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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_392/2019  
 
 
Urteil vom 6. September 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Muschietti, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Kriminalpolizei, Binningerstrasse 21, 
Postfach, 4001 Basel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Strafgericht Basel-Stadt, 
Zwangsmassnahmengericht, 
Schützenmattstrasse 20, 4009 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Nichtgenehmigung einer Überwachung 
des Fernmeldeverkehrs, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Strafgerichts 
Basel-Stadt, Zwangsmassnahmengericht, 
vom 30. Juli 2019 (VT.2019.16307 / ZM.2019.175). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Raubes etc. Sie wirft ihm vor, zusammen mit seiner Komplizin B.________ für die Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2019 bei der Prostituierten C.________ in Basel einen Termin vereinbart, sie mit einer Schusswaffe bedroht, mit Handschellen gefesselt, mit einer Spritze eingeschläfert und ihr u.a. mehrere Tausend Franken bzw. EURO gestohlen zu haben. Für den 23. Juli 2019, 23 Uhr, sollen A.________ und B.________ einen Termin bei der Prostituierten D.________ in Spreitenbach vereinbart haben. Diese schöpfte Verdacht und schaltete die Polizei ein, welche A.________ und B.________ festnahm, als sie den Termin wahrnehmen wollten. Für den gleichen Abend sollen A.________ und B.________ für 23:30 Uhr einen weiteren Termin mit der Prostituierten E.________ vereinbart haben. 
Am 29. Juli 2019 stellte die Staatsanwaltschaft einen Antrag um Genehmigung der technischen Überwachung (rückwirkende Teilnehmeridentifikation) von drei Telefonnummern von A.________. 
Am 30. Juli 2019 wies der Zwangsmassnahmenrichter des Kantons Basel-Stadt das Gesuch ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde vom 5. August 2019, die vom Appellationsgericht zuständigkeitshalber dem Bundesgericht überwiesen wurde, beantragt die Staatsanwaltschaft, diesen Entscheid aufzuheben und die Überwachung des Fernmeldeverkehrs gemäss ihrem Antrag vom 29. Juli 2019 zu genehmigen. 
 
C.   
Der Zwangsmassnahmenrichter beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist die Verfügung des Zwangsmassnahmenrichters in einer Strafsache. Sie ist kantonal letztinstanzlich (Art. 273 Abs. 2 StPO; BGE 137 IV 340 E. 2.2), womit die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG dagegen offensteht, und es droht mit zunehmender Verfahrensdauer ein Beweisverlust, da die Randdaten nur für sechs Monate ab ihrer Erhebung zur Verfügung stehen. Die Staatsanwaltschaft ist befugt, sie zu erheben (BGE 137 IV 340 E. 2; 142 IV 34 nicht publ. E. 1). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde eingetreten werden kann. 
 
2.   
Die Staatsanwaltschaft kann den Post- und Fernmeldeverkehr der beschuldigten Person (inhaltlich) überwachen, wenn der dringende Tatverdacht besteht, eine in Art. 269 Abs. 2 StPO genannte Straftat sei begangen worden (Art. 270 i.V.m. Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO). Zudem muss die Schwere der Straftat die Überwachung rechtfertigen, und die bisherigen Untersuchungshandlungen müssen erfolglos geblieben bzw. es muss dargetan sein, dass die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden (Art. 269 Abs. 1 lit. b-c StPO). 
Neben der eigentlichen geheimen (inhaltlichen) Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 270-272 i.V.m. Art. 269 StPO) sieht Art. 273 StPO die weitere Möglichkeit vor, dass die Staatsanwaltschaft (ebenfalls zunächst geheime) Auskünfteeinholt betreffend Verkehrs- und Rechnungsdaten bzw. Teilnehmeridentifikation (Art. 273 StPO). Diese Auskünfte (namentlich seitens der Fernmeldedienste-Anbieterinnen) können sich darauf erstrecken, wann und mit welchen Personen oder Anschlüssen eine überwachte Person über den Fernmeldeverkehr Verbindungen gehabt hat (Art. 273 Abs. 1 lit. a StPO). Zudem können Erhebungen über Verkehrs- und Rechnungsdaten erfolgen (Art. 273 Abs. 1 lit. b StPO). Voraussetzung für solche Massnahmen (bei bekannten Kommunikationsteilnehmern bzw. Verdächtigen) ist erstens der dringende Verdacht eines Verbrechens oder Vergehens oder einer Übertretung nach Art. 179 septies StGB. Zweitens müssen hier die (oben erwähnten) Voraussetzungen von Art. 269 Abs. 1 lit. b und c StPO erfüllt sein (Art. 273 Abs. 1 Ingress StPO; grundsätzlich: BGE 137 IV 340 E. 5).  
 
3.  
 
3.1. Vorliegend geht es nicht um eine inhaltliche Überwachung der drei Anschlüsse, sondern einzig um die Erhebung von Randdaten bzw. eine Teilnehmeridentifikation. Zu Recht gehen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Zwangsmassnahmenrichter davon aus, dass die Schwere der Tatvorwürfe die Erhebung von Randdaten grundsätzlich rechtfertigt. Offensichtlich ist zudem, dass für die Abklärung der Tatvorwürfe zu Lasten der drei namentlich bekannten Geschädigten eine solche Erhebung nicht erforderlich ist. Streitig ist nur, ob die Möglichkeit nahe liegt, dass der Beschuldigte noch weitere ähnliche Raubüberfälle begangen haben könnte, deren Aufklärung die Erhebung von Randdaten rechtfertigen würde.  
 
3.2. Der Zwangsmassnahmenrichter verneint das mit der Begründung, in Bezug auf die Aufklärung der Tatvorwürfe zum Nachteil der drei oben erwähnten Geschädigten sei eine technische Überwachung nicht erforderlich. Hinweise dafür, dass in jüngster Zeit in der Schweiz weitere gleichgelagerte Straftaten begangen worden seien, hätten sich trotz entsprechender Nachforschungen nicht ergeben, sodass die beantragte rückwirkende Teilnehmeridentifikation auch für weitere Aufklärungen nicht erforderlich sei. Die Staatsanwaltschaft habe ihm zwar ein noch nicht zu den Akten genommenes, bei einer Hausdurchsuchung am Wohnort des Beschuldigten sichergestelltes Papier nachgereicht, auf welchem vier weibliche Vornamen mit einer Uhrzeit und einer Gemeinde verzeichnet seien. Auch aus diesem Papier ergebe sich aber kein dringender Tatverdacht, dass der Beschuldigte vier weitere Prostituierte ausgeraubt habe; zudem könnte dies mit einer rückwirkenden Teilnehmeridentifikation auch nicht nachgewiesen werden, sondern höchstens, dass er mit vier weiteren Prostituierten telefonische Kontakte gehabt habe. Richtigerweise müssten nach dem Grundsatz der Subsidiarität zuerst die vier Prostituierten ausfindig gemacht und befragt werden, woraus sich dann allenfalls ein dringender Tatverdacht ergeben könnte, der eine rückwirkende Teilnehmeridentifikation rechtfertigen würde.  
 
3.3. Es ist notorisch, dass im Milieu viele Frauen arbeiten, die - zum Beispiel weil sie keine gültige Aufenthaltsbewilligung haben, ihre Einkünfte nicht versteuern, ihre Tätigkeit geheim halten wollen etc. - den Kontakt mit der Polizei scheuen und deshalb gegen sie verübte Straftaten nicht anzeigen. Da somit bei Straftaten gegen Prostituierte mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist, lässt sich aus dem Umstand, dass bei der Polizei zurzeit keine weiteren Überfälle eines als Freier auftretenden Räuberpärchens bekannt sind, nicht ohne weiteres ableiten, dass es keine solchen gab. Das Vorgehen der Täter - z.B. die Buchung von zwei in der gleichen Gegend arbeitenden Prostituierten mit einem Abstand von einer halben Stunde oder die umfassende Ausrüstung mit einer echt aussehenden Softair-Pistole mit Schalldämpfer, Knebel, Handschellen, Spritzen mit einschläfernden Medikamenten etc. - deutet jedenfalls auf ihre Bereitschaft hin, je nach Bedarf beliebige Überfälle auszuführen. Entgegen der Auffassung des Zwangsmassnahmenrichters könnte auch das bei der Hausdurchsuchung sichergestellte Papier mit weiblichen Vornamen, Uhrzeiten und Gemeinden ein Hinweis darauf sein, dass noch weitere Überfälle ausgeführt oder geplant wurden. Dies umso mehr, als der Beschuldigte nach den Angaben seiner Lebensgefährtin und Komplizin seit Ende 2017 nicht mehr mit Prostituierten verkehrt, was dagegen spricht, dass er mit diesen bloss Termine für sexuelle Dienstleistungen vereinbaren wollte. Ohne Erhebung der Randdaten dürfte es angesichts des unkooperativen Verhaltens der Beschuldigten schwierig oder unmöglich sein, die vier Frauen zu eruieren und abzuklären, in welcher Beziehung sie zum Beschuldigten standen. Die Argumentation des Zwangsmassnahmenrichters, die Strafverfolgungsbehörden müssten nach dem Grundsatz der Subsidiarität zunächst auf anderen Wegen die Frauen identifizieren, um anschliessend, wenn sich der Verdacht erhärten sollte, dass der Beschuldigte sie überfallen hat, eine Randdatenerhebung zu beantragen, ist jedenfalls wenig kohärent.  
 
3.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die beiden Beschuldigten dringend verdächtig sind, einen Raubüberfall ausgeführt, einen versucht und einen weiteren geplant zu haben. Zudem bestehen gewisse Anhaltspunkte dafür, dass es weitere Überfälle gegeben haben könnte, deren Opfer allenfalls durch eine Randdatenerhebung ausfindig zu machen wären. Die schweren Tatvorwürfe vermögen unter diesen Umständen den vergleichsweise eher leichten Eingriff einer Randdatenerhebung zu rechtfertigen. In dieser Konstellation dürfen jedenfalls im Anfangsstadium einer Untersuchung keine hohen Anforderungen an den Tatverdacht gestellt werden, dient doch die Massnahme gerade dazu, diesen zu erhärten oder zu entkräften. Der Zwangsmassnahmenrichter hat einen überzogenen Massstab an den Tatverdacht gestellt, die Beschwerde ist begründet.  
 
4.   
Somit ist die Beschwerde gutzuheissen und die umstrittene Randdatenerhebung zu genehmigen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 30. Juli 2019 aufgehoben. Die   rückwirkende Teilnehmeridentifikation der Nummern IMEI (......) / (......) / (......) gemäss Antrag der Staatsanwaltschaft vom 29. Juli 2019 wird genehmigt. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Strafgericht Basel-Stadt, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. September 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi