 II 243 S. 252
lediglich das dort betriebene Gewerbe vor wirtschaftlicher Konkurrenz schützen soll. Es handelt sich um Pflichten, die ihrem Inhalt nach dem (im Jahre 1910 längst bundesrechtlich geordneten) Obligationenrecht angehören. Was aber die Verdinglichung dieser Pflichten in Gestalt einer Grunddienstbarkeit betrifft, sind, wie bereits dargetan, nunmehr die Art. 730 ff. ZGB (soweit sie sich auf den Rechtsinhalt beziehen) auch auf die aus dem alten Recht stammenden Grunddienstbarkeiten anwendbar. Insbesondere ist es eine Frage des eidgenössischen Rechts, ob und in welchem Sinne der von Kommentaren des ZGB dem Pandektenrecht entnommene Grundsatz anzuerkennen sei, wonach bei Zweifelsfragen der Auslegung das Bedürfnis des berechtigten Grundstücks zu berücksichtigen ist.
6. Abgesehen davon indessen, dass selbst Autoren des Pandektenrechts dieses Bedürfnis vornehmlich nur zur Begrenzung der Belastung, zur Bestimmung ihres Höchstmasses, berücksichtigt wissen wollen (vgl. DERNBURG, System des römischen Rechts, 8. Auflage, Band I S. 425 mit Fussnote 7), wäre es mit der Grundbuchwirkung des ZGB unvereinbar, die Last über den sich aus dem Eintrag deutlich ergebenden Inhalt hinaus zu erweitern. Einschränkend sind namentlich Dienstbarkeiten wie die vorliegende auszulegen, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Betätigung untersagen, zu der er nicht bloss kraft seines Grundeigentums, sondern kraft der jedermann zustehenden persönlichen Freiheit befugt wäre. Man kann sich sogar fragen, ob eine solche einzig im Sinn eines Konkurrenzverbotes vereinbarte Gewerbebeschränkung sich überhaupt als Grunddienstbarkeit verdinglichen lasse. In der Rechtslehre ist dies umstritten geblieben. Während KOHLER (Archiv für ziv. Praxis 87, 1897, S. 174) die Frage grundsätzlich verneinte, ebenso, für das Recht des ZGB, SCHWANDER (Grunddienstbarkeiten, Diss. 1910, S. 33), haben Lehre und Rechtsprechung zum ZGB sie im allgemeinen bejaht (BGE 78 II 26/27 Erw. 4; WIELAND,
BGE 86 II 243 S. 253
Bem. 5, und LEEMANN, N. 21, zu Art. 730 ZGB; N.AEGELI, a.a.0., S. 61). Demgegenüber nimmt neuestens LIVER (N. 123 ff., namentlich N. 135/36 zu Art. 730 ZGB) eine kritische Stellung ein. Indessen ist grundsätzlich an der in der Schweiz herrschend gewordenen Ansicht festzuhalten, die angesichts der zahlreichen Dienstbarkeiten solcher Art geradezu gewohnheitsrechtliche Bedeutung gewonnen hat. Die durch Art 730 Abs 1 ZGB gezogenen Schranken bleiben jedenfalls dann gewahrt, wenn die Last zum Schutz eines auf dem berechtigten Grundstück dauernd betriebenen Gewerbes begründet wird, das diesem Grundstück seinen wirtschaftlichen Charakter aufprägt. So verhält es sich hier. Derartige Beschränkungen der Betätigungsfreiheit aus rein wirtschaftlichen Konkurrenzgründen stellen aber innerhalb der schweizerischen Rechtsordnung einen Ausnahmezustand dar. Das streitige Verbot geht daher keinesfalls weiter, als wie es sich aus dem Grundbucheintrag deutlich ergibt, und ist, wenn Zweifel über seine Tragweite auftauchen, eng auszulegen. Ein weitergehendes Bedürfnis der Eigentümer des berechtigten Grundstücks fällt nicht in Betracht. Die wirtschaftliche Freiheit des Nachbars bleibt bestehen, soweit sie nicht laut dem Grundbucheintrage preisgegeben worden ist.
7. Diese Schranken der Belastung hat das Urteil des Zivilgerichts beachtet, während das Urteil des Appellationsgerichts sie durchbricht.
a) Von der Herkunft mancher Tabaksorten aus überseeischen Ländern ausgehend, zählt das Appellationsgericht auch Tabakwaren zu den "Kolonialwaren". Diese logisch-begriffliche Ableitung hält aber vor den oben dargelegten Grundsätzen des Grundbuchrechtes nicht stand. Danach kommt es auf den landläufigen Sprachgebrauch an. Die Kläger durften beim Erwerb des Grundstücks den Ausdruck "Kolonialwarengeschäft" so verstehen, wie er im Gebrauche steht. Der Begriff der Kolonialware ist freilich nicht in jeder Hinsicht fest umgrenzt.
BGE 86 II 243 S. 254
So zählt Brockhaus'Konversationslexikon von 1894 neben Nahrungsmitteln auch Baumwolle, Farb- und Nutzhölzer dazu, während der Grosse Brockhaus von 1955 als Beispiele nur Nahrungsmittel entsprechender Herkunft (aus tropischen oder subtropischen Ländern) anführt. Tabakwaren werden jedoch gemeinhin nicht zu den Kolonialwaren gerechnet. Dass manche so bezeichnete Geschäfte auch Tabakwaren führen, darf nicht beirren. Es handelt sich alsdann um einen neben den Kolonialwaren in das Geschäft einbezogenen Artikel, wie denn solche Erweiterungen des Geschäftsbereiches etwa durch ausdrückliche Beifügungen deutlich gemacht werden (z.B. "Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren"; siehe BGE 85 II 179).b) Wie es sich mit der vom Appellationsgericht ohne jedes Bedenken als Kolonialware betrachteten Schokolade verhält - insbesondere mit der, allerdings aus überseeischem Grundstoff, in der Schweiz in mannigfacher Weise verarbeiteten Ess-Schokolade verschiedener Marken -, kann dahingestellt bleiben. Der vorliegende Grundbucheintrag verbietet nämlich (hierin vom Fall des soeben erwähnten Entscheides abweichend) gar nicht den Verkauf von Kolonialwaren schlechthin, sondern den Betrieb eines Kolonialwaren-"geschäftes". Ein Kiosk (Verkaufsstand für Zeitungen, Erfrischungen usw., laut dem Grossen Brockhaus 1955) wird nun weder unter Kaufleuten noch im Publikum als Kolonialwarengeschäft bezeichnet. Darüber glaubt die Vorinstanz zu Unrecht hinweggehen zu sollen mit der Bemerkung, es bestehe nur ein (in ihren Augen unerheblicher) organisatorischer Unterschied: Beim Kiosk kaufe man von der Strasse her ein, ohne den Verkaufsraum wie beim Ladengeschäft zu betreten. Zu beachten ist jedoch ausserdem die verschiedene wirtschaftliche Zweckbestimmung. Beim Kiosk tätigt man Kleinkäufe; abgesehen von Zeitungen, Zeitschriften und ähnlichem Lesestoff ersteht man etwa ein Päcklein Zigaretten oder Stumpen, Süssigkeiten, für 50 Rappen Erdnüsschen und dergleichen. Für die ordentlichen
BGE 86 II 243 S. 255
Einkäufe, namentlich für die Beschaffung grösserer Warenmengen, sucht man dagegen das besser ausgestattete, die sorgfältige Prüfung und Auswahl ermöglichende "Geschäft" auf. Wer eine Kiste Zigarren, eine grössere Packung Zigaretten, einen guten Pfeifentabak, eine Schachtel Biscuits für den Haushalt, ein Paket Schokolade und dergleichen sich beschaffen will, geht in der Regel nicht zum Kiosk, sondern zum Kolonialwarenhändler oder ins Spezialgeschäft.c) Gewiss wird den Beklagten auf dem Gebiete der streitigen Waren aus dem Kioskbetrieb eine nicht unbeträchtliche Konkurrenz erwachsen. Das rechtfertigt es aber nach dem Gesagten nicht, das Verbot über den Grundbucheintrag hinaus auf einen Betrieb solcher Art auszudehnen. Es ist belanglos, aus welchem Grunde die Dienstbarkeit nicht weiter gefasst wurde, sei es durch Einbeziehung von Kioskbetrieben, sei es durch ein Verbot des Verkaufs gewisser Waren als solcher statt bloss eigentlicher "Geschäfte". Die Vermutung der Vorinstanz, man dürfte beim Abschluss des Dienstbarkeitsvertrages nicht an die Möglichkeit der Konkurrenzierung durch einen Kioskbetrieb gedacht haben, weil sich wohl damals in Riehen noch gar kein Kiosk befunden habe, kann daher auf sich beruhen bleiben. Sie steht übrigens auf schwachen Füssen; denn nicht nur war der Name Kiosk und sein heutiger Begriff als Kleinverkaufsstätte damals in Europa längst bekannt (vgl. Brockhaus'Konversationslexikon von 1894), sondern nach Feststellung der Vorinstanz gab es im Jahre 1910 in der Stadt Basel auf grossen Plätzen und an wichtigen Tramhaltestellen bereits solche Kioske. Zur Zeit der Errichtung der Dienstbarkeit war Riehen auch nicht etwa ein einsames Bauerndorf, sondern ein Vorort von Basel mit über 3000 Einwohnern (Statistisches Jahrbuch von Basel Stadt 1921, Tabelle a 2 mit chronologischer Übersicht), und die Vertragschliessenden waren Geschäftsleute, die mit den Verhältnissen in Basel vertraut sein mussten.
8. Dem von den Beklagten endlich eingenommenen Standpunkt, der geplante Kiosk habe als ein von der Dienstbarkeit verbotenes "Warenhaus" zu gelten, ist ebenfalls nicht beizutreten. Das - auf Befriedigung des Massenbedarfs an Waren zahlreicher Gattungen ausgerichtete - Warenhaus ist ein "Geschäft" der ausgeprägtesten Art, mit dem ein Kiosk vollends nicht auf gleiche Linie zu stellen ist. Niemand nennt denn auch im Ernst einen Kiosk ein Warenhaus und den Kioskinhaber Leiter eines Warenhauses. Vom Verbot des Betriebes eines solchen Grossgeschäftes wird daher der geplante Kiosk nicht betroffen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Mai 1959 aufgehoben und das Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 27. Oktober 1958 wiederhergestellt.