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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_244/2024  
 
 
Urteil vom 26. April 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Glarus, 
Gerichtshaus, Spielhof 6, 8750 Glarus. 
 
Gegenstand 
Rechtsverzögerung, Beschleunigungsgebot; Gutheissung. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 2. Dezember 2021 sprach das Kantonsgericht Glarus A.________ der Anstiftung zu versuchtem Mord schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren. Zusammen mit A.________ verurteilte es auch B.________ (u.a.) wegen Anstiftung zu versuchtem Mord sowie C.________ und D.________ wegen versuchten Mordes. E.________ und F.________ sprach es vom Vorwurf der Gehilfenschaft zu versuchtem Mord frei. 
 
B.  
Dieses Urteil focht A.________ beim Obergericht des Kantons Glarus mit Berufung an. Vom 3. bis 5. Oktober 2022 führte das Obergericht die Hauptverhandlung durch. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 27. Februar 2024 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht wegen Rechtsverzögerung, da das Obergericht im Berufungsverfahren trotz bereits durchgeführter Berufungsverhandlung noch kein Urteil gefällt habe. Er beantragt, es sei eine Verletzung des Beschleunigungsgebots durch das Obergericht festzustellen und dieses anzuweisen, unverzüglich ein Urteil zu treffen. 
Das Obergericht hat sich ohne Antrag in der Sache vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids kann Beschwerde an das Bundesgericht geführt werden (Art. 94 BGG). Der Beschwerdeführer macht eine Verzögerung des strafprozessualen Berufungsverfahrens (Art. 398 ff. StPO) geltend. Die Beschwerde in Strafsachen ist deshalb das zutreffende Rechtsmittel (Art. 78 ff. BGG; Urteil 1B_175/2018 vom 9. Mai 2018 E. 1). Beim Obergericht handelt es sich um eine letzte kantonale Instanz im Sinne von Art. 80 Abs. 1 BGG. Der Beschwerdeführer ist als Beschuldigter zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG). Auf seine Beschwerde ist daher einzutreten. 
 
 
2.  
 
2.1. Das sich aus Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 5 StPO ergebende Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren zügig voranzutreiben (BGE 143 IV 49 E. 1.8.2 mit Hinweisen). Welche Verfahrensdauer angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Massgeblich sind insoweit namentlich die Schwere des Tatvorwurfs und die Komplexität des Sachverhalts (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1; 130 I 269 E. 3.1; je mit Hinweisen). Zu beachten ist insbesondere auch, dass das Strafverfahren vordringlich durchzuführen ist, wenn sich die beschuldigte Person - wie vorliegend - in Haft befindet (Art. 5 Abs. 2 StPO). Diese Vorgaben sind für die Behörden der Strafverfolgung (Art. 12 und 15 ff. StPO) und die Gerichte (Art. 13 und 18 ff. StPO) gleichermassen verbindlich (Urteil 1B_175/2018 vom 9. Mai 2018 E. 2.3).  
 
2.2. Die Rügen des Beschwerdeführers erweisen sich als begründet. Soweit es sich aus den Vorbringen des Beschwerdeführers und der Vorinstanz sowie aus den von dieser zur Verfügung gestellten Akten ergibt, fand die Berufungsverhandlung vom 3. bis 5. Oktober 2022 statt und scheint das Beweisverfahren abgeschlossen zu sein. Es mag zwar zutreffen, dass es sich beim Verfahren aufgrund der insgesamt sieben beschuldigten Personen, der schwerwiegenden Tatvorwürfe und der Vielzahl an zu beurteilenden Sachverhaltskomplexen um ein aufwändiges Berufungsverfahren handelt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Gericht ein Urteil gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO innert 60 Tagen, ausnahmsweise 90 Tagen, zu begründen hat, geht es jedoch nicht an und ist mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar, wenn die Vorinstanz bis zum heutigen Zeitpunkt, also über eineinhalb Jahre nach der Berufungsverhandlung, dem Beschwerdeführer noch nicht einmal ein Urteilsdispositiv eröffnet hat. Dies gilt umso mehr, als sich der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - seit dem 2. Dezember 2021 ununterbrochen in Haft befindet und das Verfahren deshalb gestützt auf Art. 5 Abs. 2 StPO besonders vordringlich behandelt werden muss. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Vorinstanz, wonach das Beschleunigungsgebot unter Hinweis auf das bundesgerichtliche Urteil 6B_1119/2022 vom 30. März 2023 (E. 5.3.2) nicht verletzt sein soll, da zwischen den Tatvorwürfen und der auf Ende Mai 2024 angekündigten Urteilseröffnung noch nicht sechs Jahre vergangen seien. Vorliegend ist einzig die seit der Hauptverhandlung verstrichene Zeitspanne zu beurteilen und erweist sich diese, selbst unter Berücksichtigung der Komplexität der Sache (siehe dazu die Zusammenfassung der Rechtsprechung im Urteil 1B_443/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 3.3), aus den vorgenannten Gründen als mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar.  
 
3.  
 
3.1. Es ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen ist. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im Dispositiv festzuhalten (siehe BGE 137 IV 118 E. 2.2 mit Hinweisen). Ob und wieweit die Verletzung des Beschleunigungsgebots eine Strafreduktion rechtfertigt, wird, sofern es bei einem Schuldspruch bleiben sollte, das Berufungsgericht zu entscheiden haben (Urteil 1B_443/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 3.3.4). Das Obergericht ist gehalten, jede weitere Verfahrensverzögerung zu vermeiden und das Urteil schnellstmöglich zu eröffnen.  
 
3.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist indessen eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen und es wird festgestellt, dass das Obergericht des Kantons Glarus das Beschleunigungsgebot verletzt hat. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Glarus hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. April 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn