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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_647/2022  
 
 
Urteil vom 25. Juli 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung, Beitragszeit), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 15. September 2022 (VBE.2022.146). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1965, ersuchte am 5. August 2021 um Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2021 unter Hinweis auf sein bisheriges Temporärarbeitsverhältnis vom 1. Februar 2020 bis 30. August 2021 bei B.________ Personalberatung. Mit Verfügung vom 4. Januar 2022 und Einspracheentscheid vom 17. März 2022 anerkannte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau bei einer Beitragszeit von 16,307 Monaten während der massgeblichen Rahmenfrist vom 1. September 2019 bis 31. August 2021 eine Anspruchsberechtigung auf höchstens 260 Taggelder. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit der A.________ die Anerkennung einer Anspruchsberechtigung von 400 Taggeldern beantragte, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 15. September 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und den vorinstanzlich gestellten Antrag erneuern, eventuell seien weitere sachverhaltliche Abklärungen zu tätigen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den von der Beschwerdegegnerin festgesetzten Anspruch auf höchstens 260 Taggelder bestätigte. 
Zu Recht nicht mehr bestritten ist, dass im Rahmen der Ermittlung der Beitragszeit die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch den abgeschlossenen Rahmenarbeitsvertrag mit dem Personalvermittlungsunternehmen, sondern vielmehr durch die individuellen Arbeitsverträge über den Einsatz des Beschwerdeführers bei den verschiedenen Kundenfirmen bestimmt wird (Urteil 8C_403/2009 vom 1. September 2009 E. 3). 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die Höchstzahl der Taggelder innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug (Art. 27 Abs. 1 und 2 AVIG) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer sei während der Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 1. September 2019 bis 31. August 2021 über einen Personalvermittler beschäftigt gewesen. Er habe vier Einsätze geleistet und insgesamt eine Beitragszeit von 16,307 Monaten erreicht. Weitergehende Beitragszeiten könnten ihm insbesondere gestützt auf Art. 13 Abs. 2 AVIG nicht angerechnet werden. Nach dieser Bestimmung seien namentlich Arbeitsunterbrüche wegen Militär-, Zivil- und Schutzdienstes oder Mutterschaft zu berücksichtigen, nicht aber die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Nichtbeschäftigung wegen der Covid-19-Pandemie. Es sei nicht ersichtlich und werde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass weitere Arbeitseinsätze als die von ihm bei C.________ SA und bei der Firma D.________ geleisteten wegen pandemiebedingter behördlicher Anordnungen verunmöglicht worden wären. Im Übrigen sei eine Gesetzeslücke nicht erkennbar, zumal der Gesetzgeber zur Linderung der wirtschaftlichen Pandemiefolgen im Bereich der Arbeitslosenversicherung sehr wohl (aber andere) Massnahmen getroffen habe wie unter anderem die Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass er lediglich eine Beitragszeit von 16,307 Monaten erreicht habe, sei pandemiebedingt und somit nicht auf eigenes Verschulden zurückzuführen. Zwar sei keine entsprechende behördliche Anordnung erfolgt, jedoch sei der Einsatzbetrieb (die Firma D.________) gezwungen gewesen, sein Arbeitsverhältnis wegen der Covid-19-Pandemie kurzfristig aufzulösen, was mittels weiterer Abklärungen, die die Vorinstanz indessen unterlassen habe, zu überprüfen gewesen wäre. Er habe die Arbeit also niederlegen müssen, was faktisch einer fristlosen Kündigung beziehungsweise einem Beschäftigungsverbot gleichgekommen sei. Es seien ihm unter analoger Anwendung von Art. 13 Abs. 2 AVIG weitere Beitragszeiten anzurechnen.  
 
5.  
Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt. Ob eine zu füllende Lücke oder ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte. Lücken können oftmals auf dem Weg der Analogie geschlossen werden. Umgekehrt ist Voraussetzung für die analoge Anwendung eines Rechtssatzes, dass zunächst das Vorliegen einer Gesetzeslücke festgestellt wird (Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023 E. 6.6 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). 
Wie die Vorinstanz zutreffend feststellte, ist die vom Beschwerdeführer beantragte Anrechnung weiterer Beitragszeiten wegen pandemiebedingter unverschuldeter Arbeitslosigkeit in der Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) vom 20. März 2020 (COVID-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung; SR 837.033) nicht vorgesehen. Die Verordnung wurde mehrfach revidiert. Es spricht daher nichts dafür, dass diesbezüglich ein Versehen des Gesetzgebers vorliegen würde. Mit Blick auf das im Bereich der Leistungsverwaltung geltende Legalitätsprinzip (vgl. Urteil 8C_493/2020 vom 5. Oktober 2020 E. 5) lässt sich insbesondere eine analoge Anwendung von Art. 13 Abs. 2 AVIG und Ausweitung der dort geregelten Sachverhalte auch auf eine pandemiebedingte Arbeitslosigkeit nicht rechtfertigen. Für eine Anrechnung zusätzlicher Beitragszeiten bei Arbeitslosigkeit wegen der Covid-19-Pandemie bestand somit mangels gesetzlicher Grundlage von vornherein kein Raum. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf weitere Abklärungen zur Überprüfung, ob die jeweiligen Arbeitsverhältnisse tatsächlich wegen der Covid-19-Pandemie verfrüht aufgelöst worden beziehungsweise der Beschwerdeführer deswegen nur verkürzt zum Einsatz gekommen sei, verzichtet hat. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. 
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Juli 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo