Chapeau
148 III 172
22. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Swissgrid AG gegen A. AG und B. AG und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_275/2021 / 4A_283/2021 vom 11. Januar 2022
Regeste
Art. 5 al. 5 OApEl,
art. 1 let. a CPC,
art. 164 et art. 182 al. 1 Cst.; régime de compétence; réglementation au niveau de la loi formelle.
L'art. 5 al. 5 de l'ordonnance sur l'approvisionnement en électricité (OApEl) est contraire à l'art. 164 et à l'art. 182 al. 1 Cst. dans la mesure où il renvoie à la procédure civile des litiges concernant des rapports de droit public (consid. 3).
Faits à partir de page 173
A.a Die A. AG (Klägerin bezweckt im Wesentlichen die Versorgung und den Handel mit Energie, einschliesslich deren Erzeugung sowie die Erbringung von Energie-, Ingenieur- und weiteren damit direkt oder indirekt zusammenhängenden Dienstleistungen.
Die B. AG (Klägerin 2) hat die Nutzbarmachung der Wasserkräfte eines Flusses samt Zuflüsse in einem bestimmten Gebiet gemäss ihren Konzessionen zum Zweck.
Die Swissgrid AG (Beklagte) mit Sitz in Aarau bezweckt als nationale Netzgesellschaft im Wesentlichen den diskriminierungsfreien, zuverlässigen und leistungsfähigen Betrieb des Übertragungsnetzes als wesentliche Grundlage für die sichere Versorgung der Schweiz und der einzelnen Landesteile im Rahmen des europäischen Verbundsbetriebs sowie die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen, wie insbesondere Bilanz- und Engpassmanagement, Systemdienstleistungen und Wahrnehmung nationaler und internationaler Interessen im Übertragungsnetzbereich.
A.b
Zwischen der A. AG und der Swissgrid AG besteht der Bilanzgruppenvertrag vom 30. Oktober 2016.
Das Verhältnis zwischen der B. AG und der Swissgrid AG ist Gegenstand der Betriebsvereinbarung vom 20. Juli 2010.
A.c
Am 22. August 2018 ergriff die Swissgrid AG aufgrund einer kritischen Situation im Stromnetz verschiedene Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Netzsicherheit. Unter anderem nahm sie einen Eingriff in den Kraftwerkeinsatz der B. AG vor, mit dem sie diese verpflichtete, ihre Kraftwerkleistung zu reduzieren. Dieser Eingriff führte in der Energiebilanz der Bilanzgruppe der A. AG zu einer Unterdeckung, die sie nicht mehr ausgleichen konnte. Die Swissgrid AG stellte der A. AG daraufhin die Kosten für die Ausgleichsenergie
BGE 148 III 172 S. 174
in Höhe von EUR 1'330'389.02 in Rechnung, wobei der Betrag aufgrund eines Lastschrift-Mandats direkt dem Bankkonto der A. AG belastet wurde. Diese verrechnete die Kosten anschliessend der B. AG weiter.
Die A. AG beschwerte sich mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 bei der Swissgrid AG über die Ausgleichsenergierechnung für August 2018. Diese wies die erhobenen Vorwürfe mit Antwortschreiben vom 25. Oktober 2018 zurück.
Mit Betreibungsbegehren vom 15. August 2019 betrieben die Klägerinnen die Beklagte über den Betrag von Fr. 1'552'896.31 zuzüglich Zins zu 5 % seit 26. Oktober 2018. Die Beklagte erhob Rechtsvorschlag.
B.a Mit Eingabe vom 16. März 2020 stellten die Klägerinnen beim Handelsgericht des Kantons Aargau die folgenden Rechtsbegehren:
"1.
Die Beklagte sei zu verurteilen, das Ausgleichsenergiekonto der Bilanzgruppe der Klägerin 1 (Energy Identification Code x) bei der Beklagten für den Zeitraum 22. August 2018 von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr im Umfang von 327,75 MWh zu korrigieren bzw. auszugleichen.
2.
Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin 1 1'330'389.02 Euro zu bezahlen, zuzüglich 5 % Zins seit dem 26. Oktober 2018.
3.
Eventualiter: Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin 2 1'330'389.02Euro zu bezahlen, zuzüglich 5 % Zins seit dem 26. Oktober 2018.
4.
In der Betreibung y des Regionalen Betreibungsamts Buchs sei der Rechtsvorschlag der Beklagten vom 20. August 2019 im Umfang des Betrags in Schweizerfranken, welcher dem Wert von 1'330'389.02 Euro zum Wechselkurs Euro:Schweizerfranken am Tag des Urteils im vorliegenden Verfahren entspricht, zu beseitigen.
5.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beklagten."
Die Klägerinnen führten zur Begründung im Wesentlichen an, die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Kosten für Ausgleichsenergie am 22. August 2018 sei ohne gültigen Rechtsgrund erfolgt und stehe im klaren Widerspruch zur Stromversorgungsgesetzgebung sowie zu den anwendbaren vertraglichen Grundlagen,
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weshalb das Ausgleichsenergiekonto der Bilanzgruppe der Klägerin 1 zu korrigieren und die belasteten Kosten der Ausgleichsenergie den Klägerinnen zurückzuerstatten seien.
Die Beklagte beantragte, auf die Klage sei nicht einzutreten; eventualiter sei die Klage abzuweisen. Sie wendete insbesondere ein, es handle sich um eine öffentlich-rechtliche und nicht um eine zivilrechtliche Streitigkeit, weshalb das Handelsgericht des Kantons Aargau nicht zuständig sei.
Das Verfahren wurde in der Folge auf die Frage der Zuständigkeit des Handelsgerichts beschränkt.
B.b Mit Zwischenentscheid vom 9. April 2021 erklärte sich das Handelsgericht des Kantons Aargau in Bezug auf Rechtsbegehren 1 der Klage vom 16. März 2020 für zuständig (Dispositiv-Ziffer 1). Auf die Klagebegehren Ziffern 2, 3 und 4 trat es demgegenüber infolge fehlender Zuständigkeit nicht ein (Dispositiv-Ziffer 2).
Zur Begründung führte das Handelsgericht aus, mit der mit Klagebegehren 1 geltend gemachten Korrektur des Ausgleichsenergiekontos der Bilanzgruppe der Klägerin 1 bei der Beklagten hätten sich nach der ausdrücklichen Regelung von Art. 5 Abs. 5 StromVV die Zivilgerichte zu beschäftigen. Klagebegehren 2-4 hätten Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zum Gegenstand, für deren Beurteilung die Zivilgerichte nicht zuständig seien.
C. Die Beklagte beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen im Wesentlichen, Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids vom 9. April 2021 sei aufzuheben und das Handelsgericht sei in Bezug auf Rechtsbegehren Ziffer 1 der Klage vom 16. März 2020 für unzuständig zu erklären bzw. es sei darauf nicht einzutreten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Beklagten gut.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
3. Die Beklagte rügt, Art. 5 Abs. 5 der Stromversorgungsverordnung vom 14. März 2008 (StromVV; SR 734.71) begründe entgegen dem angefochtenen Entscheid keine Zuständigkeit der Zivilgerichte zur Beurteilung der mit Klagebegehren 1 geltend gemachten Korrektur des Ausgleichsenergiekontos der Bilanzgruppe der Klägerin 1.
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Art. 5 StromVV ("Gewährleistung eines sicheren, leistungsfähigen und effizienten Netzbetriebs") lautet wie folgt:
"1 Die nationale Netzgesellschaft, die Netzbetreiber, die Erzeuger und die übrigen Beteiligten treffen vorbereitende Massnahmen zur Gewährleistung des sicheren Netzbetriebs. Nebst verbindlichen Vorgaben berücksichtigen sie dabei:
a. Regelwerke, Normen und Empfehlungen von anerkannten Fachorganisationen, insbesondere der 'European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E)';
b. Empfehlungen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorates.
2 Die nationale Netzgesellschaft vereinbart mit den Netzbetreibern, Erzeugern und den übrigen Beteiligten auf einheitliche Weise die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit zu treffenden Massnahmen, insbesondere eine Regelung des automatischen Lastabwurfs sowie der Produktionsanpassung bei Kraftwerken im Fall einer Gefährdung des stabilen Netzbetriebs.
3 Weigert sich ein Netzbetreiber, ein Erzeuger oder einer der übrigen
Beteiligten, eine Vereinbarung nach Absatz 2 abzuschliessen, so verfügt die ElCom den Vertragsabschluss.
4 Bei einer Gefährdung des stabilen Netzbetriebs hat die nationale Netzgesellschaft von Gesetzes wegen alle Massnahmen zu treffen oder anzuordnen, die für die Gewährleistung der Netzsicherheit notwendig sind(Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c StromVG). Wird eine Anordnung der nationalen Netzgesellschaft nicht befolgt, so kann diese auf Kosten des Adressaten der Anordnung eine Ersatzmassnahme treffen.
5 Pflichten aus Vereinbarungen nach den Absätzen 2 und 3 und die Überbindung von Kosten nach Absatz 4 werden auf dem Zivilweg durchgesetzt.
6 Das Bundesamt für Energie (BFE) kann technische und administrative Mindestanforderungen an ein sicheres, leistungsfähiges und effizientesNetz festlegen und internationale technische und administrative Bestimmungen und Normen sowie Empfehlungen anerkannter Fachorganisationen für verbindlich erklären."
3.1 Die Vorinstanz wies darauf hin, dass die Klägerinnen ihren mit Klagebegehren 1 geltend gemachten Anspruch auf Korrektur bzw. Ausgleich des Ausgleichsenergiekontos der Bilanzgruppe der Klägerin 1 auf die Betriebsvereinbarung zwischen der Klägerin 2 und der Beklagten vom 20. Juli 2010 stützen. Die Klägerinnen argumentierten, dass es nicht zu einer Unterdeckung auf dem Ausgleichsenergiekonto gekommen wäre, wenn die Beklagte nicht gegen die Betriebsvereinbarung verstossen hätte, und machten geltend, ihnen
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stehe ein vertraglicher Anspruch auf Ausgleich des Ausgleichsenergiekontos gestützt auf die Betriebsvereinbarung zu. Die Vorinstanz erwog sodann, der Abschluss einer Betriebsvereinbarung werde von
Art. 5 Abs. 2 StromVV vorgeschrieben. Konkret habe die Beklagte mit den Netzbetreibern, Erzeugern und den übrigen Beteiligten auf einheitliche Weise die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit zu treffenden Massnahmen zu vereinbaren, insbesondere eine Regelung des automatischen Lastabwurfs sowie der Produktionsanpassung bei den Kraftwerken im Falle einer Gefährdung des stabilen Netzbetriebs. Sofern sich ein Netzbetreiber, ein Erzeuger oder einer der übrigen Beteiligten weigere, eine solche Vereinbarung abzuschliessen, verfüge die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) nach
Art. 5 Abs. 3 StromVV den Vertragsabschluss. Gemäss
Art. 5 Abs. 5 StromVV würden Pflichten aus Vereinbarungen nach den Absätzen 2 und 3 auf dem Zivilweg durchgesetzt. Wenn die Klägerinnen nun vorbrächten, das Ausgleichsenergiekonto der Klägerin 1 sei unausgeglichen, weil die Beklagte ihren Pflichten aus der Betriebsvereinbarung mit der Klägerin 2 nicht nachgekommen sei, hätten sie dies aufgrund von
Art. 5 Abs. 5 StromVV in einem zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Es lasse sich somit festhalten, dass in Bezug auf Klagebegehren 1 eine spezialgesetzliche Grundlage bestehe, welche die Streitigkeit der Zivilgerichtsbarkeit unterwerfe.
Die Unterstellung dieser Streitigkeiten unter die Zivilgerichtsbarkeit auf Verordnungsstufe verstosse weder gegen das Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) noch gegen
Art. 30 Abs. 1 oder Art. 164 Abs. 1 lit. g BV. Entsprechend hätten sich aufgrund von
Art. 5 Abs. 5 StromVV die Zivilgerichte mit Klagebegehren 1 zu beschäftigen. Da diese spezialgesetzliche Vorschrift die Streitigkeit auf den Zivilweg verweise, erübrige sich die Qualifizierung der Betriebsvereinbarung als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich.
3.2 Somit ist zu prüfen, ob sich die Vorinstanz zur Bejahung ihrer sachlichen Zuständigkeit auf
Art. 5 Abs. 5 StromVV stützen konnte. Die Beklagte bestreitet dies. Sie hält diese Verordnungsbestimmung für verfassungs- und gesetzeswidrig.
Verordnungen des Bundesrates können vorfrageweise daraufhin überprüft werden, ob sie gesetzes- und verfassungskonform sind (zur vorfrageweisen bzw. konkreten Normenkontrolle von Bundesratsverordnungen
BGE 144 II 454 E. 3.2 und 3.3;
BGE 143 II 87 E. 4.4;
BGE 148 III 172 S. 178
BGE 143 V 208 E. 3.3 und 4.3;
BGE 141 II 169 E. 3.4). Erweist sich die Rüge der mangelnden Gesetz- oder Verfassungsmässigkeit als begründet, ist der betreffenden Verordnungsbestimmung im konkreten Einzelfall die Anwendung zu versagen (vgl.
BGE 140 II 194 E. 5.8).
3.2.1 Nach
Art. 1 lit. a ZPO regelt die Zivilprozessordnung das Verfahren vor den kantonalen Instanzen für streitige Zivilsachen. Unzweifelhaft liegt im zu beurteilenden Fall eine
streitige Angelegenheit vor; zwischen den Parteien bestehen jedoch gegensätzliche Auffassungen darüber, ob es sich bei der fraglichen Streitigkeit um eine
Zivilsache handelt. Die Vorinstanz konnte die Frage nach der Rechtsnatur der Betriebsvereinbarung - als privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Grundlage des mit Rechtsbegehren Ziffer 1 eingeklagten Anspruchs - nur unter der Voraussetzung offenlassen, dass
Art. 5 Abs. 5 StromVV auch unter der Annahme, dass die Betriebsvereinbarung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren wäre, eine gesetzes- und verfassungskonforme Grundlage für die Zuständigkeit der Zivilgerichte darstellen würde. Wäre die Betriebsvereinbarung privatrechtlicher Natur, würde sich die Zuständigkeit der Zivilgerichte - und damit der Vorinstanz - bereits aus
Art. 1 lit. a ZPO ergeben und
Art. 5 Abs. 5 StromVV käme keine eigenständige Bedeutung zu.
Die Bestimmung von
Art. 1 lit. a ZPO gilt unter dem Vorbehalt bundesrechtlicher Sondervorschriften, die bestimmte Streitigkeiten ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Natur den Zivilgerichten oder den Verwaltungs(gerichts)behörden zuweisen (BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 24 zu
Art. 1 ZPO; vgl. auch MARKUS SCHOTT, in: ZPO, Oberhammer/ Domej/Haas [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 15a zu
Art. 1 ZPO; Urteil 5A_503/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 2.2). So sieht etwa Art. 56 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 2009 über die Personenbeförderung (Personenbeförderungsgesetz, PBG; SR 745.1) vor, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen Kunden und Unternehmen in jedem Fall - selbst wenn es sich um einen öffentlich-rechtlichen Transportvertrag handeln sollte - durch die Zivilgerichte beurteilt werden; für die übrigen Streitigkeiten gelten die Vorschriften der Bundesverwaltungsrechtspflege (
Art. 56 Abs. 2 PBG). Nach Art. 47 lit. b des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2016 über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz, LVG; SR 531) wird für Streitigkeiten zwischen Pflichtlagerhaltern und Pflichtlagerorganisationen das Bundesverwaltungsgericht für
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zuständig erklärt, während nach
Art. 48 LVG bestimmte andere Streitigkeiten (über das Aussonderungs- und das Pfandrecht des Bundes an Pflichtlagern und Transportmitteln [lit. a] sowie über allfällige Ersatzansprüche und Anfechtungsklagen des Bundes [lit. b]) durch die Zivilgerichte zu beurteilen sind. Mitunter wird die Zuständigkeit der Zivilgerichte mittelbar bestimmt, indem bestimmte Rechtsbeziehungen im Gesetz ausdrücklich dem Privatrecht unterstellt werden, so etwa in Art. 11 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2010 über die Organisation der Schweizerischen Post (Postorganisationsgesetz, POG; SR 783.1) oder Art. 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes (Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG; SR 784.11).
3.2.2 Soweit eine Sondervorschrift öffentlich-rechtliche Streitigkeiten der Zivilgerichtsbarkeit unterstellt, wird in die Bestimmung von
Art. 1 lit. a ZPO eingegriffen, indem eine von dieser grundsätzlichen Regelung abweichende Zuständigkeit der Zivilgerichte geschaffen wird. Wie die Beklagte zutreffend vorbringt, bedarf eine von der gesetzlichen Grundregel abweichende Begründung der Zivilgerichtsbarkeit ihrerseits einer formellgesetzlichen Grundlage. Nach
Art. 164 Abs. 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Nach der Rechtsprechung sind etwa wesentliche Verfahrensbestimmungen wie die sachliche Zuständigkeit der Gerichte und der Rechtsmittelweg in einem formellen Gesetz zu erlassen (Urteil 2C_857/2015 vom 27. Juli 2016 E. 1.2.1, nicht publ. in:
BGE 142 II 446; vgl. auch
BGE 134 I 125 E. 3.2; zur Wichtigkeit der Zuständigkeitsordnung etwa DAUM/BIERI, in: VwVG, Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar, Auer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 4 zu
Art. 7 VwVG; REGINA KIENER, in: VwVG, Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Kommentar, Auer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 3 zu
Art. 47 VwVG). Dies muss umso mehr für eine Regelung gelten, die nicht allein die (funktionelle, sachliche oder örtliche) Zuständigkeit festlegt, sondern den Rechtsweg auf noch grundlegendere Weise bestimmt, indem sie bestimmte Streitigkeiten ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Natur der Zuständigkeit der Zivilgerichte unterstellt. Daran vermag auch der von der Vorinstanz unter Hinweis auf
Art. 164 Abs. 1 lit. g BV hervorgehobene Umstand nichts zu ändern, dass mit der Verweisung einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit auf den Zivilweg nicht die
BGE 148 III 172 S. 180
Zuständigkeit innerhalb der
Bundesbehörden geregelt werde, zumal die Aufzählung in dieser Bestimmung (Abs. 1 Satz 2) nicht etwa abschliessend ist, sondern vielmehr dazu dient, das Prinzip nach Abs. 1 Satz 1 zu veranschaulichen (PIERRE TSCHANNEN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 11 zu
Art. 164 BV; zur Regelung des Prozessrechts auf Gesetzesstufe RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öfentliches Prozessrecht, 4. Aufl. 2021, S. 13 Rz. 32; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 3 der Vorbemerkungen zur Justizverfassung; vgl. auch KISS/KOLLER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 21 ff. zu
Art. 188 BV). Ausserdem verkennt die Vorinstanz mit ihrer Erwägung, wonach die Begründung der Zuständigkeit der Zivilgerichte keinen Einfluss auf die Machtverteilung unter den staatlichen Funktionsträgern oder im Verhältnis der Funktionsträger zu den Stimmbürgern habe, dass mit einer solchen - vom gesetzlichen Grundsatz gemäss
Art. 1 lit. a ZPO abweichenden - Regelung durch bundesrätliche Verordnung die Bestimmung des Rechtswegs den direktdemokratischen Einflussmöglichkeiten entzogen wird;
Art. 164 Abs. 1 BV dient auch dem Schutz der Volksrechte (vgl.
BGE 145 V 380 E. 6.3.1;
BGE 133 II 331 E. 7.2.1). Entgegen dem angefochtenen Entscheid stellt eine Bestimmung, die vorsieht, dass öffentlich-rechtliche Streitigkeiten anstatt von den grundsätzlich zuständigen Verwaltungs(gerichts)behörden von den Zivilgerichten zu entscheiden sind, einen erheblichen Eingriff in die Rechte Privater dar (dazu
BGE 145 V 380 E. 6.3.1;
BGE 134 I 322 E. 2.6.3;
BGE 133 II 331 E. 7.2.1).
Ob sich das Erfordernis des formellen Gesetzes im zu beurteilenden Fall auch aus
Art. 30 Abs. 1 BV ergeben würde, wie die Beklagte vorbringt, braucht bei diesem Ergebnis nicht vertieft zu werden. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass im Falle der öffentlich-rechtlichen Natur des strittigen Rechtsverhältnisses die Zuständigkeit in persönlicher, zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht gerade nicht generell-abstrakt und im Voraus durch die Zivilprozessordnung bestimmt ist, wie die Vorinstanz ausführt, zumal die ZPO auf öffentlich-rechtliche Streitsachen gar nicht anwendbar ist. Vielmehr würde mit der Verordnungsbestimmung von
Art. 5 Abs. 5 StromVV ein von der allgemeinen Zuständigkeitsordnung für öffentlich-rechtliche Streitsachen abweichender Rechtsweg festgelegt, was auch unter dem Blickwinkel von
Art. 30 Abs. 1 BV als unzulässig erscheint
BGE 148 III 172 S. 181
(vgl.
BGE 134 I 125 E. 3, wonach die kantonale Exekutivbehörde nach
Art. 30 Abs. 1 BV nicht befugt war, die gerichtliche Zuständigkeitsordnung zur richterlichen Überprüfung bestimmter Massnahmen in Abweichung von der allgemeinen Gerichtsordnung durch blosse Verordnung festzulegen).
3.2.3 Soweit die Verordnungsbestimmung von
Art. 5 Abs. 5 StromVV vorsieht, dass Pflichten aus Vereinbarungen des öffentlichen Rechts auf dem Zivilweg durchzusetzen sind, hätte eine solche Regelung in der Form des formellen Gesetzes erlassen werden müssen (zutreffend KATHRIN S. FÖHSE, Die rechtliche Ausgestaltung der nationalen Netzgesellschaft im Stromversorgungsgesetz [StromVG], 2014, Rz. 438). Dem Stromversorgungsgesetz lässt sich bezüglich Vereinbarungen nach
Art. 5 StromVV und damit auch der hier strittigen Betriebsvereinbarung keine Regelung des Rechtswegs im Streitfall entnehmen. Der Einwand der Klägerinnen, wonach
Art. 5 Abs. 5 StromVV in
Art. 30 Abs. 2 StromVG eine genügende Grundlage habe, verfängt nicht. Die erwähnte Gesetzesbestimmung ermächtigt den Bundesrat lediglich allgemein zum Erlass der erforderlichen Ausführungsbestimmungen.
Art. 5 Abs. 5 StromVV verstösst somit gegen
Art. 164 und Art. 182 Abs. 1 BV, soweit damit Streitigkeiten betreffend öffentlich-rechtliche Verhältnisse auf den Zivilweg verwiesen werden. Der Bestimmung ist in diesem Fall die Anwendung zu versagen. Die Vorinstanz hat demnach zu Unrecht auf eine Qualifizierung der Rechtsnatur der Betriebsvereinbarung verzichtet. Ihre Zuständigkeit zur Beurteilung des Klagebegehrens 1 kann sie nicht auf
Art. 5 Abs. 5 StromVV stützen. Sie wäre einzig gegeben, wenn es sich beim strittigen Anspruch aus der Betriebsvereinbarung um eine Zivilsache im Sinne von
Art. 1 lit. a ZPO handeln würde.