Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_421/2017
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Urteil vom 19. September 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Alex Beeler,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 25. April 2017.
Sachverhalt:
A.
A.________ meldete sich im Juni 2013 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse (u.a. Gutachten medas Ostschweiz [nachfolgend: MEDAS] vom 8. Mai 2014) und nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihm die IV-Stelle Luzern mit Verfügung vom 6. Mai 2016 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 41 % eine Viertelsrente ab 1. Januar 2014 zu.
B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde des A.________ änderte das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 25. April 2017 die Verfügung vom 6. Mai 2016 insoweit ab, als ab 1. Januar 2014 Anspruch auf eine halbe Rente bestehe.
C.
Die IV-Stelle Luzern führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 25. April 2017 sei aufzuheben; es sei die Richtigkeit ihrer Verfügung vom 6. Mai 2016 zu bestätigen; dem Rechtsmittel sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Das Kantonsgericht hat durch Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) einen Invaliditätsgrad von 49,76 % ([[Fr. 78'695.- - Fr. 39'540.-]/Fr. 78'695.-] x 100 %) ermittelt, was Anspruch auf eine halbe Rente gibt (Art. 28 Abs. 2 IVG; zum Runden BGE 130 V 121). Das Invalideneinkommen (Fr. 39'540.-) hat es auf der Grundlage der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2014 des Bundesamtes für Statistik (LSE 14) berechnet (grundlegend BGE 124 V 321; vgl. auch BGE 142 V 178 E. 2.5.1-8 S. 184 ff.). Dabei ist es von einem zumutbaren Arbeitspensum von 70 % ausgegangen. Sodann hat es einen Abzug vom Tabellenlohn von 15 % nach BGE 126 V 75 vorgenommen.
2.
Die Beschwerde führende IV-Stelle rügt einzig, ein Abzug vom Tabellenlohn gemäss BGE 126 V 75 sei nicht gerechtfertigt.
2.1.
2.1.1. Mit dem Abzug vom Tabellenlohn nach BGE 126 V 75 soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; Urteil 8C_114/2017 vom 11. Juli 2017 E. 3.1).
Bei Versicherten, die aus gesundheitlichen Gründen nur noch teilzeitlich erwerbstätig sein können, ist unter dem Titel "Beschäftigungsgrad" ein Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen, wenn Teilzeitarbeit nach der im konkreten Fall anwendbaren Tabelle vergleichsweise weniger gut entlöhnt wird als eine Vollzeittätigkeit (Urteil 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.2 mit Hinweisen). Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass die versicherte Person zwar ganztags arbeitsfähig, hierbei aber nur reduziert leistungsfähig ist, grundsätzlich keinen Abzug vom Tabellenlohn (Urteil 9C_581/2016 vom 24. Januar 2017 E. 3 mit Hinweisen).
2.1.2. Ob ein (behinderungs- bzw. leidensbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar. Dagegen ist die Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Abzugs eine Ermessensfrage und somit letztinstanzlich nur bei Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung korrigierbar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72; Urteil 8C_114/2017 vom 11. Juli 2017 E. 3.2).
2.2. Die Vorinstanz hat den Abzug vom Tabellenlohn von 15 % wie folgt begründet: Gemäss der LSE 14 betrage der Durchschnittslohn von Männern bei einem Beschäftigungsgrad von 70 % aufgerechnet auf ein Vollzeitpensum 5,85 % weniger als bei einem Beschäftigungsgrad von 100 %. Es rechtfertige sich daher im Falle des zu 70 % arbeitsfähigen Versicherten ein Abzug von 5 %. Zusätzlich sei aufgrund der Tatsache, dass ihm nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit der Möglichkeit, zwischen Sitzen, Stehen und Gehen zu wechseln, zumutbar sind und er auch bezüglich seiner kognitiven Ressourcen bei der Arbeitssuche eingeschränkt ist, ein Abzug von weiteren 10 % vorzunehmen.
2.3.
2.3.1. Die Annahme des Kantonsgerichts eines aus gesundheitlichen Gründen lediglich zu 70 % zumutbaren Arbeitspensums (E. 7.2.2 des angefochtenen Entscheids) widerspricht seiner Feststellung, wonach der Beschwerdegegner aufgrund des beweiskräftigen MEDAS-Gutachtens vom 8. Mai 2014 eine seinen körperlichen Leiden angepasste Tätigkeit mit einer um 30 % verminderten Leistungsfähigkeit ausüben kann (E. 6.4 des angefochtenen Entscheids). Nach Auffassung der Beschwerde führenden IV-Stelle kann dies nur so verstanden werden, dass er in einer leidensangepassten Tätigkeit ganztags arbeitsfähig, hierbei jedoch nur reduziert leistungsfähig ist, was einen Abzug vom Tabellenlohn unter dem Titel "Beschäftigungsgrad" ausschliesse (E. 2.1.1 hiervor). Demgegenüber bringt der Beschwerdegegner in seiner Vernehmlassung vor, die Expertise enthalte keinen Hinweis auf die Zumutbarkeit einer vollzeitlichen Tätigkeit. Im Gegenteil werde im Rahmen der polydisziplinären versicherungsmedizinischen Beurteilung unter Ziff. 8.2.1 eine eingeschränkte Arbeits- und Einsatzfähigkeit attestiert.
2.3.2. Die Gutachter der MEDAS äusserten sich unter Ziff. 8.2 in folgendem Sinne zur Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit: "Aus polydisziplinärer Sicht wegen der Beeinträchtigungen seitens des Bewegungsapparates und aus psychiatrischer Sicht sind dem Versicherten leichte bis mittelschwere Tätigkeiten eingeschränkt möglich. Die Arbeitsfähigkeit für eine adaptierte Tätigkeit ist (...) mit 70 % anzunehmen" [Ziff. 8.2.1]. " (...) Positives Leistungsbild: Vorwiegend sitzende Tätigkeiten mit der Möglichkeit des gelegentlichen Aufstehens und Umhergehens, keine Zwangshaltungen; Tätigkeiten mit der Möglichkeit, vermehrt Pausen einzulegen und von längeren Erholungsphasen (...)." [Ziff. 8.2.2].
Die Umschreibung des positiven Leistungsbildes bedeutet eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in dem Sinne, dass der Beschwerdegegner aufgrund des erhöhten Pausenbedarfs und der Notwendigkeit längerer Erholungsphasen verglichen mit einem Gesunden in einer bestimmten Zeitspanne weniger leisten kann. Die vermehrten und längeren Arbeitsunterbrechungen wirken auch bei einem Arbeitspensum von 70 % leistungsmindernd. Indessen hat das Kantonsgericht den erhöhten Pausenbedarf und die Notwendigkeit längerer Erholungsphasen weder bei der Ermittlung des Invalideneinkommens in Form einer insgesamt höheren Arbeitsunfähigkeit in Anschlag gebracht noch bei der Bemessung des (leidensbedingten) Abzugs vom Tabellenlohn erhöhend berücksichtigt. Dies entspricht seiner Feststellung in E. 6.4 des angefochtenen Entscheids, dass der Versicherte aufgrund des beweiskräftigen Administrativgutachtens vom 8. Mai 2014 eine seinen körperlichen Leiden angepasste Tätigkeit mit einer um 30 % verminderten Leistungsfähigkeit ausüben kann. Darauf ist abzustellen, was einen Abzug vom Tabellenlohn unter dem Titel "Beschäftigungsgrad" nicht zulässt.
2.4. Weiter ist fraglich, ob der Umstand, dass dem Beschwerdegegner nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit der Möglichkeit, zwischen Sitzen, Stehen und Gehen zu wechseln, zumutbar sind und er auch bezüglich seiner kognitiven Ressourcen bei der Arbeitssuche eingeschränkt ist, einen (leidensbedingten) Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigt. Wie die IV-Stelle sinngemäss vorbringt, stellt das medizinische Anforderungs- und Belastungsprofil eine zum zeitlich zumutbaren Arbeitspensum tretende qualitative oder quantitative Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar, wodurch in erster Linie das Spektrum der erwerblichen Tätigkeiten (weiter) eingegrenzt wird, welche unter Berücksichtigung der Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung der versicherten Person realistischerweise noch in Frage kommen. Davon zu unterscheiden ist die Gegenstand des Abzugs vom Tabellenlohn bildende Frage, ob mit Bezug auf eine konkret in Betracht fallende Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage verglichen mit einem gesunden Mitbewerber nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung bestehen. Ist von einem genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten auszugehen, können unter dem Titel leidensbedingter Abzug grundsätzlich nur Umstände berücksichtigt werden, die auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt als ausserordentlich zu bezeichnen sind (Urteile 8C_146/2017 vom 7. Juli 2017 E. 5.2.2 und 9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.1). Im Lichte dieser Grundsätze vermöchten jedenfalls die vom Kantonsgericht angeführten Umstände keinen höheren Abzug vom Tabellenlohn als 10 % zu rechtfertigen, dies umso weniger, als eine Einschränkung in der Arbeits
suche, anders als die Vorinstanz meint, keinen Lohnfaktor darstellt.
Der Beschwerdegegner nennt in seiner Vernehmlassung verschiedene weitere Gründe (u.a. fortgeschrittenes Alter, geringe Intelligenz, langjähriges letztes Arbeitsverhältnis an einem Nischenarbeitsplatz), welche einen Abzug vom Tabellenlohn von 15 % insgesamt nicht als rechtsfehlerhafte Ermessensausübung erscheinen lassen würden. Indessen legt er nicht dar, inwiefern das Kantonsgericht diese Umstände zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, insbesondere seine Sachverhaltsfeststellung zur Abzugsfrage offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG beruhen soll (Art. 97 Abs. 1 BGG). Darauf ist daher nicht einzugehen (Urteile 2C_426/2017 vom 27. Juli 2017 E. 2.2 und 2C_484/2011 vom 23. August 2011 E. 3.2 in fine).
2.5. Nach dem Gesagten ist höchstens ein Abzug vom Tabellenlohn von 10 % angezeigt. Damit ergibt der vorinstanzliche Einkommensvergleich einen Invaliditätsgrad von 47 %, was Anspruch auf eine Viertelsrente gibt (Art. 28 Abs. 2 IVG). Die Beschwerde ist begründet.
3.
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
4.
Ausgangsgemäss wird der Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 25. April 2017 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 6. Mai 2016 wird bestätigt.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. September 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Der Gerichtsschreiber: Fessler