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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
12T_3/2023  
 
Das Schweizerische Bundesgericht vertreten durch die Verwaltungskommission 
 
in Sachen administrative Aufsicht über 
 
das Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, Kreuzackerstrasse 12, 9000 St. Gallen 
 
betreffend 
 
Rechtsverzögerung 
(Aufsichtsanzeige von Herrn A.________ vom 25. Mai 2023) 
 
 
erwägt:  
 
1.  
 
1.1. A.________ aus Afghanistan, wohnhaft in Iran, beantragte am 12. Mai 2022 bei der Schweizerischen Botschaft in Teheran die Ausstellung eines humanitären Visums. Mit Verfügung vom 24. Mai 2022 wurde dieser Antrag abgelehnt. Am 19. August 2022 wies das Staatssekretariat für Migration SEM die dagegen erhobene Einsprache vom 8. Juni 2022 ab. Mit Eingabe vom 19. September 2022 erhob A.________ Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht.  
 
1.2. Am 25. Mai 2023 reichte A.________ beim Bundesgericht Aufsichtsanzeige ein. Der Anzeiger macht Rechtsverzögerung geltend. Er ersucht um Feststellung, dass das Beschwerdeverfahren übermässig lange dauert. Das Bundesverwaltungsgericht sei zudem anzuweisen, ohne weitere Verzögerung einen Entscheid zu fällen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung vor Bundesgericht.  
 
1.3. Die Verwaltungskommission lud das Bundesverwaltungsgericht mit Verfügung vom 8. August 2023 zur Stellungnahme ein. Am 30. August 2023 reichte das Bundesverwaltungsgericht diese ein und wies darauf hin, dass das Urteil inzwischen ergangen sei. Mit Urteil vom 25. August 2023 wurde das Verfahren F-4178/2022 vor Bundesverwaltungsgericht abgeschlossen.  
 
2.  
 
2.1. Beim vorliegenden Verfahren handelt es sich um eine Aufsichtsanzeige im Sinne von Art. 1 Abs. 2 des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110), Art. 9 des Aufsichtsreglements des Bundesgerichts (AufRBGer; SR 173.110.132) und Art. 3 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes (VGG; SR 173.32). Das Einreichen von Aufsichtseingaben begründet keine Parteirechte (Art. 9 Abs. 2 AufRBGer).  
 
2.2. Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesverwaltungsgericht ist administrativer Art (vgl. Art. 1 Abs. 2 BGG; Art. 3 Abs. 1 VGG; Art. 1 Abs. 1 AufRBGer); die Rechtsprechung ist von der Aufsicht ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 AufRBGer). Raum für aufsichtsrechtliche Feststellungen oder weitergehende Massnahmen besteht nur unter der Voraussetzung struktureller Mängel organisatorischer oder administrativer Natur (vgl. BGE 144 II 486 E. 3.1; Entscheide 12T_2/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 3.1; 12T_3/2019 vom 20. Januar 2020 E. 2). Dies gilt auch im Falle einer Rechtsverzögerung (BGE 144 II 486 E. 3.3).  
 
2.3. Ob strukturelle Mängel organisatorischer oder administrativer Natur vorliegen, respektive der Geschäftsgang generell den Anforderungen entspricht, ist zwar anhand der beanstandeten konkreten Fälle zu beleuchten; diese müssen aber klare Anhaltspunkte enthalten, dass es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein allgemeines Problem handelt (vgl. Entscheide 12T_2/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 3.1; 12T_1/2022 vom 26. September 2022 E. 2.1).  
 
3.  
 
3.1. Der Anzeiger macht geltend, dass das Verfahren F-4178/2022 unter zahlreichen Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichts betreffend humanitäre Visa exemplarisch sei für einen inhärenten administrativen, respektive organisatorischen Mangel bei der Behandlung fraglicher Beschwerden. Verfahren betreffend humanitäre Visa seien seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit absoluter Priorität zu behandeln, da die Erteilung eines humanitären Visums gemäss Art. 4 Abs. 2 VEV (SR 142.204) voraussetze, dass eine Person unmittelbar und konkret an Leib und Leben gefährdet ist.  
 
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass durch die hohe Anzahl von Fällen im Ausländerrecht, eine Priorisierung der Verfahren stattfinde. Besondere Aufmerksamkeit werde unter anderen auch der Bearbeitung humanitärer Visa geschenkt. In diesem Bereich fände die Priorisierung der Fälle nicht nur durch das Eingangsdatum statt, sondern auch aufgrund des Herkunfts- und Aufnahmestaat der Gesuchstellenden sowie weitere von der Rechtsprechung definierte Aspekte, die einen Einfluss auf die materiellen Erfolgsaussichten zeitigten (BVGE 2018 VII/5 E. 3.6.3). Insbesondere werde der Eingang humanitärer Visa aus Afghanistan, durch die ständig wechselnde Lage dort, koordiniert und die Entwicklung zur einheitlichen Rechtsanwendung verfolgt.  
 
3.3. Am Vorgehen des Bundesverwaltungsgericht ist nichts auszusetzen. Bei der Fallerledigung wird systematisch und koordiniert vorgegangen. Die Priorisierung erfolgt strukturiert. Das Bundesverwaltungsgericht zeigt auf, dass die Verfahren im Bereich der humanitären Visa nach objektiven Kriterien geprüft und priorisiert werden. Das Verfahren F-4178/2022 vor Bundesverwaltungsgericht hat insgesamt 11 Monate gedauert. Anhaltspunkte, dass diese Dauer nicht auf die Prioritätenordnung zur Behandlung der Verfahren, sondern auf strukturelle Mängel organisatorischer oder administrativer Natur zurückzuführen ist, liegen nicht vor. Der Anzeige wird daher keine Folge gegeben.  
 
4.  
Das Aufsichtsverfahren ist - besondere Umstände vorbehalten, die hier nicht vorliegen - kostenlos (Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren [SR 172.041.0]). 
 
 
Demnach stellt das Schweizerischen Bundesgericht fest:  
 
1. Der Anzeige wird keine Folge geleistet.  
 
2. Es werden keine Kosten erhoben.  
 
3. Diese Feststellung wird dem Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt.  
 
 
Lausanne, 4. Oktober 2023 
 
Im Namen der Verwaltungskommission 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Donzallaz 
 
Der Generalsekretär: Lüscher