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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_326/2022  
 
 
Urteil vom 16. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Bleichemattstrasse 7, 5001 Aarau 1 Fächer, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Verweigerung der Teilnahmerechte, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 12. Mai 2022 (SBK.2022.29 / va). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Kantonale Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen Misswirtschaft, Geldwäscherei und ungetreuer Geschäftsbesorgung. Mit Verfügung vom 11. Januar 2022 schränkte sie die Teilnahmerechte von A.________ und seinem Verteidiger "gestützt auf Art. 101 Abs. 1 StPO für die Einvernahmen der Zeuginnen" ein. 
 
B.  
Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 12. Mai 2022 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, der Entscheid vom 12. Mai 2022 sei aufzuheben und die Verfügung vom 11. Januar 2022 für bundesrechtswidrig zu erklären. Weiter sei festzustellen, dass er und seine Verteidigung über "uneingeschränkte Teilnahmerechte an Beweiserhebungen der Staatsanwaltschaft (Art. 147 StPO) verfügten resp. verfügen". 
Das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 14. Juli 2022 abgewiesen. 
Die Vorinstanz hat sich zur Sache nicht vernehmen lassen. Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten und eventualiter sie abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 12. September 2022 repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 239 E. 2; 143 IV 357 E. 1 mit Hinweisen). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift darzulegen, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer strafrechtlichen Angelegenheit, gegen den die Beschwerde in Straf-sachen grundsätzlich offensteht (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG).  
 
1.3. Feststellungsbegehren sind gegenüber Leistungsbegehren subsidiär und bedürfen eines ausgewiesenen Feststellungsinteresses (vgl. BGE 141 II 113 E. 1.7 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer formuliert seine Anträge zwar als Feststellungsbegehren; aus der Begründung seiner Beschwerdeschrift geht aber hervor, dass die uneingeschränkte Teilnahme an Beweiserhebungen der Staatsanwaltschaft beantragt wird (vgl. BGE 123 IV 125 E. 1; Urteile 1B_562/2021 vom 16. November 2021 E. 1; 1B_340/2020 vom 11. Dezember 2020 E. 1.2, wonach Rechtsbegehren nach Treu und Glauben und insbesondere im Licht der dazu gegebenen Begründung auszulegen sind).  
 
1.4. Sofern der Beschwerdeführer mit den Ausführungen in seiner Replik vom 12. September 2022 eine Verletzung seines Akteneinsichtsrechts rügen möchte, kann darauf nicht eingegangen werden. Die Einreichung einer Replik kann nämlich nur dazu dienen, sich zu den von der Gegenpartei eingereichten Stellungnahmen zu äussern. Ausgeschlossen sind in diesem Rahmen dagegen Anträge und Rügen, die der Beschwerdeführer bereits vor Ablauf der Beschwerdefrist hätte erheben können (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.3; BGE 135 I 19 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
1.5.  
 
1.5.1. Der angefochtene Beschluss schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Demnach ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
1.5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid habe zur Folge, dass er von zentralen Beweiserhebungen der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen bleibe. Bei der Verweigerung des Teilnahmerechts der beschuldigten Person an Einvernahmen von Zeugen und Auskunftspersonen sei ein nicht wieder gutzumachender Nachteil zu bejahen, da ein empfindlicher Beweisverlust drohe, wenn sich erst mit dem Endentscheid herausstelle, dass die Verweigerung des Teilnahmerechts unzulässig gewesen sei. Der Beschwerdeführer beruft sich dabei auf BGE 139 IV 25 E. 1.  
 
1.5.3. Im vom Beschwerdeführer angeführten, amtlich publizierten Urteil ging es - anders als im vorliegenden Fall - um den der Staatsanwaltschaft drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Vorliegend ist jedoch zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer als beschuldigter Person ein solcher Nachteil durch die Nichtgewährung von Teilnahmerechten droht, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu verneinen ist: Der Beschwerdeführer kann nämlich auch noch mit Beschwerde gegen den Endentscheid geltend machen, dass die ohne seine Teilnahme durchgeführten Beweiserhebungen nicht gegen ihn verwendet werden dürfen (vgl. Art. 147 Abs. 4 StPO). Ein durch die Nichtgewährung seiner Teilnahmerechte entstandener Nachteil könnte somit in einem späteren Entscheid behoben werden (vgl. Urteil 1B_117/2020 vom 20. April 2020 E. 2.2 mit Hinweisen; ferner Urteil 1B_46/2017 vom 22. August 2017 E. 1.2, wo das Bundesgericht die Frage offenliess). Dem Beschwerdeführer droht damit kein nicht wieder gutzumachender Nachteil.  
 
2.  
Nach dem Vorangegangenen kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er beantragt indessen die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht. Deren Gewährung setzt jedoch insbesondere voraus, dass der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer behauptet zwar seine Mittellosigkeit, unterlässt es jedoch, diese auch nur ansatzweise zu belegen; der pauschale Verweis auf die Gewährung der amtlichen Verteidigung im kantonalen Verfahren reicht hierzu nicht aus. Nachdem sich auch dem angefochtenen Entscheid keinerlei Sachverhaltsfeststellungen zur behaupteten Mittellosigkeit des Beschwerdeführers entnehmen lassen, ist das Gesuch mangels Nachweises der Mittellosigkeit abzuweisen (vgl. Urteil 1B_81/2023 vom 27. Februar 2023 E. 6 mit Hinweis). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern