Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B_98/2021
Urteil vom 3. März 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix,
Bundesrichterin Jametti,
Bundesrichter Haag, Müller,
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Basil Huber,
gegen
1. Daniel Peyer, c/o Bezirksgericht Baden, Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden,
2. Silvio Knecht, c/o Bezirksgericht Baden, Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Bleichemattstrasse 7, 5001 Aarau 1 Fächer,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 21. Januar 2021 (SBK.2020.252).
Sachverhalt:
A.
Am 25. Juli 2019 erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) beim Bezirksgericht Baden Anklage gegen A.________ wegen versuchten Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung und Veruntreuung.
Mit Strafbefehl vom gleichen Tag verurteilte die Staatsanwaltschaft A.________ wegen Urkundenfälschung zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Dagegen erhob A.________ Einsprache. Am 13. August 2019 überwies die Staatsanwaltschaft die Sache dem Bezirksgericht zur Durchführung der Hauptverhandlung. Der Strafbefehl gelte als Anklage.
Am 18. März 2020 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht gegen A.________eine Zusatzanklage wegen mehrfachen betrügerischen Konkurses, Pfändungsbetrugs und mehrfacher Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte.
B.
Mit Verfügung vom 8. Juni 2020 überwies der Präsident des Bezirksgerichts, Daniel Peyer, die auf dem Strafbefehl beruhende Anklage an das Bezirksgericht als Gesamtgericht und vereinigte dieses Verfahren mit den beiden anderen (Anklage vom 25. Juli 2019 und Zusatzanklage vom 18. März 2020).
C.
Am 18. August 2020 verlangte A.________ den Ausstand von Daniel Peyer; ebenso mit getrennter Eingabe den Ausstand der Bezirksrichter Silvio Knecht und Werner Kummer.
Am 26. bzw. 27. August 2020 nahmen Daniel Peyer sowie Silvio Knecht und Werner Kummer zu den Ausstandsgesuchen Stellung. Sie beantragten deren Abweisung, soweit darauf einzutreten sei.
D.
Am 21. Januar 2021 schrieb das Obergericht des Kantons Aargau (Beschwerdekammer in Strafsachen) das Ausstandsgesuch gegen Werner Kummer als gegenstandslos geworden ab, da er inzwischen aus dem Amt geschieden war. Das Ausstandsgesuch gegen Daniel Peyer wies es ab, soweit es darauf eintrat. Jenes gegen Silvio Knecht wies es ab.
E.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Die Ausstandsgesuche seien gutzuheissen und Daniel Peyer sowie Silvio Knecht in den Ausstand zu versetzen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
F.
Die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau haben auf Gegenbemerkungen ausdrücklich verzichtet; ebenso stillschweigend das Obergericht und Silvio Knecht. Daniel Peyer hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. A.________ hat hierzu keine Stellung genommen.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Vorinstanz hat nach Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit gemäss Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Der angefochtene Entscheid stellt einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über Ausstandsbegehren dar. Gemäss Art. 92 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde auch insoweit zulässig. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind grundsätzlich ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen - einzutreten.
2.
2.1. Soweit die Vorinstanz das Ausstandsgesuch gegen Werner Kummer als gegenstandslos abgeschrieben hat, stellt der Beschwerdeführer ihren Entscheid nicht infrage. Er macht geltend, bei den Beschwerdegegnern 1 und 2 bestehe der Anschein der Befangenheit. Der angefochtene Entscheid verletze Art. 56 StPO, Art 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
2.2. Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Generalklausel, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art 56 lit. a-e StPO nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Sie entspricht Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist (BGE 147 I 173 E. 5.1; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen).
3.
3.1. Bereits am 29. September 2015 hatte die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Anklage gegen den Beschwerdeführer erhoben. Das Bezirksgericht führte das Verfahren unter der Nummer ST.2015.193. Mit Verfügung vom 12. Oktober 2017 wies der Beschwerdegegner 1 die Sache an die Staatsanwaltschaft zurück. In der Folge erhob die Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren die Zusatzanklage vom 18. März 2020.
Der Beschwerdeführer bringt vor, der Beschwerdegegner 1 habe im Verfahren ST.2015.193 Fehler begangen, weshalb der Anschein der Befangenheit bestehe.
3.2. Nach der Rechtsprechung - welche der Beschwerdeführer übergeht - begründen fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen eines Richters für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; je mit Hinweisen).
3.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beschwerdegegner 1 habe im Verfahren ST.2015.193 Kontakte zum Anwalt des Privatklägers gehabt und diese unvollständig dokumentiert.
Am 9. Mai 2017 fand unstreitig ein E-Mail-Verkehr zwischen dem Anwalt des Privatklägers und dem Beschwerdegegner 1 statt. Dabei geht es um drei E-Mails. Lediglich eine davon ist in den Akten enthalten (act. 7.3 242 ff.). Einer E ingabe vom 29. Juli 2020 an das Bezirksgericht legte die Staatsanwaltschaft Kopien sämtlicher drei E-Mails bei. Die Vorinstanz erwägt, damit müssten sich alle drei E-Mails nach der Anklagerückweisung in den Akten befunden haben, die der Beschwerdegegner 1 der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht habe. Weshalb es der Beschwerdegegner 1 zu verantworten haben sollte, dass die E-Mails dann nur teilweise Eingang in die Akten des weiteren Verfahrens gefunden hätten, sei nicht einsichtig. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Damit dürfte er seiner Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht genügen (dazu BGE 143 I 377 E. 1.2). Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben. Im Lichte der vorinstanzlichen Erwägungen ist jedenfalls nicht auszumachen, inwiefern dem Beschwerdegegner 1 insoweit ein besonders krasser Verfahrensfehler anzulasten sein könnte.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es habe möglicherweise noch weitere nicht dokumentierte Kontakte zwischen dem Anwalt des Privatklägers und dem Beschwerdegegner 1 gegeben, handelt es sich nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz um blosse Spekulation. Damit wird kein Ausstandsgrund dargetan.
Inwiefern der Beschwerdegegner 1 durch sein Verhalten im Verfahren ST.2015.193 sonst wie den Anschein der Voreingenommenheit erweckt haben könnte, legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar und ist nicht erkennbar.
Die Beschwerde erweist sich daher im vorliegenden Punkt - soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann - als unbegründet.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beschwerdegegner 1 sei mit dem am Bezirksgericht hängigen Strafverfahren überfordert. Es fehle ihm an der notwendigen Fachkompetenz. Auch daraus ergebe sich der Anschein der Befangenheit.
4.2. Nach der Rechtsprechung befähigen nur ausreichende fachliche Kenntnisse den Richter zu unabhängiger Willensbildung und richtiger Rechtsanwendung. Der Richter muss in der Lage sein, den Fall in seinen Einzelheiten zu erfassen, sich darüber eine Meinung zu bilden und das Recht darauf anzuwenden (BGE 134 I 16 E. 4.3 mit Hinweisen).
4.3. Die Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich gegebenenfalls bei einem unerfahrenen Laienrichter stellen, insbesondere wenn er sich ohne die Möglichkeit der Mithilfe einer juristisch gebildeten Person mit einem Fall befassen muss (vgl. BGE 134 I 16 E. 4.3; Urteil 1B_331/2021 vom 7. Oktober 2021 E. 3). Der Beschwerdegegner 1 ist kein Laie. Er verfügt über einen juristischen Universitätsabschluss und das Anwaltspatent. Es bestehen keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass er ausserstande wäre, den beim Bezirksgericht hängigen Fall in den Einzelheiten zu erfassen, sich darüber eine Meinung zu bilden und das Recht darauf anzuwenden. Soweit die Beteiligten mit seiner Verfahrensführung oder dem bezirksgerichtlichen Urteil nicht einverstanden sein sollten, stünde es ihnen frei, die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel zu ergreifen. Eine Ausstandspflicht begründet das nicht.
Die Beschwerde ist demnach auch insoweit unbehelflich.
5.
5.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, im Verfahren, das zur Anklage vom 25. Juli 2019 geführt habe, habe vorher ein gescheitertes abgekürztes Verfahren stattgefunden. In diesem hätten die Beschwerdegegner mitgewirkt. Damit könnten sie nun im darauf folgenden ordentlichen Verfahren nicht als Richter amten. Wegen ihrer Mitwirkung im abgekürzten Verfahren bestehe der Anschein der Voreingenommenheit.
5.2. Die Vorinstanz erachtete das Vorbringen in Bezug auf den Beschwerdegegner 1 als verspätet, nicht dagegen in Bezug auf den Beschwerdegegner 2. Insoweit prüfte sie es materiell und beurteilte es als unbegründet.
Ob die Vorinstanz das Vorbringen in Bezug auf den Beschwerdegegner 1 zu Recht als verspätet angesehen hat, kann offenbleiben. Wäre es - wie der Beschwerdeführer geltend macht - als rechtzeitig zu betrachten, änderte sich aus folgenden Erwägungen am Ergebnis nichts.
5.3. Das abgekürzte Verfahren regeln Art. 358 ff. StPO.
Gemäss Art. 358 StPO kann die beschuldigte Person der Staatsanwaltschaft bis zur Anklageerhebung die Durchführung des abgekürzten Verfahrens beantragen, wenn sie den Sachverhalt, der für die rechtliche Würdigung wesentlich ist, eingesteht und die Zivilansprüche zumindest im Grundsatz anerkennt (Abs. 1). Das abgekürzte Verfahren ist ausgeschlossen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verlangt (Abs. 2).
Nach Art. 361 StPO führt das erstinstanzliche Gericht eine Hauptverhandlung durch (Abs. 1). An dieser befragt es die beschuldigte Person und stellt fest, ob (a) sie den Sachverhalt anerkennt, welcher der Anklage zu Grunde liegt und (b) diese Erklärung mit der Aktenlage übereinstimmt (Abs. 2). Ein Beweisverfahren findet nicht statt (Abs. 4).
Gemäss Art. 362 StPO befindet das Gericht frei darüber, ob (a) die Durchführung des abgekürzten Verfahrens rechtmässig und angebracht ist, (b) die Anklage mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung und mit den Akten übereinstimmt, und (c) die beantragten Sanktionen angemessen sind (Abs. 1). Sind die Voraussetzungen für ein Urteil im abgekürzten Verfahren erfüllt, so erhebt das Gericht die Straftatbestände, Sanktionen und Zivilansprüche der Anklageschrift zum Urteil (Abs. 2). Sind die Voraussetzungen für ein Urteil im abgekürzten Verfahren nicht erfüllt, so weist das Gericht die Akten an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung eines ordentlichen Vorverfahrens zurück (Abs. 3). Erklärungen, die von den Parteien im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgegeben worden sind, sind nach der Ablehnung eines Urteils im abgekürzten Verfahren in einem folgenden ordentlichen Verfahren nicht verwertbar (Abs. 4).
Art. 362 Abs. 4 StPO betrifft einen Fall der Unverwertbarkeit nach Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO. Erklärungen, die von den Parteien im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgegeben worden sind, sind nach der Ablehnung eines Urteils im abgekürzten Verfahren in einem folgenden ordentlichen Verfahren somit in keinem Falle verwertbar. Anwendbar ist sodann Art. 141 Abs. 5 StPO. Danach werden die Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise aus den Strafakten entfernt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss gehalten und danach vernichtet (BGE 144 IV 189 E. 5.2.3).
5.4. Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. b StPO. Dieser betrifft die sog. Vorbefassung und setzt voraus, dass die vom Ausstandsgesuch betroffene Person in einer anderen Stellung in der gleichen Sache tätig war. Ist die Person in derselben Stellung mit der gleichen Sache mehrfach befasst, liegt keine Vorbefassung im Sinne von Art. 56 lit. b StPO vor (BGE 143 IV 69 E. 3.1 S. 73 f. mit Hinweis). Die Mehrfachbefassung kann unter dem Gesichtswinkel von Art. 56 lit. f StPO Bedeutung erlangen (Urteil 1B_139/2018 vom 26. November 2018 E. 4.2 mit Hinweis).
Die Beschwerdegegner wirkten im abgekürzten Verfahren als Richter des Bezirksgerichts mit, also in gleicher Stellung wie im jetzigen ordentlichen Verfahren. Es geht somit um den Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. f StPO.
5.5. Ob eine unzulässige, den Verfahrensausgang vorwegnehmende Mehrfachbefassung vorliegt, kann nicht allgemein gesagt werden. Zu prüfen ist anhand der tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände in jedem Einzelfall, ob das Verfahren trotz Mehrfachbefassung noch als offen erscheint (BGE 142 III 732 E. 4.2.2; 131 I 113 E. 3.4; je mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung ist es mit dem Anspruch auf einen unbefangenen Richter vereinbar, wenn dieselben Richter, die ein Abwesenheitsurteil gefällt haben, bei der Neubeurteilung der Angelegenheit im ordentlichen Verfahren mitwirken. In der neuen Hauptverhandlung ist zwar über die gleichen Fragen zu befinden wie im Abwesenheitsverfahren, nämlich darüber, ob sich der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Handlungen schuldig gemacht hat und welche Strafe gegebenenfalls auszufällen ist. Im Abwesenheitsverfahren stand dem Gericht für den Entscheid hierüber wegen der fehlenden Mitwirkung des Angeklagten jedoch keine vollständige Beurteilungsgrundlage zur Verfügung. Der Ausgang der neuen Hauptverhandlung, in welcher dieser Mangel behoben wird, erscheint deshalb als offen (BGE 116 Ia 32 E. 3b/aa).
Zu einer Ausstandspflicht führt es nach der Rechtsprechung für sich allein ebenso wenig, wenn ein Richter ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abgewiesen hat. Wesentliche Bedeutung kommt insoweit dem Umstand zu, dass es sich bei der Prüfung der Erfolgsaussichten ex ante stets um eine
vorläufige, aufgrund des jeweiligen Aktenstandes vorgenommene Beurteilung der Sach- und Rechtslage handelt (BGE 131 I 113 E. 3.7 mit Hinweisen).
Ob ein Richter allein deshalb in den Ausstand zu treten hat, weil er bereits am gescheiterten abgekürzten Verfahren mitwirkte, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden.
5.6. Im Schrifttum sind die Meinungen darüber geteilt.
Manche Autoren verneinen eine Ausstandspflicht (FRANZ RIKLIN, StPO-Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 362 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, S. 624 N. 1387 Fn. 97; DIESELBEN, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 10 zu Art. 362 StPO; ANDREAS J. KELLER, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 33a zu Art. 56 StPO; MARKUS BOOG, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 30 zu Art. 56 StPO; ANGELA GIGER, Das abgekürzte Verfahren [ Art. 358-362 StPO ], 2021, S. 497 ff.).
Andere bejahen sie dagegen (CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N. 7 zu Art. 362 StPO; MARC THOMMEN, Kurzer Prozess - fairer Prozess?, 2013, S. 219 f.; JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse, Commentaire à l'usage des praticiens, 2012, S. 711 N. 1044; RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, S. 337 N. 1086; FLORIAN NAHRWOLD, Die Verständigung im Strafverfahren, 2014, S. 176; ROBERT BRAUN, Strafprozessuale Absprachen im abgekürzten Verfahren, 2003, S. 88 f.; tendenziell ebenso WOLFGANG WOHLERS, Das abgekürzte Verfahren im schweizerischen Strafprozess [Art. 358 ff. StPO], Strafverteidiger 2011, S. 571).
Zum Teil wird differenziert. Stelle das Geständnis eine im Sinne von Art. 362 Abs. 4 StPO unverwertbare Erklärung dar und habe das Gericht davon aufgrund des abgekürzten Verfahrens Kenntnis, bestehe ein Ausstandsgrund. Anders verhalte es sich, wenn das Geständnis verwertbar sei, da es nicht im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgegeben worden sei (GEORGES GREINER/IRMA JAGGI, in: Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 39 zu Art. 362 StPO; NILS STOHNER, Abgekürzte Rechtsstaatlichkeit - Überlegungen zum abgekürzten Verfahren gemäss Art. 358-362 StPO , forumpoenale 2015, S. 173 f.).
5.7. Der Beschwerdeführer bringt vor, das von ihm im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgelegte Geständnis sei unverwertbar. Die Beschwerdegegner hätten es aber bereits zur Kenntnis genommen und seien daher voreingenommen.
Dies überzeugt nicht. Nach der Rechtsprechung kann von einem Richter erwartet werden, dass er in der Lage ist, die unverwertbaren Beweise von den verwertbaren zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Letztere zu stützen (BGE 143 IV 475 E. 2.7 mit Hinweisen). Weshalb es sich im vorliegenden Zusammenhang anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Dass sich ein Geständnis als unverwertbar erweist, kann auch sonst vorkommen, etwa wenn sich in der Hauptverhandlung ergibt, dass es durch unzulässigen Druck (Art. 140 StPO) erlangt wurde. Auch in einem solchen Fall muss das Gericht nicht sofort in den Ausstand treten, sondern kann von ihm erwartet werden, dass es in der Lage ist, das Geständnis auszublenden und sein Urteil ausschliesslich auf die verwertbaren Beweise zu stützen. Dass die Beschwerdegegner das Geständnis ausser acht lassen können, kann umso eher angenommen werden, als es der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung des abgekürzten Verfahrens nicht bestätigte, sondern die Aussage verweigerte, was zu dessen Scheitern führte (BGE 139 IV 233 E. 2.6).
Die Begründungspflicht (Art. 81 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 lit. a StPO) gewährleistet im Übrigen, dass der Richter sein Urteil lediglich auf die verwertbaren Beweise stützt. Kann er es damit nicht überzeugend begründen, hat es im Rechtsmittelverfahren keinen Bestand.
5.8. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegner hätten die Akten im abgekürzten Verfahren eingehend studiert und sich daher bereits ihre Meinung gebildet.
Der Einwand geht schon deshalb fehl, weil das Gericht im abgekürzten Verfahren - dessen Charakter entsprechend (BGE 139 IV 233 E. 2.3) - die Akten lediglich summarisch prüft (Urteil 1B_75/2020 vom 10. Dezember 2020 E. 2.3 mit Hinweisen). Es ist nicht einzusehen, weshalb sich die Beschwerdegegner hinsichtlich der Schuld des Beschwerdeführers bereits abschliessend festgelegt haben sollten, nur weil sie im abgekürzten Verfahren die Akten summarisch sichteten.
5.9. Die vorliegende Konstellation ist, worauf RIKLIN (a.a.O) zutreffend hinweist, vergleichbar mit jener, in der das Gericht, nachdem es ein Abwesenheitsurteil gefällt hat, über die Sache im ordentlichen Verfahren zu befinden hat (oben E. 5.5). Wie im Abwesenheitsverfahren steht dem Gericht im abgekürzten Verfahren nur eine eingeschränkte Beurteilungsgrundlage zur Verfügung, da in diesem kein Beweisverfahren stattfindet (Art. 361 Abs. 4 StPO). Hier wie dort ergibt sich für das Gericht erst im ordentlichen Verfahren eine vollständige Beurteilungsgrundlage. Dies spricht für die Verneinung der Ausstandspflicht auch hier.
Der Fall weist sodann Ähnlichkeiten auf mit jenem, in welchem der Richter ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abgewiesen hat (oben E. 5.5). Wie dort hat das abgekürzte Verfahren lediglich summarischen Charakter. Wegen einer summarischen Befassung mit der Sache erscheint der Richter aber nicht bereits als befangen.
5.10. In Anbetracht dessen besteht hier keine Ausstandspflicht.
Mit einem Ausstand hätte der Beschwerdeführer im Übrigen nichts gewonnen. Dass ein abgekürztes Verfahren stattfand, wüssten auch die neuen Richter; dies aufgrund des entsprechenden Vermerks in den Akten des vorliegenden ordentlichen Strafverfahrens und des Ausstandsentscheids. Die neuen Richter wüssten somit ebenso, dass der Beschwerdeführer ein Geständnis abgelegt haben musste, da das abgekürzte Verfahren nur unter dieser Voraussetzung zulässig ist (Art. 358 Abs. 1 StPO).
5.11. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen der Richter im abgekürzten Verfahren zu erkennen gegeben hat, dass für ihn die Schuld des Angeklagten bereits feststeht. So kann es sich etwa verhalten, wenn das Gericht die Akten an die Staatsanwaltschaft zurückweist, weil es die beantragte Sanktion als zu tief erachtet (Art. 362 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 StPO); ebenso, wenn sich der Richter in einer Weise geäussert hat, die keinen Zweifel darüber zulässt, dass er sich seine Meinung bereits gebildet hat (SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, a.a.O.). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier nicht.
Die Beschwerde erweist sich demnach auch im vorliegenden Punkt als unbegründet.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG kann bewilligt werden. Dem Beschwerdeführer werden deshalb keine Gerichtskosten auferlegt und seinem Vertreter wird eine Entschädigung ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Basil Huber, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie der Staatsanwaltschaft, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Aargau (Beschwerdekammer in Strafsachen) schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. März 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Härri