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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_324/2021  
 
 
Urteil vom 16. September 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 25. Mai 2021 (5V 20 149). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Nachdem die im September 1956 geborene A.________ am 13. April 2018 bei einem Sturz mit dem Elektrofahrrad u.a. ein Schädelhirntrauma erlitten hatte, meldete sie sich im März 2019 bei der Invalidenversicherung zur Früherfassung. Diese beendete die IV-Stelle Luzern mit einem Telefongespräch vom 29. April 2019. Am 26. Mai 2020 (Postaufgabe) meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 50 % seit Ablauf des Wartejahres. Indessen verneinte sie mit Verfügung vom 2. November 2020 einen Rentenanspruch. Zur Begründung führte sie an, ein solcher hätte frühestens sechs Monate nach der Anmeldung zum Leistungsbezug, d.h. am 1. November 2020 entstehen können; weil die Versicherte aber bereits im September 2020 das "AHV-Alter" erreicht habe, sei eine Invalidenrente ausgeschlossen. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 25. Mai 2021 ab. 
 
C.  
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Urteils vom 25. Mai 2021 sei ihr mindestens eine halbe Invalidenrente auszurichten. 
Das kantonale Gericht und die IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin verweist auf ein Gutachten des Dr. med. B.________ vom 28. September 2020 und auf den Umstand, dass die Unfallversicherung am 23. April 2021 Dr. med. C.________ mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt habe. Dabei handelt es sich um unzulässige neue Behauptungen resp. Beweismittel, zumal auch nicht ansatzweise geltend gemacht wird, weshalb sie nicht bereits im kantonalen Verfahren hätten vorgebracht werden können (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch, und zwar insbesondere mit Blick auf dessen Beginn. 
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf eine Invalidenrente setzt u.a. eine während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch bestehende Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich mindestens 40 % (sog. Wartejahr) und einen Invaliditätsgrad von 40 % voraus (Art. 28 IVG). Für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten ist Art. 16 ATSG anwendbar (Einkommensvergleich). Bei nicht erwerbstätigen Versicherten, die im Aufgabenbereich tätig sind, wird für die Bemessung der Invalidität darauf abgestellt, in welchem Masse sie unfähig sind, sich im Aufgabenbereich zu betätigen (Betätigungsvergleich). Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind, wird der Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode bestimmt (vgl. Art. 28a IVG; BGE 144 I 21 E. 2.1 f.).  
Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Art. 29 Abs. 1 ATSG, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt (Art. 29 Abs. 1 IVG). Er erlischt insbesondere mit der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 30 IVG). 
 
3.2. Wer eine Versicherungsleistung beansprucht, hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden (Art. 29 Abs. 1 ATSG). Für die Anmeldung und zur Abklärung des Anspruches auf Leistungen geben die Versicherungsträger unentgeltlich Formulare ab, die vom Ansprecher oder seinem Arbeitgeber und allenfalls vom behandelnden Arzt vollständig und wahrheitsgetreu auszufüllen und dem zuständigen Versicherungsträger zuzustellen sind (Art. 29 Abs. 2 ATSG). Wird eine Anmeldung nicht formgerecht oder bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so ist für die Einhaltung der Fristen und für die an die Anmeldung geknüpften Rechtswirkungen trotzdem der Zeitpunkt massgebend, in dem sie der Post übergeben oder bei der unzuständigen Stelle eingereicht wird (Art. 29 Abs. 3 ATSG).  
 
3.3. Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären (Art. 27 Abs. 1 ATSG). Jede Person hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwändige Nachforschungen erfordern, kann der Bundesrat die Erhebung von Gebühren vorsehen und den Gebührentarif festlegen (Art. 27 Abs. 2 ATSG). Stellt ein Versicherungsträger fest, dass eine versicherte Person oder ihre Angehörigen Leistungen anderer Sozialversicherungen beanspruchen können, so gibt er ihnen unverzüglich davon Kenntnis (Art. 27 Abs. 3 ATSG).  
Im Kontext der Früherfassung (vgl. Art. 3a ff. IVG) fordert die IV-Stelle bei Bedarf die versicherte Person zu einer Anmeldung bei der Invalidenversicherung (im Sinne von Art. 29 ATSG) auf. Sie macht die versicherte Person darauf aufmerksam, dass die Leistungen gekürzt oder verweigert werden können, wenn die Anmeldung nicht unverzüglich erfolgt (Art. 3c Abs. 6 IVG). 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die IV-Stelle hätte sie angesichts der schweren Hirnverletzung und der damit verbundenen Gefahr einer Chronifizierung der Beschwerden im Rahmen der Früherfassung auffordern müssen, sich zum Leistungsbezug anzumelden; stattdessen habe sie ihr davon abgeraten und dadurch gegen ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht (Art. 27 ATSG und Art. 3c Abs. 6 IVV) verstossen. Die Verwaltung habe den medizinischen Sachverhalt unzureichend abgeklärt; sie hätte bei der Früherfassung die kompletten medizinischen Akten, insbesondere jene der Unfallversicherung, einholen und sichten müssen. Zudem habe sie die Aktenführungspflicht (Art. 46 ATSG) verletzt, indem sie zwar am 5. April 2019 beim behandelnden Hausarzt Dr. med. D.________ medizinische Unterlagen eingeholt, aber die von ihm selbst verfassten Berichte, aus denen ein invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden hervorgehe, im Rahmen der Früherfassung nicht zu den Akten genommen habe. Sie selbst sei davon ausgegangen, dass die Meldung zur Früherfassung auch eine Anmeldung zum Leistungsbezug beinhaltet habe, weshalb die IV-Stelle sie im Sinne von Art. 29 Abs. 3 ATSG auf die "nicht formgerechte Anmeldung" hätte aufmerksam machen müssen.  
 
4.2. Die IV-Stelle macht - wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren - u.a. geltend, die Invaliditätsbemessung in der angefochtenen Verfügung sei nicht korrekt gewesen; angesichts des Erwerbsstatus der Beschwerdeführerin (Teilzeitpensum von 50 %) hätte ohnehin kein rentenbegründender Invaliditätsgrad resultiert. Die Vorinstanz hat sich dazu nicht geäussert. Indessen hat sie einen Rentenanspruch verneint, weil sie ebenfalls von einer verspäteten Anmeldung im Mai 2020 ausgegangen ist.  
In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere erwogen, die Beschwerdeführerin habe beim Unfall vom 13. April 2018 ein Schädelhirntrauma, eine Rippenserienfraktur, einen Pneumothorax sowie eine leicht dislozierte laterale Claviculafraktur erlitten und sei deswegen für längere Zeit in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Es sei deshalb zu Recht unbestritten, dass das Wartejahr nach Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG mit dem Unfall zu laufen begonnen habe. Bei der Früherfassung im März/April 2019 habe die Verwaltung aufgrund der echtzeitlichen medizinischen Unterlagen nicht davon ausgehen müssen, dass die Versicherte ein Jahr nach dem Unfall noch unter invalidenversicherungsrechtlich relevanten Beschwerden leide. Der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) habe am 17. April 2019 zu den damals aktenkundigen Berichten Stellung genommen und sei zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdeführerin bis ca. ein Jahr nach dem Unfall wieder eine volle Arbeitsfähigkeit erreichen werde, was mit der Einschätzung des Vertrauensarztes der involvierten Unfallversicherung (Bericht vom 13. März 2019) übereinstimme. Beim Telefongespräch vom 29. April 2019 sei der Beschwerdeführerin bewusst gewesen, dass sie sich noch nicht zum Leistungsbezug angemeldet habe. Sie habe damals Bedenken geäussert, weil es nach ihrem Empfinden noch bei Weitem nicht gut gegangen sei und weitere medizinische Abklärungen offen gewesen seien; sie habe deshalb - sobald die entsprechenden Berichte vorlägen - eine Anmeldung explizit in Aussicht gestellt. Weshalb sie damit über ein Jahr gewartet habe, sei nicht ersichtlich und lasse sich auch nicht mit den erlittenen Verletzungen begründen. Hinzu komme, dass sie schon am 26. April 2019 ihren Rechtsvertreter mit der Interessenwahrung beauftragt habe; dieser habe jedoch erst am 19. Mai 2020 mit der Verwaltung Kontakt aufgenommen. Die verspätete Anmeldung könne unter diesen Umständen nicht der Verwaltung angelastet werden. Es habe an der Beschwerdeführerin gelegen, nach Abschluss der Früherfassung die Anmeldung zeitig vorzunehmen, und zwar ohne dass die IV-Stelle zu einer entsprechenden Aufforderung gehalten gewesen wäre. 
 
5.  
 
5.1. Auf Anfrage der IV-Stelle vom 5. April 2019 hin scheint der Hausarzt alle bei ihm seit April 2018 eingegangenen Berichte anderer Ärzte, nicht aber die von ihm selbst verfassten Berichte eingereicht zu haben. Ob die Verwaltung in diesem Zusammenhang die Aktenführungspflicht verletzte und ob sie bei der Früherfassung den Sachverhalt genügend abklärte, ist nicht von entscheidender Bedeutung für den Ausgang dieses Verfahrens und braucht daher nicht beantwortet zu werden. Gleiches gilt für die Frage, ob die IV-Stelle die Beschwerdeführerin bei Beendigung der Früherfassung hätte auffordern müssen, sich zum Leistungsbezug anzumelden (vgl. zu den Zielen von Art. 3c Abs. 6 IVG etwa ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz [Art. 1-27 bis IVG], 2014, N. 77-79 zu Art. 3c IVG; MICHEL VALTERIO, Commentaire: Loi fédérale sur l'assurance-invalidité [LAI], 2018, N. 14 zu Art. 3c IVG).  
 
5.2. Die Meldung zur Früherfassung stellt keine offizielle Anmeldung zum Leistungsbezug im Sinne von Art. 29 ATSG dar (Urteil 9C_463/2014 vom 9. September 2014 E. 3.2 mit diversen Hinweisen, insbesondere auf die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. Revision] vom 22. Juni 2005, BBl 2005 4459, 4513 Ziff. 1.6.1.1.2; vgl. auch Ziff. 6 des von der Alters- und Hinterlassenen- resp. der Invalidenversicherung herausgegebenen und von der Beschwerdeführerin eingereichten Merkblatts 4.12 betreffend Früherfassung und Frühintervention).  
Weshalb entgegen diesen Vorgaben in concreto das im März 2019 eingereichte "Meldeformular für Erwachsene: Früherfassung" gemäss Art. 29 Abs. 3 ATSG als zwar nicht formgerechte, aber dennoch anspruchswahrende Anmeldung zum Leistungsbezug hätte betrachtet werden müssen, legt die Beschwerdeführerin nicht substanziiert dar, weshalb sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen. Fraglich bleibt indessen, ob die Beschwerdeführerin so zu stellen ist, wie wenn sie sich beim Abschluss der Früherfassung im April 2019 zum Leistungsbezug angemeldet hätte. Ist dies zu bejahen, fällt mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 IVGein Rentenanspruch ab dem 1. Oktober 2019 in Betracht. 
 
5.3.  
 
5.3.1. Der im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter interessierende Abs. 1 des Art. 27 ATSG stipuliert eine allgemeine und permanente Aufklärungspflicht der Versicherungsträger und Durchführungsorgane, die nicht erst auf persönliches Verlangen der interessierten Personen zu erfolgen hat, und hauptsächlich durch die Abgabe von Informationsbroschüren, Merkblättern und Wegleitungen erfüllt wird. Der im hier zu beurteilenden Fall relevante Abs. 2 derselben Bestimmung beschlägt dagegen ein individuelles Recht auf Beratung durch den zuständigen Versicherungsträger. Jede versicherte Person kann vom Versicherungsträger im konkreten Einzelfall eine unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten verlangen. Abs. 3 konkretisiert die in Abs. 2 umschriebene Beratungspflicht und weitet sie zugleich gegenüber dem letztgenannten Absatz aus (BGE 131 V 472 E. 4.1; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 5.2 [nicht publ. in: BGE 133 V 249]; je mit Hinweisen). Je nach Sachverhalt gehört es zum Kern der Beratungspflicht, die versicherte Person darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten eine der Voraussetzungen des Leistungsanspruches gefährden kann (BGE 131 V 472 E. 4.3; vgl. auch BGE 133 V 249 E. 7.2).  
 
5.3.2. Abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, welcher den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten schützt, können falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Dies ist der Fall, 1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte; 4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und 5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat. Eine ungenügende oder fehlende Wahrnehmung der Beratungspflicht gemäss Art. 27 Abs. 2 ATSG kommt einer falsch erteilten Auskunft des Versicherungsträgers gleich, weshalb dieser in Nachachtung des Vertrauensprinzips dafür einzustehen hat. Die dritte Voraussetzung lautet diesfalls: wenn die Person den Inhalt der unterbliebenen Auskunft nicht kannte oder deren Inhalt so selbstverständlich war, dass sie mit einer anderen Auskunft nicht hätte rechnen müssen (BGE 131 V 472 E. 5; SVR 2010 UV Nr. 9 S. 35, 8C_286/2009 E. 10.2; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 6 [nicht publ. in: BGE 133 V 249]).  
 
5.4. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen betreffend die Umstände des Telefongesprächs vom 29. April 2019 bleiben verbindlich (vgl. vorangehende E. 4.2 und 1.1). Zu ergänzen ist Folgendes, was sich aus dem Protokoll der IV-Stelle ergibt: Die Beschwerdeführerin berichtete beim Erstgespräch vom 4. April 2019, sie habe sich auf Empfehlung ihres Hausarztes an die Invalidenversicherung gewandt, weil sie wohl auf eine Berentung angewiesen sei, wenn sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Leistung zu steigern. Sie leide an Beschwerden aufgrund des erlittenen Schädelhirntraumas (Schwindel, Schmerzen, Doppelbilder, Verspannungen, Konzentrationsstörungen etc.). Sie arbeite seit dem 1. März 2019 zu 75 %. Die Unfallversicherung gehe von einer vollen Arbeitsfähigkeit ab Mai 2019 aus; ihr gehe es aber noch gar nicht gut. Für die Beschwerdeführerin standen nicht Eingliederungsmassnahmen, sondern ein allfälliger Rentenanspruch im Vordergrund. Auch beim Telefongespräch vom 29. April 2019 war klar, dass sie mit der in Aussicht gestellten Anmeldung den "Anspruch auf RE prüfen" lassen wollte. Gleichzeitig orientierte die IV-Stelle Luzern die Beschwerdeführerin, dass sie "gem. heutigem Stand der Dinge" nicht von einem invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden ausgehe und deshalb "KEINE ordentliche IV-Anmeldung empfehle".  
 
5.5. Wohl war beim Abschluss der Früherfassung ein Rentenanspruch (ab dem 1. Oktober 2019; vgl. vorangehende E. 5.2) nicht ausgewiesen oder absehbar, wie das kantonale Gericht richtig erkannt hat. Indessen konnte ein solcher damals auch nicht ausgeschlossen werden. Angesichts der konkreten Gegebenheiten - insbesondere klar erkennbarer Wunsch der Beschwerdeführerin nach Rentenprüfung; deren Beschwerdeschilderungen und Ankündigung der Anmeldung nach weiteren Untersuchungen; Möglichkeit des bestandenen Wartejahres; für eine abschliessende Beurteilung offensichtlich ungenügende Aktenlage - hätte die IV-Stelle jedenfalls nicht der Beschwerdeführerin ausdrücklich von einer Anmeldung zum Leistungsbezug abraten dürfen, ohne sie gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass eine spätere Anmeldung auch die Entstehung eines allfälligen Rentenanspruchs verzögern würde. Ein solcher Hinweis ist nicht aktenkundig und wird auch nicht geltend gemacht. Demnach verletzte die IV-Stelle im Rahmen der Früherfassung ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht (vgl. vorangehende E. 4.3.1). Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin kurz vor Beendigung der Früherfassung einen Rechtsanwalt beigezogen hatte, zumal die IV-Stelle davon erst im Mai 2020 Kenntnis erhielt.  
 
5.6. Auch wenn die Beschwerdeführerin beim Telefongespräch vom 29. April 2019 um die Notwendigkeit einer Anmeldung wusste, kann ohne Weiteres angenommen werden, dass sie die Bestimmung von Art. 29 Abs. 1 IVG nicht kannte und dass sie, hätte sie die IV-Stelle darauf aufmerksam gemacht, sich unverzüglich zum Leistungsbezug angemeldet hätte. Da auch die weiteren Voraussetzungen gemäss vorangehender E. 5.3.2 offensichtlich erfüllt sind, ist sie so zu stellen, wie wenn sie dies getan hätte. Demnach wird das kantonale Gericht die weiteren Voraussetzungen für einen Rentenanspruch (vgl. insbesondere vorangehende E. 4.2 Abs. 1) ab dem 1. Oktober 2019 zu prüfen haben. Insoweit ist die Beschwerde begründet.  
 
6.  
Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid praxisgemäss als volles Obsiegen (vgl. statt vieler: Urteil 9C_279/2019 vom 1. Juli 2019 E. 3 mit Hinweisen). Dementsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 25. Mai 2021 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. September 2021 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann