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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_389/2022  
 
 
Urteil vom 3. Mai 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Procap Schweiz, 
Rechtsanwältin Irja Zuber 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Juni 2022 (200 22 175 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1969 geborene A.________ meldete sich im März 2018 unter Hinweis auf einen im Februar 2018 erlittenen Hirnschlag bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern veranlasste daraufhin ein vom 23. April bis 5. Juli 2019 in der B.________ Genossenschaft, Berufliche Eingliederung und Werkstätte C.________, durchgeführtes Belastbarkeitstraining (Bericht vom 16. Juli 2019) sowie in der Folge bidisziplinäre gutachterliche Abklärungen (Expertise der Dres. med. D.________, FMH Neurologie/Verhaltensneurologie, und E.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 20. Dezember 2019). Zudem wurden Erhebungen vor Ort im Haushalt der Leistungsansprecherin vorgenommen (Bericht vom 15. Juni 2020). Mit Verfügung vom 15. Januar 2021 sprach die IV-Stelle A.________ eine Hilflosenentschädigung auf der Basis einer leichten Hilflosigkeit zu. Auf Empfehlung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) äusserten sich Dres. med. F.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, und D.________ sowie lic. phil. G.________, Fachpsychologe für Neuropsychologie FSP, in ihren Gutachten vom 28. Mai 2021 respektive 29. März 2021 in der Sache. Auf dieser Grundlage verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch mangels Gesundheitsschadens mit invalidisierender Wirkung im Rechtssinne (Vorbescheid vom 13. Oktober 2021, Verfügung vom 15. Februar 2022). 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 20. Juni 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihr rückwirkend ab 1. Februar 2019 eine Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Angelegenheit zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Prozesskosten, Verbeiständung). 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
 
2.1. Streitgegenstand bildet die Frage, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem das kantonale Gericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente - in Bestätigung der Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2022 - verneint hat.  
 
2.2. Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1) ist nach der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Rechtslage zu beurteilen, ob bis zu diesem Zeitpunkt ein Rentenanspruch entstanden ist. Trifft dies zu, so erfolgt ein allfälliger Wechsel zum neuen stufenlosen Rentensystem je nach Alter der Rentenbezügerin oder des Rentenbezügers gemäss lit. b und c der Übergangsbestimmungen des IVG zur Änderung vom 19. Juni 2020 (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; vgl. auch Rz. 9100 ff. des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Rente in der Invalidenversicherung [KSIR]). Steht hingegen ein erst nach dem 1. Januar 2022 entstandener Rentenanspruch zur Diskussion, findet darauf das seit diesem Zeitpunkt geltende Recht Anwendung. Auch nach dem neuen Recht setzt der Rentenanspruch insbesondere einen Invaliditätsgrad von mindestens 40 % voraus (vgl. Art. 28 Abs. 1 lit. c und Art. 28b IVG).  
 
2.3. Die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen rechtlichen Grundlagen wurden im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zur Invalidität und zu deren Grundlagen, vor allem bei psychischen Gesundheitsschäden (Art. 6 ff. ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 145 V 215 E. 5.1; 143 V 124 E. 2.2.2, 418 E. 7; 142 V 106 E. 4.4; 141 V 281), zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG) sowie zur Beweiskraft und Beweiswürdigung medizinischer Grundlagen (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 137 V 210 E. 1.3.4; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a und b). Darauf wird verwiesen.  
 
2.3.1. Hervorzuheben ist, dass eine allfällige Arbeitsunfähigkeit bei psychischen Leiden (BGE 143 V 409 E. 4.2.1, 418; 141 V 281) mittels eines strukturierten Beweisverfahrens zu beurteilen ist. Dessen Wesen besteht darin, das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen anhand eines Kataloges von (Standard-) Indikatoren, unterteilt in die Kategorien "funktioneller Schweregrad" (mit den Komplexen Gesundheitsschädigung [Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde, Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz, Komorbiditäten], Persönlichkeit und sozialer Kontext) und "Konsistenz" (gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen, behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck; BGE 141 V 281 E. 4.1.3), einzuschätzen, dies unter Berücksichtigung sowohl leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren als auch von Kompensationspotentialen (Ressourcen; BGE 141 V 281 E. 3.6).  
 
2.3.2. Die medizinischen Sachverständigen und die Organe der Rechtsanwendung haben sich bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens sodann an den normativen Vorgaben zu orientieren; die Gutachter im Idealfall gemäss der entsprechend formulierten Fragestellung (BGE 141 V 281 E. 5.2). Die Rechtsanwender prüfen die medizinischen Angaben frei, insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben. Es stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf eine Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen, wie sie vom medizinisch-psychiatrischen Experten abschliessend eingeschätzt worden ist. Eine davon losgelöste Parallelüberprüfung "nach besserem juristischen Wissen und Gewissen" darf nicht stattfinden (BGE 145 V 361 E. 3.2.2 mit Hinweisen).  
 
2.4. Im Hinblick auf die Beurteilung, ob ein psychisches Leiden invalidisierend wirkt, zählen als Tatsachenfeststellungen alle Feststellungen der Vorinstanz, die auf der Würdigung von ärztlichen Angaben und Schlussfolgerungen betreffend Diagnose und Folgenabschätzung beruhen. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf eine Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (vgl. BGE 141 V 281 E. 7; Urteil 9C_439/2021 vom 13. April 2022 E. 4.2.3).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat in Bestätigung des in der Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2022 Festgehaltenen erwogen, gestützt auf die hinsichtlich der erhobenen Befunde und Diagnosen als beweistauglich einzustufenden gutachterlichen Ausführungen des Dr. med. D.________ vom 20. Dezember 2019, des lic. phil. G.________ vom 29. März 2021 und der Dres. med. F.________ und D.________ vom 28. Mai 2021 sei als einzige Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eine Neurasthenie (ICD-10 F.48.0) erstellt. Anderweitige Einschränkungen neurologischer und/oder neuropsychologischer Art, die das Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin tangierten, bestünden nicht. Eine Beurteilung anhand der gemäss BGE 141 V 281 beizuziehenden Standardindikatoren ergebe indessen, so das Gericht im Weiteren, dass die von den Gutachtern sowohl in der bisherigen als auch in einer angepassten Tätigkeit bescheinigte Arbeitsunfähigkeit von 80 % aus juristischer Sicht keinen Bestand habe; es lägen triftige Gründe vor, die rechtlich ein Abweichen rechtfertigten. So seien die funktionellen Auswirkungen der psychiatrisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchslage, trotz einer gewissen Ressourcenhemmung durch die Persönlichkeit sowie eines allfälligen eingliederungsanamnestischen Leidensdrucks, nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Mithin liege kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor.  
 
3.2. Dem hält die Beschwerdeführerin im Wesentlichen entgegen, das kantonale Gericht habe sich dadurch, dass es von der gutachterlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abgewichen sei, bundesrechtswidrig verhalten.  
 
4.  
 
4.1. In der Beschwerde wird zunächst eine Verletzung der in Art. 43 Abs. 1 ATSG verankerten Abklärungspflicht der Beschwerdegegnerin gerügt. So habe diese es unterlassen, die von ihr veranlassten Expertisen des lic. phil. G.________ vom 29. März 2021 sowie der Dres. med. F.________ und D.________ vom 28. Mai 2021 namentlich mit Blick auf die darin auf 80 % veranschlagte Arbeitsunfähigkeit dem RAD zur Stellungnahme unter versicherungsmedizinischer Optik vorzulegen.  
Im angefochtenen Urteil wurde hierzu angemerkt, es handle sich bei den entsprechenden, im Kreisschreiben des BSV über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) enthaltenen Vorgaben um blosse Ordnungsvorschriften, aus deren Nichtbefolgung die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten könne. 
 
5.  
 
5.1. aArt. 69 Abs. 4 IVV (in Kraft stehend vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2011; AS 2003 3859 und 2011 5679) sah vor, dass die IV-Stellen zur Prüfung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen die notwendigen Akten dem zuständigen RAD unterbreiten (Satz 1). Nach Rz. 2038 und Anhang V des KSVI in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung war namentlich im Revisionsverfahren nach Art. 17 Abs. 1 ATSG das (gesamte medizinische) Dossier obligatorisch dem RAD vorzulegen. Anhang V wurde auf Grund der praktischen Erfahrungen und im Hinblick auf eine möglichst effiziente Nutzung der Ressourcen der RAD auf Ende Dezember 2007 aufgehoben. Seither lag es im Ermessen und in der Verantwortung der IV-Stellen, welche Dossiers sie zur Prüfung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen dem RAD unterbreiten wollte. Um diesbezügliche rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden, wurde auch aArt. 69 Abs. 4 IVV auf Ende 2011 aufgehoben (IV-Rundschreiben Nr. 296 vom 5. Januar 2011; vgl. Urteil 9C_858/2014 vom 3. September 2015 E. 3.3.1).  
 
5.2.  
 
5.2.1. Gemäss aArt. 59 Abs. 2 und 2bis IVG (in den vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2021 geltenden Fassungen) richten die IV-Stellen interdisziplinär zusammengesetzte RAD ein, wobei der Bundesrat die Regionen nach Anhörung der Kantone festlegt. Die RAD stehen den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung. Sie setzen die für die Invalidenversicherung nach Art. 6 ATSG massgebende funktionelle Leistungsfähigkeit der Versicherten fest, eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder Tätigkeit im Aufgabenbereich auszuüben. Sie sind in ihrem medizinischen Sachentscheid im Einzelfall unabhängig. Nach Art. 49 Abs. 1 IVV in Verbindung mit Art. 64a Abs. 1 lit. c IVG (beide Bestimmungen in der seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung) beurteilen die RAD die medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs. Die geeigneten Prüfmethoden können sie im Rahmen ihrer medizinischen Fachkompetenz und der allgemeinen fachlichen Weisungen des BSV frei wählen. Ziff. 1057 des Kreisschreibens des BSV über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH; in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung) präzisiert, dass für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen aus medizinischer Sicht anhand des Arztberichts und weiterer ärztlicher Dokumente die IV-Stelle zuständig ist. Dafür stehen ihr Ärztinnen oder Ärzte verschiedener Fachdisziplinen aus dem RAD zur Verfügung. Der RAD empfiehlt bei Bedarf das Einholen von weiteren medizinischen Unterlagen und entscheidet darüber, ob sich die versicherte Person einer ärztlichen Untersuchung im RAD zu unterziehen hat. Können die Anspruchsvoraussetzungen aus medizinischer Sicht durch diese Massnahmen nicht genügend abgeklärt werden, so empfiehlt der RAD der IV-Stelle eine erweiterte medizinische Abklärung in einer bestimmten oder in mehreren Fachdisziplinen und bezeichnet die dafür geeignete Stelle.  
 
5.2.2. Seit der auf 1. Januar 2022 in Kraft getretenen WEIV stellt sich die Rechtslage in Bezug auf den RAD gemäss dem neu eingefügten Art. 54a IVG wie folgt dar: Die IV-Stellen richten interdisziplinär zusammengesetzte RAD ein. Der Bundesrat legt die Regionen nach Anhörung der Kantone fest (Abs. 1). Die RAD stehen den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung (Abs. 2). Sie legen die für die Invalidenversicherung nach Art. 6 ATSG massgebende funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Person für die Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder einer Tätigkeit im Aufgabenbereich fest (Abs. 3). Sie sind in ihrem medizinischen Sachentscheid im Einzelfall unabhängig (Abs. 4). Bei der Festsetzung der funktionellen Leistungsfähigkeit (Art. 54a Abs. 3 IVG) ist die medizinisch attestierte Arbeitsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit und für angepasste Tätigkeiten unter Berücksichtigung sämtlicher physischen, psychischen und geistigen Ressourcen und Einschränkungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu beurteilen und zu begründen (Art. 49 Abs. 1bis IVV [ebenfalls per 1. Januar 2022 neu eingefügter Absatz]).  
Das KSVI wurde per 1. Januar 2022 unter dem Titel "6.4.7 Verfahren nach Erhalt des Gutachtens" folgendermassen angepasst: Laut Ziff. 3134 hat die IV-Stelle innert zwanzig Tagen nach Eingang des Gutachtens unter Einbezug des RAD die versicherungsmedizinische Qualitätssicherung der eingegangenen Gutachten durchzuführen (polydisziplinäre und psychiatrische Gutachten stets vom RAD). Dies beinhaltet insbesondere folgende Punkte: Überprüfung der Einhaltung der spezifischen Leitlinien zur versicherungsmedizinischen Begutachtung der Fachgesellschaften; Überprüfung, ob die medizinischen Angaben und Ausführungen zu den Themen der Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 fallbezogen ausreichend sind; Bewertung der Nachvollziehbarkeit des Gutachtens anhand der versicherungsmedizinischen Argumentationskette (Fragestellung, Informationsbeschaffung, Informationsbewertung, Beantwortung der Fragestellung); Überprüfung, ob relevante Verstösse gegen das Neutralitätsgebot im Gutachten vorliegen (z.B. offensichtlich herabsetzende oder beleidigende Formulierungen gegenüber Personen oder Personengruppen). Deutliche Brüche in der Argumentationskette erfordern - so Ziff. 3135 - Erläuterungs- oder Ergänzungsfragen bei den Sachverständigen oder der Gutachterstelle. Der RAD hält sodann nach Ziff. 3136 in einer kurzen Stellungnahme das Ergebnis seiner versicherungsmedizinischen Prüfung fest. Er erklärt bzw. ergänzt kleinere Lücken in der Argumentationsfolge mit seinem versicherungsmedizinischen Wissen. Sind die Schlussfolgerungen der Begutachtung nicht klar oder plausibel genug, erläutert der RAD die Gründe hierfür in einer Notiz, die dem Antrag auf Erklärung oder Ergänzung beizufügen ist (Ziff. 3137). 
 
5.2.3. Der Funktion der RAD wurde mit Art. 54a IVG nunmehr eine eigene Gesetzesbestimmung gewidmet, um "ihrer Bedeutung gerecht zu werden"; die Abs. 1-4 von Art. 54a IVG nehmen die bis 31. Dezember 2021 in Kraft stehenden Abs. 2 und 2bis von Art. 59 IVG auf, ohne dass damit materielle Änderungen bezweckt wurden (vgl. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [Weiterentwicklung der IV] vom 15. Februar 2017, BBl 2017 2535 ff., insb. 2670 am Ende, zu Art. 54a IVG); ferner auch Ulrich Meyer/Marco Reichmuth, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 4. Aufl. 2022, Rz. 1 zu Art. 54a IVG).  
 
5.3.  
 
5.3.1. Sinn und Zweck der Regelung gemäss aArt. 59 Abs. 2bis IVG und Art. 49 Abs. 1 IVV war und ist es nach dem Dargelegten auch nach Massgabe des neu eingefügten Art. 54a IVG weiterhin, dass die IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen auf eigene Ärzte und Ärztinnen zurückgreifen können. Diese sollen auf Grund ihrer speziellen versicherungsmedizinischen Kenntnisse für die Bestimmung der für die Invalidenversicherung massgebenden funktionellen Leistungsfähigkeit der versicherten Personen verantwortlich sein. Ziel ist es, eine konsequente Trennung der Zuständigkeiten zwischen behandelnden Ärzten (Heilbehandlung) und Sozialversicherung (Bestimmung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens) zu schaffen. Die RAD bezeichnen die zumutbaren Tätigkeiten und die unzumutbaren Funktionen unter Angabe einer allfälligen medizinisch begründeten zeitlichen Schonung. Damit soll im Hinblick auf eine erfolgreiche Eingliederung eine objektivere Festlegung der massgebenden funktionellen Leistungsfähigkeit der versicherten Personen ermöglicht werden. Gestützt auf die Angaben des RAD hat die IV-Stelle zu beurteilen, was einer versicherten Person aus objektiver Sicht noch zumutbar ist und was nicht (so Urteil 9C_858/2014 vom 3. September 2015 E. 3.3.2 mit weiteren Hinweisen [zu aArt. 59 Abs. 2bis IVG], zusammengefasst wiedergegeben in: SZS 2015 S. 562).  
 
5.3.2. Vor diesem Hintergrund ist das Bundesgericht im erwähnten Urteil 9C_858/2014 (E. 3.3.3) zum Schluss gelangt, dass dem RAD unstrittig grosse Bedeutung zukomme für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen aus medizinischer Sicht. Der abschliessende Entscheid darüber liege indessen bei der IV-Stelle, wie sich bereits aus Satz 1 von aArt. 59 Abs. 2bis IVG ergebe. Danach stünden die RAD den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung (missverständlich aRz. 1057 KSIH [in der bis Ende 2016 gültig gewesenen Fassung], welche den RAD für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen aus medizinischer Sicht für zuständig erkläre). Dessen Berichte und Stellungnahmen seien denn auch Teil der medizinischen Sachverhaltsabklärung und müssten von der IV-Stelle und im Streitfalle vom kantonalen Versicherungsgericht und allenfalls vom Bundesgericht gewürdigt werden. Zu den Aufgaben der RAD gehöre insbesondere, aus medizinischer Sicht - gewissermassen als Hilfestellung für die medizinischen Laien in der Verwaltung und auch an den Gerichten, die im Streitfall über den Leistungsanspruch zu entscheiden hätten - den medizinischen Sachverhalt zusammenzufassen und zu würdigen sowie sich zur Notwendigkeit zusätzlicher Abklärungen zu äussern (Urteil I 143/07 vom 14. September 2007 E. 3.3). Was den damit angesprochenen medizinischen Sachverstand (etwa für die Beurteilung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit im Rahmen der Invaliditätsbemessung [Art. 16 ATSG und Art. 28 ff. IVG]) angehe, könne sich die IV-Stelle indessen auch auf die Berichte der behandelnden Ärztinnen und Ärzte (Art. 28 Abs. 3 ATSG) oder auf Gutachten Sachverständiger stützen (Art. 59 Abs. 3 IVG; BGE 136 V 376 E. 4.1.1). Das werde sie auch tun, etwa bei ausgeprägt interdisziplinärem Charakter der Fragestellung oder wenn zwischen der Beurteilung des RAD und dem allgemeinen Tenor im medizinischen Dossier eine Differenz bestehe, die nicht offensichtlich auf unterschiedlichen versicherungsmedizinischen Prämissen beruhe (BGE 137 V 210 E. 1.2.1). Nach dem Gesagten - so das Bundesgericht abschliessend - möge es zwar wünschenswert erscheinen, dass fachärztliche Berichte, deren Relevanz nicht von vornherein verneint werden könne, was vorliegend auf das beigebrachte versicherungspsychiatrische Parteigutachten zutreffe, dem RAD zur Stellungnahme vorgelegt würden; ein unbedingter gesetzlicher Anspruch darauf bestehe indessen nicht.  
 
6.  
 
6.1. Die Mitarbeitenden der B.________ Genossenschaft, in welcher die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 23. April bis 5. Juli 2019 ein Belastbarkeitstraining absolviert hatte, waren zum Schluss gelangt, die Probandin sei bei einem Pensum von maximal 2,5 Stunden an vier Tagen pro Woche, vorzugsweise ohne Zeit- und Leistungsdruck sowie in reizarmer Umgebung, an einem angepassten Arbeitsplatz (Nischenarbeitsplatz) integrierbar. Mit der Kadenz im ersten Arbeitsmarkt und einem höheren Pensum sei sie derzeit überfordert (Bericht vom 16. Juli 2019). Die im weiteren Verlauf von der Beschwerdegegnerin gutachterlich beigezogenen Dres. med. D.________ und E.________ stellten im Rahmen ihrer Expertise vom 20. Dezember 2019 ihrerseits konsensual fest, auf Grund der erhobenen Befunde und des gesundheitlichen Verlaufs sowie unter Berücksichtigung der Ressourcen- und Funktionsfähigkeitsdefizite der Explorandin müsse von einer 80 %igen Arbeits- und Leistungsunfähigkeit sowohl im angestammten als auch im zuletzt ausgeübten Beruf ausgegangen werden. Als kaufmännische Angestellte vermöge sie noch während zwei Stunden täglich vier Mal pro Woche eine 100 %ige Leistung zu erbringen. Die Beeinträchtigung allein bezogen auf die häuslichen Verrichtungen wurden anlässlich des Abklärungsberichts Haushalt/Erwerb vom 15. Juni 2020 auf 25.5 % veranschlagt. In der Folge gewährte die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 15. Januar 2021 eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit leichten Grades (lebenspraktische Begleitung zu Hause). Auf Empfehlung des RAD vom 4. November 2020 hin erfolgte eine erneute Begutachtung der Beschwerdeführerin durch die Dres. med. D.________ und F.________ (Gutachten vom 28. Mai 2021) sowie lic. phil. G.________ (Gutachten vom 29. März 2021) mit der abschliessenden Einschätzung, dass die Explorandin seit dem im Februar 2018 erlittenen Hirninfarkt in keiner Weise mehr belastbar, verlangsamt und schnell erschöpfbar sei und Pausen einlegen müsse. Sie könne einfache Routinetätigkeiten in einem klar begrenzten Zeitraum und unter Vorgabe erledigen, wenn sie keine Verantwortung übernehmen müsse und nicht unter Zeitdruck stehe. Es sei deshalb seit Februar 2018 eine 80 %ige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit für eine kaufmännische Tätigkeit und jede andere Art von Beschäftigung als erstellt anzusehen. Die allein bezogen auf die Haushaltsarbeit ermittelte Beeinträchtigung von 25.5 % könne nachvollzogen werden.  
 
6.2. Angesichts der namentlich mit Blick auf die verbliebene Arbeits (un) fähigkeit derart stimmig und in sich widerspruchsfrei dokumentierten gesundheitlichen Situation stellt sich die von Seiten der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die Beschwerdegegnerin nicht gehalten gewesen wäre, bevor sie anhand der Prüfung der rechtserheblichen Indikatoren einen invalidisierenden Gesundheitsschaden verneinte, die Sache im Rahmen ihrer Untersuchungspflicht dem RAD zur spezifisch versicherungsmedizinischen Stellungnahme vorzulegen.  
 
6.2.1. Dies ist zu bejahen. Auch wenn, wie vorstehend aufgezeigt, im Falle eines Parteigutachtens kein zwingender gesetzlicher Anspruch der versicherten Person darauf besteht, dass dieses dem RAD vorgelegt wird, erfordert die hier gegebene Sachlage - sämtliche beteiligten medizinischen und anderweitig beigezogenen Fachstellen, insbesondere auch die von der IV-Stelle selber beauftragten Gutachter, gelangen zur gleichen Einschätzung - eine andere Vorgehensweise. Gerade diesfalls erweist es sich als unabdingbar, sofern der Beurteilung der Sachverständigen nicht gefolgt werden soll, die entsprechenden Erhebungen dem RAD zur Überprüfung auf ihre versicherungsmedizinische Relevanz hin zu unterbreiten. Nicht anders sind denn die sachbezüglichen rechtlichen Grundlagen, wiedergegeben in E. 5.2 f. hiervor, und dabei namentlich die Ziff. 3134 ff. KSVI zu interpretieren. Vielmehr ist es in Konstellationen wie der vorliegenden Kernaufgabe des RAD, sich zur Plausibilität der gutachterlichen Folgenabschätzung nach Massgabe der Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 zu äussern und gegenüber der Verwaltung die Gründe bei Verneinung zu benennen. Die besagten Normen würden ihres Sinngehalts entleert, wenn bei Verhältnissen, wie sie sich in casu präsentieren, auf den durch den RAD zu gewährleistenden - als unerlässliche Hilfestellung zuhanden der Verwaltung zu wertenden - versicherungsmedizinischen Filter verzichtet würde. Auch wenn die Indikatorenprüfung letztlich vom Rechtsanwender vorzunehmen ist (vgl. E. 2.3.2 hiervor), bedarf es im Zweifelsfall hierfür vorgängig einer sorgfältigen Sichtung und Würdigung des vorhandenen Beweismaterials durch den RAD. Zusätzlich unterstrichen wird dieser Ansatz durch die Stossrichtung der WEIV, wonach jegliche auf die Invalidität zurückzuführenden quantitativen und qualitativen Einschränkungen bei der Ausübung einer Erwerbstätigkeit konsequent anlässlich der Festlegung der verbleibenden funktionellen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden sollen. Die dabei durch die IV-Stellen beigezogenen RAD haben eine umfassende Einschätzung der verbleibenden funktionellen Leistungsfähigkeit abzugeben, unter Berücksichtigung aller beeinflussenden medizinisch bedingten Faktoren (vgl. das im Rahmen der WEIV durch das BSV erstellte Hintergrunddokument "Rentensystem und Invaliditätsgradbemessung" vom 3. November 2021, S. 3 unten, abrufbar unter https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/reformen-revisionen/weiterentwicklung-iv.html).  
Von einer blossen Ordnungsvorschrift, deren Nichtbefolgung keinerlei rechtliche Konsequenzen nach sich zieht, wie von der Vorinstanz angeführt, ist somit - jedenfalls in Fällen wie dem hier zu beurteilenden - nicht auszugehen. 
 
6.2.2. Indem die Beschwerdegegnerin es unterlassen hat, die um die Expertisen des lic. phil. G.________ vom 29. März 2021 sowie der Dres. med. F.________ und D.________ vom 28. Mai 2021 ergänzten Akten erneut dem RAD vorzulegen, wurde demnach das in Art. 43 Abs. 1 ATSG verankerte Untersuchungsprinzip verletzt. Auf die Verfügung vom 15. Februar 2022 kann daher ebenso wenig abgestellt werden wie auf das diese nicht im Sinne eines unvollständig erhobenen Sachverhalts korrigierende angefochtene kantonale Urteil. Beide Rechtsakte sind aufzuheben und die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit sie lege artis im Sinne der Erwägungen verfahre.  
 
7.  
Die Rückweisung der Sache mit noch offenem Ausgang gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten und den Anspruch auf Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie überhaupt beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird (vgl. BGE 137 V 210 E. 7.1). Entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG), die der Beschwerdeführerin respektive deren Rechtsvertreterin überdies eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten hat (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Juni 2022 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 15. Februar 2022 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle Bern zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin, Rechtsanwältin Irja Zuber, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. Mai 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl