Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5F_20/2023  
 
 
Urteil vom 22. August 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, 
Bundesrichter von Werdt, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ und B.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Hans Wiprächtiger, 
Gesuchsteller, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Jennifer Rickenbach, 
Gesuchsgegnerin, 
 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12 A, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_706/2022 vom 21. März 2023. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ und B.________ wurden vom Bezirksgericht Kreuzlingen (zunächst mit Entscheid vom 11. Oktober 2019, nach Rückweisung durch das Obergericht Thurgau schliesslich mit Entscheid vom 22. Dezember 2021) zur Leistung von Volljährigenunterhalt an ihre Tochter C.________ verpflichtet. Das Obergericht wies die gegen den Entscheid vom 22. Dezember 2021 gerichtete Berufung der Eltern ab (Entscheid vom 25. Mai 2022). 
 
B.  
Hiergegen gelangten die Eltern an das Bundesgericht, welches ihre Beschwerde mit Urteil 5A_706/2022 vom 21. März 2023 abwies und ihnen auch die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- auferlegte. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 14. Juli 2023 haben A.________ und B.________ (Gesuchsteller) die Revision des Urteils 5A_706/2022 verlangt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Das Bundesgericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Das Gesuch muss einen solchen anrufen oder zumindest Tatsachen nennen, die von einem gesetzlichen Revisionsgrund erfasst sind. Ob im konkreten Fall ein Grund zur Revision vorliegt, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung. Allerdings gelten auch für die Revision die in Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG genannten Anforderungen. Die Begehren sind demnach zu begründen, d.h., es ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern einer der in Art. 121 ff. BGG genannten Revisionsgründe bzw. eine entsprechende Rechtsverletzung vorliegen soll (Urteil 5F_12/2022 vom 23. Mai 2022 E. 3). Das Revisionsgesuch ist unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gemäss Art. 124 BGG einzureichen.  
 
1.2. Die Gesuchsteller machen die Revisionsgründe nach Art. 123 Abs. 1 sowie Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG rechtzeitig (Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG) geltend. Ihr Revisionsgesuch ist grundsätzlich zulässig.  
 
2.  
 
2.1. Kernpunkt der vorliegenden Streitigkeit bildet die Frage, ob den Eltern die Leistung von Volljährigenunterhalt im Sinn von Art. 277 Abs. 2 ZGB zugemutet werden darf. Fest steht nämlich, dass die Gesuchsgegnerin im Jahr 2017 gegen ihren Vater Strafanzeige wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, sexueller Handlungen mit Kindern, sexueller Nötigung, Vergewaltigung und Inzest eingereicht hat. Im Laufe des Strafverfahrens wurde die Gesuchsgegnerin psychiatrisch begutachtet. Der Gutachter diagnostizierte eine massive Persönlichkeitsentwicklungsstörung und führte aus, es scheine sich eine sogenannte Paramnesie ("false memory syndrome") gebildet zu haben. Das Strafverfahren wurde am 14. August 2018 (rechtskräftig) eingestellt. Das Bundesgericht erwog schliesslich gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen, dass die Gesuchsgegnerin an einer Paramnesie leidet, im Rahmen derer sich die fast unumstössliche Überzeugung gebildet hat, Opfer sexueller Übergriffe geworden zu sein, und sie im Rahmen dieses Syndroms nicht in der Lage ist, zwischen Erlebtem und nicht Erlebtem zu unterscheiden. Unter diesen Umständen könne es ihr nicht subjektiv zum Vorwurf gereichen, wenn sie ein Strafverfahren gegen ihren Vater veranlasst und die erhobenen Missbrauchsvorwürfe wiederholt auf andere Weise publik gemacht hat.  
 
2.2. Die Gesuchsteller reichen mit ihrem Revisionsgesuch einen Strafbefehl vom 8. Dezember 2022 ein. Darin wird die Gesuchsgegnerin der Verleumdung gemäss Art. 174 Ziff. 1 StGB für schuldig befunden. Zusätzlich übermitteln sie dem Bundesgericht weitere mit diesem Strafverfahren in Zusammenhang stehende Unterlagen (Strafklage vom 2. Februar 2022 und Einvernahmeprotokoll vom 18. August 2022) sowie die Einstellungsverfügung vom 14. August 2018 (betreffend das Strafverfahren gegen den Vater) und einen Screenshot eines WhatsApp Status' vom 26. Mai 2021.  
 
3.  
Die Gesuchsteller rufen zunächst den Revisionsgrund gemäss Art. 123 Abs. 1 BGG an. Es liege ein Vergehen zum Nachteil der Gesuchsteller vor. 
 
3.1. Nach Art. 123 Abs. 1 BGG kann die Revision verlangt werden, wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder Vergehen zum Nachteil der Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde. Dies setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der begangenen Straftat und dem Dispositiv des bundesgerichtlichen Urteils, um dessen Revision ersucht wird, voraus. Die Straftat muss mit anderen Worten zum Nachteil des Gesuchstellers effektiv einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Urteil gehabt haben (Urteil 5F_22/2014 vom 12. Januar 2015 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
3.2. Diese Voraussetzung ist vorliegend offensichtlich nicht erfüllt, denn es ist nicht ersichtlich und wird von den Gesuchstellern auch nicht weiter dargetan, inwiefern die Straftat der Verleumdung das bundesgerichtliche Urteil beeinflusst haben soll. Das Bundesgericht hat das Verhalten, das schliesslich zum Strafbefehl geführt hat, in seine Erwägungen vielmehr einbezogen, ist aber zum Schluss gekommen, dass dieses Verhalten der Gesuchsgegnerin subjektiv nicht zum Vorwurf gereicht. Ob die Gesuchsteller sich auf neue Beweismittel berufen können, die diesen Schluss allenfalls ins Wanken zu bringen vermögen, ist eine Frage von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG.  
 
4.  
Auf den Revisionsgrund gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG berufen sich die Gesuchsteller denn auch. 
 
4.1. Sie bringen vor, es liege eine erhebliche neue Tatsache vor, von der sie erst nachträglich erfahren hätten (gemeint ist der Strafbefehl vom 8. Dezember 2022, also ein Beweismittel und keine Tatsache). Damit läge genau der vom Bundesgericht beschriebene Ausnahmefall vor, denn die Gesuchsgegnerin habe ihren Vater wider besseres Wissen eines unehrenhaften Verhaltens, das geeignet gewesen sei, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt.  
 
4.2. Der Strafbefehl vom 8. Dezember 2022 lag im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils bereits vor. Er datiert nach Erlass des beim Bundesgericht angefochtenen Entscheids. Im Verfahren, dessen Revision die Gesuchsteller beantragen, wäre der streitgegenständliche Strafbefehl als echtes Novum von vornherein unbeachtlich gewesen (BGE 143 V 19 E. 1.2; 139 III 120 E. 3.1.2). Nun ist der Revisionsweg aber nicht eröffnet, um sich auf Beweismittel zu berufen, die im Beschwerdeverfahren unzulässig wären oder gewesen sind. Art. 99 Abs. 1 BGG kann nicht durch ein später gestelltes Revisionsgesuch umgangen werden (Urteile 2F_15/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.7; 4F_6/2019 vom 18. März 2020 E. 2.1; 2F_3/2019 vom 23. Juli 2019 E. 2.2).  
 
4.3. Selbst wenn der Strafbefehl vom 8. Dezember 2022 als neues Beweismittel im Sinn von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG qualifizieren würde, wäre dem Revisionsgesuch kein Erfolg beschieden:  
 
4.3.1. Der Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG setzt unter anderem voraus, dass das Beweismittel erheblich, d.h. geeignet ist, eine Änderung des Urteils zugunsten des Gesuchstellers zu bewirken (BGE 147 III 238 E. 4.2).  
 
4.3.2. Das Bundesgericht hat seinem Urteil die Tatsache zu Grunde gelegt, dass die Gesuchsgegnerin aufgrund einer Paramnesie der festen Überzeugung ist, Opfer sexueller Übergriffe geworden zu sein, und sie im Rahmen dieses Syndroms nicht in der Lage ist, zwischen Erlebtem und nicht Erlebtem zu unterscheiden. Dass der Strafbefehl diese tatsächlichen Grundlagen zu erschüttern vermöchte - weil aus ihm beispielsweise hervorginge, dass die Gesuchsgegnerin nicht (mehr) an einer Paramnesie leidet, die Vorwürfe aber weiterhin kolportiert -, behaupten die Gesuchsteller nicht und ist auch nicht ersichtlich. Dem Strafbefehl ist lediglich zu entnehmen, dass die Gesuchsgegnerin im Wissen um die in Rechtskraft erwachsene Einstellungsverfügung vom 14. August 2018 diverse ehrverletzende und rufschädigende Passagen in ihrer Maturaarbeit verfasst hat. Aus dem von den Gesuchstellern eingereichten Einvernahmeprotokoll der Gesuchsgegnerin geht im Übrigen deutlich hervor, dass diese noch immer der festen Überzeugung ist, Opfer sexueller Übergriffe geworden zu sein.  
 
4.3.3. Dem Strafbefehl vom 8. Dezember 2022 fehlt es demnach auch an der Erheblichkeit im Sinn von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG.  
 
4.4. Inwiefern die weiteren eingereichten Unterlagen einen Revisionsgrund begründen können sollten, erläutern die Gesuchsteller nicht und ist auch nicht ersichtlich. Damit erübrigt sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen und mit den Ausführungen der Gesuchsteller zur Frage, ab wann ihnen die Leistung von Unterhaltsbeiträgen gemäss Art. 277 Abs. 2 ZGB nicht mehr zumutbar sein soll. Eine Beurteilung der in diesem Zusammenhang beantragten Partei- und Zeugenbefragungen kann ebenfalls unterbleiben.  
 
5.  
Das Revisionsgesuch ist abzuweisen. Die Gesuchsteller haben für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG); eine Entschädigung ist mangels entschädigungspflichtigen Aufwands hingegen keine geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gesuchsteller haben die ihnen auferlegten Gerichtskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung den Gesuchstellern auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. August 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang