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Chapeau

149 I 25


3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_759/2021 vom 19. Dezember 2022

Regeste

Art. 49, 109 et 122 Cst.; § 34 Cst./BS; § 8a al. 3 let. a de la loi du canton de Bâle-Ville du 5 juin 2013 sur l'aide au logement (WRFG); contrôle abstrait des normes; droit de retour des locataires après un assainissement.
La disposition cantonale litigieuse soumet à autorisation, en période de pénurie de logements, les projets de transformation, de rénovation et d'assainissement. Cette autorisation dépend de l'octroi aux anciens locataires d'un droit de retour dans l'immeuble assaini ou transformé (consid. 4.4). Compatibilité de la norme avec la Constitution cantonale telle que garantie (consid. 4.4.2 et 4.4.3). Méthodes pour distinguer le droit privé du droit public (consid. 4.4.4). Le droit de retour, accordé de manière générale, est de nature civile et intervient directement dans la relation entre locataire et bailleur, réglée exhaustivement par le droit fédéral. Abrogation de la disposition, car elle contrevient à la primauté du droit fédéral (consid. 4.4.5).

Faits à partir de page 26

BGE 149 I 25 S. 26

A. Am 28. November 2021 haben die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Stadt die Volksinitiative "JA zum ECHTEN Wohnschutz" mit 35'249 Ja- zu 31'111 Nein-Stimmen angenommen (publ. im Kantonsblatt vom 1. Dezember 2021). Die Volksinitiative sah die Änderung von zahlreichen Paragraphen des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 5. Juni 2013 über die Wohnraumförderung (WRFG; SG 861.500) vor. Im Wesentlichen betrifft die vorliegende Beschwerde den § 8a WRFG. Dieser lautet:
"1 Sämtliche Umbau-, Renovations- und Sanierungsvorhaben, die über den einfachen ordentlichen Unterhalt hinausgehen, unterliegen in Zeiten der Wohnungsnot einer Bewilligungspflicht gemäss §§ 8d und 8e. In den Fällen von § 8c genügt eine Meldepflicht. Dies gilt für das ordentliche, vereinfachte und generelle Baubewilligungsverfahren sowie für das Meldeverfahren und Kanalisationsbegehren.
2 Keiner Bewilligung gemäss Abs. 1 bedürfen Umbau, Renovation und Sanierung, die aufgrund einer rechtskräftigen behördlichen Verfügung oder im Interesse von öffentlichen Bauten und Anlagen oder des gemeinnützigen Wohnungsbaus erforderlich sind.
3 Die Bewilligung wird erteilt, wenn in der Folge:
a) den Mietparteien das Recht zur Rückkehr in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft zusteht und
b) die gemäss §§ 8b bis 8e festgelegten Mietzinse eingehalten werden."
Die angenommenen Änderungen sollen gemäss Initiativtext sechs Monate nach Annahme der Volksinitiative, d.h. am 28. Mai 2022, in Kraft treten. Nachdem der Regierungsrat die Inkraftsetzung dieser Änderungen am 29. Juni 2021 auf den 1. Januar 2022 angesetzt hatte, kam er mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 darauf zurück.
BGE 149 I 25 S. 27
Mit Beschluss vom 26. April 2022 setzte der Regierungsrat die Inkraftsetzung der Änderungen neu auf den 28. Mai 2022 an. Mit Beschluss vom 17. Mai 2022 hat der Regierungsrat das Ergebnis der kantonalen Volksabstimmung vom 28. November 2021 validiert.

B. Mit Eingabe vom 10. Dezember 2021 erhebt A. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die beschlossene Änderung des WRFG beim Bundesgericht und gleichzeitig Beschwerde beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt gegen die neue Verordnung vom 26. April 2022 über den Schutz von Wohnraum (WRSchV; SG 861.540). Er beantragt dem Bundesgericht im Wesentlichen, es sei festzustellen, dass die Initiative bzw. die Teiländerung des WRFG verfassungswidrig ist. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt § 8a Abs. 3 lit. a WRFG auf. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)

Considérants

Aus den Erwägungen:

4. § 8a Abs. 1 WRFG legt für Zeiten der Wohnungsnot eine Bewilligungspflicht fest für Umbau-, Renovations- und Sanierungsvorhaben, die über den einfachen ordentlichen Unterhalt hinausgehen. § 8a Abs. 3 WRFG sieht vor, dass diese Bewilligung erteilt wird, wenn in der Folge a) den Mietparteien das Recht zur Rückkehr in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft zusteht und b) die gemäss § 8b bis 8e WRFG festgelegten Mietzinse eingehalten werden (siehe vorne Bst. A).

4.1 In der Sache rügt der Beschwerdeführer, die neu in das WRFG eingefügte Bestimmung - angesprochen ist § 8a Abs. 3 WRFG (s. nicht publ. E. 3) - missachte den Vorrang des Bundesrechts gemäss Art. 49 i.V.m. Art. 109 und Art. 122 BV. Er bringt vor, beim neuen § 8a Abs. 3 WRFG handle es sich um einen direkten Eingriff in das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter und damit nicht um kantonales öffentliches Recht, sondern um eine (unzulässige) Bestimmung des Privatrechts. Gemäss Art. 122 Abs. 1 BV sei die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts Sache des Bundes. Nach Art. 109 Abs. 1 BV sei der Bund zuständig für den Erlass von Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen. Die Bundesgesetzgebung im Mietrecht sei abschliessend. Der neu in das WRFG aufgenommene § 8a Abs. 3 sei als Massnahme des Mieterschutzes gegen missbräuchliche Mietzinse zu verstehen. Dieser Bereich werde
BGE 149 I 25 S. 28
indessen durch das OR abschliessend geregelt. Damit hätten diese Normen über Meldepflichten von Sanierungen und Mietpreiskontrollen keinen Raum. Insbesondere sei die Regelung von § 8a Abs. 3 lit. a WRFG, wonach Mieter nach dem Umbau, der Renovation oder Sanierung wieder zurück in ihre Wohnung dürfen, bundesrechtswidrig.
(...)

4.3 Der Beschwerdeführer kritisiert die in § 8a Abs. 3 lit. b WRFG enthaltene Regel, wonach Mietzinserhöhungen im Anschluss an bewilligungspflichtige Umbauten, Renovationen und Sanierungen im Sinne von § 8a Abs. 1 WRFG nur beschränkt zulässig sind. Seine diesbezüglichen Einwände beschränken sich jedoch auf eine Grundsatzkritik, die losgelöst von der angefochtenen Bestimmung und der zum betreffenden Bereich ergangenen Rechtsprechung vorgetragen wird. So legt er nicht dar, inwiefern diese Bestimmung angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 146 I 70 E. 5.2; s. nicht publ. E. 4.2.2 und 4.2.3) bundesrechtswidrig sein soll bzw. weshalb die bundesgerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf diese Bestimmung zu präzisieren oder zu ändern wäre. Die Begründung der Rüge, der Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts sei in dieser Hinsicht verletzt, genügt nicht den gesetzlichen Erfordernissen (vgl. nicht publ. E. 2.2) und erweist sich daher als unzulässig. Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.

4.4 Fraglich ist hingegen, ob der kantonale Gesetzgeber befugt war, die Bewilligung von Umbauten, Renovationen und Sanierungen, wie in § 8a Abs. 3 lit. a WRFG vorgesehen, von einem Rückkehrrecht der bisherigen Mietparteien abhängig zu machen.

4.4.1 Im Gegensatz zur Einführung einer kantonalen Bewilligungspflicht für Sanierungen von Mietobjekten oder zur Vorschrift, welche die Möglichkeit einer Mietzinserhöhung nach einem Umbau, einer Renovation oder einer Sanierung beschränkt, dient die Bestimmung, die eine Bewilligung einer solchen Bautätigkeit davon abhängig macht, dass den bisherigen Mietparteien das Recht zur Rückkehr in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft eingeräumt wird, nicht dem Gesetzeszweck, in Zeiten der Wohnungsnot preisgünstigen Wohnraum sicherzustellen. Der Beschwerdeführer macht vor diesem Hintergrund geltend, dass es sich dabei nicht um eine öffentlich-rechtliche Bestimmung handle, sondern um eine privatrechtliche, was dem Bundesrecht widerspreche und den Vorrang des Bundesrechts verletze (Art. 49 BV).
BGE 149 I 25 S. 29

4.4.2 In seinem Bericht über die rechtliche Zulässigkeit und zum weiteren Verfahren zur kantonalen Volksinitiative "Ja zum ECHTEN Wohnschutz" vom 13. Oktober 2020 an den Grossen Rat schrieb der Regierungsrat, dass die gesamte Initiative als eine Konkretisierung des § 34 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005 [KV/BS; SR 131.222.1] auf Gesetzesstufe zu verstehen und in dessen Kontext zu betrachten sei. § 34 KV/BS lautet:
"1Der Staat sorgt für die zweckmässige und umweltschonende Nutzung des Bodens im Rahmen einer auf die grenzüberschreitende Agglomeration abgestimmten Siedlungsentwicklung. Er wahrt und fördert die Wohnlichkeit wie auch die städtebauliche Qualität.
2Er fördert im Interesse eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes den Wohnungsbau. Er achtet dabei auf ein angemessenes Angebot vor allem an familiengerechten Wohnungen. In gleicher Weise fördert er den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren.
3In Zeiten von Wohnungsnot sorgt er, entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung, dafür, dass diese vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen wirksam geschützt wird. Dies gilt insbesondere für die älteren und langjährigen Mietparteien.
4Um bestehenden bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, ergreift er, ergänzend zum bundesrechtlichen Mieterschutz, alle notwendigen wohnpolitischen Massnahmen, die den Charakter der Quartiere, den aktuellen Wohnbestand sowie die bestehenden Wohn- und Lebensverhältnisse bewahren.
5Diese Massnahmen umfassen auch die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht verbunden mit Mietzinskontrolle bei Renovation und Umbau sowie Abbruch von bezahlbaren Mietwohnungen.
6Wohnungsnot besteht bei einem Leerwohnungsbestand von 1,5 Prozent oder weniger."
Wie der Regierungsrat im erwähnten Bericht an den Grossen Rat festgehalten hat, sorgt der Staat in Zeiten von Wohnungsnot gemäss § 34 Abs. 3 KV/BS entsprechend den überwiegenden Bedürfnissen der Wohnbevölkerung dafür, dass diese vor Verdrängung wirksam geschützt wird. Damit existiere in Zeiten der Wohnungsnot grundsätzlich ein öffentliches Interesse am Erhalt des bestehenden bezahlbaren Mietwohnraums und am Schutz der Mieterinnen und Mieter solchen Wohnraums vor Verdrängung. Es bestehe dagegen kein öffentliches Interesse daran, für jeglichen Wohnraum zu jeder Zeit Massnahmen zu treffen, wie es der Wortlaut der Initiative teilweise vorsehe. Obwohl sich aus der Einbettung des neuen § 8a in das Kapitel II. "Schutz bestehenden Wohnraums" des WRFG ergebe, dass sämtlicher Wohnraum von der Bewilligungspflicht erfasst wäre, also auch Einfamilienhäuser, sei davon auszugehen, dass die
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Initianten mit dieser Bestimmung ausschliesslich (bezahlbaren) Mietwohnraum schützen wollten. Die einzelnen, durch die Initiative neu einzuführenden Paragraphen könnten jedoch nach dem Grundsatz "in dubio pro populo" ohne weiteres verfassungskonform so ausgelegt werden, dass sie nur Anwendung finden, wenn bezahlbarer Wohnraum in Zeiten der Wohnungsnot betroffen ist. In seiner Beschwerdeantwort geht der Regierungsrat nicht weiter auf diesen Aspekt ein und nimmt auch nicht Bezug auf das in § 11 Abs. 2 lit. c KV/BS eingeräumte Recht auf Wohnen.

4.4.3 In der Botschaft vom 21. November 2018 zur Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Schwyz, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Appenzell Innerrhoden (BBl 2018 7741) hielt der Bundesrat zu § 34 KV/BS fest (BBl 2018 7750):
"Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat der Bund den privatrechtlichen Kündigungsschutz abschliessend geregelt. Der Kanton Basel-Stadt könnte damit beispielsweise nicht vorsehen, dass Mieterinnen oder Mietern, die das 64. bzw. 65. Altersjahr überschritten haben, nicht gekündigt werden kann. Demgegenüber sind aber verhältnismässige sozialpolitische Massnahmen zulässig, die indirekt vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen schützen können, wie z. B. die befristete Einführung einer Bewilligungspflicht für Abbrüche. Den Änderungen von § 34 KV-BS kann somit ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als vor Bundesrecht unzulässig erscheinen lässt (Günstigkeitsprinzip). Sie erweisen sich als bundesrechtskonform und sind damit zu gewährleisten. Die kantonalen Ausführungsbestimmungen müssen indessen mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit dem Mietrecht, vereinbar sein." (Verweisungen unterdrückt)
Die Bundesversammlung hat diese Änderung der KV/BS mit Bundesbeschluss vom 22. März 2019 gewährleistet (BBl 2019 2861).

4.4.4 Ob eine streitige Zivilsache im Sinne von Art. 1 lit. a ZPO oder eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit vorliegt, beurteilt sich nach der Rechtsnatur des Streitgegenstands. Für die Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht hat die Lehre mehrere Methoden entwickelt, insbesondere die Interessen-, die Funktions- und die Subordinationstheorie. Das Bundesgericht nimmt die Abgrenzung gestützt auf verschiedene Methoden vor, wobei keiner a priori der Vorrang zukommt (Methodenpluralismus). Vielmehr prüft es in jedem Einzelfall, welches Abgrenzungskriterium den konkreten Gegebenheiten am besten gerecht wird. Damit trägt es dem Umstand Rechnung, dass der Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht ganz unterschiedliche Funktionen zukommen, die sich
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nicht mit einem einzigen theoretischen Unterscheidungsmerkmal erfassen lassen (BGE 138 I 274 E. 1.2; BGE 138 II 134 E. 4.1). Dabei ist zu berücksichtigen, ob der umstrittene Rechtssatz ausschliesslich oder vorwiegend privaten oder öffentlichen Interessen dient (Interessentheorie), er die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder die Ausübung einer öffentlichen Tätigkeit zum Gegenstand hat (Funktionstheorie), die handelnde Organisation dem Privaten als Träger hoheitlicher Gewalt gegenübertritt (Subordinationstheorie) oder die Norm zivil- bzw. öffentlichrechtliche Wirkungen oder Folgen nach sich zieht (modale Theorie; vgl. zum Ganzen BGE 138 II 134 E. 4 mit Hinweisen).

4.4.5 Für die Frage, ob es sich beim strittigen "Rückkehrrecht" gemäss § 8a Abs. 3 lit. a WRFG um eine zivilrechtliche oder um eine öffentlich-rechtliche Bestimmung handelt, ist gemäss der Interessentheorie somit von Bedeutung, ob sie vorwiegend privaten oder öffentlichen Interessen dient. Der Regierungsrat erkennt gestützt auf § 34 Abs. 3 KV/BS grundsätzlich ein öffentliches Interesse am Schutz der Mieterinnen und Mieter von bezahlbarem Mietwohnraum in Zeiten der Wohnungsnot (vorne E. 4.4.2). § 8a Abs. 3 lit. a WRFG ist jedoch nicht auf bezahlbaren Mietwohnraum beschränkt und auch nicht auf einen Personenkreis, dessen Schutz aus anderen sozialpolitischen Überlegungen ein öffentliches Interesse zukommt. Die Bestimmung sieht auch keine räumlichen Differenzierungen vor, etwa in Bezug auf bestimmte Quartiere mit besonderen sozialpolitischen Bedürfnissen. § 8a Abs. 3 lit. a WRFG schützt bei Wohnungsnot vielmehr beinahe unterschiedslos alle von einer Sanierung oder einem Umbau betroffenen Mietparteien davor, dass sie aufgrund solcher Veränderungen des Mietobjekts ihre Wohnung aufgeben müssen und nicht mehr dahin zurückkehren können. Wie bereits der Regierungsrat aufgezeigt hat, ist ein öffentliches Interesse an einem derart undifferenzierten rechtlichen Schutz beinahe aller Mietparteien zweifelhaft. Ein so konzipiertes Rückkehrrecht dient vielmehr in erster Linie den privaten Interessen der bisherigen Mietparteien.
Selbst wenn das Rückkehrrecht im Hinblick auf seine Kompatibilität mit § 34 KV/BS - und entgegen dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik - nach Ankündigung des Regierungsrats nur bei "bezahlbaren" Mietwohnungen eingeräumt werden soll (vorne E. 4.4.2), bleibt die Konkretisierung des öffentlichen Interesses am Schutz von Mietparteien bezahlbaren Mietwohnraums während einer Wohnungsnot pauschal. Es bedarf namentlich keiner
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massnahmebedürftigen Situation, damit das Rückkehrrecht eingeräumt wird. So werden alle Mietparteien bezahlbarer Mietwohnungen dadurch geschützt, unabhängig davon, ob sie eines solchen Schutzes bedürfen oder nicht. Eine solche Privilegierung bisheriger Mietparteien gegenüber allenfalls bedürftigeren neuen Mietparteien kann sich in dieser wenig differenzierten Form nur bedingt auf ein öffentliches Interesse stützen. Im Vordergrund der Regelung steht das private Interesse am Schutz der bisherigen Mietparteien vor Kündigung. Daher liegt das "Rückkehrrecht" nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse. Die Bestimmung ist somit nach der Interessentheorie als zivilrechtlich zu qualifizieren.
Auch die übrigen Abgrenzungsmethoden führen zu keinem anderen Schluss. § 8a Abs. 3 lit. a WRFG steht nämlich nicht in einem näheren Zusammenhang mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und hat keine öffentliche Aufgabe zum Gegenstand. Die Bestimmung betrifft das Verhältnis zwischen gleichgestellten Privaten und zieht zivilrechtliche Konsequenzen nach sich. Nach allen Abgrenzungsmethoden ist das in § 8a Abs. 3 lit. a WRFG vorgesehene Rückkehrrecht in eine Mietwohnung nach einer Sanierung oder einem Umbau zivilrechtlicher Natur. Daran ändert auch nichts, dass das Rückkehrrecht nicht direkt eingeräumt wird, sondern bloss die öffentlich-rechtliche Bewilligung des Umbaus, der Renovation oder der Sanierung von der Einräumung dieses Rückkehrrechts abhängig gemacht wird. Die öffentlich-rechtliche Sanktionierung einer zivilrechtlichen kantonalen Bestimmung macht diese nicht zu einer öffentlich-rechtlichen.
Der Kündigungsschutz im Mietrecht ist jedoch im Bundeszivilrecht abschliessend geregelt (s. nicht publ. E. 4.2.2 und 4.2.3; sowie BGE 113 Ia 126 E. 9d). Die angefochtene Bestimmung greift direkt in das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur Gewährleistung von § 34 KV/BS festgehalten hat (BBl 2018 7750; vorne E. 4.4.3), sind indirekte, verhältnismässige sozialpolitische Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Verdrängung durch Kündigungen und Mietzinserhöhungen zulässig, nicht aber direkte Eingriffe. Die Gewährleistung der KV/BS durch die Bundesversammlung ist folglich nicht dahingehend zu verstehen, dass sich diesbezüglich etwas ändern sollte. Wie bereits erwähnt (vorne E. 4.4.1), ist ferner nicht ersichtlich, dass das Rückkehrrecht der Sicherstellung preisgünstigen Wohnraums in Zeiten der Wohnungsnot dienen könnte.
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4.4.6 Das in § 8a Abs. 3 lit. a WRFG vorgesehene Rückkehrrecht greift direkt in das vom Bundesrecht abschliessend geregelte Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein. Im Gegensatz zu den indirekt eingreifenden, typischerweise sozialpolitisch motivierten, öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, wie die Bewilligungspflicht für Sanierungen oder die Beschränkung von Mietzinserhöhungen im Anschluss an eine Sanierung (vgl. nicht publ. E. 4.2.2; sowie BGE 146 I 70 E. 5.2.2 mit Hinweisen), handelt es sich dabei um eine zivilrechtliche Bestimmung (vorne E. 4.4.5). Die Zulässigkeit kantonaler zivilrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich würde voraussetzen, dass das Bundeszivilrecht einen entsprechenden Vorbehalt macht (Art. 5 Abs. 1 ZGB). Ein solcher Vorbehalt fehlt jedoch. Damit erweist sich § 8a Abs. 3 lit. a WRFG als bundesrechtswidrig und ist aufzuheben.

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Considérants 4

références

ATF: 146 I 70, 138 II 134, 138 I 274, 113 IA 126

Article: § 34 Cst./BS, § 34 Abs. 3 KV/BS, Art. 49, 109 et 122 Cst., Art. 109 und Art. 122 BV suite...