Chapeau
143 III 453
60. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_648/2016 vom 3. Juli 2017
Regeste
Art. 178 CPC; notion d'authenticité d'un titre.
L'art. 178 CPC ne se rapporte qu'à l'authenticité au sens étroit, c'est-à-dire à la question de savoir si le titre émane de la personne qu'il désigne comme auteur. Cette disposition ne vise pas l'exactitude du contenu du titre (consid. 3).
Faits à partir de page 454
A. Am 9. September 1986 wurde der Konkurs über die Einzelfirma von B. eröffnet. Am 21. März 1988 wurden in diesem Konkurs zwei Verlustscheine ausgestellt. Sie betreffen zwei Forderungen der C. AG über den Betrag von Fr. 35'847.10 bzw. Fr. 4'088.95. Beide Verlustscheine tragen auf der Rückseite eine auf den 10. Mai 1988 datierte Abtretungserklärung, wonach die Forderung über Fr. 35'847.10 bzw. Fr. 4'088.95 samt Nebenrechten an A. abgetreten werde. Unterzeichnet sind die Abtretungen mit "A., VR-Präsident, Einzelunterschrift". Am 10. März 1993 wurde der Konkurs über die C. AG eröffnet; ihre Löschung erfolgte am 9. Juli 1998.
Im Jahre 2010 setzte A. die beiden Verlustscheinforderungen im Gesamtbetrag von Fr. 39'936.05 gegen B. in Betreibung. B. erhob Rechtsvorschlag. Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden erteilte am 25. Mai 2011 die provisorische Rechtsöffnung für Fr. 39'936.05. Die dagegen von B. erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (vgl. Urteil 5A_586/2011 vom 20. Oktober 2011).
B. Am 23. Juni 2011 erhob B. Aberkennungsklage beim Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden. Das Kantonsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2015 ab und stellte fest, dass die Forderung von A. über Fr. 39'936.05 besteht.
C. Am 11. September 2015 erhob B. Berufung an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden. Mit Entscheid vom 1. März 2016 hiess das Obergericht die Berufung gut und hob das Urteil des Kantonsgerichts vom 12. Mai 2015 auf. Es hiess die Klage von B. gut und stellte fest, dass die in Betreibung gesetzte Forderung im Betrag von Fr. 39'936.05 nicht besteht.
D. Am 9. September 2016 hat A. (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Abweisung der Aberkennungsklage.
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. B. (Beschwerdegegner) beantragt mit Beschwerdeantwort vom 1. März 2017, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Die Parteien haben repliziert und dupliziert.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
BGE 143 III 453 S. 455
Aus den Erwägungen:
3. Gemäss
Art. 178 ZPO (mit der Marginalie "Echtheit") hat die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, deren Echtheit zu beweisen, sofern die Echtheit von der andern Partei bestritten wird; die Bestreitung muss ausreichend begründet werden.
3.1 Massgebend für jede Auslegung ist in erster Linie der Wortlaut der fraglichen Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf die Entstehungsgeschichte, auf den Zweck der Norm, auf die ihr zugrunde liegenden Wertungen und auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht (
BGE 139 III 368 E. 3.2 S. 372 f.;
BGE 140 III 616 E. 3.3 S. 621; je mit Hinweisen).
3.2 Der Wortlaut von
Art. 178 ZPO ist nicht eindeutig. Der Begriff "Echtheit" ("authenticité", "autenticità") kann Verschiedenes bedeuten. Das Eigenschaftswort "echt" (desgleichen "authentique" und "autentico") kann insbesondere ausdrücken, dass ein fragliches Objekt tatsächlich von derjenigen Person stammt, die als Urheber erkennbar ist (z.B. "ein echter Rembrandt" etc.). Andererseits kann es - über die blosse Urheberschaft hinaus - auf die Qualität des fraglichen Objekts als unverfälscht oder wahr verweisen (z.B. "echtes Gold", "echte Gefühle" oder "die Echtheit eines historischen Zeugnisses"). Der alltägliche Sprachgebrauch ist demnach uneinheitlich. Hingegen ist es im juristischen Sprachgebrauch verbreitet, von Echtheit einer Urkunde bloss dann zu sprechen, wenn die Identität ihres Verfassers in Frage steht, und diesen Aspekt damit scharf von der Frage der inhaltlichen Richtigkeit oder Wahrheit der Urkunde zu trennen (vgl. Urteil 5A.3/2007 vom 27. Februar 2007 E. 2 zu
Art. 9 ZGB; MAX KUMMER, in: Berner Kommentar, Einleitung,
Art. 1-10 ZGB, 1962, N. 39 zu
Art. 9 ZGB; MICHEL MOOSER, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 18 zu
Art. 9 ZGB; STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 7. Aufl. 2013, § 36 Rz. 4 ff. zu
Art. 251 StGB [Urkundenfälschung]; vgl. demgegenüber etwa den früheren Art. 230 der ZPO/BE, wo von der "Echtheit des Inhaltes oder der Unterschrift einer Urkunde" ["la vérité du contenu ou de la signature d'un titre" in der französischen Fassung] die Rede war, wobei mit Echtheit des Inhalts dessen Richtigkeit
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gemeint war [LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl. 2000, N. 1a zu
Art. 230 ZPO/BE]).
3.3 In der bundesrätlichen Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung wird der Begriff der Echtheit nicht ausdrücklich definiert. Die entscheidende Stelle lautet wie folgt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7322 Ziff. 5.10.3 zu Art. 174-177 des Entwurfs):
"Die Beweislast für die Echtheit einer Urkunde trägt nach allgemeiner Regel (Art. 8 ZGB) jene Partei, die sich auf das Dokument beruft (Art. 175). Doch kann sich die Gegenpartei nicht einfach auf eine pauschale Bestreitung der Echtheit beschränken. Vielmehr muss sie konkrete Umstände dartun, die beim Gericht ernsthafte Zweifel an der Authentizität des Dokumentes (Inhalt oder Unterschrift) wecken."
Zweifel an der Geltung des engen, juristisch-technischen Begriffs der Echtheit entzünden sich an der Klammerbemerkung im zuletzt zitierten Satz ("Inhalt oder Unterschrift"). Damit könnte eine Umschreibung des Begriffs der "Echtheit" gemeint sein, d.h. dass darunter sowohl die Echtheit der Unterschrift (d.h. der erkennbare Aussteller ist der tatsächliche Aussteller) als auch die Echtheit des Inhalts (d.h. dessen Richtigkeit oder Wahrheit) fallen. Diese Lesart ist aber nicht zwingend. Wenn man vom engen Begriff der Echtheit ausgeht (d.h. davon, dass das Dokument vom erkennbaren Urheber herrührt), könnte die in Klammern gesetzte Aufzählung nämlich auch bedeuten, dass die Zweifel an dieser Urheberschaft auf die Unterschrift (z.B. ungewöhnliches Schriftbild) oder den Inhalt des Dokumentes (z.B. ungewöhnlicher Inhalt für den angeblichen Aussteller oder sonstige Hinweise für ein nachträgliches Manipulieren, d.h. ein Verfälschen, einer eine echte Unterschrift tragenden Urkunde [vgl. STRATENWERTH/BOMMER, a.a.O., § 36 Rz. 14]) zurückgeführt werden können. Ein wenig ausführlicher äussert sich diesbezüglich der Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission (2003;
www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/archiv/zivilprozessrecht.html, unter: Begleitbericht [...]). Er enthält zwar ebenfalls keine ausdrückliche Definition der Echtheit. Zum entsprechenden Art. 171 des Vorentwurfs ("Die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, hat deren Echtheit zu beweisen, sofern diese von der andern Partei mit zureichenden Gründen bestritten wird.") hält der Bericht aber fest (S. 85): "Die Beweisbedürftigkeit der Echtheit setzt somit eine substantiierte Bestreitung voraus, indem ernsthafte Zweifel an der Echtheit
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des Urkundeninhalts oder der Unterschrift namhaft zu machen sind." Es fällt auf, dass dabei gerade nicht von der Richtigkeit oder Wahrheit des Urkundeninhalts die Rede ist, obschon es hier ohne weiteres möglich gewesen wäre, dies so auszudrücken, wenn es der Absicht der Verfasser entsprochen hätte. Der Schluss darauf, dass folglich bloss die Urheberschaft von Urkundeninhalt und Unterschrift angesprochen werden sollte, ist aber keineswegs zwingend, wie der bereits genannte
Art. 230 ZPO/BE zeigt. Insoweit lassen sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine massgeblichen Schlüsse ziehen.
Im Übrigen hat auch das Bundesgericht die Formulierung von der "Echtheit des Urkundeninhalts" bereits verwendet: In Bezug auf
Art. 178 ZPO hat es erwogen, dass der Prozessgegner konkrete Umstände dartun müsse, die beim Gericht ernsthafte Zweifel an der Echtheit des Urkundeninhalts oder der Unterschrift weckten. Es musste aber bisher noch nicht entscheiden, ob damit bloss die Herkunft vom erkennbaren Aussteller gemeint ist (d.h. die Echtheit im engeren Sinne) oder auch die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde (Urteil 4A_197/2016 vom 4. August 2016 E. 4; vgl. auch Urteil 4A_380/2016 vom 1. November 2016 E. 3.2.2). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann in dieser Hinsicht nichts abgeleitet werden aus dem die Parteien betreffenden Urteil 5A_586/2011 vom 20. Oktober 2011 (insbesondere E. 2.4.2). Dieses Urteil betraf (wie auch der dort zitierte
BGE 132 III 140 E. 4.1.2 S. 143 f.; zu diesem Urteil auch unten E. 3.5) die Rechtsöffnung. Es schafft für das materielle Verfahren kein Recht. Im Übrigen wurde bloss festgehalten, die Vorbringen des damaligen Beschwerdeführers (des aktuellen Beschwerdegegners) seien nicht genügend gewesen, um die Beweiswürdigung des Obergerichts als willkürlich erscheinen zu lassen. Zur Auslegung von
Art. 178 ZPO oder zu dessen Anwendbarkeit im Aberkennungsverfahren (oder im seinerzeitigen Rechtsöffnungsverfahren) äussert sich das genannte Urteil nicht.
3.4 Die Unsicherheit über den Begriff der Echtheit zeigt sich auch in der Lehre. Zahlreiche Autoren orientieren sich an der Botschaft (HANS SCHMID, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu
Art. 178 ZPO; THOMAS SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2017, Rz. 813; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2016, Rz. 9.97; THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/
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Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 1 ff., insb. N. 5 zu
Art. 178 ZPO; MÉLANIE LAMBELET, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 1 zu
Art. 178 ZPO; FABIENNE HOHL, Procédure civile, Bd. I, 2. Aufl. 2016, Rz. 1773; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] [...], 2011, S. 845 f.; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu
Art. 178 ZPO). Während manche dabei die Formulierung der Botschaft wörtlich oder sinngemäss übernehmen, ohne diese näher zu erläutern, gehen andere ausdrücklich von der ersten, oben dargestellten Lesart der Botschaft aus, d.h. sie unterstellen einen weiten Begriff der "Echtheit" und subsumieren den Inhalt der Urkunde unter diesen Begriff der "Echtheit" (so ausdrücklich LAMBELET, a.a.O.). Nach anderen Lehrmeinungen ist von
Art. 178 ZPO nur die Echtheit im engeren Sinne umfasst, d.h. nur die Frage, ob die Urkunde tatsächlich von derjenigen Person stammt, die als Urheber erkennbar ist (SVEN RÜETSCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 1 zu
Art. 178 ZPO; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 18 Rz. 99; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 3 zu
Art. 178 ZPO; ROGER GRONER, Beweisrecht, 2011, S. 88 und 216; FRANZ HASENBÖHLER, Das Beweisrecht der ZPO, Bd. I, 2015, Rz. 5.34; wahrscheinlich auch SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 10. Kap. Rz. 187; PHILIPPE SCHWEIZER, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 3 ff. zu
Art. 178 ZPO). Wiederum andere verstehen unter dem Begriff der Echtheit zwar mehr als die Herkunft vom erkennbaren Urheber, wollen den Begriff der Echtheit aber dennoch nicht mit der inhaltlichen Richtigkeit gleichsetzen (GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 2 und 4 zu
Art. 178 ZPO, die unter dem Begriff der Echtheit nicht nur die Fälschung der Unterschrift, sondern auch des Datums oder des Forderungsbetrags diskutieren). Wie bei einer solchen vermittelnden Lösung die Echtheit von der inhaltlichen Richtigkeit abzugrenzen wäre, bleibt jedoch unklar.
3.5 Für die Auslegung als bedeutsam erweist sich der Vergleich von
Art. 178 ZPO mit
Art. 179 ZPO. Nach
Art. 179 ZPO (mit der Marginalie "Beweiskraft öffentlicher Register und Urkunden") erbringen öffentliche Register und öffentliche Urkunden für die durch sie
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bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhalts nachgewiesen ist (ebenso
Art. 9 Abs. 1 ZGB). Diese Norm äussert sich somit zur inhaltlichen Richtigkeit (bzw. Wahrheit) einer bestimmten Art von Urkunden. Dass in der französischen Fassung in der Marginalie von "titres authentiques" die Rede ist, beeinflusst die Auslegung des Begriffs der "Echtheit" ("authenticité") in
Art. 178 ZPO nicht, denn es handelt sich dabei um einen technischen Begriff der französischen Rechtssprache, mit dem öffentliche Urkunden (vgl. die italienische Fassung "documenti pubblici") bezeichnet werden. Daraus, dass in
Art. 178 ZPO von der "Echtheit", in
Art. 179 ZPO jedoch von der Unrichtigkeit die Rede ist, kann jedenfalls abgeleitet werden, dass damit verschiedene Konzepte bzw. Sachverhalte erfasst werden sollten. Dies schliesst zwar noch nicht aus, dass "Echtheit" in
Art. 178 ZPO einen Oberbegriff für zwei verschiedene Sachverhalte darstellt, nämlich für Echtheit einer Urkunde im Sinne ihrer Erstellung durch den durch sie ausgewiesenen Urheber einerseits und ihre inhaltliche Richtigkeit andererseits (und
Art. 179 ZPO nur von Letzterem spricht). Es wäre jedoch nahegelegen, auch in
Art. 178 ZPO von der Richtigkeit der Urkunde zu sprechen, wenn dies (mit-)gemeint hätte sein sollen.
Gegen den Einbezug der inhaltlichen Richtigkeit in den Echtheitsbegriff von Art. 178 ZPO sprechen sodann inhaltliche Bedenken. Dadurch erhielten auch Privaturkunden eine gesteigerte Beweiskraft und würden sich diesbezüglich den öffentlichen Urkunden gemäss Art. 179 ZPO bzw. Art. 9 ZGB annähern. Das Mass der Steigerung in der Beweiskraft hinge davon ab, welche Anforderungen man an die Bestreitung der Echtheit gemäss Art. 178 ZPO stellen will (offengelassen in Urteil 5A_586/2011 vom 20. Oktober 2011 E. 2.4.2; vgl. MÜLLER, a.a.O., N. 5 ff. zu Art. 178 ZPO). Aufgrund des äusserst weit gefassten Urkundenbegriffs gemäss Art. 177 ZPO, der dynamisch angelegt ist und künftige Entwicklungen auffangen können soll (Botschaft, a.a.O.), sind in diesem Bereich pauschale Lösungen jedoch nicht angebracht.
Solche Pauschallösungen über die inhaltliche Beweiskraft aller Arten von Urkunden wären mit der bisherigen Rechtstradition nicht ohne weiteres vereinbar. Die Botschaft hält zwar fest, dass der Entwurf bei der Bestreitung der Echtheit eine besondere Substantiierung verlange und diesbezüglich herrschende Lehre und Praxis kodifiziere (Botschaft, a.a.O.). Da die Botschaft die angebliche Lehre und
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Praxis nicht benennt, lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, an welche konkreten Fälle und an welchen Echtheitsbegriff dabei gedacht war.Was die Beweiskraft von Privaturkunden betraf, gab es kantonal unterschiedliche Regelungen (dazu WALTHER J. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990,Rz. 682). Vereinzelt ergaben sich entsprechende Regeln aus Bundesrecht oder aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. So sprach das Bundesgericht in
BGE 132 III 140 E. 4.1.2 S. 143 f. von einer tatsächlichen Vermutung für die Richtigkeit der im Rechtsöffnungstitel festgestellten Tatsachen und die Echtheit der Unterschriften, sofern der Titel nicht von vornherein verdächtig erscheint (vgl. auch
BGE 113 III 89). In der Folge wurde dem Bestreitenden auferlegt, die Fälschung glaubhaft zu machen. Allerdings bezog sich das Urteil ausdrücklich bloss auf die provisorische Rechtsöffnung und in der Sache ging es nur um die Echtheit der Unterschrift. In
BGE 80 II 302 E. 3 S. 309 wurde sodann - unter bestimmten Voraussetzungen - von einer tatsächlichen Vermutung der Richtigkeit des eigenhändigen Testaments (insbesondere des Datums) ausgegangen.
Wie es sich mit solchen Einzelfällen unter der ZPO verhält, braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden. Angesichts der Bandbreite der als Urkunden denkbaren Dokumente und der Vielzahl der Verfahrensarten, auf die Art. 178 ZPO anwendbar ist, erscheint es nicht als angebracht, generell und unbesehen davon auszugehen, die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde erscheine in besonderem Masse verlässlich und verdiene die in Art. 178 ZPO unterstellte erhöhte Glaubwürdigkeit. Dadurch würden ausserdem die Beweislastverteilung gemäss Art. 8 ZGB und auch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO) relativiert, obschon beide Grundsätze ausweislich der Botschaft auch bei der Beurteilung von Urkunden gelten sollen (Botschaft, a.a.O., 7322 und 7323).
Wenn die Botschaft im Zusammenhang mit den gesteigerten Anforderungen an die Bestreitung der Echtheit einer Urkunde auf die herrschende Lehre und Praxis verweist, so ist demnach eher davon auszugehen, dass sie etwas anderes im Auge hatte: Im Rahmen von
Art. 9 ZGB oder auch allgemein wurde in der Lehre nämlich eine ungeschriebene, tatsächliche Vermutung postuliert für die Echtheit im engeren Sinne (d.h. die Übereinstimmung des tatsächlichen mit dem erkennbaren Aussteller), falls die Urkunde unverdächtig erscheint, so dass dem Bestreitenden erhöhte
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Begründungsanforderungen aufzuerlegen seien (vgl. Urteil 5A.3/2007 vom 27. Februar 2007 E. 2; STEPHAN WOLF, in: Berner Kommentar, Einleitung,
Art. 1-9 ZGB, 2012, N. 43 zu
Art. 9 ZGB; KUMMER, a.a.O., N. 39 zu
Art. 9 ZGB; AUGUST EGGER, Zürcher Kommentar, Einleitung, Das Personenrecht, 2. Aufl. 1930 [Nachdruck 1978], N. 11 zu
Art. 9 ZGB; MOOSER, a.a.O., N. 18 zu
Art. 9 ZGB; VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, 10. Kap. Rz. 113). In der aktuellen Lehre wird denn auch vertreten, dass sich
Art. 178 ZPO an diesen früheren Auffassungen orientiert (MOOSER, a.a.O., Fn. 48; WOLF, a.a.O.).
3.6 Von der Echtheit von Urkunden ist schliesslich noch in
Art. 180 Abs. 1 ZPO die Rede (vgl. Urteil 5A_467/2014 vom 18. Dezember 2014 E. 2.4). Danach kann eine Urkunde zwar in Kopie eingereicht werden, doch kann das Gericht oder eine Partei die Einreichung des Originals oder einer amtlich beglaubigten Kopie verlangen, wenn begründete Zweifel an der Echtheit bestehen. Mit der Vorlage des Originals kann abgeklärt werden, ob zwischen der zuerst eingereichten Kopie und dem Original Abweichungen bestehen. Dies kann durchaus auf Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der zuerst vorgelegten Kopie zurückgeführt werden, deren Beweiswert durch die Vorlage des Originals widerlegt wird.
Art. 180 Abs. 1 ZPO bedingt jedoch nicht, dass der Begriff der Echtheit in
Art. 178 ZPO gleich ausgelegt werden müsste und die in
Art. 178 ZPO statuierte erhöhte Glaubwürdigkeit auf die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde ausgedehnt werden müsste.
3.7 Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist davon auszugehen, dass
Art. 178 ZPO nur die Echtheit im engeren Sinne erfasst, d.h. nur die Frage beschlägt, ob die Urkunde tatsächlich vom erkennbaren Aussteller stammt, nicht jedoch Fragen der inhaltlichen Richtigkeit des Dokumentes. Das Obergericht hat damit die Frage, ob das Datum der Abtretungserklärungen zutrifft, zu Recht nicht nach
Art. 178 ZPO beurteilt. Es kann demnach offenbleiben, ob der Beschwerdegegner nicht ohnehin seine Bestreitung der Richtigkeit des Datums der Abtretungserklärungen im Sinne von
Art. 178 ZPO ausreichend begründet hätte, wenn diese Norm anwendbar gewesen wäre. (...)