129 V 73
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Chapeau
129 V 73
10. Auszug aus dem Urteil i.S. Pensionskasse des Personals der Firma L. gegen K. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
B 26/01 vom 29. November 2002
Regeste
Art. 23 LPP; art. 69 LAI en corrélation avec l'art. 84 LAVS: Participation à la procédure et coordination.
L'office AI est tenu de notifier d'office une décision de rente à toutes les institutions de prévoyance entrant en considération. Lorsqu'il n'est pas intégré à la procédure, l'assureur LPP - qui dispose d'un droit de recours propre dans les procédures régies par la LAI - n'est pas lié par l'évaluation de l'invalidité (principe, taux et début du droit) à laquelle ont procédé les organes de l'assurance-invalidité.
Aus den Erwägungen:
4. Die Rechtsprechung liess bisher offen, ob den Vorsorgeeinrichtungen von Amtes wegen eine Verfügung zuzustellen ist, wie
BGE 129 V 73 S. 74
dies Art. 76 IVV für die Unfallversicherer, die Militärversicherung und die Krankenkassen (in den Fällen von Art. 88quater IVV) vorsieht, und ob ihnen gestützt auf Art. 84 AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG ein selbstständiges Beschwerderecht zusteht ( BGE 115 V 208, insbes. 213 Erw. 3). Der hier zu beurteilende Fall bietet Anlass zu prüfen, ob der unterbliebene Einbezug der Vorsorgeeinrichtung in das vorangehende IV-Verfahren eine Verbindlichkeitswirkung der dort getroffenen Feststellungen und Beurteilungen aus formellen Gründen ausschliesst. Eine Beantwortung der in BGE 115 V 213 Erw. 3 offen gelassenen Frage und damit eine Klärung der Rechtslage ist auch deswegen angezeigt, weil Prozesse betreffend die Haftungsverlängerung gemäss Art. 23 BVG, in denen es um die Frage nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vor, während oder nach einem Vorsorgeverhältnis geht, zu den häufigsten gerichtlichen Streitsachen der beruflichen Vorsorge gehören.
4.1 Es entspricht einem unbestrittenen, unter der Herrschaft der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 wie der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen (neuen) Bundesverfassung vom 18. April 1999 (AS 1999 2555; BBl 1999 7922) gleichermassen anerkannten rechtsstaatlichen Minimalstandard (vgl. BGE 126 V 130), dass ein Rechtssubjekt eine von einer Behörde verfügte Rechtsfolge nur dann gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn es vorgängig dazu angehört worden ist. Rechtsprechung (statt vieler: BGE 122 V 158 Erw. 1a mit Hinweisen) und Literatur (stellvertretend: MICHEL HOTTELIER, Les garanties de procédure, in: THÜRER/AUBERT/MÜLLER, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 51 Rz 10 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 493 ff.; MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 259 ff.) stimmen darin überein, dass ein wesentlicher Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Recht der betroffenen Person auf Orientierung, Äusserung und - häufig zentral - der Mitwirkung bei der Sachverhaltsabklärung (Teilnahme am Beweisverfahren) besteht. Mit dieser rechtsstaatlichen Minimalanforderung eines fairen Verfahrens ist es nicht vereinbar, dass eine Vorsorgeeinrichtung die von der IV-Stelle vorgenommene Festlegung des Invaliditätsgrades und des Eintritts der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge kraft Verbindlichkeitswirkung gemäss Rechtsprechung (vgl. BGE 126 V 310 f. Erw. 1 in fine mit Hinweisen) grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss, ohne im Verfahren vor der IV-Stelle einbezogen
BGE 129 V 73 S. 75
worden zu sein. Das auf fehlende Bindung bei offensichtlicher Unhaltbarkeit lautende Korrektiv gemäss der geltenden Rechtsprechung (vgl. BGE 126 V 311 Erw. 1 in fine) ändert an der Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Missachtung der daraus fliessenden Mitwirkungsrechte nichts. Denn es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob die Vorsorgeeinrichtung am IV-Verfahren, das zum verbindlichen Entscheid führt, teilnehmen kann mit der Möglichkeit, auf jeden tatsächlichen oder rechtlichen Fehler hinzuweisen oder ob sie der Verbindlichkeitswirkung als grundsätzlichem fait accompli nur bei erstellter offensichtlicher Unhaltbarkeit entgeht. Auf diesen Mangel in der Verfahrensgestaltung hat insbesondere CHRISTIAN ZÜND (Enge Bindung der Vorsorgeeinrichtungen an die Feststellungen der IV-Organe - jedoch ohne Verfahrensbeteiligung: wie lange noch?, in: SZS 2001 S. 31 ff.) hingewiesen. Die Rechtsprechung, wonach der Entscheid der IV-Organe für die Vorsorgeeinrichtungen verbindlich sei - selbst ohne Beteiligungsmöglichkeit derselben am Verfahren - halte dem ausdrücklich in der Verfassung gewährleisteten Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) nicht stand (ZÜND, a.a.O., S. 37). Er verweist auf BGE 126 V 288, wo das Eidgenössische Versicherungsgericht festhielt, dass die erforderliche Koordination im Verhältnis zwischen Unfallversicherer und Invalidenversicherung nach gewissen Mitwirkungsrechten des durch eine verfügungsmässige Festlegung der Invalidität in einem Sozialversicherungsbereich tangierten anderen Versicherers verlange (vgl. BGE 126 V 294).
4.2.1 Nun hat sich der Gesetz- oder Verordnungsgeber in verschiedenen Bereichen des Problems angenommen, namentlich durch den - gleichsam modellhaften - Art. 129 UVV. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung obliegt dem Unfallversicherer eine umfassende Pflicht zur Verfügungseröffnung an sämtliche Sozialversicherer, soweit die erlassene Verfügung geeignet ist, die Leistungspflicht der anderen Sozialversicherungsträger zu berühren (vgl. statt vieler RKUV 1997 Nr. U 276 S. 195). De lege lata besteht sodann im Bereich der Invalidenversicherung eine Bestimmung im Verhältnis zur Krankenversicherung (Art. 88quater IVV; BGE 120 V 294).
4.2.2 Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 (BBl 2000 5041 ff., 5052), welches auf den 1. Januar 2003 in Kraft treten wird (AS 2002 3393), kennt in Art. 49 Abs. 4 eine Bestimmung, welche dem
BGE 129 V 73 S. 76
Art. 129 UVV inhaltlich entspricht: Erlässt ein Versicherungsträger eine Verfügung, welche die Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, so hat er auch ihm die Verfügung zu eröffnen (Satz 1). Dieser kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person (Satz 2). Da das ATSG zur Zeit noch nicht in Kraft steht, könnte eingewendet werden, es bestehe de lege lata im Unterschied zu anderen Normen und Bereichen keine Bestimmung, welche der IV-Stelle die Verfügungseröffnung an die Vorsorgeeinrichtung vorschreibe. Indessen kommt der Pflicht zur Verfügungseröffnung nach dem in Erw. 4.1 hievor Gesagten nicht nur koordinationsrechtlicher Charakter zu, sondern sie ist wesentlich verfassungsrechtlich - durch das Gebot, das rechtliche Gehör zu gewähren - geprägt. Im Hinblick auf die verbindliche Wirkung der IV-rechtlichen Qualifikation, an der festzuhalten ist, sind die IV-Stellen - unmittelbar gestützt auf die verfassungsrechtliche Pflicht zur Gehörsgewährung - gehalten, die Vorsorgeeinrichtung(en) spätestens im Vorbescheidverfahren (Art. 73bis IVV) und nach dessen Ersetzung durch das Einspracheverfahren ab 1. Januar 2003 angelegentlich der Verfügungseröffnung in das IV-rechtliche Verfahren einzubeziehen. Wie den Unfallversicherer im Rahmen von Art. 129 UVV trifft auch die IV-Stelle die Pflicht, die involvierten oder als solche in Betracht fallenden Vorsorgeeinrichtungen zu ermitteln. Kommt die IV-Stelle diesen Pflichten zur Gehörsgewährung an die Vorsorgeeinrichtung nicht nach, vermag ihr Beschluss keine Bindungswirkung für die berufliche Vorsorge zu entfalten.