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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1099/2017  
 
 
Urteil vom 1. Mai 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn, Amthaus 2, 4502 Solothurn, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entschädigung; Anspruch auf verfassungsmässiges Gericht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 21. August 2017 (BKBES.2017.122). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 10. September 2016 wurde der Polizei gemeldet, mehrere Personen hätten in Basel Motorräder sowie Fahrräder umgestossen und mit Stühlen sowie Flaschen um sich geworfen. Neben zwei Erwachsenen wurde der am 12. November 1999 geborene X.________ angehalten; er trug 2,6 Gramm Marihuana auf sich. Am 25. Oktober 2016 teilte die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt seinen Eltern mit, gegen ihn sei ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen mehrfacher Sachbeschädigung eingeleitet worden. Gleichzeitig wurde er auf den 7. November 2016 vorgeladen. Mit Schreiben vom 3. November 2016 konstituierte sich Rechtsanwalt Konrad Jeker als Rechtsvertreter von X.________ und beantragte, dieser sei nicht zu vernehmen. Er habe X.________ empfohlen, zu schweigen, und sei selber am 7. November 2016 verhindert. Schliesslich machte er geltend, das Verfahren sei an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn zu übertragen. Am 8. November 2016 verschob die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt die Einvernahme auf den 23. November 2016 und teilte mit, die Sache werde noch nicht an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn überwiesen. Am 23. November 2016 wurde die Befragung von X.________ aufgrund einer Mitteilung seines Rechtsanwalts vom gleichen Tag erneut verschoben. Am 1. Dezember 2016 erfolgte eine erneute Verschiebung der Befragung, dies aufgrund der Mitteilung des Rechtsanwalts vom 29. November 2016, wonach X.________ sich in einem Sprachaufenthalt im Ausland befinde. In der Folge teilte die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt mit, dass X.________ mit einer polizeilichen Vorführung rechnen müsse. Am 2. Dezember 2016 fanden die Befragungen der Melderin des Vorfalls und der beiden anderen beschuldigten Personen statt, am 19. Dezember 2016 jene von X.________, welcher in Anwesenheit seines Rechtsanwalts von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte. Am 19. Dezember 2016 wurde das Verfahren gegen X.________ von jenem gegen die beiden erwachsenen beschuldigten Personen abgetrennt. Am 27. Dezember 2016 ersuchte die Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt jene des Kantons Solothurn um Übernahme des Verfahrens gegen X.________. 
 
B.  
Am 17. Januar 2017 verfügte die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn, auf die Strafanzeige gegen X.________ werde "nicht eingetreten (Nichtanhandnahmeverfügung) " (Ziff. 1), die bei X.________ sichergestellten 2,6 Gramm Marihuana seien zur Vernichtung einzuziehen (Ziff. 2) und die Kosten des Verfahrens gingen zu Lasten des Staats (Ziff. 3). Am 29. Juni 2017 reichte der Rechtsanwalt von X.________ seine Honorarnote ein und machte geltend, in der Verfügung vom 17. Januar 2017 sei nicht über die Entschädigung entschieden worden. Mit Verfügung vom 11. Juli 2017 trat die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn auf das Entschädigungsbegehren nicht ein. Die dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ wies das Obergericht des Kantons Solothurn am 21. August 2017 ab. 
 
C.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und ihm sei eine Entschädigung von Fr. 1'814.30 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Behandlung des Antrags auf Entschädigung an die Jugendanwaltschaft des Kantons Solothurn zurückzuweisen. 
 
D.  
Das Obergericht liess sich vernehmen, während die Jugendanwaltschaft auf eine Vernehmlassung verzichtete. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO. Er macht geltend, die Beschwerdegegnerin hätte in der Einstellungsverfügung über seine Entschädigung befinden müssen. Er habe sich darauf verlassen dürfen, dass sie dies nachholen würde, zumal es in der Praxis nicht unüblich sei, dass über Kosten und Entschädigungen separat entschieden werde. Dies insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die örtliche Zuständigkeit im Verlauf des Verfahrens ändere und die Kosten- und Entschädigungsfolgen noch nicht liquid seien.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdegegnerin sei auf das Entschädigungsbegehren zu Recht nicht eingetreten. Deren Einstellungsverfügung sei vom Beschwerdeführer nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Sein Entschädigungsbegehren mehrere Monate nach Eintritt der Rechtskraft sei verspätet erfolgt. Die Notwendigkeit, rechtzeitig zu intervenieren, hätte dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer bewusst sein müssen.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person bei Freispruch oder Einstellung Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Darunter fallen zum einen die Kosten der Wahlverteidigung, sofern der Beizug eines Anwalts angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war. Zum anderen können bei besonderen Verhältnissen auch die eigenen Auslagen der Partei entschädigt werden. Gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO muss die Strafbehörde den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen prüfen. Daraus folgt, dass sie die Partei zu der Frage mindestens anzuhören und gegebenenfalls gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO aufzufordern hat, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (Urteile 6B_1172/2015 vom 8. Februar 2016 E. 2.2; 6B_726/2012 vom 5. Februar 2013 E. 3; 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.1).  
 
1.3.2. Die Strafbehörde muss im Endentscheid über die Entschädigung der beschuldigten Person befinden. Dies ergibt sich nicht nur aus Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO, wonach der Anspruch von Amtes wegen zu prüfen ist, sondern auch aus Art. 81 Abs. 4 lit. b StPO, wonach das Dispositiv bei Urteilen den Entscheid über Kosten- und Entschädigungsfolgen enthält. Schliesslich sieht Art. 421 Abs. 1 StPO in allgemeiner Weise vor, dass die Strafbehörde die Kostenfolgen im Endentscheid festlegt (Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4; vgl. dazu etwa Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, Rz. 1766).  
 
1.4. Im vorliegenden Fall entschied die Beschwerdegegnerin, die Kosten auf die Staatskasse zu nehmen, während sie dem Beschwerdeführer keine Entschädigung zusprach.  
Der Beschwerdeführer trägt vor, aus prozessökonomischen Gründen sei es nicht vertretbar, ihn auf den Rechtsmittelweg zu verweisen, wenn Lehre und Rechtsprechung ausdrücklich ein Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO vor derjenigen Instanz vorsehen, welche ihrer gesetzlichen Pflicht nach Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht nachgekommen sei. 
Es fragt sich, ob der Beschwerdeführer dies auf dem Rechtsmittelweg hätte beanstanden müssen. 
 
1.5. Das Bundesgericht setzte sich mit dieser Frage noch nie vertieft auseinander. Jedenfalls unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der dem bundesgerichtlichen Urteil zugrunde lag, welches der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 3 BV anruft. In jenem Entscheid sprach die Vorinstanz den damaligen Beschwerdeführer frei, ohne über seine Entschädigung zu befinden. Das Bundesgericht berücksichtigte den besonderen Umstand, dass die Schweizerische Strafprozessordnung noch keine drei Monate in Kraft stand, als der Freispruch erging, und hielt fest, das Untersuchungsverfahren sei nach kantonalem Recht geführt worden und es habe keine Rechtsprechung bestanden betreffend das Verfahren zur Prüfung einer Entschädigung. Es kam zum Schluss, dass diese besonderen Umstände des Falls ("La situation particulière du cas d'espèce") implizierten, dass weder dem Beschwerdeführer noch seinem Rechtsvertreter vorgeworfen werden könne, kein Rechtsmittel eingelegt zu haben (Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4).  
 
1.6. Was die Lehre betrifft, so verweist Griesser auf das zitierte Bundesgerichtsurteil und führt aus, versäume es die Strafbehörde, die Ansprüche der freigesprochenen Person von Amtes wegen zu prüfen, so könnten diese später in einem selbstständigen Nachverfahren nach Art. 363 ff. StPO geltend gemacht werden (Yvona Griesser, in: Donatsch/Lieber/Hansjakob, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich 2014, N. 8a zu Art. 429 StPO mit Hinweis auf Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4).  
Demgegenüber halten Wehrenberg und Frank fest, wenn der Anspruch auf Entschädigung nicht von Amtes wegen geprüft werde, liege eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO vor, was dazu führe, dass der entsprechende Entscheid mit Berufung oder Beschwerde angefochten werden könne (Wehrenberg/Frank, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 32 i.V.m. N. 33 zu Art. 429 StPO). 
Moreillon und Parein-Reymond äussern sich nicht direkt zur Frage, halten aber fest, angesichts der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäss Art. 435 StPO könne die beschuldigte Person ein Gesuch um Entschädigung auch noch nach einem Freispruch stellen (Moreillon/Parein-Reymond, CPP, Code de procédure pénale, 2. Aufl. 2016, N. 32 zu Art. 429 StPO). 
 
1.7. Aus dem Gesagten geht hervor, dass keine einhellige Lehre oder gefestigte Rechtsprechung besteht, wonach über die Entschädigung der beschuldigten Person im Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO zu befinden ist, wenn die Strafbehörde darüber nicht entschieden hat. Im Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 trug das Bundesgericht lediglich den besonderen Umständen des konkreten Falls Rechnung - Umständen, wie sie heute nicht mehr denkbar sind. Als allgemeine Regel hat im Einklang mit der Schweizerischen Strafprozessordnung zu gelten, dass die Strafbehörde im Endentscheid über die Entschädigung der beschuldigten Person zu befinden hat. Unterlässt sie dies, so hat sich die beschuldigte Person dagegen auf dem Rechtsmittelweg zu wehren.  
 
1.8.  
 
1.8.1. Im vorliegenden Fall geht aus der Kostennote hervor, dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 17. Januar 2017 eingehend prüfte. Ihm hätte auffallen müssen, dass keine Entschädigung zugesprochen worden war, obwohl die Kosten auf die Staatskasse genommen worden waren. Dem Beschwerdeführer wäre der Rechtsmittelweg offengestanden, um sich zur Wehr zu setzen.  
 
1.8.2. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers umfasst die Rechtskraft der Verfügung auch die Frage der Entschädigung, zumal darin über die Kosten entschieden wurde und der Kostenentscheid mit der Entschädigungsfrage präjudizierend verknüpft ist, indem der Grundsatz gilt, dass bei Auferlegung der Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten ist und umgekehrt (BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 S. 357).  
 
1.8.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, hätte er die Verfügung angefochten, hätte ihm entgegengehalten werden können, er sei zur Beschwerde nicht legitimiert; er dürfe nicht auf den Rechtsmittelweg verwiesen werden, wenn er seinen Anspruch direkt bei der Strafbehörde geltend machen könne. Hier verfällt der Beschwerdeführer einem Zirkelschluss. Wie oben dargelegt, wäre er ohne weiteres zur Beschwerde legitimiert gewesen, während das Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO für solche Fälle grundsätzlich nicht vorgesehen ist.  
 
1.9. Die Rüge des Beschwerdeführers ist unbegründet. Er hätte auf dem Rechtsmittelweg geltend machen müssen, dass ihm keine Entschädigung zugesprochen worden war.  
 
2.  
 
2.1. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV i. V. m. § 23 Abs. 1 [recte wohl: § 24 Abs. 1] des Gesetzes über die Gerichtsorganisation des Kantons Solothurn vom 13. März 1977 (GO/SO; GS 125.12) und macht geltend, die vorinstanzliche Präsidialverfügung hätte in Dreierbesetzung ergehen müssen.  
 
2.2. Bund und Kantone sind in der Wahl, Zusammensetzung und Organisation der Strafbehörden grundsätzlich frei (Art. 14 Abs. 2 StPO). Die Beschwerdeinstanz kann somit als Einzel- oder Kollegialgericht ausgestaltet werden.  
Ist Letzteres der Fall, so sieht Art. 395 StPO zwingend vor, dass die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz die Beschwerde alleine beurteilt, wenn diese ausschliesslich Übertretungen (lit. a) oder die wirtschaftlichen Nebenfolgen eines Entscheides bei einem strittigen Betrag von nicht mehr als Fr. 5'000.-- (lit. b) zum Gegenstand hat (vgl. dazu Patrick Guidon, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 395 StPO). 
Gemäss § 24 Abs. 1 GO/SO tagt das Obergericht des Kantons Solothurn als Gesamtgericht oder in Dreierbesetzung. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, ging es im Beschwerdeverfahren um eine Entschädigung von Fr. 1'814.30 und damit um eine wirtschaftliche Nebenfolge von weniger als Fr. 5'000.--. Die Präsidialkompetenz ergibt sich somit zwingend aus Art. 395 lit. b StPO
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Mai 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi