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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_834/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 28. November 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Psychiatrie B.________. 
 
Gegenstand 
Zwangsmedikation (fürsorgerische Unterbringung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 11. Oktober 2017 (3H 17 90). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (Betroffener) leidet an einer langjährig bestehenden, chronisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie. Am 11. Januar 2016 wurde er von Dr. med. C.________ fürsorgerisch in die Psychiatrische Klinik D.________ eingewiesen. Mit Entscheid vom 19. April 2016 verfügte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Luzern die Verlegung des Betroffenen in die Psychiatrie B.________, Klinik E.________. Im Rahmen der periodischen Überprüfungen bestätigte sie die fürsorgerische Unterbringung am 19. August 2016 und am 17. Februar 2017. 
 
B.   
Mit Schreiben vom 13. September 2017 rügte der Betroffene beim Bezirksgericht Willisau, er werde unter Androhung der Verlegung in die Isolierzelle zur Einnahme von Medikamenten gezwungen. Die Einzelrichterin am Bezirksgericht Willisau trat mit Urteil vom 14. September 2017 auf die Eingabe nicht ein. Der Betroffene gelangte dagegen an das Kantonsgericht des Kantons Luzern, welches seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 11. Oktober 2017 abwies. Dieser Entscheid ist dem Betroffenen am 23. Oktober 2017 in begründeter Ausfertigung zugestellt worden. 
 
C.   
Noch vor Zustellung des begründeten Entscheides hat der Betroffene (Beschwerdeführer) beim Bundesgericht am 18. Oktober 2017 (Postaufgabe) gegen das Urteil des Kantonsgerichts Beschwerde erhoben. Er rügt eine widerrechtliche Zwangsbehandlung und verlangt sinngemäss deren Aufhebung. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 teilte er dem Bundesgericht mit, er habe keine Kraft mehr zum Prozessieren, wisse aber und könne auch beweisen, dass die Ärzte ihm die falschen Medikamente verabreicht hätten. Mit Schreiben des Präsidenten der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 27. Oktober 2017 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sich bis zum 2. November 2017 zu seinen Absichten bezüglich der Beschwerdeerhebung zu äussern. Er liess sich innert Frist nicht mehr vernehmen. 
 
D.   
Das Kantonsgericht hat keine Stellungnahme eingereicht. Die Klinik hat sich am 27. Oktober 2017 zur Sache geäussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer hat seine ursprüngliche verfrühte Eingabe vom 18. Oktober 2017 am 24. Oktober 2017 und damit nach der Zustellung des begründeten, nunmehr angefochtenen Urteils ergänzt. Sodann hat er seine Beschwerde auch nach dem Schreiben des Präsidenten der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 27. Oktober 2017 innert der am 22. November 2017 auslaufenden Beschwerdefrist weder zurückgezogen noch erweitert. Mangels ausdrücklichen Rückzuges ist die Beschwerde zu behandeln. 
 
2.   
 
2.1. Angefochten ist ein das Verfahren abschliessender Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 2, Art. 90 BGG). Er beschlägt den Erwachsenenschutz und ist damit ein öffentlich-rechtlicher Entscheid in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 1 BGG. Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist grundsätzlich einzutreten.  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen bzw. mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft es unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 136 III 518 E. 3 S. 519; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; Urteil 5A_469/2013 vom 17. Juli 2013 E. 2.2). Im vorliegenden geht es um die angebliche Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, weist der Entscheid gewisse offensichtliche Mängel auf. Diese geben dazu Anlass, auf die vorliegende Beschwerde einzutreten.  
 
3.   
 
3.1. Strittig ist, ob vorliegend eine Zwangsbehandlung vorliegt. Das Kantonsgericht hat auf Verwaltungsbeschwerde hin im Wesentlichen erwogen, der Beschwerdeführer habe vor Bezirksgericht und vor Kantonsgericht einzig die Rüge erhoben, er werde unter Drohungen dazu gezwungen, Medikamente einzunehmen. Einen anderen Grund mache er nicht geltend. Laut konstanter und glaubhafter Darstellung der Klinik bemühe sich das Personal um einen toleranten Umgang mit dem Beschwerdeführer und verabreiche ihm die Medikamente nicht unter Anwendung körperlicher Gewalt. Der Beschwerdeführer vermöge daher, abgesehen von der geltend gemachten Drohung mit der Verlegung in eine Isolierzelle, keine Begleitumstände der angeblich erzwungenen Medikamenteneinnahme zu benennen. Dabei verkenne das Kantonsgericht nicht, dass eine psychiatrische Klinik ihren Patienten gegenüber einen gewissen Druck ausüben müsse, um sie zur Einnahme der verschriebenen Medikamente zu bewegen. Dieser psychische Druck komme indes nicht einer Zwangsbehandlung gleich, solange er im Ergebnis nicht dieselbe Intensität erreiche wie die körperliche Fixierung der betroffenen Person. Die Behandlung des Beschwerdeführers gegen seinen Willen sei nicht von vornherein gesetzwidrig. Allein eine gesetzwidrige Zwangsbehandlung unterstehe indes der gerichtlichen Beurteilung. Da nach dem Gesagten eine Zwangsmedikation nicht erstellt sei, und der Beschwerdeführer überdies in sehr hoher Frequenz mit mehr oder weniger gleichlautenden Vorwürfen, die sich in der Folge nicht erhärten liessen, an das Bezirksgericht gelange, sei nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf seine Eingabe vom 13. September 2017 nicht eingetreten sei. Denn mit einem inexistenten Beschwerdegrund gebreche es dem Beschwerdeführer, wie die erste Instanz zu Recht erwäge, am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.  
 
3.2. Das Kantonsgericht hat sich zu den Vorwürfen des Beschwerdeführers nicht vernehmen lassen. Die Klinik legt dar, der Beschwerdeführer werde aktuell nicht zwangsmediziert.  
 
4.   
 
4.1. Die Klinik geht davon aus, der Beschwerdeführer werde nicht zwangsmediziert. Das Kantonsgericht äussert sich seinerseits im angefochtenen Urteil in allgemeiner Weise dahingehend, es sei bisweilen ein gewisser Druck nötig, um die Patienten zur Einnahme der Medikamente zu bewegen. Es sieht darin allerdings keine Zwangsbehandlung, da dieser Druck nicht jenem entspreche, der mit einer Fixierung des Betroffenen verbunden sei. Mit dieser Auffassung wird die Vorinstanz freilich dem Begriff der Zwangsbehandlung nicht gerecht. Was darunter zu verstehen ist, hat das Bundesgericht bereits mehrfach definiert: Als Zwangsbehandlung gilt in erster Linie der Fall, in dem einem Betroffenen gegen seinen Willen unter Anwendung physischer Gewalt Medikamente verabreicht werden. Von einer Zwangsbehandlung ist ferner auszugehen, wenn der Patient unter dem Druck bevorstehenden unmittelbaren Zwangs in die ärztliche Behandlung einwilligt (Urteil 5P.366/2002 vom 26. November 2002 E. 4) oder nach einer tatsächlich vorgenommenen zwangsweisen Verabreichung von Medikamenten diese im weiteren Verlauf des Aufenthalts "ohne Druck" bzw. "freiwillig" einnimmt (Urteil 5A_353/2012 vom 19. Juni 2012 E. 3.4.1; zum Ganzen Urteil 5A_666/2013 vom 7. Oktober 2013 E. 3.2). In einem weiteren Entscheid hat das Bundesgericht schliesslich in einer Zweitbegründung den Fall als Zwangsbehandlung in Form eines Realaktes bezeichnet, in dem die betroffene Person mit einer Verlegung in das Isolierzimmer rechnen muss, wenn sie die verordneten Medikamente nicht einnimmt (BGE 143 III 337 E. 2.7 S. 343). In diesem Zusammenhang hat es allerdings nur festgehalten, dass der Rechtsweg gegeben sein muss, da der Realakt in geschützte Positionen des Betroffenen eingreift (BGE 143 III 337 E. 2.7 S. 343). Unbeantwortet blieb indes die Frage, ob eine Zwangsbehandlung in Form eines Realaktes im Lichte des geltenden Bundesrechts überhaupt noch zulässig ist. Im konkreten Fall stellt sich diese Frage und sie muss klar verneint werden:  
 
4.2. Dass der Beschwerdeführer zur Behandlung seiner psychischen Störung in der Klinik untergebracht ist (Art. 426 ZGB), bleibt unbestritten. Fehlt diesfalls die Zustimmung der betroffenen Person zur Behandlung, kann die Chefärztin oder der Chefarzt der Abteilung oder ihr bzw. sein Stellvertreter (BGE 143 III 337 E. 2.4.2 S. 341) die im Behandlungsplan (Art. 433 ZGB) vorgesehenen medizinischen Massnahmen unter bestimmten, im Gesetz wiedergegebenen Voraussetzungen (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB) schriftlich anordnen. Eine andere Art der Anordnung der Behandlung ohne Zustimmung der betroffenen Person, insbesondere die Zwangsbehandlung in Form eines Realaktes, ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. dazu: Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 S. 7003). Die lediglich unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zulässige Massnahme kann nicht durch reinen Realakt umgesetzt werden (vgl. BGE 137 I 120 E. 5.5 S. 125 f). Im Ergebnis kann die Klinik somit nicht umhin, bei gegebenen Voraussetzungen (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB) die Behandlung ohne Zustimmung schriftlich anzuordnen, falls die betroffene Person die Einnahme der im Behandlungsplan vorgesehenen Medikamente verweigert. Dabei ist es ihr unbenommen, bereits in der Anordnungsverfügung die Vollstreckung der Massnahme vorzusehen und deren Modalitäten festzulegen (siehe dazu BGE 143 III 337 E. 2.5 S. 342). Dass im Fall des Beschwerdeführers gesetzeskonform verfügt worden wäre, ist nicht ersichtlich.  
 
4.3. Angesichts der unzutreffenden Definition des massgebenden Begriffs durch die Vorinstanz, ist nicht abgeklärt worden, ob die Vorwürfe des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprechen. Damit erweist sich der angefochtene Entscheid als rechtsfehlerhaft. Der allgemeine, nicht substanziierte Hinweis, dass der Beschwerdeführer bereits des Öftern solche oder ähnliche Vorwürfe erhoben habe, die sich im Nachhinein nicht hätten erhärten lassen, vermag den abweisenden Entscheid nicht als gesetzeskonform zu rechtfertigen: Sollten nämlich dem Beschwerdeführer eine Verlegung in das Isolierzimmer oder Nachteile anderer Art angedroht worden sein, um ihn zur Einnahme der Medikamente zu bewegen, so erwiese sich dieses Vorgehen als mit dem geltenden Bundesrecht nicht vereinbar.  
 
4.4. Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage lassen sich die kantonalen Entscheide nicht aufrecht erhalten. Sie sind demnach in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Das Bezirksgericht Willisau hat im Folgenden abzuklären, wie es sich mit den Vorwürfen der Drohung gegenüber dem Beschwerdeführer zwecks "freiwilliger" Einnahme der Medikamente verhält. Insbesondere ist der Frage nachzugehen, ob auf den Beschwerdeführer mit einer Verlegung in das Isolierzimmer für den Fall gedroht worden ist, dass er die Medikamente nicht "freiwillig" einnimmt. Sollte sich der Vorwurf als begründet erweisen, hätte die erste Instanz die Sache an die Klinikleitung zurückzuweisen mit dem Auftrag, abzuklären, ob im Fall des Beschwerdeführers ein Behandlungsplan (Art. 433 ZGB) vorliegt und im Weiteren die Voraussetzungen für eine Behandlung ohne Zustimmung des Beschwerdeführers (Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB) erfüllt sind. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang als Erstes, ob der Beschwerdeführer mit Bezug auf die medikamentöse Behandlung urteilsunfähig ist (mangelnde Krankheits- und Behandlungseinsicht). Ferner wäre durch die Klinikleitung abzuklären, ob die Voraussetzungen von Art. 434 Abs. 1 Ziff. 1-3 ZGB gegeben sind.  
 
5.   
Im vorliegenden Fall ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten, zumal sie dem unterliegenden Kanton nicht auferlegt werden können (Art. 66 Abs. 4 BGG). Eine Regelung der Kosten der kantonalen Verfahren erübrigt sich, zumal beide kantonalen Entscheide aufgehoben worden sind und die zweite Instanz, abgesehen davon, keine Kosten erhoben hat. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bezirksgerichts Willisau vom 14. September 2017 und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Luzern vom 11. Oktober 2017 werden aufgehoben. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Bezirksgericht Willisau zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Psychiatrie B.________, und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. November 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zbinden