Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_541/2022  
 
 
Urteil vom 6. Januar 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte 
Dr. Lukas Wyss und Daniel Jud, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________ Ltd, 
vertreten durch Rechtsanwälte 
Dr. Roman Baechler und Prof. Dr. Miguel Sogo, 
 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sicherstellung der Parteientschädigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 3. November 2022 (RB220019 O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die B.________ Ltd. mit Sitz in U.________ (Klägerin, Beschwerdegegnerin) erhob vor dem Bezirksgericht Zürich eine Forderungsklage gegen A.________ mit Wohnsitz in Zürich (Beklagter, Beschwerdeführer) auf Zahlung von Fr. 4 Mio. 
Nach Leistung des Kostenvorschusses durch die Klägerin setzte das Bezirksgericht dem Beklagten Frist zur schriftlichen Klageantwort an. In der Folge ersuchte der Beklagte um Verpflichtung der Klägerin zur Leistung einer Sicherheit nach gerichtlichem Ermessen, mindestens aber im Umfang von Fr. 75'000.--, zwecks Sicherstellung seiner Parteientschädigung. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 17. August 2022 wies das Bezirksgericht den Antrag auf Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung ab und setzte die Frist zur Klageantwort neu an, ohne die Klägerin anzuhören. 
Mit Urteil vom 3. November 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde des Beklagten gegen die Abweisung seines Sicherstellungsantrags ohne diesbezügliche Anhörung der Klägerin ab und wies das Verfahren zur Fortsetzung an das Bezirksgericht zurück. 
 
C.  
Dagegen erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht und beantragt, Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Obergerichts sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, dem Beschwerdeführer angemessene Sicherheit für seine Parteientschädigung zu leisten, mindestens im Umfang von Fr. 75'000.--. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz, eventualiter an die Erstinstanz zu neuem Entscheid in der Sache gemäss Antrag in der Beschwerde bzw. im Gesuch zurückzuweisen. Zudem beantragt er für den Fall des Obsiegens eine entsprechende Neuverlegung der Prozesskosten unter Aufhebung von Dispositiv-Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Urteils. Betreffend Dispositiv-Ziffer 2 (Fristansetzung zur Einreichung der Klageantwort) ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Die Beschwerdegegnerin wurde zur Vernehmlassung eingeladen. Sie teilte mit, sie sei weder von der Vorinstanz noch vom Bezirksgericht zu der in der Beschwerde gerügten Frage angehört worden und habe dazu von sich aus keine Anträge gestellt. Entsprechend verzichte sie auch im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren darauf, eine Vernehmlassung einzureichen und Anträge zu stellen. Sie gehe davon aus, dass ihr unter diesen Umständen jedenfalls keine Kosten auferlegt werden könnten. 
Das Obergericht verzichtete auf Vernehmlassung. 
Der Beschwerdeführer reichte eine weitere Eingabe zur Frage der bundesgerichtlichen Kostenregelung ein. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 8. Dezember 2022 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung gewährt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beim angefochtenen Urteil des Obergerichts, mit dem die Beschwerde gegen die Abweisung eines Sicherstellungsgesuchs abgewiesen wurde, handelt es sich um einen Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG
Gegen solche Zwischenentscheide ist die Beschwerde an das Bundesgericht nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG zulässig. Da die Variante von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG vorliegend nicht in Betracht kommt, ist die Beschwerde einzig zulässig, wenn der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Ein solcher muss rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er sich auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigen lässt. Die blosse Möglichkeit eines solchen Nachteils genügt. Dagegen reichen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht aus (BGE 147 III 159 E. 4.1; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). 
Es obliegt der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 147 III 159 E. 4.1; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). 
Der Beschwerdeführer macht einen verfahrensrechtlichen Anspruch geltend, indem er sich auf seinen Sicherstellungsanspruch beruft. Dieser Anspruch bzw. dessen Nichtgewährung kann sich unmittelbar auf den weiteren Verlauf des Hauptverfahrens vor Bezirksgericht auswirken. Der Nachteil ist deshalb rechtlicher Natur und kann mit einem günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden, da die Parteikosten zu jenem Zeitpunkt bereits angefallen wären, jedoch trotz zugesprochener Parteientschädigung allenfalls ungedeckt blieben. Die Rechtsprechung anerkennt denn auch in solchen Fällen regelmässig das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (Urteile 4A_505/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 4.2; 4A_647/2020 vom 9. September 2021 E. 1.2.1, nicht publ. in BGE 148 III 42; 4A_269/2020 vom 18. August 2020 E. 1; 4A_49/2020 vom 3. Juni 2020 E. 3.2 m.H.; 5A_126/2014 vom 10. Juli 2014 E. 1.1, nicht publ. in BGE 140 III 444). 
Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1). Bei dieser handelt es sich um eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert ist erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat. Bestimmungen des Staatsvertragsrechts bleiben vorbehalten (Art. 2 ZPO).  
Gemäss BGE 141 III 155 E. 4.3 ist im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei auszugehen, die ihr grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung gibt, unter Vorbehalt der in Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO genannten Ausnahmen oder einer abweichenden staatsvertraglichen Regelung (Art. 2 ZPO). 
 
2.2. Vorliegend beruft sich der Beschwerdeführer auf den Kautionsgrund des ausländischen Sitzes der Beschwerdegegnerin in U.________. Damit hat er grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung.  
Die Ausnahmen nach Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO fallen ausser Betracht. 
Unstreitig kommt das schweizerisch-britische Abkommen über Zivilprozessrecht vom 3. Dezember 1937 (SR 0.274.183.671; nachfolgend: "CH-GB-Staatsvertrag") zur Anwendung (siehe SR 0.274.183.191). Nach dessen Art. 3 lit. b sollen die Angehörigen eines hohen vertragschliessenden Teiles, die ausserhalb des Gebietes des andern, wo das Gerichtsverfahren durchgeführt wird, wohnhaft sind, zur Sicherheitsleistung für Prozesskosten dann nicht verpflichtet sein, wenn sie in diesem Gebiete unbewegliches oder anderes nicht ohne weiteres übertragbares Eigentum besitzen, das zur Deckung der Prozesskosten hinreicht. Der zitierte Artikel statuiert mithin eine Ausnahme von der gesetzlichen Kautionspflicht und bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Kautionspflicht entfällt. 
 
2.3. Die Vorinstanz wies das Sicherstellungsgesuch mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer sei seiner Behauptungslast nicht vollständig nachgekommen. Er hätte nicht allein den ausländischen Sitz der Klägerin dartun, sondern auch die "kumulative Voraussetzung der fehlenden Vermögenswerte der Klägerin in der Schweiz gemäss dem CH-GB Abkommen" behaupten müssen, wobei dann aber die Klägerin deren Vorhandensein hätte beweisen müssen. Entsprechende Behauptungen habe der Beschwerdeführer vor erster Instanz nicht erhoben und solche seien im Beschwerdeverfahren verspätet. Die Erstinstanz habe daher die Klägerin nicht anhören müssen und den Sicherstellungsantrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.  
Der Beschwerdeführer beanstandet dies zu Recht als Bundesrecht verletzend. 
 
3.  
 
3.1. Die Behauptungslast entspricht der Beweislast (BGE 132 III 186 E. 4; Urteile 5A_471/2020 vom 28. Januar 2021 E. 4.2.2; 4A_625/2015 vom 29. Juni 2016 E. 5.1, nicht publ. in BGE 142 III 581; 5A_304/2015 vom 23. November 2015 E. 10.3). Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Gegenpartei die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die zur Aufhebung oder zum Verlust des Anspruchs führen (BGE 148 III 105 E. 3.3.1; 139 III 7 E. 2.2). Folglich sind rechtshindernde oder rechtsaufhebende Tatsachen von derjenigen Partei zu behaupten und zu beweisen, die sich darauf beruft (BGE 132 III 186 E. 8.3 S. 206). Für Tatsachen, die eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel begründen, trägt die Partei, zu deren Gunsten sich diese rechtshindernde Tatsache auswirkt, die Beweislast und die damit verbundene Behauptungslast (BGE 132 III 186 E. 5.1).  
 
3.2. Diese Grundsätze hat die Vorinstanz verkannt, wenn sie dem Beschwerdeführer unvollständige Behauptungen vorwirft und meint, die Beschwerdegegnerin hätte nicht zum Sicherstellungsgesuch angehört werden müssen.  
Der Beschwerdeführer hatte einzig das Vorliegen des gesetzlichen Kautionsgrundes zu behaupten und zu belegen. Dieser seiner Behauptungslast ist er hinreichend nachgekommen, indem er darlegte, dass die Klägerin ihren Sitz in U.________ und damit im Ausland habe. Ein Staatsvertrag, der eine Befreiung von der Kautionspflicht vorsehen würde, sei nicht ersichtlich. Damit hat er die seinen Anspruch begründenden Tatsachen vollständig behauptet. 
Demgegenüber war es Sache der Beschwerdegegnerin, die rechtsaufhebenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, mithin dass die im CH-GB-Staatsvertrag statuierten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Kautionspflicht erfüllt seien, konkret, dass sie in der Schweiz unbewegliches oder anderes nicht ohne weiteres übertragbares Eigentum besitzt, das zur Deckung der Prozesskosten hinreicht. Hierzu wäre sie anzuhören gewesen. Entgegen der Vorinstanz musste aber nicht erst der Beschwerdeführer das Negativum des Fehlens solcher Vermögenswerte behaupten. 
 
3.3. Es ist denn auch ständige Praxis des Bundesgerichts zur Sicherstellungspflicht nach Art. 62 Abs. 2 BGG, dass der Gesuchsgegner angehört wird. Es liegt dann an ihm einzuwenden, dass zwischen der Schweiz und seinem Wohnsitzstaat ein Staatsvertrag bestehe, der seine Kautionspflicht ausschliesse bzw. dass die in diesem Staatsvertrag statuierten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Kautionspflicht erfüllt seien. Jedenfalls dann, wenn der Staatsvertrag die Angehörigen der Vertragsstaaten nicht generell und voraussetzungslos von einer Sicherstellungspflicht befreit, darf das Gericht nicht von sich aus, ohne entsprechende Vorbringen des Gesuchsgegners, von einer staatsvertraglichen Ausnahme ausgehen.  
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als begründet und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Der Beschwerdeführer hat dargelegt, dass die Beschwerdegegnerin Sitz im Ausland hat. Damit ist sie nach Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO grundsätzlich sicherstellungspflichtig. Einwendungen wurden keine vorgetragen, auch nicht im bundesgerichtlichen Verfahren, in dem die Beschwerdegegnerin zur Vernehmlassung eingeladen wurde. Die beantragte Sicherstellung der Parteientschädigung ist daher anzuordnen. Da die Vorinstanz indessen nicht über die Höhe derselben befunden hat und diesbezüglich Feststellungen fehlen, kann das Bundesgericht nicht reformatorisch entscheiden. Vielmehr ist die Sache entsprechend dem Beschwerde-Eventualantrag an die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz wird auch über die kantonale Prozesskostenregelung neu zu befinden haben. 
 
5.  
Bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das Verfahren vor Bundesgericht gilt Folgendes: 
Der Beschwerdeführer obsiegt. Ihm sind keine Kosten aufzuerlegen und er hat Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG). 
Die Beschwerdegegnerin gilt grundsätzlich als unterliegende Partei. Sie hat jedoch auf Vernehmlassung verzichtet und keine Anträge zur Beschwerde gestellt. Zwar kann sich die Gegenpartei durch Verzicht auf eine Vernehmlassung ihrer Kostenpflicht grundsätzlich nicht entziehen. Davon macht die Rechtsprechung aber insbesondere dann eine Ausnahme, wenn ein von ihr nicht mitverschuldeter Verfahrensfehler (Justizpanne) zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und sie die Gutheissung des Rechtsmittels beantragt oder keinen Antrag gestellt bzw. sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert hat (Urteile 5A_87/2022 vom 2. November 2022 E. 4.4.1 [Urteil, nicht aber diese Erwägung, zur Publikation vorgesehen]; 4A_180/2020 vom 6. Juli 2020 E. 7, nicht publ. in BGE 146 III 194; 4A_595/2019 vom 18. Februar 2020 E. 3.1 mit Hinweisen). Entsprechend ist vorliegend zu verfahren. Die Beschwerdegegnerin wurde weder vom Bezirksgericht noch vom Obergericht angehört und hat zur Beschwerde keine Anträge gestellt. Ihr sind daher keine Kosten aufzuerlegen. 
Unter diesen Umständen hat der Kanton Zürich den Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht zu entschädigen (Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG). Dagegen sind dem Kanton keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. November 2022 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Januar 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle