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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_645/2021  
 
 
Urteil vom 11. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Emanuel Dettwiler, 
 
gegen  
 
Personalvorsorgestiftung B.________, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Berz, 
 
Ausschuss Bau und Infrastruktur des 
Stadtrates Bülach, Marktgasse 27, 8180 Bülach. 
 
Gegenstand 
Inanspruchnahme Drittgrundstücke (Hammerschlagrecht), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 26. August 2021 (VB.2020.00726, VB.2020.00731). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Beschluss vom 13. September 2017 erteilte der Ausschuss Bau und Infrastruktur des Stadtrates Bülach (nachfolgend: Baubehörde) der Personalvorsorgestiftung B.________ (nachfolgend: Bauherrschaft) die Baubewilligung für den Neubau von fünf Mehrfamilienhäusern mit einer Tiefgarage auf dem Grundstück Nr. 8952 am Frohburgweg 26-34 in Bülach; zugleich wurde die Gesamtverfügung der Baudirektion des Kantons Zürich vom 31. August 2017 eröffnet. Disp.-Ziff. 3.6 der Baubewilligung sieht vor, dass vor Baufreigabe ein Konzept der Baustellenorganisation der Baubehörde zur Genehmigung vorzulegen sei. Die Baubewilligung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. 
In der Folge entstanden Streitigkeiten über die Erschliessung der Baustelle, insbesondere zur Möglichkeit, die benachbarten Grundstücke Nrn. 3672 und 5899 der A.________ AG als Baustellenzufahrt zu benutzen. Das Grundstück Nr. 3672 ist mit einem Fuss- und Fahrwegrecht zugunsten der Parzelle Nr. 8952 belastet. 
 
B.  
Am 30. Januar 2019 gelangte die Bauherrschaft mit einem Begehren um Inanspruchnahme von Drittgrundstücken gemäss §§ 229 ff. des Zürcher Planungs- und Baurechts vom 7. September 1975 (PBG/ZH; LS 700.1) an die Baubehörde. Diese beschloss am 22. Januar 2020: 
 
"1. Den Gesuchstellern wird gestützt auf die Erwägungen die Zulässigkeit des Begehrens (in Bezug auf die Grundstücke Nrn. 3672 und 5899) in folgenden Punkten bestätigt: 
 
- Erstellung einer Baupiste inkl. Einlenkerradien und Wendeplatz auf den Grundstücken Nrn. 3672 und 5899 ab Schaffhauserstrasse bis zur Rohbauvollendung; 
- nach Rohbauvollendung bis zur letzten Bezugsabnahme das Befahren der dienstbarkeitsbelasteten Fläche (Fuss- und Fahrwegrecht) mit Fahrzeugen für die Bautätigkeit, welche mehr als 7.5 Tonnen wiegen sowie weiterhin die Nutzung des Wendeplatzes (Grundstück Nr. 3672) 
- Beanspruchung der Grundstücke Nrn. 3672 und 5899 mit Kranausleger und Gegengewicht. 
2. [...] 
3. Die Inanspruchnahme der Grundstücke Nrn. 3672 und 5899 für Lagerflächen bzw. Aushubdeponien und Parkplätze mit einer Fläche von 600 m2 bzw. 800 m2 ist nicht zulässig. 
4. [zeitliche Begrenzung auf 24 Monate ab Baufreigabe] 
5. [Entschädigung] 
6. [Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands nach Abschluss der Inanspruchnahme] 
[...]" 
 
 
C.  
Dagegen erhob die A.________ AG am 6. März 2020 Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit damit das Hammerschlagsrecht gewährt werde. Das Baurekursgericht hiess den Rekurs mit Entscheid vom 10. September 2020 teilweise gut. Es befand, die für die Rohbauarbeiten geplante Baupiste sei soweit als möglich auf dem Baugrundstück selbst zu realisieren, so dass die Baupiste nur noch teilweise (statt vollständig) auf den Grundstücken der A.________ AG zu liegen kommen werde. Es hob daher insbes. Disp.-Ziff. 1, 1. Spiegelstrich, auf und wies die Sache zur weiteren Behandlung und zum Neuentscheid im Sinn der Erwägungen an die Baubehörde zurück. 
 
D.  
Die dagegen erhobenen Beschwerden der Bauherrschaft und der A.________ AG wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 26. August 2021 ab. 
 
E.  
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die A.________ AG am 22. Oktober 2021 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiär Beschwerde in Zivilsachen bzw. subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Beschluss der Baubehörde vom 22. Januar 2020 sei wie folgt anzupassen: Es sei der Beschwerdegegnerin für die Zeit nach Rohbauvollendung auf dem Grundstück Nr. 8952 in Bülach eine Erschliessung für den Baustellenverkehr für Fahrzeuge über 7.5 t über den Frohburgweg oder die Schaffhauserstrasse und die Erstellung eines Wendeplatzes auf ihrer eigenen Parzelle zu bewilligen, und das Gesuch um eine Zufahrt über den Unterweg für Fahrzeuge über 7.5 t sowie der Errichtung eines Wendeplatzes auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin abzuweisen. 
Eventualiter sei das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache mit verbindlichen Weisungen an eine Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen. 
 
F.  
Die Bauherrschaft (Beschwerdegegnerin) und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Stadt Bülach hat auf eine Vernehmlassung verzichtet und hält an ihren bisherigen Stellungnahmen fest. 
Es wurde keine Replik eingereicht. 
 
G.  
Mit Verfügung vom 21. Dezember 2021 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des Verwaltungsgerichts. 
 
1.1. Fraglich ist, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder nicht vielmehr eine zivilrechtliche Angelegenheit handelt:  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts; ursprüngliches Anfechtungsobjekt ist ein Beschluss der kommunalen Baubehörde im Zusammenhang mit der Baustellenerschliessung für eine bewilligte Wohnüberbauung. Der Beschluss stützt sich auf die §§ 229 ff. PBG/ZH zur Inanspruchnahme von Drittgrundstücken, die sich im IV. Kapitel "Das öffentliche Baurecht" befinden. Dies spricht auf den ersten Blick für eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. 
Das Verwaltungsgericht führte allerdings aus, Grundlage für § 229 PBG/ZH bilde Art. 695 ZGB, der unter der Marginalie "b. Andere Wegrechte" auf den Notweg nach Art. 694 ZGB folge. Danach bleibe es den Kantonen vorbehalten, nähere Vorschriften aufzustellen, insbesondere über die Befugnis des Grundeigentümers, zum Zweck der Bewirtschaftung oder Vornahme von Ausbesserungen und Bauten das nachbarliche Grundstück zu betreten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung seien die Kantone auf Grund dieses Vorbehalts nicht berechtigt, Bauvorschriften privatrechtlicher Natur aufzustellen, die über diese gesetzliche Ermächtigung hinausgingen (BGE 104 II 166 E. 3c). Das Verwaltungsgericht erläuterte, dass den Verwaltungsbehörden mit der Regelung von §§ 229 f. PBG/ZH eine Richterrolle in einem nachbarrechtlichen Streit zugewiesen werde. Die Baubehörde habe nicht etwa eine Bewilligung zur Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks zu erteilen oder zu verweigern, sondern einen Entscheid über die Zulässigkeit des Begehrens und über eine allfällige Entschädigung zu fällen. Dies zeige sich auch daran, dass es im Fall einer Einigung zwischen den Beteiligten keines Entscheids der Verwaltungsbehörde bedürfe und allfällige privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu berücksichtigen seien. 
Diese Ausführungen sprechen dafür, dass es sich beim Hammerschlagsrecht um ergänzendes kantonales Privatrecht handelt. Dies entspricht auch der herrschenden Lehre (vgl. nur DOMINIK BACHMANN, Das Hammerschlagsrecht, in: PBG aktuell 4/2014 S. 7 mit weiteren Hinweisen) und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil 5A_828/2020 vom 28. März 2011 E. 3.4 und - zur Vorgängernorm - BGE 104 II 166 E. 3c). Dies hätte zur Folge, dass nicht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig wäre, sondern die Beschwerde in Zivilsachen (bzw., falls der Streitwert nicht erreicht wird, die subsidiäre Verfassungsbeschwerde). 
Die Frage kann offen bleiben, wenn auf die Beschwerde ohnehin (unabhängig von der öffentlich- oder zivilrechtlichen Qualifikation der Angelegenheit) nicht eingetreten werden kann. 
 
2.  
 
2.1. Wie das Bundesgericht bereits in seiner Verfügung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung festgehalten hat, liegt hinsichtlich der Inanspruchnahme der Grundstücke der Beschwerdeführerin während der Rohbauarbeiten noch kein Endentscheid vor: Das Verwaltungsgericht bestätigte den Rückweisungsentscheid des Baurekursgerichts, wonach die Baustellenzufahrt via Schaffhauserstrasse hinsichtlich der Baupiste sowie der genauen Lage und Grösse des Wendeplatzes neu konzipiert werden müsse. Da der Baubehörde insofern noch ein Entscheidspielraum offensteht, handelt es sich um einen Zwischenentscheid.  
Zwar richtet sich die vorliegende Beschwerde gegen die Baustellenerschliessung nach Abschluss der Rohbauarbeiten. Diese umfasst jedoch (neben der Inanspruchnahme der mit dem Fuss- und Fahrwegrecht belasteten Flächen) auch die Weiternutzung des bereits in der 1. Bauphase zu erstellenden Wendeplatzes (vgl. Bauentscheid, Disp.-Ziff. 1, 2. Spiegelstrich), dessen genaue Lage und Grösse noch nicht festgelegt worden sind. Insofern liegt auch diesbezüglich noch kein (Teil-) Endentscheid vor, wie die Beschwerdegegnerin überzeugend darlegt, sondern es handelt sich auch insoweit um einen Zwischenentscheid. 
 
2.2. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, die nicht den Ausstand oder die Zuständigkeit (nach Art. 92 BGG) betreffen, nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Es ist Sache der beschwerdeführenden Partei, das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzutun, es sei denn, deren Vorliegen spricht geradezu in die Augen (BGE 142 V 26 E. 1.2 mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Beschwerdeschrift äussert sich mit keinem Wort zu den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG. Deren Vorliegen ist auch nicht offensichtlich: Da die Beschwerdegegnerin mit dem Rohbau noch nicht beginnen kann, ist kein nichtwiedergutzumachender Nachteil erkennbar. Ob bei Gutheissung der Beschwerde ein Endentscheid herbeigeführt werden könnte (lit. b), erscheint fraglich, da die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nur die Baustellenerschliessung ab der Vollendung des Rohbaus anficht (vgl. Beschwerdeschrift Rz. 25 und angefochtener Entscheid E. 5.2), d.h. noch über die Erschliessung während des Rohbaus entschieden werden müsste. Jedenfalls aber fehlt es an der weiteren Voraussetzung, dass damit ein weitläufiges Beweisverfahren vermieden werden könnte.  
 
3.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die private Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Ausschuss Bau und Infrastruktur des Stadtrates Bülach und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber