Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
Chapeau

149 III 186


23. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Hilfskonkursmasse von A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_452/2021 vom 14. Dezember 2022

Regeste

Art. 191, art. 194 en relation avec l'art. 174 LP; ouverture de la faillite sur réquisition du débiteur, qualité pour recourir des créanciers.
Les créanciers peuvent interjeter un recours selon le CPC pour demander l'annulation de la faillite ouverte en application de l'art. 191 LP, motif pris de l'incompétence du tribunal qui a prononcé la faillite (consid. 3).

Faits à partir de page 187

BGE 149 III 186 S. 187

A.

A.a Mit Eingabe vom 8. März 2021 beantragte B. beim Bezirksgericht Meilen, es sei gestützt auf Art. 191 SchKG der Konkurs über sie zu eröffnen, und erklärte sie sich zahlungsunfähig. Mit Urteil vom 12. März 2021, 11.15 Uhr, eröffnete das Bezirksgericht (Einzelgericht im summarischen Verfahren/Konkurssachen) gestützt auf Art. 191 SchKG den Konkurs über B. Die Konkurseröffnung wurde am 16. März 2021 im SHAB und kantonalen Amtsblatt öffentlich bekanntgemacht.

A.b Gegen die Konkurseröffnung erhob die (IPRG-)Hilfskonkursmasse von A., welche am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, mit Eingabe vom 25. März 2021 Beschwerde gemäss ZPO (Art. 174 i.V.m. Art. 194 SchKG) beim Obergericht des Kantons Zürich. Sie verlangte, es sei die Nichtigkeit des Urteils über die Konkurseröffnung festzustellen, eventualiter sei das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, und die Betreibungsverfahren Nr. x und Nr. y des Betreibungsamtes Küsnacht-Zollikon-Zumikon seien fortzuführen.

B. Das Obergericht trat auf die Beschwerde der Hilfskonkursmasse von A. mit Beschluss vom 3. Mai 2021 nicht ein, mit der Begründung, am Konkurseröffnungsverfahren nicht beteiligte Gläubiger seien zur Beschwerde nicht legitimiert; das Konkursdekret sei zudem nicht nichtig.

C. Mit Eingabe vom 1. Juni 2021 hat die Hilfskonkursmasse von A. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei der obergerichtliche Beschluss aufzuheben. In der Sache beantragt sie, es sei die Nichtigkeit des Urteils über die Konkurseröffnung über B. (Beschwerdegegnerin) festzustellen (Antrag Ziff. 1), eventualiter sei das erstinstanzliche Urteil aufzuheben (Antrag Ziff. 2), subeventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen (Antrag Ziff. 3).
(...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)

Considérants

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur Beschwerde gibt eine Insolvenzerklärung gemäss Art. 191 SchKG, gegen welche sich eine am Konkurseröffnungsverfahren nicht beteiligte Betreibungsgläubigerin wehren will. Die
BGE 149 III 186 S. 188
Beschwerdeführerin als Drittgläubigerin wendet sich gegen die Auffassung des Obergerichts, welches ihr ein Beschwerderecht abgesprochen und Nichtigkeit wegen örtlicher Unzuständigkeit des Konkursgerichts verneint hat. Sie rügt eine Verletzung von konkursrechtlichen Vorschriften (Art. 46 Abs. 1 i.V.m. Art. 191 Abs. 1, Art. 174 Abs. 1 SchKG) und weist darauf hin, dass die vom Obergericht erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Beschwerderecht von der Lehre stark kritisiert und von anderen kantonalen Gerichten nicht befolgt werde.

3.1 Gemäss Art. 191 SchKG kann der Schuldner die Konkurseröffnung selber beantragen, indem er sich beim Gericht zahlungsunfähig erklärt (Abs. 1); der Richter eröffnet den Konkurs, wenn keine Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach den Art. 333 ff. SchKG besteht (Abs. 2). Auf die ohne vorgängige Betreibung erfolgten Konkurseröffnungen ist unter anderem Art. 174 SchKG anwendbar (Art. 194 SchKG), wonach der Entscheid des Konkursgerichtes innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO angefochten werden kann (Abs. 1 erster Satz), und womit das Novenrecht der Parteien geregelt wird (Abs. 1 zweiter Satz).

3.2 Das Bundesgericht hat sich mehrfach mit der Rechtsmittellegitimation von am Konkurseröffnungsverfahren nicht beteiligten Gläubigern befasst.

3.2.1 Nach einem Urteil aus dem Jahre 1906 kann ohne Willkür angenommen werden, dass gegen Konkurserkenntnisse aufgrund von Art. 191 SchKG ein Rechtsmittel (Berufung) an die obere kantonale Konkursinstanz auch den Gläubigern des Gemeinschuldners zustehe (BGE 32 I 25 E. 1 S. 30 f.).

3.2.2 In BGE 111 III 66 (E. 2 am Ende; sowie BGE 118 III 33 E. 3) erachtete das Bundesgericht hingegen nicht als willkürlich, dass das kantonale Gericht dem Drittgläubiger die Legitimation zur Berufung abgesprochen hatte. In BGE 123 III 402 (E. 3b) wurde diese Auffassung auch mit Geltung nach der SchKG-Revision von 1994/1997 bestätigt.

3.2.3 Im Urteil 5A_43/2013 vom 25. April 2013 konnte das Bundesgericht zur Frage, ob Drittgläubiger, die nicht selbst das Konkursbegehren gestellt haben, das Konkurserkenntnis weiterziehen können, mit unbeschränkter Kognition Stellung nehmen. Es hat die Beschwerdelegitimation unter Hinweis auf BGE 111 III 66 und BGE 123 III 402 verneint (E. 2). Kern der bundesgerichtlichen
BGE 149 III 186 S. 189
Rechtsprechung sei, dass die Konkurseröffnung blosse Reflexwirkungen auf die Gläubigerrechte habe (BGE 111 III 66 E. 2 S. 68) und Art. 174 Abs. 1 SchKG, auf welchen Art. 194 SchKG verweist, ausdrücklich von den "Parteien" spreche (BGE 123 III 402 E. 3a S. 403). Gläubiger, welche nicht selbst das Konkursbegehren gestellt hätten, würden nicht am Konkurs(eröffnungs)verfahren teilnehmen; sie seien deshalb keine Parteien im Sinn von Art. 174 Abs. 1 SchKG. Im Übrigen hätten Gläubiger keine geschützte Position mit Bezug auf eine bestimmte Art der Zwangsvollstreckung; vielmehr würden die Modalitäten der Forderungsdurchsetzung gerade durch das SchKG geregelt, nach dessen Bestimmungen es auch bei einem grundsätzlich nicht der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner (vgl. Art. 39 SchKG) zum Konkurs kommen könne. Dass die Eröffnung des Konkurses konkrete Auswirkungen auf die Gläubiger habe, liege in der Natur der Sache; indes handle es sich dabei um Reflexwirkungen.

3.3 Die kantonale Praxis und die Lehrmeinungen sind nicht einheitlich.

3.3.1 Die neuere kantonale Rechtsprechung scheint dem Bundesgerichtsurteil 5A_43/2013 zu folgen (Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 29. März 2018 E. 3.3, in: BlSchK 2018 S. 201; Urteil des Kantonsgerichts Freiburg 102 2021 57 vom 26. April 2021 E. 2.1; Urteil der Cour de justice de la République et canton de Genève ACJC/193/2022 vom 8. Februar 2022 E. 1.3.1; Urteil des Tribunale d'appello della Repubblica e Cantone Ticino 14.2018.191 vom 26. März 2019 E. 2.2/b).

3.3.2 Die jüngste Waadtländer Praxis hat sich eingehend mit Rechtsprechung und Lehre befasst. Sie wendet sich gegen die erwähnten Bundesgerichtsurteile (BGE 111 III 66; BGE 123 III 402; Urteil 5A_43/2013 vom 25. April 2013) und erlaubt dem Drittgläubiger, die Eröffnung des Konkurses nach Art. 191 SchKG anzufechten, wobei im konkreten Fall Rechtsmissbrauch gerügt wurde. Es sei gerechtfertigt, dass das schutzwürdige Interesse des Schuldners am Privatkonkurs überprüft werde (Urteil des Tribunal cantonal du canton de Vaud vom 11. September 2019, in: JdT 2020 III S. 21, 26, so bereits die Walliser Praxis gemäss Urteil des Tribunal cantonal vom 31. Januar 1997, in: Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung [ZWR] 1997 S. 202).

3.3.3 In der Literatur wird die waadtländische Rechtsprechung mit Blick auf den Privatkonkurs bestätigt (GIROUD/THEUS SIMONI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
BGE 149 III 186 S. 190
3. Aufl. 2021, N. 14 zu Art. 174 SchKG; H. PETER, Le point sur le droit des poursuites et des faillites, 2018, SJZ 117/2021 S. 767). Nach anderer Auffassung wird betreffend die Legitimation des Drittgläubigers am ablehnenden Standpunkt festgehalten (BRUNNER/BOLLER/FRITSCHI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 28 zu Art. 191 SchKG, mit Hinweis auf das erwähnte Urteil 5A_43/2013).

3.4 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Verweigerung ihrer Beschwerdelegitimation bundesrechtskonform sei: Im Verfahren der Insolvenzerklärung nach Art. 191 SchKG - ein Einparteienverfahren - seien ihre Rechte als Gläubigerin nicht bloss reflexweise, sondern unmittelbar und hinreichend stark betroffen, um eine Anfechtung zu rechtfertigen. Sie verweist auf die entsprechende kantonale Praxis (E. 3.3.2) und stützt ihre Kritik auf die Lehre (u.a. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, S. 368 Rz. 1565, 1566; AMONN/GASSER, Die Rechtsprechung [...], ZBJV 134/ 1998 S. 564; MEIER, Konkursrecht, Neuerungen des revidierten Rechts und aktuelle Fragen aus Lehre und Praxis, ZSR 115/1996 I S. 285). Die Beschwerdeführerin folgert, dass die von ihr erhobene Rüge der fehlenden örtlichen bzw. internationalen Zuständigkeit zur Anordnung des Konkurses zur Beschwerde nach ZPO berechtige.

3.4.1 Das Bundesgericht hat bereits in BGE 111 III 66 festgehalten, dass die Regeln über den Ort der Konkurseröffnung (auch) im Interesse der Gläubiger aufgestellt und zwingender Natur seien. Es hat deshalb einen Vorbehalt zum fehlenden Beschwerderecht angebracht: Da im Verfahren von Art. 191 SchKG naturgemäss keine vorgängige Betreibung stattfindet und keine Konkursandrohung erlassen wird, möge es gerechtfertigt sein, den Drittgläubigern zu gestatten, ihr Interesse an der Durchführung des Konkurses am richtigen Ort auf dem Weg eines Rechtsmittels zur Geltung zu bringen (BGE 111 III 66 E. 2 am Ende, mit Hinweis auf JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 1911, N. 3 zu Art. 191 SchKG; BAUMANN, Die Konkurseröffnung [...], 1979, S. 142 Anm. 1). Damit kommt zum Ausdruck, dass das Bundesgericht die Interessen der Drittgläubiger mit Bezug auf die Zuständigkeit zur Eröffnung des Privatkonkurses in besonderer Weise gewichtet.

3.4.2 Wohl hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung (BGE 111 III 66; BGE 123 III 402) mit Urteil 5A_43/2013 vom 25. April 2013 in freier Kognition bestätigt. Über den Vorbehalt, wonach die
BGE 149 III 186 S. 191
Beschwerde des Drittgläubigers mit der bestimmten Rüge (Unzuständigkeit) erlaubt sei, hat es indes nicht abschliessend entschieden: In BGE 111 III 66 (E. 2 am Ende) war der Vorbehalt ausdrücklich nicht ausschlaggebend, weil es nicht um die örtliche Zuständigkeit ging. Auch im Rahmen von BGE 123 III 402 (sowie von BGE 118 III 33) stand nicht die Beschwerdelegitimation des Drittgläubigers im Falle eines angeblich vom örtlich unzuständigen Konkursgerichts ausgesprochenen Privatkonkurses in Frage. Dass es willkürlich wäre, dem Drittgläubiger das Recht zur Beschwerde mit einer Unzuständigkeitsrüge zuzusprechen, lässt sich aus den Urteilen nicht ableiten, ebenso wenig aus dem Urteil 5A_43/2013, womit lediglich auf die Urteile BGE 111 III 66 und BGE 123 III 402 verwiesen wird und ebenfalls keine Zuständigkeitsfrage aufgeworfen wurde.

3.4.3 Bei der nicht am richtigen Ort abgegebenen Insolvenzerklärung geht es um gewichtige Interessen des Drittgläubigers; die Verunmöglichung der Konkurseröffnung am zuständigen Ort kann für die Gläubiger einen schweren Nachteil bedeuten (vgl. GULDENER, Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 74/1955 I S. 59). Dies wird mit dem Vorbehalt in BGE 111 III 66 betont und wurde bereits in BGE 32 I 25 (E. 1 S. 30 f.) hervorgehoben, wo es um einen Konkurs nach Art. 191 SchKG ging: Das Bundesgericht hat festgehalten, dass nicht einzusehen sei, warum den Gläubigern nicht das Recht eingeräumt werden sollte, "insbesondere" gegen das von einer örtlich unzuständigen Behörde erlassene Konkurserkenntnis aufzutreten. Mit guten Gründen wird auf diese Rechtsprechung zur Rüge betreffend die Eröffnungszuständigkeit hingewiesen (BRAND, Konkursgründe II, SJK Nr. 994, Stand: 1947, S. 3 Anm. 8; vgl. RUTZ, Weiterziehung des Konkursdekretes, in: Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, Angst/Cometta/Gasser [Hrsg.], 2000, S. 351). Nichts steht entgegen, den in BGE 111 III 66 (E. 2) bereits ausdrücklich erwähnten Vorbehalt anzuwenden und die Zuständigkeitsrüge zu erlauben, um insoweit den Interessen der Gläubiger im Falle des Privatkonkurses zum Durchbruch zu verhelfen. Hingegen ist hier nicht zu erörtern, was für die Rüge des Rechtsmissbrauchs gilt oder wie es sich in Verfahren verhält, in welchen der Konkurseröffnung ein Konkursbegehren des betreibenden Gläubigers vorangegangen ist.

3.5 Nach dem Dargelegten ist die Beschwerdeführerin als Drittgläubigerin berechtigt, den gegenüber der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 191 SchKG eröffneten Konkurs mit der Rüge anzufechten,
BGE 149 III 186 S. 192
der Konkurs sei nicht am richtigen Ort eröffnet worden. Das Nichteintreten des Obergerichts auf die Beschwerde ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
Entgegen den Beschwerdeanträgen (Ziff. 1 und 2) ist weder über die blosse Nichtigkeit der Konkurseröffnung zu entscheiden, auf deren Prüfung sich das Obergericht beschränkt hat, noch ist die Sache spruchreif, um die örtliche Zuständigkeit des Konkursgerichts zu beurteilen. In Gutheissung der Beschwerde (gemäss Beschwerdeantrag Ziff. 3) und Aufhebung des Nichteintretensentscheides ist die Sache vielmehr an die Vorinstanz zur weiteren Behandlung der Beschwerde gegen die Konkurseröffnung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen.

contenu

document entier
regeste: allemand français italien

Etat de fait

Considérants 3

références

ATF: 111 III 66, 123 III 402, 118 III 33

Article: art. 191 LP, art. 174 LP, Art. 194 SchKG, Art. 174 Abs. 1 SchKG suite...