Avviso importante:
Le versioni vecchie di Netscape non sono in grado di mostrare i grafici. La funzionalità della pagina web è comunque garantita. Se volesse utilizzare frequentemente questa pagina, le raccomandiamo di installare un browser aggiornato.
 
Intestazione

117 Ia 187


32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. April 1991 i.S. N. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)

Regesto

Art. 6 CEDU. Misure disciplinari durante il carcere preventivo.
1. Applicabilità dell'art. 6 CEDU alla procedura disciplinare (consid. 4a).
2. Nell'inasprimento disciplinare del regime della carcerazione preventiva sotto forma di due giorni di arresti di rigore secondo il § 59 cpv. 1 dell'ordinanza zurighese sulle carceri distrettuali non è ravvisabile una sanzione penale ai sensi dell'art. 6 n. 1 CEDU (consid. 4b).

Fatti da pagina 187

BGE 117 Ia 187 S. 187
Die damals in Untersuchungshaft befindliche N. griff am 29. März 1990 eine Aufseherin des Bezirksgefängnisses Zürich tätlich an. Die Bezirksanwaltschaft Zürich bestrafte N. deswegen mit einer Arreststrafe von zwei Tagen Dauer. Dagegen erhob N. Rekurs bei der Justizdirektion des Kantons Zürich und beantragte die Aufhebung der Disziplinarverfügung sowie die Zusprechung einer Entschädigung für den bereits erfolgten Vollzug der Arreststrafe. Den ablehnenden Entscheid der Justizdirektion focht N. mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht an. Dieses weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
BGE 117 Ia 187 S. 188

Considerandi

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Beschwerdeführerin macht vorab geltend, entgegen der Ansicht der Justizdirektion wären auf das streitige Verfahren die Art. 5 und 6 EMRK anwendbar gewesen. Es liege ausserdem eine Verletzung dieser Bestimmungen vor.
In einem unveröffentlichten Entscheid vom 11. Juli 1988 i.S. M. c. Grosser Rat des Kantons Bern hat sich das Bundesgericht mit der Anwendbarkeit der Konventionsbestimmungen auf Disziplinarverfahren befasst. Es kam zum Schluss, dass für die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK eine "strafrechtliche Anklage" (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) vorliegen müsse. Der Begriff der strafrechtlichen Anklage im Sinne der Konvention sei autonom auszulegen, d.h. unabhängig vom nationalen Recht der Schweiz als eines Vertragsstaates. Ob ein Disziplinarverfahren im Sinne der EMRK als Strafverfahren gelten müsse, sei in drei Schritten zu entscheiden. Zunächst sei zu prüfen, ob der Gesetzestext, der die Zuwiderhandlung umschreibt, nach dem innerstaatlichen Rechtssystem zum Strafrecht, zum Disziplinarrecht oder zu beiden gehöre. Gehöre der Gesetzestext zum Strafrecht oder zu beiden Rechtsgebieten, so gelten die Garantien des Art. 6 EMRK. In zweiter Linie sei die Natur der Zuwiderhandlung selbst zu ermitteln. Ergebe sich, dass unter Berücksichtigung der entsprechenden Gesetzgebungen in den andern Vertragsstaaten die disziplinarisch verfolgte Handlung oder Unterlassung als Straftat gelten müsse, so sei Art. 6 EMRK anwendbar. Schliesslich gelte Art. 6 EMRK auch für den Fall, dass die angedrohte Sanktion nach ihrer Natur und Schwere als Kriminalstrafe erscheine (a.a.O., E. 3b; vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, Art. 6 N 25).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zur gleichen Frage am 22. Mai 1990 in einem die Schweiz betreffenden Fall eingehend Stellung genommen (EGMR i.S. Franz Weber, Série A, vol. 177). Der Gerichtshof geht ebenfalls davon aus, dass die Vertragsstaaten grundsätzlich berechtigt seien, zwischen Strafrecht und Disziplinarrecht zu unterscheiden. Zuerst sei zu überprüfen, ob die betreffende Bestimmung nach dem Recht des betroffenen Staates straf- oder disziplinarrechtlicher Natur oder beides gleichzeitig sei. Dem zweiten Kriterium, der Natur der Zuwiderhandlung, komme demgegenüber grösseres Gewicht bei der Gesamtwürdigung zu. Entscheidend sei dabei insbesondere, ob die betreffende Norm nur für einen bestimmten Personenkreis gelte.
BGE 117 Ia 187 S. 189
Die disziplinarrechtlichen Regeln hätten nämlich im allgemeinen den Zweck, die Beachtung der Verhaltensregeln für eine bestimmte Personengruppe sicherzustellen. Das dritte Kriterium bilde die Natur bzw. der Grad der Schwere der angedrohten Sanktion. Der Gerichtshof kam zum Schluss, eine Busse von Fr. 350.--, welche bei Nichtbezahlung in Haft umgewandelt werden kann, stelle eine derart schwere Disziplinarstrafe dar, dass sie als strafrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu qualifizieren sei.
b) Der vorliegende Fall ist im Lichte dieser neusten Strassburger Rechtsprechung zu prüfen. Die Rechtsgrundlage für die ausgefällte Arreststrafe findet sich in den §§ 55 und 56 der zürcherischen Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 19. April 1972 (GVO).Dabei handelt es sich um einen typischen Verwaltungserlass, werden doch darin die Organisation, die Hausordnung, die Gesundheitspflege und die Disziplin in den zürcherischen Bezirksgefängnissen geregelt. Sodann ist die Natur der angewandten Bestimmungen eindeutig disziplinar- und nicht strafrechtlich, bestimmt doch § 54 GVO, die Gefangenen hätten sich anständig zu verhalten und den Anordnungen der Gefängnisverwaltung zu gehorchen. Es handelt sich dabei um spezifische Verhaltensregeln für einen bestimmten Personenkreis. Schwieriger zu beurteilen ist das dritte massgebliche Kriterium, d.h. die Frage, ob der Grad der Schwere der Sanktion derart sei, dass diese als strafrechtlich erscheine. Die Beschwerdeführerin wurde für ihren disziplinarischen Verstoss mit zwei Tagen Arrest bestraft. Es handelte sich dabei nicht etwa um zusätzliche zwei Tage Freiheitsentzug, sondern lediglich um eine Verschärfung des gewöhnlichen Haftregimes eines Untersuchungshäftlings. Gemäss § 59 Abs. 1 GVO besteht dieses besondere Haftregime darin, dass der Arrest in einer hiefür besonders bestimmten Zelle vollzogen wird; während des Arrestes darf der Gefangene sodann nicht rauchen, erhält keine Gaben Dritter und keine Einkaufsmöglichkeit, darf keine Bücher oder Zeitungen beziehen, nicht Radio hören, keine Briefe schreiben oder empfangen und keine Besuche erhalten. Gewahrt ist aber weiterhin der Verkehr mit Behörden und Verteidiger. Lediglich zwei Tage Arrest im Sinne eines entsprechend verschärften, an sich schon bestehenden Untersuchungshaftregimes sind nicht von besonderer Schwere. Es handelt sich zwar um gewisse Verschärfungen der Haftbedingungen, jedoch keineswegs um einen zusätzlichen Freiheitsentzug oder um eine Geldstrafe in der Höhe von mehreren hundert Schweizerfranken. In Analogie zum erwähnten
BGE 117 Ia 187 S. 190
Urteil des Gerichtshofes i.S. Franz Weber kann auch als Hilfsüberlegung gelten, dass selbst dann, wenn es sich um zusätzlichen Freiheitsentzug gehandelt hätte, bei dessen fiktiver Umwandlung in eine Geldstrafe lediglich eine Busse von Fr. 60.-- angefallen wäre (vgl. STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, Art. 49 N 8).
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass Art. 6 EMRK auf das vorliegende Disziplinarverfahren bzw. auf die in diesem ausgefällte Sanktion nicht anwendbar ist. Dass die der Disziplinarmassnahme zugrundeliegende Untersuchungshaft bzw. der anschliessende Strafvollzug Art. 5 und 6 EMRK verletzt haben sollten, wird von der Beschwerdeführerin im übrigen nicht geltend gemacht.

contenuto

documento intero
regesto: tedesco francese italiano

Fatti

Considerandi 4

referenza

Articolo: Art. 6 CEDU, art. 6 n. 1 CEDU, Art. 6 N 25, Art. 49 N 8