Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_322/2022
Urteil vom 25. August 2022
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiber Matt.
Verfahrensbeteiligte
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Fraefel,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln; rechtfertigender Notstand (Art. 17 StGB),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 18. Januar 2022 (SB210261-O/U/ad-cs).
Sachverhalt:
A.
A.________ fuhr mit einem Sportwagen auf der Autobahn bewusst mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h nach Abzug der Sicherheitsmarge von 7 km/h.
B.
Am 18. März 2021 sprach das Bezirksgericht Winterthur A.________ vom Vorwurf der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln wegen rechtfertigenden Notstands frei.
Die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Winterthur /Unterland wies das Obergericht des Kantons Zürich am 18. Januar 2022 ab.
C.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Eventualiter sei A.________ wegen qualifiziert grober Verletzung der Verkehrsregeln zu verurteilen.
A.________ trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
Erwägungen:
1.
Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat ( Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG ). Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG grundsätzlich ohne Einschränkung zu (BGE 145 IV 65 E. 1.2; 142 IV 196 E. 1.5; 139 IV 199 E. 2; 134 IV 36 E. 1.4; je mit Hinweisen). Auf die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft ist einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Freispruch des Beschwerdegegners vom Vorwurf der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln.
2.1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner den Tatbestand der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 3 und 4 lit. d SVG bewusst erfüllte, als er mit 200 km/h über die Autobahn raste. Strittig ist nur, ob er in rechtfertigendem Notstand gemäss Art. 17 StGB handelte.
2.2.
2.2.1. Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt (Art. 17 StGB; vgl. Urteile 6B_495/2016 vom 16. Februar 2017 E. 2.1.1; 6B_1054/2015 vom 22. Februar 2016 E. 2.2.4). Rechtfertigender Notstand setzt voraus, dass das gerettete Rechtsgut wertvoller ist als das vom Täter verletzte Rechtsgut (zur Rechtslage nach aArt. 33 Abs. 1 StGB vgl. BGE 129 IV 6 E. 3.2 mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung ist bei einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung Notstand nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen (BGE 116 IV 364 E. 1a; Urteile 1C_67/2021 vom 5. August 2021 E. 4.3; 6A.28/2003 vom 11. Juli 2003 E. 2.2; 6A.58/1992 vom 16. November 1992 E. 4b). Eine massive Geschwindigkeitsüberschreitung dürfte höchstens dann durch Notstand oder Notstandshilfe gerechtfertigt oder entschuldbar sein, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Menschen in Frage steht. Selbst in solchen Fällen ist Zurückhaltung geboten; denn bei massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen ist die konkrete Gefährdung einer unbestimmten Zahl von Menschen möglich, die sich oft nur zufällig nicht verwirklicht (BGE 116 IV 364 E. 1a; Urteil 1C_67/2021 vom 5. August 2021 E. 4.3).
2.2.2. Gemäss Art. 90 Abs. 3 SVG wird mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Art. 90 Abs. 4 SVG listet Geschwindigkeitsüberschreitungen auf, bei denen Art. 90 Abs. 3 SVG in jedem Fall erfüllt ist. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um mindestens 80 km/h überschritten, liegt eine qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln vor (Art. 90 Abs. 4 Satz 4 SVG).
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sind alle Tatbestandsvarianten des Art. 90 SVG mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter Leib und Leben abstrakte Gefährdungsdelikte und es genügt auch für die Absätze 2-4 der Nachweis einer - je nach Tatbestand abgestuften - erhöhten abstrakten Gefährdung. Art. 90 Abs. 3 SVG setzt mithin keine konkrete Gefährdung Dritter voraus (Urteile 6B_668/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 2.4; 6B_931/2019 vom 17. Januar 2020 E. 1.3.1; 6B_567/2017 vom 22. Mai 2018 E. 3.2.1; 6B_148/2016 vom 29. November 2016 E. 1.4.2 mit Hinweisen).
Das nach Art. 90 Abs. 3 SVG geforderte Risiko muss sich auf einen Unfall mit Todesopfern oder Schwerverletzten beziehen und somit ein qualifiziertes Ausmass erreichen. Es muss ein hohes Risiko und mithin eine höhere als die in Art. 90 Abs. 2 SVG geforderte ernstliche Gefahr vorliegen. Diese muss analog der Lebensgefährdung nach Art. 129 StGB unmittelbar, nicht jedoch unausweichlich sein (vgl. Urteile 6B_668/2020 vom 13. Oktober 2020 E. 2.2.1; 6B_1404/2019 vom 17. August 2020 E. 3.3; 6B_931/2019 vom 17. Januar 2020 E. 1.3.1; 6B_698/2017 vom 13. Oktober 2017 E. 5.2). Mit anderen Worten ist es das (qualifizierte) Ausmass der abstrakten Gefährdung, welches die Schwere der Rechtsgutverletzung bestimmt.
2.3. Die Vorinstanz hält fest, die Ehefrau des Beschwerdegegners leide an einer Herzerkrankung und nehme Herzmedikamente. Auf der Heimfahrt habe sie entsprechende Symptome verspürt. Der Beschwerdegegner habe sich ernsthaft gesorgt, seine Ehefrau könnte einen Herzinfarkt erleiden. Deshalb sei er zu schnell gefahren. Irritierend mutet gemäss Vorinstanz die Aussage des Beschwerdegegners an, er habe sich, nachdem er geblitzt worden sei, für den Rest der Fahrt an das Tempolimit gehalten. Dieser Umstand würde dafür sprechen, dass er die Dringlichkeit der Situation doch nicht als derart gross eingeschätzt habe, dass er den einzigen Ausweg zur Rettung des Lebens seiner Ehefrau in einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung sah. Der Beschwerdegegner habe ausgesagt, er habe nicht mit 200 km/h fahren wollen. Diese massive Geschwindigkeitsüberschreitung sei auf den leistungsstarken Sportwagen mit fast 600 PS und 6.1 Liter Hubraum zurückzuführen. Er beschleunige selbst bei kurzer Betätigung des Gaspedals stark.
Die Vorinstanz nimmt zugunsten des Beschwerdegegners an, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr, um schnellstmöglich nach Hause zu den rettenden Medikamenten zu gelangen. Ebenfalls zu seinen Gunsten wertet die Vorinstanz, dass er nur kurzzeitig mit 200 km/h fuhr. Dies sei der Aufregung des Beschwerdegegners und der Angst vor einem akuten Herzversagen geschuldet. Er habe den Tacho nicht laufend überwacht. Zudem sei er an den übermotorisierten Sportwagen seines Sohnes nicht gewöhnt gewesen.
Gemäss Vorinstanz lässt sich nicht objektiv überprüfen, ob die Ehefrau tatsächlich in Lebensgefahr schwebte. Die Zweifel legt sie jedoch abermals zugunsten des Beschwerdegegners aus. Die Staatsanwaltschaft argumentierte im kantonalen Verfahren, auf dem Radarfoto weise nichts auf den angeblich schlechten Zustand der Ehefrau hin. Diesen Einwand verwirft die Vorinstanz mit der Begründung, das Radarfoto, auf dem die beiden Insassen zu sehen sind, sei nur eine Momentaufnahme. Sie geht "in dubio pro reo" von einer Notstandssituation aus, welche zur Abwendung eines drohenden tödlichen Herzinfarkts eine rasche medikamentöse Behandlung erfordert habe.
Die Vorinstanz nimmt an, dass das Leben der Ehefrau in Gefahr war. Zu ihrer Rettung habe der Beschwerdegegner in die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer eingegriffen. Bei einem Unfall mit übersetzter Geschwindigkeit hätten zwar Menschen verletzt oder getötet werden können. Im Gegensatz zur konkret und unmittelbar drohenden Gefahr eines Herzinfarkts bestand gemäss Vorinstanz für die anderen Verkehrsteilnehmer nur eine abstrakte Gefahr. Der Beschwerdegegner habe mit seiner Fahrt also höherwertige Interessen geschützt.
Weiter erwägt die Vorinstanz, der Beschwerdegegner sei auf der Autobahn gefahren, also auf einer gut ausgebauten Strasse, wo weder mit Gegenverkehr noch mit Fussgängern zu rechnen sei. Die Akten enthielten keine Hinweise, dass der Beschwerdegegner andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet hätte. Eine Fahrt mit 200 km/h berge jedoch bereits aufgrund der hohen kinetischen Energie und des langen Bremswegs eine erhebliche abstrakte Unfallgefahr. Für das Ausmass der abstrakten Gefährdung seien jedoch auch die konkreten Umstände relevant. Mangels anderer Hinweise sei zugunsten des Beschwerdegegners von einem geringen Verkehrsaufkommen auszugehen. Auf dem Radarfoto seien keine anderen Verkehrsteilnehmer zu sehen. Der Beschwerdegegner sei auf der Normalspur gefahren. Dies wäre selbst bei mittlerem Verkehrsaufkommen bei dieser Geschwindigkeit kaum denkbar. Zwar sei es bereits dunkel gewesen, was die Sichtweite verringert und die Unfallgefahr in Kombination mit dem langen Bremsweg erhöht habe. Es sei jedoch im Übrigen von guten Sicht- und Strassenverhältnissen bei schöner Witterung, trockenem Asphalt und schwachem Verkehrsaufkommen auszugehen. Ein derart hochmotorisierter Sportwagen verfüge üblicherweise über leistungsstärkere Bremsen und hochwertige Reifen, die auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt und einem gewöhnlichen Auto überlegen seien. Der Beschwerdegegner sei ein routinierter Fahrer, wenngleich er mit dem Sportwagen, der üblicherweise von seinem Sohn gelenkt werde, nur wenig vertraut gewesen sei.
2.4. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist berechtigt.
2.4.1. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung schützt Art. 90 Abs. 1 SVG unmittelbar nur den reibungslosen Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen als öffentliches Interesse, während Individualinteressen wie Leib und Leben oder das Eigentum und Vermögen nur mittelbar geschützt werden (BGE 138 IV 258 E. 3.1 mit zahlreichen Hinweisen). Was Art. 90 Abs. 2, 3 und 4 SVG betrifft, relativierte das Bundesgericht unter Hinweis auf die Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich des Strassenverkehrs, es erscheine fraglich, ob die Verkehrsordnung wirklich nur öffentliche Interessen schütze, während Individualrechtsgüter nur mittelbar geschützt werden (BGE 138 IV 258 E. 3.3.2). Die Lehre hält fest, damit habe das Bundesgericht zutreffend angedeutet, dass Art. 90 Abs. 2, 3 und 4 SVG nicht nur die Verkehrssicherheit als abstraktes Gut schützen, sondern auch unmittelbar Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer. Dafür spreche nicht zuletzt, dass Art. 90 Abs. 2 SVG eine erhöhte abstrakte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter voraussetze, und die als Verbrechen ausgestalteten Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG bezwecken, die Zahl der Verkehrsopfer zu senken (YVAN JEANNERET, Via sicura: le nouvel arsenal pénal, Strassenverkehr 2/2013 S. 31 ff., S. 32; CÉDRIC MIZEL, Le délit de chauffard et sa répression pénale et administrative, AJP 2013 S. 189 ff., S. 193; PHILIPPE WEISSENBERGER, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Aufl. 2015, N. 3 zu Art. 90 SVG; so wohl auch WOHLERS/COHEN, Verschärfte Sanktionen bei Tempoexzessen und sonstigen "elementaren" Verkehrsregelverletzungen, Strassenverkehr 4/2013, S. 5 ff., S. 15). Ob dasselbe auch für Art. 90 Abs. 1 SVG gilt, kann offen bleiben. Denn vorliegend geht es um eine qualifiziert grobe Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 3 und 4 lit. d SVG (vgl. dazu WEISSENBERGER, a.a.O., N. 3 zu Art. 90 SVG).
2.4.2. Was die Kasuistik betrifft, so wurde Notstandshilfe zugunsten eines Vaters bejaht, dem das Spital telefonisch mitgeteilt hatte, sein Neugeborenes habe schwere Atemaussetzer. Er wurde aufgefordert, im Hinblick auf nötige Entscheidungen für die Behandlung seines Kindes unverzüglich ins Krankenhaus zu kommen. Dabei überschritt er um 4:52 Uhr die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 31 km/h (Urteil 1C_345/2012 vom 17. Januar 2013). Hingegen verneinte daundesgericht eine gerechtfertigte Notstandshilfe bei einem Tierarzt, der auf dem Weg zu einer an akuter Euterentzündung leidenden Kuh innerorts die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 25 km/h überschritten hatte (Urteil 6B_7/2010 vom 16. März 2010). Notstand verneinte das Bundesgericht ferner bei einem mit übersetzter Geschwindigkeit fahrenden Lenker, der sich von Übeltätern verfolgt gewähnt hatte, dem aber in Wirklichkeit ein unmarkiertes Polizeifahrzeug gefolgt war (Urteil 6A.28/2003 vom 11. Juli 2003).
Im BGE 106 IV 1 bejahte das Bundesgericht Notstandshilfe. Ein Lenker hatte die auf 60 km/h begrenzte Geschwindigkeit streckenweise massiv überschritten, indem er seinen Personenwagen bis auf 120 km/h beschleunigte. Der Lenker hatte einen Nachbarn, der plötzlich von unerträglichen Kopfschmerzen befallen worden war und wimmernd und mit schmerzverzerrtem Gesicht in der Wohnung umhergerannt war, in das Universitätsspital gefahren. Das Bundesgericht erwog, es hänge von den konkreten Umständen ab, welche Fahrweise zum angestrebten Ziel der möglichst raschen Einweisung des Patienten ins Spital noch in angemessenem Verhältnis steht. Im Ergebnis kam es zum Schluss, der Lenker sei ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Dieses Urteil wird in der Lehre kritisiert. Namentlich wird vorgebracht, es bleibe fraglich, ob dies auch heute noch gleich gesehen würde (NIGGLI/GÖHLICH, Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl. 2019, N. 23 zu Art. 17 StGB).
2.4.3. In der Tat hat sich der Strassenverkehr in den letzten vierzig Jahren erheblich gewandelt. Auch die Gesetzgebung wurde angepasst. Im Rahmen des Handlungsprogramms des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr ("Via sicura") wurden die Strafbestimmungen des SVG per 1. Januar 2013 verschärft (AS 2012 6291; BBl 2010 8447). Dabei hat der Gesetzgeber zu den beiden bisherigen Kategorien von Verkehrsregelverletzungen - der als Übertretung strafbaren einfachen (Art. 90 Abs. 1 SVG) und der als Vergehen strafbaren groben Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG) - eine dritte Kategorie von als Verbrechen strafbaren qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen hinzugefügt (Art. 90 Abs. 3 SVG). Danach wird mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Wird, was dem Beschwerdegegner vorgeworfen wird, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um mindestens 80 km/h überschritten, liegt eine qualifiziert grobe Geschwindigkeitsüberschreitung im Sinn von Art. 90 Abs. 3 SVG vor (Art. 90 Abs. 4 lit. d SVG).
2.4.4. Nach dem Gesagten schützen Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ging der Beschwerdegegner davon aus, dass das Leben seiner mitfahrenden Ehefrau gefährdet war. Es stehen sich somit die gleichen Rechtsgüter gegenüber, weshalb die Beschwerdeführerin die Frage aufwirft, ob Art. 17 StGB überhaupt zur Anwendung kommen kann. Diese Frage kann offen bleiben. Denn vorliegend schlossen die Vorinstanzen ohnehin zu Unrecht auf einen rechtfertigenden Notstand.
Notstand ist bei einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen. Vorliegend fuhr der Beschwerdegegner mit 200 km/h. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit also nicht nur erheblich, sondern massiv. Vor diesem Hintergrund verletzt die vorinstanzliche Interessenabwägung Bundesrecht. Die Vorinstanz scheint zu übersehen, dass bei einer Fahrt mit 200 km/h für die Annahme von Notstand selbst dann grosse Zurückhaltung geboten ist, wenn der unmittelbare Schutz eines Menschenlebens auf dem Spiel steht. Denn bei einer solchen Raserfahrt ist die konkrete Gefährdung einer unbestimmten Zahl von Menschen möglich, wobei oft nur dem Zufall zu verdanken ist, dass sie sich nicht verwirklicht. Geschwindigkeitsüberschreitungen sind erfahrungsgemäss eine der Hauptursachen für schwere Unfälle.
Vorliegend stand auf der einen Seite das Leben der Ehefrau, das der Beschwerdegegner nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz schützen wollte. Auf der anderen Seite gefährdete der Beschwerdegegner aber gerade dieses Leben der Ehefrau auf andere Weise. Denn sie sass während der Raserfahrt auf dem Beifahrersitz. Hinzu kommt das Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer.
2.4.5. Das angefochtene Urteil ist aus einem weiteren Grund unhaltbar.
Sowohl der rechtfertigende wie der entschuldbare Notstand setzen voraus, dass die Gefahr nicht anders abwendbar war. Auch die Notstandshilfe steht unter der Voraussetzung der absoluten Subsidiarität. Notstand darf nur angerufen werden, wenn die Tat ein notwendiges und angemessenes Mittel ist, um ein berechtigtes Ziel zu erreichen (BGE 134 IV 216 E. 6.1; GILLES MONNIER, in: Commentaire Romand, Code pénal I, N. 10 zu Art. 17 StGB; NIGGLI/GÖHLICH, a.a.O., N. 16 zu Art. 17 StGB; TRECHSEL/GETH, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, N. 7 zu Art. 17 StGB).
Die Staatsanwaltschaft argumentierte bereits im kantonalen Verfahren, es hätte sich aufgedrängt, dass der Beschwerdegegner seine Ehefrau in das nahegelegene Kantonsspital Winterthur bringt. Als er mit 200 km/h fuhr, war dieses nur ungefähr 11 Kilometer entfernt. Für die Fahrt nach Hause musste er hingegen die dreifache Distanz zurücklegen.
Dazu hält die Vorinstanz fest, tatsächlich sei das Kantonsspital in der Nähe gewesen. Trotzdem verwirft sie den Einwand der Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf verschiedene Aussagen des Beschwerdegegners. Dieser hatte angegeben, die Ehefrau habe bereits früher einen solchen Anfall erlitten und sich schnell beruhigt, als sie die Medikamente genommen habe. Zudem kenne er sich in Winterthur nicht aus, weshalb er das Spital nicht problemlos gefunden hätte. Überdies habe er befürchtet, dass seine Ehefrau nicht genügend rasch behandelt würde. Die Vorinstanz leitet daraus zugunsten des Beschwerdegegners ab, es könne ihm nicht angelastet werden, dass er nicht zum Kantonsspital fuhr, sondern die dreifache Strecke nach Hause zurücklegte.
Damit verkennt die Vorinstanz den Grundsatz der absoluten Subsidiarität. Die Beschwerdeführerin weist überzeugend darauf hin, dass der Beschwerdegegner das Kantonsspital in ca. 11 Minuten erreicht hätte, ohne die Verkehrsregeln überhaupt zu verletzen. Zudem ist der Weg zur Notaufnahme von Spitälern in aller Regel deutlich signalisiert. Eine allfällige Gefahr für das Leben der Ehefrau war somit anders abwendbar. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall vom BGE 106 IV 1. Dort liess sich in der Umgebung kein Arzt finden, weshalb der Lenker das Universitätsspital anrief und von diesem angewiesen wurde, den Nachbarn sofort als Notfall in das Spital zu bringen. Dem Lenker standen nach dem Telefonat keine Alternativen zur Verfügung.
2.4.6. Das angefochtene Urteil verletzt auch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die Raserfahrt des Beschwerdegegners sei noch knapp verhältnismässig. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist nachvollziehbar, dass der Beschwerdegegner seine Ehefrau möglichst schnell nach Hause bringen wollte. Unverständlich erscheint aber, dass er mit 200 km/h fuhr. Damit schuf er nicht nur ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer, sondern auch eine zusätzliche Gefahr für seine Ehefrau. Der Zeitgewinn von höchstens einigen Minuten steht in keinem Verhältnis zur massiv übersetzten Geschwindigkeit. Nichts ändert daran der vorinstanzliche Hinweis auf die guten Strassen- und Sichtverhältnisse, zumal diese durch die Dunkelheit relativiert werden.
2.5. Nach dem Gesagten verletzt der Freispruch vom Vorwurf der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln Bundesrecht.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. Januar 2022 wird aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückgewiesen.
2.
Der Beschwerdegegner trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. August 2022
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Matt