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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_328/2023  
 
 
Urteil vom 2. August 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gabriel Püntener, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 21. März 2023 (2P 23 2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Strafbefehl vom 23. Februar 2021 verurteilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Abteilung 3 Sursee, A.________ wegen ungenügenden Beaufsichtigens eines Hundes zu einer Busse von Fr. 150.--. Nachdem A.________ gegen den Strafbefehl fristgerecht Einsprache erhoben hatte, hielt die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl fest und überwies ihn zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Bezirksgericht Willisau. Die mit der Verfahrensleitung betraute Bezirksrichterin B.________ setzte in der Folge den Termin für die Hauptverhandlung auf den 29. März 2022 fest. Aufgrund mehrerer Gesuche von A.________ wurde die Hauptverhandlung wiederholt verschoben und schliesslich mit Verfügung vom 15. Dezember 2022 auf den 31. Januar 2023 festgesetzt. Erneute Verschiebungsgesuche lehnte Bezirksrichterin B.________ ab, letztmals am 24. Januar 2023. Mit Eingabe vom 27. Januar 2023 ersuchte A.________ um Dispensation vom persönlichen Erscheinen an der Hauptverhandlung vom 31. Januar 2023. Am 30. Januar 2023 stellte er zudem ein Ausstandsgesuch gegen Bezirksrichterin B.________. Diese wies das Dispensationsgesuch mit Verfügung vom 31. Januar 2023 ab. Gleichentags verfügte sie zudem die Abschreibung des Verfahrens infolge Rückzugs der Einsprache gegen den Strafbefehl. Das gegen sie erhobene Ausstandsgesuch leitete sie zuständigkeitshalber an das Kantonsgericht des Kantons Luzern weiter. Dieses trat mit Verfügung vom 21. März 2023 auf das Ausstandsgesuch nicht ein. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 28. April 2023 an das Bundesgericht beantragt A.________, die Verfügung des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung des Ausstandsgesuchs an dieses zurückzuweisen. Eventuell sei das Verfahren zu sistieren, bis das Kantonsgericht über die hängigen Beschwerden gegen die von Bezirksrichterin B.________ verfügte Ablehnung der Dispensation von der Hauptverhandlung sowie gegen die Abschreibung des Strafverfahrens entschieden habe. 
Das Kantonsgericht und Bezirksrichterin B.________ beantragen unter Hinweis auf die angefochtene Verfügung die Abweisung der Beschwerde. Bezirksrichterin B.________ beantragt zudem die Abweisung des Sistierungsgesuchs. Der Beschwerdeführer hat repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache, den die Vorinstanz als letzte und einzige kantonale Instanz gefällt hat. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG, Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO). Als beschuldigte Person ist der Beschwerdeführer nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerdeführung berechtigt. Auch sonst steht einem Eintreten auf die Beschwerde grundsätzlich nichts entgegen.  
 
1.2. Die Vorinstanz ist zwar auf das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten. Sie hat dieses letztlich jedoch auch materiell beurteilt und einen Ausstandsgrund verneint. Entgegen der Rüge des Beschwerdeführers bildet nebst dem Nichteintreten auf das Gesuch daher auch dessen materielle Beurteilung durch die Vorinstanz Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (Urteil 1B_315/2020 vom 23. September 2020 E. 1.2; vgl. auch BGE 144 II 184 E. 1.1).  
 
1.3. Das Bundesgericht hat die Akten des kantonalen Verfahrens beigezogen. Dem entsprechenden Verfahrensantrag des Beschwerdeführers ist somit Genüge getan. Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, ist die vorliegende Sache zudem spruchreif. Für die beantragte Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens besteht deshalb namentlich auch mit Blick auf den drohenden Eintritt der Verfolgungsverjährung kein Anlass (vgl. hinten E. 3.2.2).  
 
2.  
Wie gesagt stützt die Vorinstanz den angefochtenen Entscheid auf eine Haupt- und eine Eventualbegründung. Da das Ausstandsgesuch verspätet erfolgt sei, könne darauf nicht eingetreten werden. Darüber hinaus sei auch materiell kein Ausstandsgrund erfüllt. Da beide Begründungen den Ausgang des Verfahrens je für sich besiegeln, genügt es, wenn eine vor Bundesrecht standhält (siehe Urteil 1B_315/2020 vom 23. September 2020 E. 5.4). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer erachtet den Ausstandsgrund von Art. 56 lit. f StPO als erfüllt, da der Beschwerdegegnerin mehrere grobe fachliche Verfahrensfehler unterlaufen seien. 
 
 
3.1. Nach der Rechtsprechung begründen fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen einer Gerichtsperson für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit im Sinne von Art. 56 lit. f StPO. Anders verhält es sich, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen einer verantwortlichen Gerichtsperson vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; je mit Hinweisen; Urteil 1B_387/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.3). Gegen beanstandete Verfahrenshandlungen sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; Urteile 1B_387/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.3; 1B_497/2021 vom 24. Februar 2022 E. 3.1.2).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer sieht die schwerwiegenden Verfahrensfehler der Beschwerdegegnerin darin, dass sie mehrere seiner Beweisanträge wiederholt mittels Kurzbegründung abgewiesen habe und sie darüber hinaus den Termin für die Hauptverhandlung ohne vorgängige Rücksprache autoritativ festgesetzt habe. Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung richtig ausführt, lassen diese Rügen die Beschwerdegegnerin nicht als befangen im Sinne von Art. 56 lit. f StPO erscheinen.  
 
3.2.1. Nach der erwähnten Rechtsprechung dient das Ausstandsverfahren nicht dazu, prozessuale Rügen gegen verfahrensleitende Verfügungen bereits vorab prüfen zu lassen, welche die Parteien ohne Weiteres im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung (oder nötigenfalls im Rechtsmittelverfahren) erheben können. Da es den Strafbehörden zudem von Gesetzes wegen erlaubt ist, in antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme weiterer Beweise zu verzichten (Art. 139 Abs. 2 und Art. 318 Abs. 2, Art. 331 Abs. 3 StPO), stellt die vom Beschwerdeführer monierte Abweisung von Beweisanträgen für sich alleine keinen schwerwiegenden Verfahrensfehler im Sinne von Art. 56 lit. f StPO dar (Urteile 1B_507/2022 vom 22. Februar 2023 E. 3.4 f., 1B_75/2018 vom 16. März 2018 E. 3.5; 1B_140/2016 vom 2. Juni 2016 E. 2; je mit Hinweisen). Vielmehr stand es dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Stellung des Ausstandsgesuchs offen, die Beweisanträge anlässlich der Hauptverhandlung nochmals zu stellen, sie ausreichend zu begründen und nötigenfalls zu ergänzen (Art. 331 Abs. 3, Art. 339 Abs. 2 lit. d und Abs. 3, Art. 343 Abs. 1 und Art. 345 StPO).  
 
 
3.2.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch in der von der Beschwerdegegnerin mittels Verfügung vom 15. Dezember 2022 erfolgten Ansetzung des Termins für die Hauptverhandlung auf den 31. Januar 2023 kein Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. f StPO zu sehen. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) war der Verteidiger des Beschwerdeführers für die Terminfindung telefonisch nicht erreichbar, weshalb ihm die Beschwerdegegnerin für die Durchführung der Hauptverhandlung mit Verfügung vom 11. November 2022 drei Termine im Dezember 2022 vorschlug. Diese lehnte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aufgrund seiner hohen Arbeitsbelastung ab. Die Beschwerdegegnerin setzte die Hauptverhandlung daraufhin dennoch auf den 13. Dezember 2022 an. Da die Hauptverhandlung in der Folge aus gesundheitlichen Gründen seitens des Beschwerdeführers abgesagt werden musste, setzte die Beschwerdegegnerin den neuen Termin auf den 31. Januar 2023 fest, wie dies der Beschwerdeführer im Rahmen eines Verschiebungsgesuchs vom 6. Dezember 2022 vorgeschlagen hatte. Der Beschwerdeführer rügt diese vorinstanzliche Feststellung zwar als unrichtig, die Vorakten belegen jedoch, dass er im Rahmen des genannten Verschiebungsgesuchs u.a. den 31. Januar 2023 als neuen Termin für die Hauptverhandlung vorgeschlagen hatte. Wie die Vorinstanz richtig ausführte, nahm die Beschwerdegegnerin bei der Festlegung der Hauptverhandlung mit Blick auf die Vorgaben in Art. 202 Abs. 2 Abs. 3 StPO somit hinreichend Rücksicht auf die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers. Insbesondere durfte sie dabei berücksichtigen, dass die Hauptverhandlung seit ihrer erstmaligen Ansetzung im März 2022 auf Gesuch des Beschwerdeführers bereits drei Mal kurzfristig verschoben werden musste und (gestützt auf Art. 109 StGB) zudem dem Risiko des Eintritts der Verfolgungsverjährung Rechnung zu tragen war (vgl. ULRICH WEDER, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Schulthess Kommentar StPO, 3. Aufl. 2020, N. 8 zu Art. 202 StPO; GREGOR CHATTON/GAÉTAN DROZ, in: Commentaire Romand, Code procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 14 zu Art. 202 StPO). Die restlichen Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in appellatorischer Kritik und haben im vorliegenden Zusammenhang keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung.  
 
3.3. Zusammengefasst verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz den Ausstandsgrund von Art. 56 lit. f StPO verneint hat.  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigung ist keine auszurichten (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. August 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn