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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_479/2011 
 
Urteil vom 12. September 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Swiss Life AG, 
General Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 28. April 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1965 geborene S.________ löste ihr Arbeitsverhältnis per Ende Oktober 2009 auf. Mit Blick auf den damit verbundenen Austritt aus der bisherigen Vorsorgeeinrichtung übermittelte sie der Versicherungsgesellschaft Swiss Life AG am 21. Juli 2009 ein Formular "Anmeldung für eine Freizügigkeitspolice", laut welchem gegen Einmaleinlage der Freizügigkeitsleistung im Alters- oder Todesfall Kapitalleistungen und im Invaliditätsfall Rentenleistungen vorzusehen sind. Die Swiss Life AG teilte S.________ unter Berufung auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Freizügigkeitsversicherungen mit, aufgrund einer erweiterten Gesundheitsprüfung könne der gewünschte Invaliditätsrisikoschutz nicht angeboten werden (Schreiben vom 23. Oktober und 11. November 2009). 
 
B. 
S.________ führt gegen die Swiss Life AG Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr den Vorsorgeschutz in Form einer Freizügigkeitspolice mit Invalidenrente gemäss FZG zu gewähren. Das kantonale Gericht wies die Klage ab (Entscheid vom 28. April 2011). 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erneuert S.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Nach der bis Ende des Jahres 2004 gültigen Rechtslage standen die berufsvorsorgespezifischen Rechtswege nach aArt. 73 BVG für materielle Streitigkeiten aus einer Freizügigkeitspolice nicht zur Verfügung; als privatversicherungsrechtliche Angelegenheiten fielen sie in die Zuständigkeit des Zivilrichters (Urteile B 72/01 vom 5. November 2001 E. 3b und B 5/97 vom 28. August 1997 E. 3 und 4). Seit Inkrafttreten der 1. BVG-Revision am 1. Januar 2005 entscheiden indessen die Berufsvorsorgegerichte auch über Streitigkeiten mit Einrichtungen, welche der Erhaltung der Vorsorge im Sinne der Art. 4 Abs. 1 und 26 Abs. 1 FZG dienen (Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG; Urteil B 3/07 vom 21. September 2007 E. 2). Die sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz und der II. sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (Art. 35 lit. e des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR; SR 173.110.131]) ist gegeben. 
 
2. 
Strittig ist, ob die Anbieter von Freizügigkeitspolicen verpflichtet sind, die obligatorische berufliche Vorsorge in Gestalt einer Versicherung für den Invaliditätsfall fortzuführen, und weiter, ob ein entsprechender Versicherungsvertrag zustande gekommen ist. 
 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht stellte fest, die Beklagte sei nicht verpflichtet, mit der Klägerin eine Freizügigkeitspolice samt Invaliditätsschutz abzuschliessen. Auf Freizügigkeitspolicen sei unmittelbar das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) anwendbar, soweit die FZV keine Sondervorschriften enthalte. Die hier geltende Vertragsfreiheit werde durch keine gesetzliche Bestimmung ausser Kraft gesetzt. Ein Anspruch auf Abschluss einer Freizügigkeitspolice lasse sich auch nicht aus Art. 11 FZV in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 FZG ableiten. Diese Bestimmung komme nur zum Tragen, wenn die Beklagte eine Freizügigkeitspolice mit Invaliditätsschutz ausgestellt hätte, was nicht geschehen sei. 
3.2 
3.2.1 Nach Art. 4 FZG haben Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, ihrer bisherigen Einrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen (Abs. 1). Bleibt diese Mitteilung aus, so hat die Vorsorgeeinrichtung frühestens sechs Monate, spätestens aber zwei Jahre nach dem Freizügigkeitsfall die Austrittsleistung samt Zins der Auffangeinrichtung (Art. 60 BVG) zu überweisen (Abs. 2). Freizügigkeitseinrichtungen, das heisst Banken und Versicherungen, die Freizügigkeitskonti bzw. -policen anbieten (vgl. Art. 10 Abs. 1 FZV), sind keine Vorsorgeeinrichtungen (BGE 122 V 320 E. 3c S. 326); die Erhaltung des Vorsorgeschutzes findet grundsätzlich ausserhalb der Vorsorgeeinrichtung statt. Als Freizügigkeitspolicen gelten besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- oder Rentenversicherungen, einschliesslich allfälliger Zusatzversicherungen für den Todes- oder Invaliditätsfall (Art. 10 Abs. 2 Ingress FZV). 
3.2.2 Das berufsvorsorgerechtliche Obligatorium ist an ein Beschäftigungsverhältnis mit einem bestimmten Mindestlohn gebunden (Art. 2 Abs. 1 BVG); es umfasst nicht wie die Krankenpflegeversicherung alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (vgl. Art. 3 Abs. 1 KVG). Die berufliche Vorsorge geht ihrer Konzeption nach somit nicht von einem zeitlich lückenlosen Obligatorium aus. Erhaltung des Vorsorgeschutzes im Sinne von Art. 4 FZG bedeutet vielmehr die Erhaltung des der Vorsorge gewidmeten Vermögens für die Zeit, in welcher eine Person keiner Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist. Der Vorsorgeschutz soll zum gegebenen Zeitpunkt zumindest im gesetzlichen Umfang (vgl. betreffend Invalidenleistungen: Art. 23 ff. BVG) wieder aufgenommen und ungeschmälert weitergeführt werden können. Insofern gehören die Freizügigkeitseinrichtungen nur zur beruflichen Vorsorge im weiteren Sinn; Freizügigkeitspolicen bzw. -konti haben in der Regel eine blosse Überbrückungsfunktion (BGE 129 III 305 E. 3.3 S. 312 mit Hinweis auf Thomas Koller, Familien- und Erbrecht und Vorsorge, in: recht, Studienheft 4, 1997, S. 25). Eine Weiterführung (unter anderem) des Invaliditätsversicherungsschutzes gemäss BVG durch die Freizügigkeitspolice ist denn auch nur auf fakultativer Basis vorgesehen. 
3.2.3 Da BVG und FZG im obigen Sinne die Erhaltung des Vorsorgeschutzes unter Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen vorschreiben (Art. 27 BVG, Art. 4 FZG, Art. 10 bis 19 FZV), aber nicht die betreffenden Versicherungsverhältnisse als solche regeln, gilt vorbehältlich dieser Sondervorschriften das VVG (Urteil B 5/97 vom 28. August 1997 E. 3d; Hans Michael Riemer, Berührungspunkte zwischen BVG [einschliesslich überobligatorischer Bereich] und VVG, in: SZS 42/1998 S. 343 f.; Rudolf Küng, Basler Kommentar zum VVG, 2001, Art. 76 N. 19). Mit Blick auf Sinn und Zweck der Erhaltung des Vorsorgeschutzes besteht kein Grund, von der nach dem VVG prinzipiell geltenden Vertragsfreiheit abzuweichen (vgl. Gerhard Stoessel, Basler Kommentar zum VVG, 2001, Allgemeine Einleitung N. 34). Die Anbieter von Freizügigkeitspolicen unterliegen somit (anders als die Krankenkassen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung; Art. 4 Abs. 2 KVG) nicht dem Kontrahierungszwang. Disponiert der Vorsorgenehmer nicht im Rahmen von Art. 4 FZG und Art. 10 FZV anderweitig, so leistet die Überweisung der Austrittsleistung an die Auffangeinrichtung nach Art. 60 BVG letzte Gewähr für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes (Art. 4 Abs. 2 FZG). 
 
3.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 11 FZV in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 FZG und Art. 331c OR. Danach darf der Vorsorgeschutz, der mit den eingebrachten Austrittsleistungen erworben wird, im Obligatorium nicht durch einen neuen gesundheitlichen Vorbehalt geschmälert werden; in der weitergehenden Vorsorge darf für die Risiken Tod und Invalidität ein höchstens fünf Jahre dauernder Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen gemacht werden. Die Geltung dieser Bestimmungen auch im Bereich der Freizügigkeitspolicen bedeutet eine Beschränkung der Vertragsfreiheit im Sinne der Inhaltsfreiheit, wie sie im Privatversicherungsrecht verschiedentlich vorkommt (vgl. Art. 97 ff. VVG). Die anderen Aspekte der Vertragsfreiheit, darunter die Abschlussfreiheit (vgl. BGE 129 III 35 E. 6.1 S. 42), bestehen unabhängig davon. Das kantonale Gericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen im Umfang des Obligatoriums nur ausgeschlossen ist, sofern die Anbieterin von Freizügigkeitspolicen im Einzelfall ein solches Versicherungsverhältnis tatsächlich eingegangen ist. Aus Art. 11 FZV kann daher ebenfalls keine Kontrahierungspflicht abgeleitet werden. 
 
3.4 Nach dem Gesagten ist es nicht bundesrechtswidrig, dass Art. 1 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Freizügigkeitsversicherungen (AVB) der Beschwerdegegnerin das Zustandekommen einer Freizügigkeitsversicherung mit Invaliditätsschutz vom Einverständnis des Versicherers abhängig macht. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, es sei ein Vorsorgevertrag mit Invaliditätsschutz zustande gekommen. Diese Sichtweise ist weder mit der allgemeinen Rechtslage noch mit den zwischen Beschwerdeführerin und -gegnerin ausgetauschten Willensbekundungen vereinbar. Das VVG geht in Art. 1 Abs. 1 davon aus, dass die Person, die sich versichern lassen möchte, dem Versicherer einen annahmebedürftigen Antrag zum Abschluss eines Versicherungsantrags stellt. Dieser Ordnung entsprechend tritt im Offertformular der Beschwerdegegnerin die zu versichernde Person als Antragstellerin auf. Unterhalb der von der zu versichernden Person unterschriftlich bekundeten Erklärung wird zudem vermerkt, die Annahme oder die allfällige Ablehnung der beantragten Freizügigkeitspolice werde durch die Direktion schriftlich mitgeteilt. Hieraus wird deutlich, dass das von der Beschwerdeführerin anbegehrte Versicherungsverhältnis entgegen ihrer Betrachtungsweise - sie habe eine verbindliche Offerte des Versicherers für eine Freizügigkeitspolice mit Invaliditätsschutz angenommen - nicht zustande gekommen ist. 
 
5. 
Mit Blick auf die Rechtslage kann offenbleiben, ob das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin überhaupt noch gegeben ist, nachdem die Swiss Life AG die Freizügigkeitsleistung einschliesslich Zinsen an eine Sammelstiftung weitergeleitet hat (Schreiben vom 10. November 2010). 
 
6. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 12. September 2011 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub