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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_582/2020  
 
 
Urteil vom 2. August 2021  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Helvetia Versicherungen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Lerch, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juli 2020 (UV.2018.00160). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1941, war bei der B.________ GmbH, angestellt und dadurch bei der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft AG (nachfolgend: Helvetia) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 7. Oktober 2014 wurde er als Fussgänger von einem rückwärts fahrenden Auto erfasst. Er stürzte und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf. Dabei erlitt er ein Schädelhirntrauma und musste in delirantem Zustand zunächst im Spital C.________ und anschliessend im Spital D.________ intensivmedizinisch betreut werden. Anschliessend hielt er sich vom 28. Oktober 2014 bis 22. Januar 2015 in der Klinik E.________ auf. Die Helvetia kam für die Heilkosten auf und richtete Taggelder aus. Nach Einholung eines Gutachtens der Polydisziplinären Begutachtungsstelle MEDAS Neurologie Toggenburg (mit neurologischer, neuropsychologischer und psychiatrischer Abklärung) gewährte die Helvetia eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 50 % (Fr. 63'000.-; Verfügung vom 16. Februar 2017). Mit Verfügung vom 13. November 2017 und Einspracheentscheid vom 1. Juni 2018 sprach sie A.________ zudem unter Annahme einer 50%igen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ab 1. Januar 2017 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad vom 44 % (monatlich Fr. 1760.-) zu. 
 
B.  
Die gegen die Rentenverfügung erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 27. Juli 2020 teilweise gut. Unter Annahme eines Invaliditätsgrades von 75 % sprach es A.________ eine Rente von monatlich Fr. 3000.- zu. 
 
C.  
Die Helvetia führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihr Einspracheentscheid vom 1. Juni 2018 zu bestätigen. 
 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Erwägungen: 
 
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es dem Beschwerdegegner eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 75 % zusprach. Zur Frage steht dabei die Ermittlung des Valideneinkommens, mithin des Einkommens, das der Beschwerdegegner ohne die Unfallfolgen hypothetisch erzielen könnte. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über den Anspruch auf eine Invalidenrente gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs gemäss Art. 16 ATSG. Hervorzuheben ist diesbezüglich die Regelung von Art. 28 Abs. 4 UVV betreffend Versicherte in vorgerücktem Alter. Nimmt ein Versicherter nach dem Unfall die Erwerbstätigkeit altershalber nicht mehr auf (Variante I) oder wirkt sich das vorgerückte Alter erheblich als Ursache der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit aus (Variante II), sind für die Bestimmung des Invaliditätsgrades die Erwerbseinkommen massgebend, die ein Versicherter im mittleren Alter (das heisst von 41 bis 42 beziehungsweise zwischen 40 und 45 Jahren; BGE 122 V 418 E. 1b; RKUV 1990 Nr. U 115 S. 389 E. 4d a.E.) bei einer entsprechenden Gesundheitsschädigung erzielen könnte (BGE 122 V 418 E. 3.; Urteil 8C_799/2019 vom 17. März 2020 E. 2.3). 
 
4.  
Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdegegner gestützt auf das MEDAS-Gutachten in einer leidensangepassten (einfachen und klar vorstrukturierten) Tätigkeit noch zu 50 % arbeitsfähig sei. Das Alter des zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 76-jährigen Beschwerdegegners erschwere seine Wiedereingliederung. Zur Ermittlung der beiden Vergleichseinkommen zog das kantonale Gericht die Durchschnittslöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) für Männer in der Altersgruppe zwischen 30 und 49 Jahren (Tabelle 17) heran. Dabei stellte es beim Valideneinkommen auf den Verdienst für Führungskräfte im kaufmännischen Bereich (Fr. 10'655.-) und beim Invalideneinkommen auf den Lohn für Hilfsarbeiterkräfte (Fr. 5366.-) ab. Für den Zeitpunkt des Rentenbeginns im Jahr 2017 beliefen sich die an die betriebsübliche Arbeitszeit und die Nominallohnentwicklung angepassten Jahreseinkommen auf Fr. 133'294.- beziehungsweise Fr. 33'564.- für das noch zumutbare 50 %-Pensum. Der Vergleich der beiden Verdienste ergab einen Invaliditätsgrad von 75 %. 
 
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 4 UVV letztinstanzlich nicht mehr. Sie macht indessen geltend, dass die Vorinstanz dem Beschwerdegegner als Valideneinkommen zu Unrecht den statistischen Verdienst für eine Führungskraft im kaufmännischen Bereich und damit den maximal möglichen Tabellenlohn angerechnet habe. Allein die von ihr ermittelte Einkommenseinbusse entspreche etwa dem Anderthalbfachen, was der Beschwerdegegner vor dem Unfall tatsächlich verdient habe. Er sei damals nicht mehr als Geschäftsführer tätig gewesen. 
 
5.  
Die Vorinstanz ging bei der Ermittlung des Valideneinkommens von den statistischen Zahlen für männliche Führungskräfte im kaufmännischen Bereich aus. Dabei verkennt das kantonale Gericht, dass unter Anwendung von Art. 28 Abs. 4 UVV der Lohn massgeblich ist, den ein Versicherter im mittleren Alter in dem Beruf beziehungsweise in der Stellung erzielen könnte, die er zum Zeitpunkt des Unfalls versah. Das kantonale Gericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, um was für eine Beschäftigung beziehungsweise welche Funktion es sich dabei handelte. In der Unfallmeldung ist vermerkt, der Beschwerdegegner sei bei der B.________ GmbH als Geschäftsführer angestellt. Dass er diese Position in der von ihm gegründeten Gesellschaft tatsächlich noch ausübte, ist aber nicht anzunehmen. Zum einen ist er als Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung dieser Unternehmung, die die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Vermittlung von internationalen Geschäften, insbesondere auch Unternehmensberatung, Marketing und Projektunterstützung, bezweckte, bereits im Jahr 2010 ausgeschieden (Auszug aus dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich). Zum anderen hätte er gemäss den Lohnangaben der Arbeitgeberin vom 13. April 2017 in den Jahren 2014 bis 2017 je Fr. 60'000.- plus Provision verdient. Die letztere war allerdings gemäss IK-Auszug entgegen den Angaben der Tochter des Versicherten, die die Geschäftsführung übernommen hat, kaum je ins Gewicht gefallen (Jahre 2011 bis 2014: je Fr. 61'355.-). Gestützt darauf lässt sich jedenfalls nicht auf die vom kantonalen Gericht angenommene Kaderfunktion schliessen, die den Beizug des höchsten in Tabelle 17 ausgewiesenen Durchschnittslohns rechtfertigte. Im Übrigen ist anzumerken, dass der 1941 geborene Versicherte gemäss IK-Auszug noch bis im Jahr 1984 in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt war und damals rund Fr. 50'000.- verdiente. In den ersten Jahren der selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 1985 wurden zudem noch geringere Einkommen verabgabt als zuvor. Im Alter von 40 bis 45 Jahren erreichte er somit auch tatsächlich bei weitem nicht das von der Vorinstanz zugrunde gelegte Einkommen. 
 
Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdegegner nicht seinen tatsächlichen Leistungen entsprechend entlöhnt worden wäre. Auch wenn er sich altersbedingt aus der Geschäftsführung zurückgezogen haben wird, ist nicht davon auszugehen, dass er aufgrund seines Alters für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit schlechter bezahlt worden wäre als ein Mitarbeiter im mittleren Alter mit den entsprechenden Qualifikationen und Aufgaben. Eine Ermittlung des hypothetischen Verdienstes eines Angestellten der entsprechenden Alterskategorie auf statistischer Grundlage erübrigt sich daher. Dass die Beschwerdeführerin Bundesrecht verletzt haben sollte, indem sie beim Valideneinkommen auf den tatsächlich erzielten Lohn abstellte, ist nicht erkennbar. Somit ist ihr Entscheid unter Aufhebung des kantonalen Urteils zu bestätigen. 
 
6.  
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die Beschwerdeführerin ist nicht entschädigungsberechtigt (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juli 2020 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Helvetia Versicherungen vom 1. Juni 2018 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. August 2021 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo