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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_619/2022  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Andrea Danuser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Neuanmeldung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. August 2022 (IV.2022.00002). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1968 geborene, zuletzt als selbstständiger Maler tätig gewesene A.________ meldete sich am 12. Dezember 2005 wegen einer Depression zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich verlangte von A.________ unter Hinweis auf seine Schadenminderungspflicht eine Behandlungsoptimierung der depressiven Störung und sprach ihm mit Verfügung vom 18. Dezember 2006 bei einem Invaliditätsgrad von 55 % mit Wirkung ab 1. November 2005 eine halbe Rente zu.  
Am 13. Juli 2007 ersuchte A.________ um Revision der Invalidenrente, da sich sein Gesundheitszustand aufgrund eines im Februar 2007 erlittenen Unfalls verschlimmert habe. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2007 sistierte die IV-Stelle mit sofortiger Wirkung die Rentenleistungen wegen des in der Folge von der Suva erhaltenen Observationsberichts für den Zeitraum von Februar bis April 2007. 
A.________ befand sich wegen eines verübten Tötungsdelikts im März 2008 ab diesem Zeitpunkt in Haft, weshalb das invalidenversicherungsrechtliche Revisionsverfahren für einige Jahre nicht weitergeführt wurde. Im Sommer 2011 zog die IV-Stelle Akten des Eheschutzverfahrens und des Strafverfahrens bei und liess A.________ in der Strafvollzugsanstalt psychiatrisch und physikalisch-medizinisch abklären (Stellungnahmen des Psychiaters Dr. med. B.________ vom 5. Mai 2012 und der med. pract. C.________, Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 15. Oktober 2012). Mit Verfügung vom 30. April 2013 hob die IV-Stelle die Rente auf. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. 
 
A.b. Am 20. Oktober 2017 meldete sich A.________ unter Hinweis auf verschiedene seit 2004 bestehende gesundheitliche Probleme erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an und reichte nachträglich einen ärztlichen Bericht des Gefängnisarztes Dr. med. D.________ vom 21. November 2017 ein. Mit Verfügung vom 13. Februar 2018 trat die IV-Stelle auf das Leistungsgesuch nicht ein. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 30. April 2019 ab.  
 
 
A.c. Am 30. September 2021 meldete sich A.________ unter Beilage eines weiteren Berichts des Gefängnisarztes Dr. med. D.________ vom 21. September 2021 wiederum bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle trat mit Verfügung vom 17. November 2021 auf das Leistungsbegehren abermals nicht ein.  
 
B.  
Die hiergegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht mit Urteil vom 22. August 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei auf das Rentengesuch einzutreten. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
2.  
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19.6.2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1). 
 
3.  
 
3.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie bestätigte, dass die Beschwerdegegnerin nach der verfügten Aufhebung der halben Rente am 30. April 2013 zu Recht nicht auf die Neuanmeldung des Beschwerdeführers vom 30. September 2021 eingetreten ist.  
 
3.2. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 mit Hinweisen). Gelingt ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (SVR 2014 IV Nr. 33 S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71).  
Im Verfahren der Neuanmeldung nach Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV spielt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 IVG und Art. 2 ATSG) insoweit nicht, als die versicherte Person in Bezug auf das Vorliegen einer glaubhaften Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Leistungsverweigerung eine Beweisführungslast trifft (SVR 2016 IV Nr. 57 S. 188, 9C_367/2016 E. 2.3; Urteil 9C_92/2020 vom 17. März 2020 E. 3.2). 
 
3.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung im Sinne von Art. 87 Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage. Frei zu beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, welche Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteile 9C_438/2022 vom 24. November 2022 E. 2 und 8C_6/2022 vom 24. Mai 2022 E. 3.3 mit Hinweisen).  
 
4.  
Die Vorinstanz erwog, mit dem eingereichten Bericht des Dr. med. D.________ vom 21. September 2021 sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der verfügten Rentenaufhebung am 30. April 2013 nicht glaubhaft gemacht worden. Im genannten Arztbericht würden zwar hinsichtlich der festgestellten Gichtarthropathie, des Diabetes mellitus, der Hypertonie, des Glaukoms und der Zentralvenentrombose mit hochgradigem Sehverlust des linken Auges neue Diagnosen gestellt, jedoch keinerlei Befunde aufgeführt. Ebenso wenig gehe aus dem Bericht hervor, ob und gegebenenfalls welche medizinischen Untersuchungen durchgeführt worden seien. Wie med. pract. E.________, RAD-Fachärztin für orthopädische Chirurgie und Traumatologie, bereits anlässlich des mit Verfügung vom 13. Februar 2018 abgeschlossenen Neuanmeldungsverfahrens festgestellt habe, seien die Gichtarthropathie, der Diabetes mellitus, die Hypertonie und das Glaukom gut behandelbar. Der Sehverlust des linken Auges schränke möglicherweise die Sehfähigkeit für 3D-Sehen ein, bei ausreichender Sehkraft des rechten Auges sei jedoch keine wesentliche Verschlechterung im Alltag zu erwarten. Die übrigen Diagnosen hätten bereits im Zeitpunkt der Rentenaufhebung bestanden bzw. eine Depression sei verneint worden, so die Vorinstanz weiter. Inwiefern es diesbezüglich zu einer gesundheitlichen Verschlechterung gekommen sei, ergebe sich aus dem Bericht des Dr. med. D.________ nicht. Die von ihm angeführten qualitativen Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit stimmten im Wesentlichen mit den von med. pract. C.________ im Oktober 2012 genannten, bei der Renteneinstellung bekannten, Beeinträchtigungen überein. Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Maler vollständig arbeitsunfähig sei. Bereits med. pract. C.________ habe angegeben, der Beschwerdeführer könne nur noch wechselbelastend tätig sein und sei in der Gehfähigkeit eingeschränkt. Eine relevante Verschlechterung sei nach dem Gesagten mit dem Bericht des Dr. med. D.________ vom 21. September 2021 nicht glaubhaft gemacht. 
 
5.  
 
5.1. Diese Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Urteil ist für das Bundesgericht verbindlich (vgl. vorstehende E. 1 und 3.3). Der Beschwerdeführer macht denn auch keine willkürliche Beweiswürdigung durch die Vorinstanz geltend. Er zeigt nicht auf, worin eine offensichtlich unrichtige Tatsachenfeststellung liegen soll (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer bezüglich des lumbospondylogenen Schmerzsyndroms unter Hinweis auf BGE 130 V 64 E. 6.2 einwendet, Dr. med. D.________ habe eine deutliche Verschlechterung seit 2017 vermerkt, trifft es zwar grundsätzlich zu, dass bereits vor Neuanmeldung bekannte Diagnosen einem Eintreten insoweit nicht entgegen stehen, als eine fortschreitende Chronifizierung eines Leidens zu einer richtungsweisenden Minderung der Leistungsfähigkeit führen kann. Es ist hier aber weder offensichtlich unrichtig noch sonst wie bundesrechtswidrig, dass die Vorinstanz einen veränderten Gesundheitszustand als nicht glaubhaft dargelegt erachtete, fehlt es doch im eingereichten Bericht an der dafür erforderlichen veränderten Befundlage (vgl. dazu SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 4.1 und 4.2; Urteil 9C_135/2021 vom 27. April 2021 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Mit der blossen Erläuterung der eigenen Sicht der Dinge lässt sich jedenfalls keine Willkür dartun. Ebenso wenig kann daraus eine Verletzung von Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV oder des in diesem Zusammenhang zu beachtenden herabgesetzten Beweismasses (BGE 130 V 64 E. 5.2, 71 E. 2.2; SVR 2016 IV Nr. 57 S. 188, 9C_367/2016 E. 2.2 mit Hinweis) abgeleitet werden. Letzterem wurde von der Vorinstanz vollauf Rechnung getragen. Dem Beschwerdeführer ist zwar insofern zuzustimmen, als an einen Bericht des behandelnden Arztes zur Glaubhaftmachung einer Sachverhaltsveränderung nicht strenge Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil 9C_725/2019 vom 27. Januar 2020 E. 3.4). Vielmehr genügt es, dass für die geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustands wenigstens gewisse Anhaltspunkte vorhanden sind, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich der behauptete Sachverhalt nicht erstellen lassen (BGE 144 V 427 E. 3.3). Dennoch darf aber auch von einem solchen Bericht verlangt werden, dass er sich nicht in einer Wiedergabe der Vorbringen der versicherten Person erschöpft, sondern nachvollziehbar aufzeigt, aufgrund welcher Befunde die behandelnde Fachperson von einer (erheblichen) Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausgeht. Ist demgegenüber anzunehmen, der neue Bericht stelle bloss eine abweichende Würdigung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen medizinischen Sachverhaltes dar, so taugt dieser nicht dazu, eine Verschlechterung glaubhaft zu machen (vgl. Urteile 9C_552/2022 vom 20. März 2023 E. 4.2; 9C_24/2019 vom 14. Mai 2019 E. 4.2).  
 
5.2. Überhöhte Anforderungen an das Glaubhaftmachen einer erheblichen Veränderung sind hier nicht erkennbar. Entgegen der Beschwerde vermag auch die Arbeitsunfähigkeitsschätzung des Dr. med. D.________ die mangelnde Nachvollziehbarkeit seines Berichts nicht zu ersetzen. Anhaltspunkte für eine nach 2013 eingetretene anspruchsrelevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes lassen sich daraus nicht ableiten, zumal er nicht angab, weshalb dem Beschwerdeführer wechselbelastende leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sinne des von med. pract. C.________ umschriebenen Tätigkeitsprofils nunmehr überhaupt nicht mehr zumutbar sein sollen.  
 
5.3. Die von der Vorinstanz gezogene Schlussfolgerung, wonach sich durch den aufgelegten Bericht keine anspruchserhebliche gesundheitliche Veränderung glaubhaft ergebe, hält daher vor Bundesrecht stand. Damit hat es beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Juni 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla