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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_116/2023  
 
 
Urteil vom 28. März 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiberin Rupf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________, 
vertreten durch A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Bern, Brünnenstrasse 66, 3018 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Bern und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2015, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19. Dezember 2022 (100.2022.157/158U). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Nachsteuer- und Bussenverfügungen vom 29. Juli 2021 auferlegte die Steuerverwaltung des Kantons Bern A.A.________ und B.A.________ wegen vollendeter (eventualvorsätzlich begangener) Steuerhinterziehung für das Steuerjahr 2015 Steuerbussen von Fr. 3'882.85 bei den Kantons- und Gemeindesteuern und Fr. 1'794.- bei der direkten Bundessteuer. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies die Steuerverwaltung mit Einspracheentscheiden vom 11. Januar 2022 ab. Zugleich trennte sie die Nachsteuer- von den Bussenverfahren ab. Die Nachsteuerverfahren führte sie gegen beide Ehegatten weiter, die Bussenverfahren indes nur gegen A.A.________. Gegen B.A.________ stellte die Steuerverwaltung das Bussenverfahren ein.  
 
1.2. Am 11. Februar 2022 gelangten A.A.________ und B.A.________ mit Rekurs und Beschwerde an die Steuerrekurskommission des Kantons Bern. Diese sistierte die Verfahren betreffend Nachsteuern bis zur Erledigung der Steuerstrafverfahren mit Verfügung vom 16. Februar 2022. Und sie trat wegen Verspätung mit Entscheiden vom 10. Mai 2022 auf die Rechtsmittel gegen das Bussenverfahren nicht ein. Dagegen gelangten A.A.________ und B.A.________ erfolglos an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, welches die Begehren abwies (Urteil des Einzelrichters vom 19. Dezember 2022 [100.2022.157/158U]).  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Februar 2023 gelangen A.A.________ und B.A.________ (die Beschwerdeführer) an das Bundesgericht und verlangen die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts sowie die Rückweisung zur materiell-rechtlichen Beurteilung.  
 
2.  
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind erfüllt (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich nachfolgender Erwägung E. 2.3 einzutreten.  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.2) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 35 E. 4.2), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Partei muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft erscheint und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 42 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.3. Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht bei der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) nur dann nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 II 44 E. 1.2; Urteil 2C_772/2021 vom 8. November 2022 E. 4.1). Die beschwerdeführende Person hat daher klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, dass und inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 146 I 62 E. 3; 146 IV 114 E. 2.1).  
 
2.3.1. Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei unverhältnismässig, eine (eventualvorsätzliche) Steuerhinterziehung zu bejahen, ohne ihnen vorgängig eine materiell-rechtliche Prüfung zu ermöglichen.  
Prozessrechtliche Eintretensfragen, wie jene der Rechtzeitigkeit der Erhebung eines Rechtsmittels innerhalb einer peremptorischen Frist, sind vor materiell-rechtlichen, zu denen auch verfassungsmässige Ansprüche gehören, zu prüfen. Bei nicht rechtzeitiger Erhebung eines Rechtsmittels folgt die Verwirkung des prozessualen Rechts, unter Vorbehalt von Fristwiederherstellungsmöglichkeiten (vgl. unten E. 5), und damit des Anspruchs auf materiell-rechtliche Prüfung des Anliegens der beschwerdeführenden Partei. Vorliegend räumen die Beschwerdeführer gerade ein, sie hätten die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels versäumt (vgl. hierzu weiter unten E. 4), weshalb auf dieses Begehren nicht weiter eingetreten werden kann. 
 
2.3.2. Die Beschwerdeführer benennen die angebliche Verletzung des Prinzips der Unschuldsvermutung - in dubio pro reo - im Sinne von Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 2 EMRK.  
Das Bundesgericht hat zum Grundsatz in dubio pro reo bereits mehrfach ausgeführt, dass ihm in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zukommt (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 144 IV 345 E. 2.2.3.3; 140 I 68 E. 9.2; 138 V 74 E. 7; Urteile 2C_872/2021 vom 2. August 2022 E. 6.1, nicht zur Publikation vorgesehene Erwägung; 2C_526/2019 vom 12. November 2019 E. 3.9; 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018 E. 2.2.3.1). Die Beschwerdeführer machen hierzu keine weiteren verfassungsbezogenen Ausführungen, noch fügen sie eine qualifizierte Begründung hinzu, weshalb wegen offensichtlicher Unbegründetheit auch auf dieses Begehren nicht weiter einzutreten ist.  
 
2.3.3. Die Beschwerdeführer rügen die angebliche Verletzung des Schutzes von Treu und Glauben sowie des Willkürverbots (Art. 5 Abs. 3 BV und Art. 9 BV). Hierzu halten die Beschwerdeführer in bloss pauschaler Art und Weise fest, dass die Konsequenz des Fristversäumnisses in einem "krassen Missverhältnis" zu ihren persönlichen schützenswerten Interessen stehe. Es zeigt sich, dass auch hier eine qualifizierte Begründung fehlt (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf die verfassungsbezogenen Begehren ist nicht weiter einzutreten.  
 
3.  
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig die Frage, ob die Vorinstanz, das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, zu Recht die Entscheide der Unterinstanz, der Steuerrekurskommission des Kantons Bern, bestätigt hat, mit dem Letztere auf die gegen die Verfügungen/Einspracheentscheide vom 11. Januar 2022 erhobenen Rechtsmittel wegen Verspätung nicht eingetreten ist. 
 
4.  
 
4.1. Unter Hinweis auf die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen (vgl. E. 3 des angefochtenen Urteils; Art. 109 Abs. 3 BGG) ist an dieser Stelle wiederholend hervorzuheben, dass der Steuerpflichtige gegen Einspracheentscheide der Veranlagungsbehörde innert 30 Tagen nach Zustellung bei einer von der Steuerbehörde unabhängigen Rekurskommission schriftlich Beschwerde erheben kann (Art. 140 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; 642.11]; sowie inhaltsgleiche kantonale Bestimmung Art. 195 Abs. 1 i.V.m. Art. 196 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000 [StG/BE; BSG 661.11] sowie Art. 50 Abs. 1 StHG).  
Die Frist beginnt mit dem auf die Eröffnung folgenden Tage (Art. 133 Abs. 1 DBG; Art. 151 Abs. 1 StG/BE i.V.m. Art. 41 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG/BE; BSG 155.21]). 
 
4.2. Gemäss vorinstanzlichen, unbestrittenen, für das Bundesgericht verbindlichen, Ausführungen wurden die Einspracheentscheide den Ehegatten am 12. Januar 2022 zugestellt (vgl. E. 3.2 des angefochtenen Urteils). Folglich ist den vorinstanzlichen Ausführungen zuzustimmen, dass die dreissigtätige Beschwerdefrist am 13. Januar 2022 begonnen hat und am Freitag, 11. Februar 2022 endete. Es ist sodann von den Beschwerdeführern auch explizit nicht bestritten, dass das Rechtsmittel erst einen Tag später, am 12. Februar 2022 postalisch aufgegeben wurde. Das Rechtsmittel wurde damit zu spät erhoben und die Frist gilt als versäumt, was die Vorinstanz auch so festgehalten hat.  
 
5.  
 
5.1. Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden (Art. 119 Abs. 1 DBG; Art. 161 Abs. 1 StG/BE). Auf verspätete Einsprachen wird nur eingetreten, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass er durch Militär- oder Zivildienst, Krankheit, Landesabwesenheit oder andere erhebliche Gründe an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war und dass die Einsprache innert 30 Tagen nach Wegfall der Hinderungsgründe eingereicht wurde (Art. 133 Abs. 3 DBG; Art. 161 Abs. 3 StG/BE). Diese Regel gilt sinngemäss auch für eine verspätete Beschwerde/einen verspäteten Rekurs gegen einen Einspracheentscheid (vgl. Art. 133 Abs. 3 i.V.m. Art. 140 Abs. 4 DBG; Art. 161 Abs. 1 StG/BE). Entsprechend sind die seitens der Beschwerdeführer vorgebrachten Fristwiederherstellungsgründe nachfolgend zu prüfen.  
 
5.2. Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren verweisen die Beschwerdeführer zur Begründung ihres Anliegens erneut auf eine Bestimmung aus dem Zivilprozessrecht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO) und führen aus, dass eine Notfrist gewährt werden könne, wenn aufgrund des angefochtenen Entscheids ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil drohe. Dies sei hier der Fall, da die Verurteilung der Steuerhinterziehung für den Ehemann als Treuhänder einen schweren Nachteil darstelle. Es zeigt sich, dass die Beschwerdeführer sich auf keinen der in E. 5.1 erwähnten gesetzlichen Fristwiederherstellungsgründe berufen, weshalb auch hier auf die vorinstanzlichen Begründungen verwiesen werden kann (vgl. E. 4, insb. E. 4.2 des angefochtenen Urteils). Es zeigt sich, dass die Vorinstanz zu Recht die Frist nicht wiederhergestellt hat und die Ausführungen der Beschwerdeführer offensichtlich unbegründet sind.  
 
6.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die Gerichtskosten sind nach dem Unterliegerprinzip den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Bern, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. März 2023 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rupf