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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_312/2023  
 
 
Urteil vom 17. August 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ziegler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Marc von Gunten, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Werkvertrag, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Zivilkammer, vom 12. Mai 2023 
(ZK2 22 52). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die B.________ GmbH (Unternehmerin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) und die A.________ AG (Bestellerin, Beklagte, Beschwerdeführerin) schlossen am 14. August 2019 einen Werkvertrag über Holzbauarbeiten im Zusammenhang mit der Sanierung der Liegenschaft an der U.________ in Zürich. Als Werklohn wurde eine Pauschale von Fr. 225'000.-- inkl. MwSt. vereinbart. Neben den Vertragsparteien wurde der Werkvertrag von der C.________ AG unterzeichnet, welche von der Beklagten mit der Projekt- und Bauleitung betraut wurde. 
Die Abnahme des vollendeten Holzbaus erfolgte am 29. Februar 2020. Mit (Schluss-) Rechnung vom 23. März 2020 liess die Klägerin der Beklagten eine Zusammenstellung über die von ihr erbrachten Leistungen samt Nachtrags- und Regiearbeiten im Betrag von Fr. 354'546.-- (nach Rabatt von 5% und allgemeinen Abzügen von 1.7%, inkl. MwSt.) zukommen. Nach Abzug sämtlicher Akontozahlungen wies die Schlussabrechnung eine Restforderung von Fr. 63'756.-- aus. 
In der "Unternehmerschlussabrechnung" vom 8. Juli 2020 prüfte die C.________ AG den Bestand der von der Klägerin geltend gemachten Forderung und teilte der Beklagten am 16. Juli 2020 mit, einen Restbetrag von Fr. 62'270.-- schuldig zu sein. Die Bezahlung unterblieb. 
Am 11. November 2020 betrieb die Klägerin die Beklagte beim Betreibungsamt V.________ für den Betrag von Fr. 62'270.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2020. Die Beklagte erhob Rechtsvorschlag. 
 
B.  
Nach gescheitertem Schlichtungsversuch erhob die Klägerin am 21. Juni 2021 beim Regionalgericht Prättigau/Davos Klage mit dem Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 62'270.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2020 zu bezahlen. Der Rechtsvorschlag sei aufzuheben. 
Mit Entscheid vom 18. August 2022 verpflichtete das Regionalgericht die Beklagte, der Klägerin Fr. 62'270.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 2020 zu bezahlen. In diesem Umfang hob es den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes V.________ auf und erteilte definitive Rechtsöffnung. 
Dagegen erhob die Beklagte Berufung an das Kantonsgericht von Graubünden und begehrte die vollumfängliche Abweisung der Klage. 
Mit Entscheid vom 12. Mai 2023 trat das Kantonsgericht zufolge unzureichender Begründung auf die Berufung nicht ein. 
 
C.  
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entschied des Kantonsgerichts vom 12. Mai 2023 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz, subeventualiter an das Regionalgericht zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf Vernehmlassung. Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit angesichts der appellatorischen Kritik überhaupt darauf einzutreten sei. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 10. Juli 2023 wurde der Beschwerde mangels Opposition die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG und als solcher der Beschwerde an das Bundesgericht zugänglich. Das Kantonsgericht ist eine Vorinstanz im Sinne von Art. 75 BGG und der Streitwert übersteigt den nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geltenden Mindestbetrag von Fr. 30'000.--. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer hinlänglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist auf die Beschwerde einzutreten. 
Nicht eingetreten werden kann allerdings auf das Begehren um vollumfängliche Klageabweisung. Die Vorinstanz ist nicht auf die Berufung eingetreten. Ergo kommt bei Gutheissung der Beschwerde nur eine Rückweisung an die Vorinstanz in Betracht. Einzutreten ist demnach lediglich auf das Eventualbegehren auf Rückweisung. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2).  
 
2.2. Die Begründung muss in der Beschwerde selber dargelegt werden (BGE 144 V 173 E. 3.2.2; 140 III 115 E. 2, 133 II 396 E. 3.2). Das missachtet die Beschwerdeführerin, soweit sie pauschal auf ihre Ausführungen vor dem Regionalgericht und in der Berufung an das Kantonsgericht verweist. Solche blosse Verweise auf die Akten sind unzulässig und können nicht beachtet werden.  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin setze sich in ihrer Berufungsschrift nicht mit der erstinstanzlichen Entscheidbegründung auseinander. Das Regionalgericht habe ausgeführt, die Beschwerdeführerin müsse sich das Handeln der von ihr beigezogenen Bauleitung als ihre Vertretung anrechnen lassen. Diese habe ihr auf der Grundlage der Schlussabrechnung der Beschwerdegegnerin am 16. Juli 2020 ein als "Unternehmerschlussabrechnung vom 08.07.2020" bezeichnetes Dokument übermittelt und darin einen offenen Betrag von Fr. 62'270.-- ausgewiesen. Es handle sich dabei um einen Prüfungsbescheid i.S.v. Art. 155 Abs. 1 SIA-Norm 118. Dieser unterliege keiner speziellen Form und sei auch ohne Unterschrift gültig. Nachdem die Bauleitung gestützt auf die Schlussabrechnung und die Rechnungen für Regiearbeiten einen Kostenabschluss erstellt habe, gelte der ermittelte Betrag von Fr. 62'270.-- als beidseitig anerkannt und sei gemäss Art. 155 SIA-Norm 118 mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung fällig geworden. Die Vorinstanz konnte in der Berufungsschrift keine sachbezogenen Einwände gegen diese Begründung des Regionalgerichts erkennen. Durch eine pauschale Verweisung auf die erstinstanzlichen Rechtsschriften halte die Beschwerdeführerin daran fest, dass die Klageforderung noch nicht fällig sei, da es an einer unterzeichneten Schlussabrechnung fehle. Damit gehe sie an den Erwägungen des Regionalgerichts vorbei, habe dieses doch gerade festgehalten, dass eine Unterzeichnung der Schlussabrechnung mit der Ausstellung des Prüfungsbescheids obsolet geworden sei. Die Vorinstanz trat daher mangels rechtsgenüglicher Begründung der Berufung nicht darauf ein.  
 
3.2. Die Berufung ist hinlänglich zu begründen (Art. 311 Abs. 1 ZPO) und es ist in der Rechtsschrift selbst auszuführen, welche Beanstandungen und weshalb gegen die erstinstanzliche Beurteilung erhoben werden. Das Berufungsgericht ist nicht gehalten, von sich aus wie eine erstinstanzliche Gerichtsbehörde alle sich stellenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn keine entsprechenden Rügen der Parteien vor der zweiten Instanz vorliegen. Abgesehen von offensichtlichen Mängeln hat sich das Berufungsgericht daher grundsätzlich auf die Beurteilung der in der Berufung und Berufungsantwort gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Beanstandungen zu beschränken (BGE 144 III 394 E. 4.1.4; 142 III 413 E. 2.2.4).  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin müsste für eine erfolgreiche Beschwerdeführung dartun, dass sie entgegen der Vorinstanz ihre Begründungsobliegenheit in der Berufungsschrift erfüllt hat. Dies tut sie aber nicht. Statt dessen beharrt sie weiterhin auf ihrem Standpunkt, dass für "das Eintreten der Fälligkeit gemäss schriftlicher Vereinbarung der Parteien gerade eine unterzeichnete Schlussabrechnung vorausgesetzt" sei. Deshalb hätte die Klage mangels Fälligkeit in jedem Fall abgewiesen werden müssen. Das habe die Vorinstanz verkannt und mit ihrem Nichteintreten auf die Berufung Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 311 ZPO und Art. 6 EMRK sowie Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) verletzt.  
 
3.4. Diese Rügen sind nicht nur unzureichend begründet (vgl. Erwägung 2.1), sondern gehen an der Sache vorbei. Wie ihr schon die Vorinstanz erklärte, blendet die Beschwerdeführerin mit ihrer Argumentation den Prüfungsbescheid ihrer Bauleitung aus. Dass sie die erstinstanzliche Beurteilung, wonach mit dem Prüfungsbescheid der von der Bauleitung ausgewiesene Restbetrag von Fr. 62'270.-- als beidseitig anerkannt gelte und gemäss Art. 155 SIA-Norm 118 fällig geworden sei, in ihrer Berufungsschrift rechtsgenüglich angefochten hätte, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Die Beschwerdeführerin rügt zwar angeblich überspitzte Anforderungen an die Berufungsbegründung, verkennt aber den Gehalt der erstinstanzlichen Erwägungen betreffend die Qualifikation des Dokuments vom 8. Juli 2020 als Prüfungsbescheid der Bauleitung im Sinne von Art. 155 Abs. 1 SIA-Norm 118 und der damit eingetretenen Fälligkeit, wenn sie weiterhin darauf beharrt, dass für die Fälligkeit der Forderung nach der Vereinbarung der Parteien eine unterzeichnete Schlussabrechnung hätte vorliegen müssen. Sie verweist auf Ziffer 4 Seite 6 der Berufungsbegründung. Dort finden sich aber keine konkreten Rügen gegen die Qualifikation als Prüfungsbescheid und die daraus vom Regionalgericht gezogenen Schlüsse. Es ist daher der Vorinstanz beizupflichten, wenn sie der Berufung keine sachdienliche Auseinandersetzung mit den auschlaggebenden Erwägungen des Regionalgerichts entnehmen konnte und mangels einer solchen Auseinandersetzung die Berufungsbegründung als ungenügend beurteilte.  
Die Beschwerdeführerin kann dem Begründungsmangel auch nicht dadurch abhelfen, dass sie nun in der Beschwerde an das Bundesgericht versucht, eine solche sachdienliche Anfechtung nachzuliefern und ausführt, der Prüfungsbescheid vermöge gemäss der Vereinbarung der Parteien eine unterzeichnete Schlussabrechnung nicht zu ersetzen. Ohnehin wird auch mit dieser Behauptung die rechtliche Würdigung als Prüfungsbescheid und die Annahme einer beidseitigen Genehmigung des von der Bauleitung ausgewiesenen Betrags trotz fehlender Unterschrift nicht entkräftet. 
Im Weiteren unterbreitet sie dem Bundesgericht bloss ihre eigene Lesart der Berufungsbegründung und meint, aufgrund der dortigen Ausführungen hätte der Vorinstanz klar sein müssen, dass gerade beanstandet werde, dass die Forderung mit dem Prüfungsbescheid fällig geworden sei. Die Begründung sei leicht verständlich. Trotzdem sei sie von der Vorinstanz "einfach ignoriert" worden, obwohl sie die Monierungen der Beschwerdeführerin an anderer Stelle wiedergegeben habe. Dadurch habe sie Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 311 ZPO verletzt. Mit dieser Argumentation wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz letztlich vor, den Entscheid des Regionalgerichts nicht selbst auf mögliche Schwachstellen untersucht und ihre "einfach verständlichen" Vorbringen in der Berufung nicht in ihrem Sinne weitergehend interpretiert zu haben. Dazu war die Vorinstanz aber gerade nicht gehalten (vgl. Erwägung 3.2). Vielmehr oblag es der Beschwerdeführerin, sich mit den beanstandeten Erwägungen des Regionalgerichts im Einzelnen sachdienlich auseinanderzusetzen. Sie vermag jedoch nicht aufzuzeigen, dass sie dieser Begründungsobliegenheit in der Berufungsschrift rechtsgenüglich nachgekommen ist. 
 
3.5. Damit bleibt es bei der Beurteilung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin die Begründungsanforderungen an die Berufung verfehlte. Die Vorinstanz verletzte mithin kein Recht, indem sie nicht auf die Berufung eintrat.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerdegegnerin auf eine Antwort verzichtete, ist ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. August 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger