Chapeau
145 III 91
14. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen Corporation B. und C. SA (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_415/2018 vom 7. Dezember 2018
Regeste
Art. 26, 47, 140f et 140k LBI; certificats complémentaires de protection, nullité.
Les énumérations des causes de nullité des
art. 26 et 140k LBI sont limitatives (consid. 2.2). Le non-respect du délai pour le dépôt de la demande selon l'
art. 140f LBI ou une réintégration en l'état antérieur ordonnée de manière erronée par l'Institut fédéral de la propriété intellectuelle (
art. 47 LBI) ne tombent pas sous l'une des causes de nullité énumérées à l'
art. 140k LBI (consid. 2.3).
Faits à partir de page 92
A. Die Corporation B. (Klägerin 1, Beschwerdegegnerin 1) ist die Inhaberin des bis zum 9. Februar 2019 laufenden ergänzenden Schutzzertifikats Nr. x, welches den Wirkstoff W. zum Gegenstand hat und in der Schweiz auf der Grundlage des europäischen Patents Nr. y erteilt wurde. Exklusive Lizenznehmerin dieses Patents und dieses ergänzenden Schutzzertifikats für die Schweiz ist C. SA (Klägerin 2, Beschwerdegegnerin 2). Diese ist Inhaberin der Zulassungen für die Produkte X. und Y.
Die A. GmbH (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist ein Pharmaunternehmen mit Sitz in U. Sie ist Inhaberin der Zulassung für das Produkt Z., ein Generikum des Produkts Y. Ihr Produkt enthält den gleichen Wirkstoff und fällt in den Schutzbereich des ergänzenden Schutzzertifikats der Klägerin 1.
B. Am 20. Juli 2017 beantragten die Klägerinnen in Prosequierung eines für sie erfolgreichen Massnahmeverfahrens beim Bundespatentgericht, der Beklagten sei zu verbieten, das Arzneimittel Z. selbst oder durch Dritte in die Schweiz einzuführen oder in der Schweiz zu lagern, herzustellen, anzubieten, zu verkaufen oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Dabei machte sie im Wesentlichen geltend, das ergänzende Schutzzertifikat sei nichtig, weil das von der Klägerin 1 gestellte Wiedereinsetzungsgesuch vom 14. Dezember 2004 durch das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) zu Unrecht gutgeheissen worden sei.
Mit Urteil vom 12. Juni 2018 hiess das Bundespatentgericht im Wesentlichen die Klage gut. Dabei erwog es, die Beklagte hätte die Zwischenverfügung des IGE betreffend Wiederherstellung innert 30 Tagen anfechten können. Da sie dies jedoch unterlassen habe, sei die Erteilung formell rechtskräftig geworden. Da die Liste der Nichtigkeitsgründe gemäss
Art. 140k des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG; SR 232.14) abschliessend sei, könne auch bei einer unrechtmässigen Wiedereinsetzung in die Frist für die Einreichung des Gesuchs um Erteilung
BGE 145 III 91 S. 93
eines ergänzenden Schutzzertifikats nicht von der Nichtigkeit des Zertifikats ausgegangen werden. Die - zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene - Frage, ob das Wiedereinsetzungsgesuch durch das IGE überhaupt zu Unrecht erfolgte, liess das Bundespatentgericht offen.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte, es sei das Urteil des Bundespatentgerichts vom 12. Juni 2018 aufzuheben und die Klage infolge Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats Nr. x abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
2. Strittig ist die Frage, ob die Nichteinhaltung der Frist für die Einreichung des Gesuchs um Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats bzw. eine fehlerhafte Wiedereinsetzung in diese Frist zur Nichtigkeit des Zertifikats führt. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei prüft (
Art. 106 Abs. 1 BGG).
2.1 Nach
Art. 140a Abs. 1 PatG (SR 232.14) erteilt das IGE für Wirkstoffe oder Wirkstoffzusammensetzungen von Arzneimitteln (sog. "Erzeugnisse",
Art. 140a Abs. 2 PatG) auf Gesuch hin ein ergänzendes Schutzzertifikat. Das Zertifikat wird nach
Art. 140b PatG erteilt, wenn im Zeitpunkt des Gesuchs "das Erzeugnis als solches, ein Verfahren zu seiner Herstellung oder eine Verwendung durch ein Patent geschützt ist" (lit. a), und wenn für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses als Arzneimittel in der Schweiz eine behördliche Genehmigung vorliegt (lit. b). Mit dem ergänzenden Schutzzertifikat soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass bei Arzneimitteln das zeitaufwändige behördliche Zulassungsverfahren die Markteinführung verzögert und damit die verbleibende Schutzdauer des Patents verkürzt wird (
BGE 144 III 285 E. 2.1;
BGE 124 III 375 E. 1; je mit Hinweisen). Dieser Ausgleich wird in der Schweiz nicht etwa durch eine zeitliche Verlängerung des Patentschutzes erreicht, sondern durch ein eigenständiges Ausschliesslichkeitsrecht (
BGE 144 III 285 E. 2.1.1).
Nach Art. 140k Abs. 1 PatG ist das Zertifikat nichtig, wenn:
a) es entgegen Artikel 140b, 140c Absatz 2, 146 Absatz 1 oder 147 Absatz 1 erteilt worden ist;
b) das Patent vor Ablauf seiner Höchstdauer erlischt (Art. 15);
BGE 145 III 91 S. 94
c) die Nichtigkeit des Patents festgestellt wird;
d) das Patent derart eingeschränkt wird, dass dessen Ansprüche das Erzeugnis, für welches das Zertifikat erteilt wurde, nicht mehr erfassen;
e) nach dem Erlöschen des Patents Gründe vorliegen, welche die Feststellung der Nichtigkeit nach Buchstabe c oder eine Einschränkung nach Buchstabe d gerechtfertigt hätten.
Art. 140k Abs. 1 lit. a PatG bezieht sich auf die Voraussetzungen der Erteilung des Zertifikats (
Art. 140b PatG), auf den Grundsatz des einmaligen Schutzes pro Erzeugnis (
Art. 140c Abs. 2 PatG) sowie auf zwei Übergangsbestimmungen, welche ergänzende Schutzzertifikate für Pflanzenschutzmittel betreffen (
Art. 146 Abs. 1 und Art. 147 Abs. 1 PatG). Jedermann kann bei der Behörde, die für die Feststellung der Nichtigkeit des Patents zuständig ist, Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Zertifikats erheben (
Art. 140k Abs. 2 PatG).
2.2 Zunächst stellt sich die Frage, ob der Liste der Nichtigkeitsgründe für ergänzende Schutzzertifikate gemäss
Art. 140k PatG abschliessender Charakter zukommt.
2.2.1.1 Die Nichtigkeitsklage bezüglich eines ergänzenden Schutzzertifikats ist der Patentnichtigkeitsklage nachgebildet (PETER HEINRICH, PatG/EPÜ, 3. Aufl. 2018, N. 4 zu
Art. 140k PatG). Wie in Bezug auf ergänzende Schutzzertifikate sieht das PatG auch für Patente eine Liste von Nichtigkeitsgründen (
Art. 26 PatG) vor, wobei die Formulierung der beiden Bestimmungen vergleichbar ist ("Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn [...]" bzw. "Das Zertifikat ist nichtig, wenn [...]").
Über die Frage, ob den in Art. 26 bzw. 140k PatG enthaltenen Listen von Nichtigkeitsgründen abschliessender Charakter zukommt, hatte das Bundesgericht noch nicht zu befinden (vgl. aber immerhin das Urteil 4A_52/2008 vom 29. April 2008 E. 2.2, wonach die Nichtigkeitsgründe für das Zertifikat in Art. 140k Abs. 1 PatG aufgeführt werden). Unter Geltung des Patentgesetzes von 1888 erwog das Bundesgericht, die Nichtigkeitsgründe für Patente seien darin abschliessend aufgeführt (BGE 28 II 309 E. 5).
2.2.1.2 Der Wortlaut der beiden Bestimmungen ("Das Zertifikat ist nichtig, wenn [...]" bzw. "Der Richter stellt auf Klage hin die Nichtigkeit des Patents fest, wenn [...]") deutet eher auf eine abschliessende Liste hin, ohne jedoch eineeindeutige Antwort auf die Frage zu liefern. Die Botschaft, die im Rahmen der vorgeschlagenen Einführung
BGE 145 III 91 S. 95
von
Art. 140a ff. PatG verfasst wurde, beschränkt sich darauf, Ausführungen zu den einzelnen Nichtigkeitsgründen zu machen (Botschaft vom 18. August 1993 zu einer Änderung des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente sowie zu einem Bundesbeschluss über eine Änderung des Übereinkommens über die Erteilung Europäischer Patente, BBl 1993 III 733 f. Ziff. 212.6). Angaben darüber, ob die Liste der Nichtigkeitsgründe abschliessend ist, werden hingegen nicht gemacht. Die Botschaft in Zusammenhang mit dem Erlass von
Art. 26 PatG (Botschaft vom 25. April 1950 über die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente, BBl 1950 I 1021 ff.) ist nicht aussagekräftiger. Im Rahmen der Einführung ergänzender Schutzzertifikate für Pflanzenschutzmittel wurde in der entsprechenden Botschaft zur Änderung des PatG immerhin festgehalten, dass Art. 140k
die Gründe nennt, die zur Nichtigkeit eines Zertifikats führen (Botschaft vom 19. Januar 1998 zur Änderung des Patentgesetzes, BBl 1998 1640 Ziff. 222, Hervorhebung hinzugefügt).
2.2.1.3 In der Lehre wird fast ausschliesslich die Meinung vertreten, die Liste der Nichtigkeitsgründe gemäss
Art. 26 PatG sei abschliessend (ANTOINE SCHEUCHZER, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 8 zu Art. 26, N. 16-17 zu Intro
Art. 140a-140n PatG; HEINRICH, a.a.O., N. 24 zu
Art. 26 PatG; STEFAN LUGINBÜHL, Wegfall und Beschränkung des Patents, in: Patentrecht und Know-how, SIWR Bd. IV, 2006, S. 372; SCHACHENMANN/BERTSCHINGER, Unwirksame Patente: Gründe für die Patentnichtigkeit, in: Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. VI, 2002, Rz. 15.3 ff. S. 708 f.; FRITZ BLUMER, Patentnichtigkeitsprozess, in: Schweizerisches und europäisches Patentrecht, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. VI, 2002, Rz. 18.12; ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1985, S. 731 ff.; LAURENT DE MESTRAL, L'obtention et le maintien du brevet, 1969, S. 273). Soweit ersichtlich stellen sich nur BLUM/PEDRAZZINI auf den Standpunkt, die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe gemäss
Art. 26 PatG sei nicht als abschliessend anzusehen. Aus Sicht dieser Autoren würde die gegenteilige Auffassung dazu führen, dass gegebenenfalls Scheinpatente bestehen bleiben könnten und dass deren Inhaber - unter Vorbehalt von
Art. 2 ZGB - in der Lage wären, Rechte aus diesen geltend zu machen. Als weitere, in
Art. 26 PatG nicht vorgesehene Nichtigkeitsgründe führen sie die Handlungsunfähigkeit des Patentanmelders sowie den Verstoss gegen Art. 111 aPatG an, wonach Verfahren zur Veredlung von rohen oder unverarbeiteten Textilfasern
BGE 145 III 91 S. 96
nicht patentierbar waren (BLUM/PEDRAZZINI, Das Schweizerische Patentrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1975, Anm. 5 zu
Art. 26 PatG). Es gilt jedoch zu beachten, dass diese Lehrmeinung noch vor dem Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens vom 5. Oktober 1973 (EPÜ; SR 0.232.142.2) bzw. der damit zusammenhängenden Revision des PatG geäussert wurde.
2.2.1.4 Auch das Europäische Patentübereinkommen vom 5. Oktober 1973, revidiert in München am 29. November 2000 (EPÜ 2000; SR 0.232.142.2) enthält eine Bestimmung zur Nichtigkeit europäischer Patente (
Art. 138 EPÜ 2000). Der Wortlaut dieser Norm, wonach vorbehaltlich des Art. 139 des Übereinkommens das europäische Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat
nur aus den in lit. a-e von Art. 138 Abs. 1 aufgeführten Gründen für nichtig erklärt werden kann, zeigt, dass die darin enthaltene Liste der Nichtigkeitsgründe als abschliessend zu betrachten ist.
Nachdem das EPÜ, das Übereinkommen des Europarates vom 27. November 1963 über die Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente (EVPatÜ; SR 0.232.142.1) sowie der Vertrag vom 19. Juni 1970 über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT; SR 0.232.141.1) unter Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet worden waren, unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung die Entwürfe zu einem Bundesbeschluss über deren Genehmigung sowie zu einem Bundesgesetz über die entsprechende Änderung des PatG. Diese drei Übereinkommen sollten zu einer Rechtsvereinheitlichung und Zusammenarbeit auf internationaler und europäischer Ebene im Bereich des Patentrechts beitragen (vgl. Botschaft vom 10. Mai 1976 über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes, BBl 1976 II 2 Ziff. 1 und 4 ff. Ziff. 3). Ziel der gleichzeitig mit der Genehmigung der Übereinkommen beantragten Revision des PatG war es, das Gesetz an diese internationalen Vereinbarungen anzupassen (BBl 1976 II 2 Ziff. 1).
Die Bestimmung über die Nichtigkeit europäischer Patente gemäss
Art. 138 EPÜ 2000 gehört zu den Bestimmungen, die in das nationale Recht der Vertragsstaaten eingreifen. Diese Normen, die einen harmonisierten Schutz des europäischen Patents in allen Vertragsstaaten garantieren sollen, gehen über den ursprünglichen Zweck des Übereinkommens hinaus, den Anmeldern mittels einer einzigen Patentanmeldung zu ermöglichen, ein Patent zu erhalten, das in einer Vielzahl
BGE 145 III 91 S. 97
europäischer Staaten gleichzeitig Wirkung entfaltet. Die Nichtigkeitsgründe sind mit Wirkung für alle Vertragsstaaten vereinheitlicht worden; über die im Übereinkommen abschliessend aufgezählten Nichtigkeitsgründe hinaus dürfen die Vertragsstaaten keine zusätzlichen Gründe für die Nichtigkeit europäischer Patente vorsehen (BBl 1976 II 39 Ziff. 346.2.8). Gemäss der Botschaft sollten die für europäische Patente zugelassenen Nichtigkeitsgründe in
Art. 26 PatG übernommen werden. Diese Übernahme dränge sich auf, um das Gesetz an das Übereinkommen anzupassen (BBl 1976 II 76 Ziff. 541.3).
Folglich ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Übernahme der Bestimmung zur Patentnichtigkeit gemäss dem EPÜ in das PatG in vollem Bewusstsein darüber anstrebte, dass die darin enthaltene Liste von Nichtigkeitsgründen abschliessend ist. Diese revidierte Bestimmung sollte dabei nicht nur für den nationalen Teil von europäischen Patenten gelten. Mit der Übernahme wurde vielmehr die Angleichung des PatG an das Übereinkommen mit dem Ziel angestrebt, eine einheitliche Lösung zu schaffen, die für alle Patente - auch für rein schweizerische Patente - Geltung erlangen sollte. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Bestreben, auf dem Gebiet des Patentrechts eine harmonisierte Rechtsordnung zu schaffen. Das EPÜ 2000 (wie auch schon das EPÜ) enthält zwar keine Bestimmungen über ergänzende Schutzzertifikate. Es ist jedoch aus gesetzessystematischer Sicht - unter dem Vorbehalt einer durch das europäische Recht eindeutig vorgegebenen abweichenden Lösung (s. unten E. 2.2.2) - nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber für ergänzende Schutzzertifikate, die abhängige Schutzrechte darstellen (
BGE 144 III 285 E. 2.1.1), eine davon abweichende Lösung hätte vorsehen wollen.
2.2.2 Das Institut des ergänzenden Schutzzertifikats ist aus dem Recht der Europäischen Union übernommen worden.
2.2.2.1 Rechtsgrundlage für das ergänzende Schutzzertifikat auf europäischer Ebene bildet die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel, mit welcher die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel aufgehoben wurde. Die Verordnung (EG) 469/2009 übernimmt sowohl Art. 15 der Verordnung (EWG) 1768/92 wie auch deren Art. 3, auf welchen Art. 15 verweist.
Wie der Botschaft des Bundesrates vom 18. August 1993 zu einer Änderung des PatG (BBl 1993 III 706 ff.) zu entnehmen ist, sind die
BGE 145 III 91 S. 98
Vorschriften des schweizerischen Patentgesetzes über die ergänzenden Schutzzertifikate (
Art. 140a ff. PatG) im Rahmen des sog. autonomen Nachvollzuges des europäischen Rechts erlassen worden (BBl 1993 III 712 f. Ziff. 112.21;
BGE 144 III 285 E. 2.2.2; VALÉRIE JUNOD, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 16-17 zu Intro
Art. 140a-140n PatG). Gemäss der Botschaft entsprechen die Kategorien von Nichtigkeitsgründen gemäss
Art. 140k PatG den in Artikel 15 der EG-Verordnung vorgesehenen (BBl 1993 III 712 f. Ziff. 112.21). Ein Vergleich der beiden Bestimmungen zeigt, dass die in beiden Bestimmungen aufgeführten Nichtigkeitsgründe sich im Wesentlichen decken. Materiell unterscheidet sich
Art. 140k PatG von Art. 15 der Verordnung (EG) 469/2009 nur dadurch, dass er
zusätzlich zu den im letzteren Artikel vorgesehenen Nichtigkeitsgründen die Nichtigkeit des Zertifikats für Pflanzenschutzmittel für die Fälle vorsieht, dass das Zertifikat in Verletzung von zwei Übergangsbestimmungen (
Art. 146 Abs. 1 und Art. 147 Abs. 1 PatG) erteilt wurde. Nichtig ist nach schweizerischem Recht ein ergänzendes Schutzzertifikat für Pflanzenschutzmittel insbesondere dann, wenn das Erzeugnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung vom 9. Oktober 1998 (Einführung ergänzender Schutzzertifikate für Pflanzenschutzmittel) durch ein Patent nicht geschützt ist bzw. die Genehmigung für das Inverkehrbringen vor dem 1. Januar 1985 erteilt wurde (Art. 140k Abs. 1 lit. a i.V.m.
Art. 146 Abs. 1 PatG).
2.2.2.2 Wie die Beschwerdeführerin richtig erkennt, ist das Bestreben, die schweizerische Regelung dem europäischen Recht anzugleichen, bei der Auslegung der entsprechenden Normen des schweizerischen Rechts zu berücksichtigen (
BGE 144 III 285 E. 2.2.2;
BGE 139 I 72 E. 8.2.3;
BGE 137 II 199 E. 4.3.1;
BGE 130 III 182 E. 5.5.1;
BGE 129 III 335 E. 6;
BGE 125 II 293 E. 4e). Folglich hat insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15 der Verordnung (EG) 469/2009 (bzw. der Verordnung [EWG] 1768/92) Berücksichtigung zu finden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes für ihren Standpunkt nichts ableiten. Zwar bejahte der EuGH, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, die Nichtigkeit von Zertifikaten wegen der Nichtbeachtung von Normen, die in Art. 15 der Verordnung (EWG) 1768/92 nicht ausdrücklich genannt werden. Dies tat er jedoch nicht, indem er die Liste der Nichtigkeitsgründe ergänzte, sondern in Auslegung von Art. 3
BGE 145 III 91 S. 99
der Verordnung, auf den Art. 15 lit. a verweist. Im Urteil
Hässle erwog der Gerichtshof etwa, dass die Nichtbeachtung der in Art. 19 der Verordnung (EWG) 1768/92 vorgesehenen Übergangsregelung die Nichtigkeit des Zertifikats nach sich ziehen kann. Diese Bestimmung, wonach ein Zertifikat nur für jedes Erzeugnis erteilt werden könne, das zum Zeitpunkt der Verordnung durch ein Patent geschützt ist und für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach einem bestimmten Stichtag erteilt wurde, dürfe nur in Verbindung mit Art. 3 der Verordnung ausgelegt werden: Das Erfordernis gemäss Art. 19 sei als eine materiellrechtliche Zusatzvoraussetzung zu den in Art. 3 der Verordnung aufgestellten Voraussetzungen aufzufassen. Ein Zertifikat, das erteilt wurde, obwohl eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen
bereits vor dem in Art. 19 der Verordnung festgesetzten Stichtag erteilt wurde, sei folglich nichtig (Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2003 C-127/00
Hässle, Randnr. 84-92). Im ebenfalls von der Vorinstanz erwähnten Urteil
Synthon führte der EuGH aus, Art. 3 der Verordnung (EWG) 1768/92 beziehe sich zwangsläufig auf ein Erzeugnis, das in den Anwendungsbereich dieser Verordnung im Sinne ihres Art. 2 falle. Ein Zertifikat, das für ein Erzeugnis erteilt wurde, das ausserhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung falle, sei als nichtig zu betrachten (Urteil des EuGH vom 28. Juli 2011 C-195/09
Synthon, Randnr. 56). Dass die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe gemäss Art. 15 der Verordnung als nicht abschliessend zu verstehen sei, lässt sich aus diesen Urteilen nicht ableiten. Ganz im Gegenteil führte der EuGH in diesen aus, weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte von Art. 15 der Verordnung könne entnommen werden, dass der Katalog der darin genannten Gründe für die Nichtigkeit des Zertifikats nicht abschliessend sei (Urteile
Synthon, Randnr. 55;
Hässle, Randnr. 90-91).
2.2.3 Nach dem Gesagten können die Aufzählungen der patentrechtlichen Nichtigkeitsgründe gemäss
Art. 26 PatG bzw.
Art. 140k PatG nicht ergänzt werden. Folglich können im Rahmen einer Patentnichtigkeitsklage bzw. einer Nichtigkeitsklage bezüglich eines ergänzenden Schutzzertifikats ausschliesslich die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Gründe geltend gemacht werden. Angesichts dessen, dass es sich bei der Nichtigkeit eines Patents bzw. Zertifikats um eine schwerwiegende Folge handelt, entspricht dies dem Gebot der Rechtssicherheit.
2.3 Nach den vorstehenden Ausführungen zum abschliessenden Charakter von
Art. 140k PatG könnte sich nur noch die Frage stellen, ob die Nichteinhaltung der Antragsfrist gemäss
Art. 140f PatG bzw. eine fehlerhafte Wiedereinsetzung gemäss
Art. 47 PatG unter einen Nichtigkeitsgrund gemäss
Art. 140k PatG subsumiert werden kann. Dies ist jedoch nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Berücksichtigung der europäischen Rechtsordnung. Die Frist für die Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats ist in Art. 7 der Verordnung (EG) 469/2009 geregelt (vgl. auch schon Art. 7 der Verordnung [EWG] 1768/92). Gemäss den ersten beidenAbsätzen dieser Bestimmung muss die Anmeldung des Zertifikats innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Genehmigung für das Inverkehrbringen bzw., wenn die Patenterteilung erst nach der Genehmigung erfolgt, ab der Erteilung des Patents eingereicht werden. Dass ein in Verletzung dieser Bestimmung erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat als nichtig zu betrachten sei, hat der EuGH nie erwogen. Weshalb man in Auslegung von Art. 3 der Verordnung zu diesem Schluss gelangen sollte, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, lassen sich doch die in den bereits erwähnten Urteilen
Hässle und
Synthon gemachten Ausführungen nicht auf die Nichteinhaltung der Anmeldungsfrist übertragen. Zwar ist auch Art. 7 Abs. 1 der Verordnung in Verbindung mit deren Art. 3 lit. b und d zu lesen (Urteile des EuGH vom 2. September 2010 C-66/09
Kirin Amgen, Randnr. 36;
Hässle, Randnr. 26). Während jedoch sowohl die Frage des Zeitpunkts der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäss der Übergangsregelung (vgl. dazu den in der Schweiz kodifizierten Nichtigkeitsgrund für Pflanzenschutzmittel gemäss Art. 140k Abs. 1 lit. a i.V.m.
Art. 147 Abs. 1 PatG) wie auch des sachlichen Anwendungsbereiches der Verordnung
allgemeine Erfordernisse für die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten betreffen, handelt es sich hingegen bei der Nichteinhaltung der Anmeldungsfrist um ein Versäumnis des Patentinhabers in einem
spezifischen Erteilungsverfahren. Folglich kann aus der gebotenen Berücksichtigung der europäischen Rechtsordnung nichts für die Nichtigkeit des Zertifikats abgeleitet werden.