Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_525/2020  
 
 
Urteil vom 29. April 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Nünlist. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 18. Juni 2020         (S 2019 162). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1967 geborene A.________ meldete sich am 14. August 2016 bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an, wobei er eine Multiple Sklerose (MS) geltend machte. Nach Abklärungen - insbesondere einer neuropsychologischen Begutachtung (Expertise der Dr. phil. B.________, Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP und für Psychotherapie FSP, vom 6. Februar 2019) - sprach die IV-Stelle des Kantons Zug dem Versicherten mit Verfügung vom 31. Oktober 2019 ab 1. Februar 2017 eine Viertelsrente zu. 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 18. Juni 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, es sei ihm unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung vom 31. Oktober 2019 eine ganze Rente zuzusprechen. 
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97   Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweis).  
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht hat eine allfällige Verletzung der Mitwirkungsrechte des Beschwerdeführers bei der Gutachterbestellung (Art. 44 ATSG: Recht zur Äusserung zu der am Gutachten beteiligten Dipl. Psych. C.________, Klinische Neuropsychologin GNP; Recht zur Stellung von [Ergänzungs-]Fragen) als geheilt beurteilt. Es hat dem neuropsychologischen Gutachten vom 6. Februar 2019 Beweiskraft zuerkannt und ausgehend von einer 60%igen Arbeitsfähigkeit in angestammter Tätigkeit auf den Anspruch auf eine Viertelsrente erkannt.  
 
2.2. Strittig und zu prüfen ist die Verletzung des Rechts, Gutachterfragen zu stellen. Der Beschwerdeführer rügt die von der Vorinstanz angenommene Heilung des Verfahrensfehlers. Im Weiteren bestreitet er die Qualifikation von Dipl. Psych. C.________ als Hilfsperson. In diesem Zusammenhang macht er die Verletzung von Art. 44 ATSG und des Untersuchungsgrundsatzes geltend und beanstandet die Beweiskraft des neuropsychologischen Gutachtens vom 6. Februar 2019. Schliesslich rügt er weitere Aspekte hinsichtlich Validen- und Invalideneinkommen.  
 
3.   
Soweit der Beschwerdeführer dem kantonalen Gericht eine Verletzung der Begründungspflicht vorwirft, kann ihm nicht gefolgt werden. Diese aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör    (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessende Verpflichtung verlangt nicht, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid die wesentlichen Faktoren hinlänglich feststellt und würdigt, sodass er gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 142 II 49 E. 9.2; 136 I 184 E. 2.2.1; 134 I 83 E. 4;   133 III 439 E. 3.3; je mit Hinweisen). Diese Anforderungen erfüllt der angefochtene Entscheid. 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Muss der Versicherungsträger zur Abklärung des Sachverhaltes ein Gutachten einer oder eines unabhängigen Sachverständigen einholen, so gibt er der Partei deren oder dessen Namen bekannt. Diese kann den Gutachter aus triftigen Gründen ablehnen und kann Gegenvorschläge machen (Art. 44 ATSG).  
 
4.1.2. Als Experte im Sinne von Art. 44 ATSG ist derjenige zu verstehen, der (als beauftragtes Subjekt) ein Gutachten erstellt und dafür verantwortlich zeichnet. Es handelt sich zum einen um das mit der Begutachtung beauftragte Subjekt und zum andern die natürliche Person, die das Gutachten erarbeitet.  
Als Auftraggeber hat der Versicherungsträger Anspruch darauf, dass die Begutachtung durch die beauftragte Person durchgeführt wird. Die Substitution oder Weitergabe (selbst eines Teils) des Auftrags an einen anderen Sachverständigen setzt grundsätzlich die Einwilligung des Auftraggebers voraus. 
Die persönliche Leistungspflicht des Beauftragten schliesst jedoch nicht aus, dass der Experte die Unterstützung einer Hilfsperson in Anspruch nimmt, die unter seiner Anleitung und Aufsicht handelt, um gewisse untergeordnete Hilfsarbeiten auszuführen, zum Beispiel technische Aufgaben (Analysen) oder Recherchier- Schreib-, Kopier- oder Kontrollarbeiten. Eine solche durch einen qualifizierten Dritten vorgenommene Unterstützung für untergeordnete Hilfsarbeiten ist zulässig, ohne dass darin eine zustimmungsbedürftige Substitution zu sehen ist, solange die Verantwortung für die Expertise, insbesondere die Begründung und die Schlussfolgerungen sowie die Beantwortung der Gutachterfragen, in den Händen des beauftragten Experten bleiben. 
Es ist wichtig, dass der beauftragte Gutachter die grundlegenden Aufgaben im Rahmen einer medizinischen Expertise im Sozialversicherungsrecht persönlich erfüllt, da er genau aufgrund seines Fachwissens, seiner besonderen wissenschaftlichen Fähigkeiten und seiner Unabhängigkeit beauftragt wurde. Zu diesen Aufgaben, die nicht delegiert werden können, gehören insbesondere die Kenntnisnahme vom Dossier in seiner Gesamtheit und dessen kritische Analyse, die Untersuchung der zu begutachtenden Person oder die Gedankenarbeit hinsichtlich der Beurteilung des Falles und der Schlussfolgerungen, die gezogen werden können, wenn nötig im Rahmen einer interdisziplinären Diskussion. 
Im Zusammenhang mit Art. 44 ATSG resultiert aus dem Gesagten, dass die Verpflichtung, den Namen der mit der Begutachtung beauftragten Mediziner im Voraus zu kommunizieren, respektive das Recht des Versicherten, diesen Namen zu kennen, diejenige Person betrifft, die durch die Invalidenversicherung mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt wurde. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf den Namen von Dritten, die den Experten mit Hilfsarbeiten unterstützen (zum Ganzen: BGE 146 V 9 E. 4.2.1 ff. mit Hinweisen). 
 
4.2. Wie das kantonale Gericht selbst darlegt (angefochtener Entscheid E. 6.4 S. 15), kann mit Blick auf die inhaltlichen Ausführungen im neuropsychologischen Gutachten vom 6. Februar 2019 nicht eruiert werden, in welchem Umfang Dipl. Psych. C.________ daran mitgewirkt hat. So wird insbesondere nicht offengelegt, wer welche Teile der Expertise durchgeführt hat. Soweit sich die Vorinstanz dennoch hierzu äussert (angefochtener Entscheid E. 6.4 S. 14 f.), findet ihre Beurteilung einerseits keine Stütze im Gutachten und erscheint andererseits auch in sich widersprüchlich.  
In formeller Hinsicht wurden in der Expertise unter "Angaben zum Gutachter" sowohl Dr. phil. B.________ als auch Dipl. Psych. C.________ aufgeführt (Expertise Ziff. 1.1. lit. c S. 2). Sodann wurde unter "Eigene Untersuchungen und Befunde" dargelegt, die neuropsychologische Untersuchung vom 6. September 2018 sei durch Dipl. Psych. C.________ und Dr. phil. B.________ erfolgt (Expertise Ziff. 1.2. lit. c S. 3; vgl. auch Expertise Ziff. 4.4. S. 35). Weiter wurde im Gutachten von "Referentinnen" gesprochen (Expertise Ziff. 4.1 S. 27). Und schliesslich sollten beide Untersucherinnen die Expertise unterschreiben (Expertise S. 47). Hinweise darauf, dass Dipl. Psych. C.________ lediglich untergeordnete Hilfsarbeiten im Sinne der dargelegten Rechtsprechung (E. 4.1.2) durchgeführt hat, liegen nicht vor. Es ist daher davon auszugehen, dass Dr. phil. B.________ Dipl. Psych. C.________ als Gutachterin mit eingebunden hat, weshalb keine Zweifel daran bestehen, dass sie in gleichem Umfang an der Erstellung des Gutachtens beteiligt waren. 
 
 
4.3. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung gemäss BGE 146 V 9 (E. 4.1.2) ist aufgrund des Gesagten darauf zu schliessen, dass es sich sowohl bei Dr. phil. B.________ als auch bei Dipl. Psych. C.________ um Gutachterinnen im Sinne von Art. 44 ATSG handelte. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach Letztere lediglich eine Hilfsperson gewesen sei, ist aktenwidrig und damit offensichtlich unrichtig (E. 1).  
 
5.   
Abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer damit auch der Name von Dipl. Psych. C.________ vor der Begutachtung hätte mitgeteilt werden müssen (Art. 44 ATSG, E. 4.1.1) - was nicht geschehen ist (Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 9. Mai 2018) - stellt sich vorliegend die Frage nach der Beweiskraft der Expertise in formeller Hinsicht. 
 
5.1. Diesbezüglich ist vorweg darauf hinzuweisen, dass ein als Hauptgutachter an einem neuropsychologischen Gutachten mitwirkender Experte über eine der im IV-Rundschreiben Nr. 367 des Bundesamtes für Sozialversicherungen vom 21. August 2017 (IV-Rundschreiben   Nr. 367, abrufbar unter: https://sozialversicherungen.admin.ch/de/d/5942) alternativ aufgeführten fachlichen Qualifikationen verfügen muss. Ob dies bei Dipl. Psych. C.________ der Fall ist, kann nach der derzeitigen Aktenlage nicht abschliessend beurteilt werden.  
Ein weiterer formeller Mangel betrifft die fehlende Unterschrift von Dipl. Psych. C.________ im Gutachten (Expertise S. 47). Als Hauptgutachterin hätte sie die Expertise mit unterzeichnen müssen oder ihr Einverständnis zu den darin festgehaltenen Erkenntnissen hätte zumindest nachträglich eingeholt werden müssen (vgl. zur Zulässigkeit der nachträglichen Bestätigung Urteil 8C_252/2014 vom 5. August 2014 E. 3.3). Beides ist vorliegend nicht geschehen. 
 
5.2. Aufgrund des Gesagten ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Diese hat zu klären, ob Dipl. Psych. C.________ die gemäss IV-Rundschreiben Nr. 367 geforderte fachliche Qualifikation zur Erstattung eines neuropsychologischen Gutachtens erfüllt. Sollte dies nicht der Fall sein, ist das neuropsychologische Gutachten vom   6. Februar 2019 nicht beweiskräftig. Sollte die Psychologin dagegen fachlich qualifiziert sein, wird ihr Einverständnis zu den in der Expertise festgehaltenen Erkenntnissen nachträglich einzuholen sein. Schliesslich wird - unter Berücksichtigung der Vorbringen in der Beschwerdeschrift - über die Beweiskraft der Expertise respektive die Notwendigkeit weiterer Abklärungen zu befinden sein, bevor neu über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine höhere Invalidenrente als die Viertelsrente, die ihm anerkannt wurde, entschieden wird.  
 
6.   
Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid praxisgemäss als volles Obsiegen (vgl. statt vieler: Urteil 9C_527/2018 vom 25. Januar 2019 E. 4.1 mit Hinweis auf BGE 137 V 210 E. 7.1 mit Hinweisen), weshalb die unterliegende Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten trägt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung, da die Interessenwahrung keinen Arbeitsaufwand verursacht hat, der den Rahmen dessen überschreitet, was die Einzelne üblicher- und zumutbarerweise zur Besorgung ihrer persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat (BGE 129 V 113 E. 4.1 mit Hinweisen, insbesondere auf BGE 110 V 132). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 18. Juni 2020 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zug vom 31. Oktober 2019 werden aufgehoben, soweit sie den Anspruch auf eine höhere als die ab       1. Februar 2017 anerkannte Viertelsrente betreffen. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Zug zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückgewiesen. 
 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. April 2021 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Nünlist