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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.258/2006 /blb 
 
Urteil vom 22. Dezember 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
1. X.________, 
2. Y.________, 
Klägerinnen und Berufungsklägerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Widmer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Fürsorgerische Freiheitsentziehung, 
 
Berufung gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, 
vom 31. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.a Z.________ ist 1991 als Tochter der damals minderjährigen X.________ und von V.________ in R.________ geboren worden. Der allein stehenden Mutter wurde am 15. März 1993 die Obhut über das Kind entzogen. Dieses lebte fortan in B.________ bei seinen Pflegeeltern, der Grossmutter väterlicherseits, Y.________, und deren Ehemann, M.________. 
A.b Am 23. November 2005 wies der Vizepräsident II der Vormundschaftsbehörde B.________ das Kind Z.________ zur Einschulung und Erziehung in das Jugendheim J.________ in S.________ ein und entzog gleichzeitig den Pflegeeltern Y.________ und M.________ die Obhut. 
B. 
Am 19. Mai 2006 beantragten die Pflegeeltern sowie die Eltern die Entlassung von Z.________ aus dem Jugendheim, welchem Begehren die Vizepräsidentin III der Vormundschaftsbehörde B.________ am 13. Juli 2006 nicht entsprach. Dagegen klagten X.________ und Y.________ am 28. Juli 2006 bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, welche die Klage am 31. August 2006 abwies. 
C. 
Gegen diesen Entscheid hat Z.________, vertreten durch X.________ und Y.________ staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Berufung eingereicht. Mit eidgenössischer Berufung beantragt sie, die Ziffern 1 und 2 des Entscheides der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 31. August 2006 aufzuheben und ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Die Verwaltungsrekurskommission beantragt Abweisung der Berufung. 
D. 
Mit Beschluss der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 30. Oktober 2006 wurden X.________ und Y.________ von Amtes wegen als Parteien des Berufungsverfahrens übernommen; die Parteibezeichnung wurde in diesem Sinne geändert. 
E. 
Die in der Sache ebenfalls eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist mit Urteil der erkennenden Abteilung vom heutigen Tag abgewiesen worden, soweit darauf einzutreten war. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Klägerinnen beantragen, die Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Entscheides aufzuheben und damit (sinngemäss) die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Teilte das Bundesgericht ihre Auffassung, wäre es aufgrund der tatsächlichen Feststellungen nicht in der Lage, selbst ein Endurteil zu fällen, sondern hätte die Sache zu weiteren Abklärungen an die letzte kantonale Instanz zurückzuweisen. Der blosse Aufhebungs- bzw. Rückweisungsantrag entspricht somit den Anforderungen von Art. 55 Abs. 1 lit. b OG (BGE 100 II 200 E. I/1 S. 205; 125 III 412 E. 1b S. 414; 130 III 136 E. 1.2 S. 139). 
2. 
Die Klägerinnen machen geltend, die Vorinstanz begründe die Ablehnung des Entlassungsgesuchs zur Hauptsache damit, das Kindeswohl sei (weiterhin) gefährdet. Eine Gefährdung lasse sich nicht mit der mangelnden Kooperation von Z.________ begründen. 
2.1 Die Gefährdung des Kindes, die Anlass zur Wegnahme von den es betreuenden Eltern oder Pflegeeltern und im Besonderen zu seiner Unterbringung in einer Anstalt gibt, muss darin liegen, dass das Kind in der elterlichen Obhut nicht so geschützt und gefördert wird, wie es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung nötig wäre. Unerheblich ist, auf welche Ursachen die Gefährdung zurückzuführen ist: Sie können in den Anlagen oder in einem Fehlverhalten des Kindes, der Eltern oder der weiteren Umgebung liegen. Desgleichen spielt keine Rolle, ob die Eltern ein Verschulden an der Gefährdung trifft. Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entziehung. An die Würdigung der Umstände ist ein strenger Massstab zu legen. Die Entziehung ist nur zulässig, wenn andere Massnahmen ohne Erfolg geblieben sind oder von vornherein als ungenügend erscheinen. 
2.2 Die Vorinstanz begründet ihre Auffassung, das Kindeswohl sei zum Zeitpunkt des Urteils gefährdet, damit, dass Z.________ die Erziehungsanordnungen der Grosseltern ignoriere und seit Februar 2005 immer wieder den Schulbesuch verweigere. Sie falle während des Schulunterrichts disziplinarisch extrem auf, und ihre Schulleistungen seien katastrophal. Z.________ sei in Schlägereien mit gleichaltrigen Mädchen verwickelt; sie verbringe einen wesentlichen Teil ihrer Freizeit in Zürich, wahrscheinlich bei ihrem Freund. Der Besuch einer Privatschule sei wegen unentschuldigten Fernbleibens gescheitert. Eine Stabilisierung von Z.________ sei nur in einem klar strukturierten, professionellen Umfeld mit einer engmaschigen Betreuung möglich. Seit der Heimeinweisung sei eine positive Entwicklung festzustellen, die eine weitere Heimplatzierung mit interner Schule und psychotherapeutischer Behandlung indiziere. 
2.3 Gestützt auf diese Feststellungen erscheint die Annahme einer weiterhin bestehenden Gefährdung des Kindeswohls nicht als bundesrechtswidrig, zumal die Stabilisierung von Z.________ noch nicht bis zum erforderlichen Grad fortgeschritten ist und sie deshalb eines weiteren Aufenthaltes in der Anstalt bedarf. Was die Klägerinnen im Weiteren unter dem Titel "Ursachen des verweigerten Schulbesuchs", "sexualisiertes Verhalten von Z.________", "Cannabis- und Nikotinkonsum von Z.________", "Erziehungsnotstand/familiäres Umfeld" und "Schaffung neuer Bezugspersonen für Z.________" ausführen, ist praktisch durchwegs eine eigene, gegen die anderslautenden Feststellungen der Vorinstanz gerichtete Sicht der Dinge. Soweit sich die Klägerinnen damit gegen die verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wenden, kann auf die Berufung nicht eingetreten werden (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 130 III 102 E. 2.2; 127 III 248 E. 2c). Im Übrigen sind die Vorbringen nicht geeignet, eine Bundesrechtsverletzung darzutun. 
3. 
Die Klägerinnen beanstanden die Zurückbehaltung in der Anstalt als unverhältnismässig. 
3.1 Zunächst machen sie geltend, das Jugendheim sei für eine fürsorgerische Freiheitsentziehung nicht geeignet. 
3.1.1 Die Eignung der Anstalt beurteilt sich unter dem Blickwinkel der spezifisch kindesrechtlichen Gefährdungslage und ist zu bejahen, wenn die betreffende Anstalt dem eingewiesenen Kind Hilfe bei der Lösung seiner Probleme zu leisten vermag, so dass Aussicht besteht, seine Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. 
3.1.2 Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich bei J.________ um ein Jugendheim, von dem nicht gesagt werden kann, es diene lediglich der Einsperrung jugendlicher Krimineller, wie dies die Klägerinnen unterstellten. Damit bestreitet die Vorinstanz nicht, dass es im Heim auch schwer(st)erziehbare junge Menschen hat, doch ist nicht erstellt, dass sich dort vor allem straffällig gewordene Jugendliche aufhalten. Im Übrigen kann aus dem Umstand, dass im Heim auch straffällig gewordene oder drogenabhängige Jugendliche untergebracht sind, nicht geschlossen werden, das Heim sei für Z.________ ungeeignet. Das wäre dann der Fall, wenn ihr dort nicht die Pflege, die Fürsorge und namentlich die Erziehung erbracht würde, die sie benötigt. In diesem Zusammenhang ist immerhin hervorzuheben, dass Z.________ nach den verbindlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheides seit dem Heimeintritt in verschiedener Hinsicht Fortschritte erzielt hat, und die Klägerinnen sowie Z.________ selbst beteuerten, dass seit dem Aufenthalt eine (sinngemäss: positive) Veränderung eingetreten sei, was im Übrigen die Klägerinnen selber in anderem Zusammenhang hervorheben. Bundesrechtswidrigkeit lässt sich nicht belegen, indem einfach in Frage gestellt wird, dass die angestrebte Stabilität von Z.________ im Heim erreicht werde, und erzielte Fortschritte sinngemäss als blosse Anpassungen abgetan werden, um das Heim möglichst bald verlassen zu können. Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung der Klägerinnen, es handle sich um einen eigentlichen Strafvollzug, weil Z.________ zu Beginn des Aufenthaltes in der geschlossenen Abteilung untergebracht wurde. 
3.2 Soweit die Klägerinnen die Massnahme als nicht erforderlich erachten, lassen sie unerwähnt, dass just das Scheitern der nunmehr als Alternative geforderten "Rückversetzung in die öffentliche Schule sowie die Anordnung einer ambulanten Massnahme" Grund für die Heimeinweisung war. Die Vorbringen sind somit nicht geeignet, die Massnahme als nicht erforderlich hinzustellen. 
3.3 Die Klägerinnen halten dafür, Z.________ werde nunmehr nach dem knapp einjährigen Aufenthalt davon abgehalten, bei einer Rückkehr zu ihren Pflegeeltern in ihre alten Muster zu verfallen. Damit übergehen sie, dass Ende November 2006 von Amtes wegen überprüft wird, ob die angeordnete Massnahme aufrecht erhalten werden soll. Die Vorinstanz erwog im Übrigen, als Leitlinie habe zu gelten, dass eine langfristige Fortsetzung des Aufenthaltes von Z.________ im Heim nicht mehr möglich sei. Auch insofern erweist sich der angefochtene Entscheid nicht als unverhältnismässig. 
3.4 Der Berufung kann schliesslich auch kein Erfolg beschieden sein, soweit die Klägerinnen auf die positiven Veränderungen verweisen, um die Zurückbehaltung im Heim und damit die Abweisung der Klage als bundesrechtswidrig hinzustellen. Die Prüfung der Frage, ob die eingetretenen positiven Veränderungen eine Entlassung rechtfertigen, steht für November 2006 an, wie die Vorinstanz feststellt. Selbst wenn eine Entlassung befürwortet werden sollte, heisst dies noch nicht, dass die Zurückbehaltung im Zeitpunkt des Gesuchs im Mai 2006 und damit nur rund ein halbes Jahr nach der Einweisung nicht verhältnismässig war. 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Zurückbehaltung von Z.________ bundesrechtskonform und verhältnismässig war. Die Klage wurde daher zu Recht abgewiesen. Dies führt zur Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Klägerinnen kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG), wobei sie für die Kosten solidarisch haften (Art. 156 Abs. 7 OG). 
5. 
Die Klägerinnen haben zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, ihre Bedürftigkeit als eine der kumulativen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege aber nicht dargetan. Vielmehr haben sie den ihnen auferlegten Kostenvorschuss geleistet, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch der Klägerinnen um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Klägerinnen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Berufungsklägerinnen und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 22. Dezember 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: