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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_432/2012 
 
Urteil vom 26. Oktober 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Denys, 
Gerichtsschreiber C. Monn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Krishna Müller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einweisung in die Anstalten Thorberg, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, 
vom 20. Juni 2012. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das Regionalgericht Oberland verurteilte den mazedonischen Staatsangehörigen X.________ am 26. Oktober 2011 unter anderem wegen versuchter Tötung, Raubes und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 6 ½ Jahren. Nachdem er sich bis zum 2. August 2010 im Regionalgefängnis Thun in Untersuchungshaft befunden hatte, trat er anschliessend den vorzeitigen Strafvollzug im offenen Normalvollzug in den Anstalten Witzwil an. Die Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern (ASMV) wies ihn am 12. April 2011 rückwirkend auf den 6. April 2011 aus Sicherheitsgründen in die geschlossene Wohngruppe ein. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) wies am 14. November 2011 eine dagegen gerichtete Beschwerde ab. 
 
Am 31. Januar 2012 verfügte die ASMV wegen Fluchtgefahr die Einweisung X.________s in die geschlossenen Anstalten Thorberg. Die POM und das Obergericht des Kantons Bern wiesen dagegen gerichtete Beschwerden am 30. April 2012 und 20. Juni 2012 ab. 
 
X.________ wendet sich mit Beschwerde ans Bundesgericht und beantragt, der Beschluss des Obergerichts vom 20. Juni 2012 sei aufzuheben. Die Beschwerde gegen die Verfügung der ASMV vom 31. Januar 2012 sei gutzuheissen, und die Verfügung sei aufzuheben. Soweit bereits erfolgt, sei die Verfügung rückgängig zu machen. 
 
2. 
Zunächst prüfte die Vorinstanz die Frage, ob es um eine Einweisung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes über den Straf- und Massnahmevollzug des Kantons Bern (SMVG) oder um eine Verlegung im Sinne von Art. 30 Abs. 1 SMVG gehe. Gemäss Art. 15 Abs. 2 SMVG in Verbindung mit Art. 7 der entsprechenden Verordnung (SMVV) können Eingewiesene unter anderem bei Flucht- und Wiederholungsgefahr in eine geschlossene Vollzugseinrichtung eingewiesen werden. Gemäss Art. 30 Abs. 1 SMVG in Verbindung mit Art. 8 SMVV kann die zuständige Stelle der POM Eingewiesene zur Fortsetzung des Vollzugs in eine andere Vollzugseinrichtung, eine psychiatrische Klinik oder eine anerkannte private Institution verlegen, wenn ihr Zustand, ihr Verhalten oder die Sicherheit dies notwendig machen, ihre Behandlung dies erfordert oder ihre Eingliederung dadurch eher erreicht wird. Die Vorinstanz, auf deren Erwägungen verwiesen werden kann (vgl. angefochtenen Entscheid S. 5-8 E. 3), geht davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Einweisung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 SMVG handelt. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Ansicht, es liege eine Verlegung im Sinne von Art. 30 SMVG vor. Indessen steht der Umstand, dass er sich bereits im Vollzug befand, aus den von der Vorinstanz genannten Gründen einer Einweisung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 SMVG nicht entgegen. Zum einen spricht der Wortlaut ausdrücklich davon, dass "Eingewiesene" in eine geschlossene Einrichtung "eingewiesen" werden können, und zum anderen stellt die Fluchtgefahr einen der klassischen Gründe für den Vollzug in einem geschlossenen Rahmen dar, während Art. 30 SMVG auf Probleme im "Innenverhältnis" der Vollzugseinrichtung sowie deren Bedürfnisse und diejenigen des Eingewiesenen zugeschnitten ist (vgl. angefochtenen Entscheid S. 6). Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es gehe um eine Einweisung, ist nicht zu beanstanden. 
 
3. 
Gemäss Art. 76 Abs. 2 StGB wird der Gefangene unter anderem in eine geschlossene Vollzugseinrichtung eingewiesen, wenn die Gefahr besteht, dass er flieht. Die Fluchtgefahr beurteilt sich aufgrund der gesamten Verhältnisse des Eingewiesenen (wie z.B. seine Lebensumstände und familiären Bindungen, die berufliche und finanzielle Situation, seine Kontakte zum Ausland). Die Gefahr darf nicht bereits angenommen werden, wenn die Möglichkeit einer Flucht in abstrakter Weise besteht. Es braucht vielmehr eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Eingewiesene, wenn er in Freiheit wäre, sich dem Vollzug der Strafe durch Flucht entzöge. Nach der Rechtsprechung genügt für die Annahme von Fluchtgefahr die Höhe der Strafe, die der Eingewiesene noch verbüssen muss, für sich allein nicht. Sie kann indessen neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen als Indiz für eine mögliche Flucht herangezogen werden (BGE 125 I 60). 
 
Auch in Bezug auf die zur Einweisung in eine geschlossene Anstalt führende Fluchtgefahr kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. angefochtenen Entscheid S. 8-13 E. 4). 
 
Es trifft zu, dass die familiäre Situation des in Mazedonien geborenen, aber in der Schweiz aufgewachsenen Beschwerdeführers eher gegen eine Flucht spricht, da sich seine Ehefrau, seine Tochter und die Eltern hier aufhalten. Anderseits ist nicht zu verkennen, dass ihn seine Familie nicht daran zu hindern vermochte, hier wiederholt und in schwerer Weise straffällig zu werden und dadurch eine lange Trennung von der Familie zu riskieren. Für den Beschwerdeführer spricht auch, dass er bisher keinen Fluchtversuch unternahm, obwohl er mit einer empfindlichen Strafe rechnen musste. 
 
Der Beschwerdeführer will nach der Entlassung aus dem Strafvollzug in der Schweiz bleiben und arbeiten. Wegen seiner schweren und sich über längere Zeit erstreckenden deliktischen Tätigkeit, die zu zahlreichen Vorstrafen führte (angefochtener Entscheid S. 9), dürfte es ihm nach der mehrjährigen Freiheitsstrafe indessen schwer fallen, in der Schweiz Fuss zu fassen. Es ist deshalb von vornherein fraglich, ob er nach der Entlassung überhaupt in der Lage wäre, hier für seine Familie zu sorgen. Dass er angeblich bereits Arbeit "in Aussicht" haben will, kann angesichts des mehrjährigen Strafrestes nicht ernstlich in Betracht gezogen werden. Dazu kommt, dass ihm die Fremdenpolizei am 28. November 2011 schriftlich mitgeteilt hat, es werde ein Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung und eine Ausweisung aus der Schweiz erwogen. Der Beschwerdeführer muss folglich damit rechnen, dass sich seine Pläne in der Schweiz nicht realisieren lassen. Anderseits hat er noch Verwandte in seiner Heimat. Er kennt das Land von Ferienaufenthalten her und spricht selber denn auch von einer "intakten Verbindung" zu Mazedonien (angefochtener Entscheid S. 9). Zudem sind seine in der Schweiz befindlichen Familienmitglieder mazedonische Staatsangehörige. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass er nur schon bis zum ersten Termin einer bedingten Entlassung noch einen Strafrest von 2 1/3 Jahren zu verbüssen hat, kommt die Vorinstanz zum Schluss, es erscheine als wahrscheinlich, dass er vor der Vollendung der Strafverbüssung in Mazedonien untertauchen und möglichst schnell versuchen könnte, dort neu anzufangen. Diese Schlussfolgerung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 
 
4. 
Schliesslich äussert sich die Vorinstanz zur Wahl der Anstalten Thorberg, worauf hier verwiesen werden kann (vgl. angefochtenen Entscheid S. 13-16). Dass die geschlossene Wohngruppe in Witzwil kein Ort für den dauernden geschlossenen Vollzug, sondern auf Übergangsphasen und kürzere Zeiträume ausgerichtet ist, wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Dass die Vorinstanz den Entscheid nicht hätte "schlüssig darlegen" können (Beschwerde S. 9), trifft nicht zu. Unter den gegebenen Umständen ist die Wahl des Thorbergs sachgerecht. 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 26. Oktober 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Monn