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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_494/2023  
 
 
Urteil vom 13. November 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Hohl, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
FC A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Schärer, Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. FC B.________, 
2. C.________ Football Association, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen den Schiedsentscheid des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) vom 6. September 2023 (CAS 2023/A/9517). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der FC A.________ (Beklagter, Beschwerdeführer) und der FC B.________ (Kläger, Beschwerdegegner 1) sind Fussballclubs mit Sitz in U.________ und Mitglieder der C.________ Football Association (Beschwerdegegnerin 2), die seinerseits der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) angehört.  
Im Jahr 2019 wechselte der Fussballspieler D.________ (nachfolgend: "Spieler") vom Kläger zum Beklagten, und zwar für einen Betrag von GH¢ 6'000.-- sowie eine Beteiligung von 10 % an den Ablösesummen bei Folgetransfers (nachfolgend: Folgetransfer-Beteiligung). Die E.________ und F.________ waren an den Verhandlungen betreffend den Wechsel dieses Spielers (ebenfalls) beteiligt. 
In der Folge bezahlte der Beklagte dem Kläger den Betrag von GH¢ 6'000.--. 
Im Jahr 2021 wechselte der Spieler zum FC G.________. 
 
A.b. Der Kläger reichte am 30. September 2022 bei der Kommission für den Status von Spielern (Players' Status Committee) der C.________ Football Association eine Klage gegen die E.________ ein. Er begründete die Klage mit der Weigerung der E.________, die Folgetransfer-Beteiligung infolge des Wechsels zum FC G.________ zu bezahlen.  
Am 4. November 2022 gab der Kläger eine zweite Klage bei der Kommission für den Status von Spielern der C.________ Football Association ein, dieses Mal gegen die E.________ und den Beklagten. Er begründete die Klage mit der Weigerung der E.________ und/oder des Beklagten, die Folgetransfer-Beteiligung infolge des Wechsels zum FC G.________ zu bezahlen. 
Am 18. November 2022 hiess die Kommission für den Status von Spielern die (zweite) Klage gut. Es verpflichtete den Beklagten und/oder F.________ gestützt auf die Abmachung über die Folgetransfer-Beteiligung, der C.________ Football Association EUR 80'000.-- und dem Kläger EUR 72'000.--, abzüglich bereits erstatteter EUR 10'000.--, zu bezahlen. 
 
A.c. Eine vom Beklagten hiergegen erhobene Beschwerde wies das Appeals Committee der C.________ Football Association mit Entscheid vom 6. Februar 2023 im Wesentlichen ab. (Einzig soweit F.________ betreffend hob es den Entscheid der Kommission für den Status von Spielern auf.)  
 
B.  
Am 20. März 2023 erklärte der Beklagte beim Tribunal Arbitral du Sport (TAS) Berufung gegen diesen Entscheid. 
Mit Schiedsentscheid vom 6. September 2023 wies der Einzelschiedsrichter des TAS die Berufung ab und bestätigte den Entscheid des Appeals Committee. 
 
C.  
Der Beklagte verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Schiedsentscheid sei aufzuheben. "Eventualiter" sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache abgefasst, bedient sich das Bundesgericht der von den Parteien verwendeten Amtssprache. Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts praxisgemäss in der Sprache der Beschwerde (BGE 142 III 521 E. 1). 
 
2.  
Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich in Lausanne. Die Parteien hatten im massgebenden Zeitpunkt ihren Sitz ausserhalb der Schweiz. Da sie die Geltung des 12. Kapitels des IPRG nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, gelangen dessen Bestimmungen zur Anwendung (siehe Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG). 
 
3.  
Der Schiedsentscheid kann nur aus einem der in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählten Gründe angefochten werden. Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 mit Hinweis). 
 
4.  
Der Beschwerdeführer wirft dem Einzelschiedsrichter vor, er habe ein Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen (Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG; Entscheid "infra petita"). 
 
4.1. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer was folgt aus:  
Er (der Beschwerdeführer) habe in seiner Berufungsschrift beantragt, es sei die "Rechtswidrigkeit seiner Verpflichtung" zur Bezahlung der Folgetransfer-Beteiligung festzustellen. Dieser Aspekt sei "äusserst wesentlich", denn wenn die Abmachung über die Folgetransfer-Beteiligung rechtswidrig sei, gebe es keinen Raum für die Gutheissung der Klage. Gleichwohl habe der Einzelschiedsrichter diesen "äusserst wichtigen Teil des Streitgegenstands nicht beurteilt". Der Einzelschiedsrichter sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine gültige Rechtsgrundlage für die Forderung bestehe. 
In der Folge legt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die "Bosman"-Praxis ausführlich die Transferregeln bei Amateur- und Berufsspielern dar und leitet daraus ab: 
 
"Es verstösst gegen das Rechtsstaatsprinzip, dass [der Beschwerdeführer] vom Schiedsgericht verpflichtet wurde[,] den Beschwerdegegnern eine Zahlung leisten zu müssen ohne eine gültige Rechtsgrundlage. Die Tatsache, dass es diesen wesentlichen Einwand des Beschwerdeführers unbeachtet und unbeurteilt liess, ist klar rechtsmissbräuchlich." 
 
4.2. Mit diesen Ausführungen rügt der Beschwerdeführer der Sache nach nicht, das Schiedsgericht habe Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen. Er macht vielmehr geltend, der Einzelschiedsrichter habe die Angelegenheit nicht unter allen Aspekten geprüft respektive eine für den Rechtsstreit erhebliche Frage nicht behandelt. Eine solche Kritik fällt indes nicht unter Art. 190 Abs. 2 lit. c IPRG (Entscheid "infra petita"; BGE 128 III 234 E. 4a; Urteile 4A_198/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 4.1; 4A_384/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 3.1 und 3.2; 4A_173/2016 vom 20. Juni 2016 E. 3.2; 4A_218/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.1 und 2.2). Sie betrifft - wenn überhaupt - den Anspruch auf rechtliches Gehör. Eine ausdrückliche Gehörsrüge ist der Beschwerde indes nicht zu entnehmen, und der Beschwerdeführer tut auch nicht (mit Aktenhinweisen) dar, dass er die vom Einzelschiedsrichter angeblich übergangenen, nun in seiner Beschwerde ans Bundesgericht in extenso geschilderten "Einwände" schon im schiedsgerichtlichen Verfahren eingebracht hätte (vgl. BGE 142 III 360 E. 4.1.3).  
Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Einzelschiedsrichter die in der Berufung formulierten Vorbringen prüfte, die darin geübte Kritik am Entscheid des Appeals Committee als unberechtigt erachtete und die Berufung entsprechend im Dispositiv abwies. Der Vorwurf, es sei ein Rechtsbegehren des Beschwerdeführers unbeurteilt geblieben, ist unbegründet (vgl. BGE 128 III 234 E. 4a). 
 
5.  
Der Beschwerdeführer moniert, der Schiedsentscheid sei mit dem Ordre public unvereinbar (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG). 
 
5.1. Der Ordre public hat sowohl einen materiellen als auch einen verfahrensrechtlichen Gehalt:  
Gegen den materiellen Ordre public verstösst die Beurteilung eines streitigen Anspruchs, wenn sie fundamentale Rechtsgrundsätze verkennt und daher mit der wesentlichen, weitgehend anerkannten Wertordnung schlechthin unvereinbar ist, die nach in der Schweiz herrschender Auffassung Grundlage jeder Rechtsordnung bilden sollte. Zu diesen Grundsätzen gehört unter anderem die Vertragstreue ( pacta sunt servanda; BGE 144 III 120 E. 5.1).  
Ein Verstoss gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public liegt vor bei einer Verletzung von fundamentalen und allgemein anerkannten Verfahrensgrundsätzen, deren Nichtbeachtung zum Rechtsempfinden in einem unerträglichen Widerspruch steht, sodass die Entscheidung als mit der in einem Rechtsstaat geltenden Rechts- und Wertordnung schlechterdings unvereinbar erscheint. Eine falsche oder gar willkürliche Anwendung von Verfahrensregeln reicht für sich allein nicht aus, um einen Verstoss gegen den formellen Ordre public zu begründen. Vielmehr kommt einzig die Missachtung einer Regel in Betracht, die zur Gewährleistung der Fairness des Verfahrens unerlässlich ist (BGE 147 III 379 E. 4.1 mit Hinweisen). 
 
5.2. Der Beschwerdeführer beklagt zunächst, der Einzelschiedsrichter habe den verfahrensrechtlichen Ordre public verletzt.  
Konkret stört sich der Beschwerdeführer daran, dass das Verfahren vor der Kommission für den Status von Spielern zunächst nur gegen die E.________ geführt und er erst danach in den Prozess "involviert" worden sei (siehe Sachverhalt Bst. A.b). Dies stelle eine "Klageänderung" dar, die "[a]nalog Art. 227 Abs. 1 ZPO" nur statthaft sei, "wenn der neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist wie der bisherige". Die Klage gegen ihn (den Beschwerdeführer) sei "jedoch nicht nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen" wie die ursprüngliche Klage gegen die E.________, was sich namentlich aus den "Regulations for the Status and Domestic Transfer of Players" der C.________ Football Association ergebe. Die Klageänderung vor der Kommission für den Status von Spielern sei demnach "unzulässig" gewesen. Die Kommission habe die "in Verbandsverfahren geltende Verhandlungs- oder Dispositionsmaxime" verletzt und die Regeln über die "Behauptungs- und Substantiierungslast des Klägers" sowie über die "richterliche Fragepflicht" missachtet. 
Der Beschwerdeführer beanstandet mithin eine unrichtige Anwendung der verbandsinternen Verfahrensregeln durch die Kommission für den Status von Spielern der C.________ Football Association. Er zeigt damit offensichtlich nicht auf, inwiefern der Einzelschiedsrichter im schiedsgerichtlichen Verfahren fundamentale und allgemein anerkannte Verfahrensgrundsätze im vorstehend dargestellten Sinn verletzt haben sollte. Die Kritik ist unbegründet, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
 
5.3. Der Beschwerdeführer erblickt im angefochtenen Schiedsentscheid ferner eine Verletzung des materiellen Ordre public, konkret des Grundsatzes der Vertragstreue.  
 
5.3.1. Der Grundsatz der Vertragstreue als Teilgehalt des materiellen Ordre public ist nach der Rechtsprechung nur dann verletzt, wenn sich das Schiedsgericht weigert, eine Vertragsklausel anzuwenden, obwohl es davon ausgeht, dass diese die Parteien bindet, oder umgekehrt aus einer Klausel eine Verpflichtung ableitet, obwohl es diese für unverbindlich hält. Das Schiedsgericht muss also eine Vertragsbestimmung angewendet beziehungsweise deren Anwendung verweigert und sich damit in Widerspruch zum Ergebnis der eigenen Auslegung hinsichtlich der Existenz oder des Inhalts des strittigen Vertrags gesetzt haben (Urteile 4A_242/2022 vom 8. September 2022 E. 5.2.1; 4A_632/2021 vom 28. April 2022 E. 5.1; 4A_380/2021 vom 22. März 2022 E. 5.1; 4A_660/2020 vom 15. Februar 2021 E. 3.2.2; 4A_453/2021 vom 2. Dezember 2021 E. 5.4.1; 4A_618/2020 vom 2. Juni 2021 E. 5.4.1; 4A_346/2020 vom 6. Januar 2021 E. 6.2.1).  
 
5.3.2. Dies übergeht der Beschwerdeführer:  
Er moniert, der Einzelschiedsrichter habe gestützt auf eine unzutreffende Beweiswürdigung geschlossen, dass eine "rechtliche Verpflichtung" zur Bezahlung der Folgetransfer-Beteiligung bestehe, und ihn (den Beschwerdeführer) aus diesem Grund zur Bezahlung dieser Beteiligung verurteilt. Indes sei zu beachten, dass der Spieler als Amateur transferiert worden sei. Da gemäss den einschlägigen Regularien (FIFA-Reglemente; "Regional Football Association Leagues Regulations" der C.________ Football Association) nur Berufsspieler gegen Entgelt transferiert werden dürften, hätte die Klage "aufgrund ungültiger Rechtsgrundlage" abgewiesen werden müssen. Indem er zu einer Zahlung verpflichtet worden sei, für die es "keine vertragliche Grundlage gebe", habe der Einzelschiedsrichter gegen den Grundsatz der Vertragstreue verstossen. 
Der Beschwerdeführer ist mit anderen Worten nicht damit einverstanden, dass er die Folgetransfer-Beteiligung zu bezahlen hat, weil - so der Beschwerdeführer - die Vereinbarung einer solchen Beteiligung gegen die erwähnten Regularien verstosse. Der Einzelschiedsrichter sah dies anders: Er bejahte eine rechtsgültige Bindung des Beschwerdeführers an die Abmachung über die Folgetransfer-Beteiligung und gestützt darauf eine Zahlungspflicht. Um den Grundsatz der Vertragstreue geht es nicht. Genau besehen thematisiert der Beschwerdeführer unter dem Vorwand einer Verletzung des materiellen Ordre public die Anwendbarkeit und Auslegung verbandsinterner Vorschriften über den Transfer von Fussballspielern. Die Vorbringen des Beschwerdeführers gehen auch in diesem Punkt ins Leere. 
 
6.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Den Beschwerdegegnern ist kein Aufwand entstanden, für den sie nach Art. 68 Abs. 2 BGG zu entschädigen wären. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS) schriftlich mitgeteilt. Mangels Erreichbarkeit (Nichtabholung der PrivaSphere-Zusendungen) werden die Exemplare für die Beschwerdegegner zu ihren Handen im Dossier einbehalten (vgl. Art. 39 Abs. 3 BGG). 
 
 
Lausanne, 13. November 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle