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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_40/2024  
 
 
Urteil vom 8. Februar 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Egli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Nathalie Möri, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Neuregelung der elterlichen Sorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. November 2023 (KES.2023.47). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des 2019 geborenen Kindes C.________. Gestützt auf eine Elternvereinbarung stellte das Bezirksgericht Frauenfeld das damals noch ungeborene Kind mit Entscheid vom 2. Mai 2019 unter die gemeinsame elterliche Sorge und wies die Obhut der Mutter zu. Weiter hielt es fest, dass die Parteien das Besuchsrecht im gegenseitigen Einvernehmen unter Rücksichtnahme auf die Kindesinteressen regeln würden. Der Vater wurde mangels eines Einkommens nicht zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet. 
 
B.  
Am 16. September 2022 verlangte der Vater bei der KESB Frauenfeld, er sei für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die Betreuungsverantwortung für das Kind ohne Begleitung auf eigene Kosten zu übernehmen, unter Errichtung einer Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB. Als Reaktion verlangte die Mutter am 4. November 2022 die alleinige elterliche Sorge. 
Nach Abklärungen und persönlicher Anhörung teilte die KESB Frauenfeld mit Entscheid vom 2. August 2023 der Mutter die alleinige elterliche Sorge zu und ordnete für den Vater ein begleitetes Besuchsrecht einmal pro Monat für zwei Stunden an, unter Anweisung der Eltern zu konstruktiver Zusammenarbeit mit den beteiligten Fachpersonen und unter Errichtung einer Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB
Die hiergegen vom Vater erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 7. November 2023 ab. 
 
C.  
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat der Vater am 22. Januar 2024 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Begehren, dieser sei aufzuheben und an der gemeinsamen elterlichen Sorge sei festzuhalten. Ferner verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege. Es wurden keine Vernehmlassungen, aber die kantonalen Akten eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid betreffend Zuteilung der elterlichen Sorge und damit eine nicht vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit; die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
 
2.  
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4; 149 III 81 E. 1.3). 
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). 
 
3.  
Der Vater hatte vor Obergericht geltend gemacht, die Mutter habe sich nicht an die Vereinbarung gehalten und ihm das Besuchsrecht entzogen. Weder sei es zu Konflikten gekommen noch sei eine Kommunikationsunfähigkeit der Grund für den Entzug des Besuchsrechts. Die Mutter habe sich einfach einen anderen Vater für das Kind gewünscht. Eine Kindeswohlgefährdung durch das gemeinsame Sorgerecht liege nicht vor und die KESB habe es verpasst, eine mildere Massnahme zu treffen. Auch sein Aufenthaltsstatus rechtfertige die Alleinzuteilung des Sorgerechtes nicht; sollte er wirklich ausgeschafft werden, müsste über das Sorgerecht neu entschieden werden. Es sei aus der Luft gegriffen, dass er sich gegen Mitmenschen alkoholisiert und aggressiv gezeigt habe, und fast alle Strafverfahren seien eingestellt; er sei ein Opfer von "racial profiling" geworden. Er wolle sich auch integrieren, spreche Französisch und bereits ein wenig Deutsch; sodann lebe er mit einer Schweizerin im Konkubinat und nach seiner Scheidung wolle er sie heiraten. 
Die Mutter hatte vor Obergericht geltend gemacht, die Umstände hätten sich seit der Vereinbarung vom Mai 2020 grundlegend verändert. Das Besuchsrecht sei ab August 2022 aufgrund verschiedener kindeswohlgefährdender Vorkommnisse verweigert worden. Eine zuverlässige Kommunikation mit dem Beschwerdeführer sei nicht mehr möglich, er tauche an Besuchsterminen unentschuldigt nicht mehr auf und sei über mehrere Wochen auch auf seinem Moblitelefon nicht erreichbar gewesen. Interesse am Wohlergehen des Kindes habe er zu keinem Zeitpunkt gezeigt, seit vier Jahren melde er sich nicht einmal zum Geburtstag. Einziger Fokus sei das Sorgerecht zur Unterstützung des migrationsrechtlichen Aufenthaltes. Der elterliche Dauerkonflikt sei in den letzten Jahren stetig angewachsen und Kontaktaufnahmen seien enorm schwierig; sie sei darauf angewiesen, wichtige Entscheide für das Kind selber zu fällen. Im Übrigen habe er sich erwiesenermassen wiederholt aggressiv und bedrohend gegenüber Mitmenschen gezeigt und er wolle sich auch nicht integrieren. 
Das Obergericht hat festgestellt und erwogen, dass der Beschwerdeführer bereits kurz nach der Geburt des Kindes gegenüber der KESB geltend gemacht habe, es bestehe in Bezug auf die Ausübung des Besuchsrechts und der elterlichen Sorge ein Konflikt, und er habe die Errichtung einer Beistandschaft verlangt. Diesen Konflikt habe die Mutter bestätigt. Die in der Folge zwischen den Parteien ausgehandelte Vereinbarung mit zwei wöchentlichen Besuchen von jeweils zwei Stunden habe zunächst gut funktioniert. Am 25. Oktober 2021 habe sich die Mutter erstmals aufgrund von wiederholten Drohungen durch den Beschwerdeführer zur Polizei begeben. Aus den Parteiaussagen und den Abklärungen der KESB ergebe sich, dass seither starke Spannungen zwischen den Eltern bestünden. Es gebe Probleme bei der Ausübung des Besuchsrechts sowie Unstimmigkeiten und Zwischenfälle, so dass Besuche nur noch unregelmässig oder überhaupt nicht mehr erfolgt seien. Es liege somit eine wesentlich veränderte Situation vor. Sodann sei aufgrund der eingereichten elektronischen Korrespondenz erstellt, dass sich der Beschwerdeführer auf die per SMS versandte Geburtsanzeige monatelang nicht gemeldet habe, zeitweise auch kommentarlos den Besuchszeiten ferngeblieben sei und auf Kontaktversuche der Mutter nicht reagiert habe. Gemäss Auszug der Stadtpolizei Zürich sei er Ende 2020 / Anfang 2021 zweimal zufolge Trunkenheit in die Ausnüchterungs- und Betreuungszelle eingeliefert worden. Der Auszug der Stadtpolizei Winterthur weise aus, dass er zwischen Juli und Anfang September 2022 viermal verzeichnet worden sei. Der aktuelle Strafregisterauszug weise ein hängiges Strafverfahren wegen Sachbeschädigung (eröffnet 20. Mai 2021) sowie Urteile aus den Jahren 2019 (rechtswidrige Einreise) und 2020 (Sachbeschädigung) aus. Aus den von der Mutter eingereichten Unterlagen und den Parteiaussagen gehe hervor, dass die Kommunikation zwischen den Eltern durch Unstimmigkeiten, massive Abspracheschwierigkeiten, Nichterscheinen zur Besuchsrechtsausübung und Unerreichbarkeit des Beschwerdeführers sehr stark belastet sei und die Parteien auch in Bezug auf grundsätzliche Kinderbelange wie den Umgang mit dem Kleinkind während des (nur sehr kurz bemessenen) Besuchsrechts nicht ansatzweise einvernehmlich hätten handeln können. Ausgehend von diesen Tatsachen schloss das Obergericht auf einen bestehenden Dauerkonflikt rund um das Besuchsrecht und es hielt fest, dass mit zunehmendem Alter mehr Grundsatzentscheide bei der Lebensplanung des Kindes anstehen würden. Angesichts der spannungsgeladenen Elternkonstellation sei mit Problemen zu rechnen, da nicht ein Mindestmass einer Übereinstimmung in den Kinderbelangen vorhanden sei. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers sei auch nicht davon auszugehen, dass er zukünfig bei grundlegenden Entscheiden betreffend Schule und medizinische Massnahmen zuverlässig und schnell genug erreichbar sein werde, so dass immer wieder Kindesschutzmassnahmen beantragt werden müssten und das Kind in einen unnötigen Loyalitätskonflikt geraten könnte. Eine Entlastung der Situation könne nur durch eine Alleinzuteilung der elterlichen Sorge erreicht werden. 
 
4.  
In tatsächlicher Hinsicht fehlt es an Verfassungsrügen, namentlich an Willkürrügen; der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, in appellatorischer und damit ungenügender Weise einfach das Gegenteil der getroffenen Feststellungen zu behaupten (es bestehe weder ein Konflikt noch eine Kommunikationsunfähigkeit zwischen den Parteien, sondern die Mutter sei einfach der Auffassung, dass er nicht der Vater sei, den sie sich für ihr Kind gewünscht habe). Mithin hat es für das bundesgerichtliche Verfahren bei den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid zu bleiben. Nach diesen besteht offenkundig ein Dauerkonflikt und ist zwischen den Eltern kaum Kommunikation möglich, selbst für einfachste Kindesbelange wie das Verhalten bei den zweistündigen Besuchen. Sodann ist der Beschwerdeführer oft über lange Zeitpannen kaum oder gar nicht erreichbar, so dass anstehende Entscheide unabhängig von der Tatsache des Konfliktes nicht gemeinsam getroffen werden können. 
 
 
5.  
In rechtlicher Hinsicht geht es um die in BGE 141 III 472 begründete Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge: Die gemeinsame elterliche Sorge von Vater und Mutter bildet unabhängig von der spezifischen familienrechtlichen Konstellation (gemeinsames oder getrenntes Leben der Eltern; verheiratete oder geschiedene oder unverheiratete Eltern) den Grundsatz. Von diesem soll nur dann abgewichen werden, wenn eine andere Lösung die Interessen des Kindes ausnahmsweise besser wahrt (BGE 143 III 361 E. 7.3.2); die Zuteilung der elterlichen Sorge an einen Elternteil muss eine eng begrenzte Ausnahme bleiben (BGE 143 III 361 E. 7.3.2). Sie fällt insbesondere in Betracht, wenn Eltern in einem schwerwiegenden Dauerkonflikt stehen oder bezüglich der Kindesbelange anhaltend kommunikationsunfähig sind, sich dieser Mangel negativ auf das Kindeswohl auswirkt und eine Alleinzuteilung der elterlichen Sorge diesem besser gerecht wird (BGE 141 III 472 E. 4.6; 142 III 1 E. 3.3; 142 III 197 E. 3.5 und 3.7); in Bezug auf die grundsätzlichen Kindesbelange ist ein bestimmtes Mindestmass an Übereinstimmung erforderlich und es liegt nicht im Kindeswohl, wenn für jede Einzelfrage ein Verfahren zu eröffnen wäre, in welches das Kind mit zunehmendem Alter hineingezogen würde, weil sich die Eltern chronisch nicht einigen können oder der eine Elternteil kaum erreichbar ist (BGE 142 III 197 E. 3.6). 
Das Obergericht hat diese Kriterien ausgehend von seinen Sachverhaltsfeststellungen als erfüllt betrachtet. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, der Elternkonflikt beziehe sich nur auf das Besuchsrecht und wirke sich noch gar nicht auf das Sorgerecht aus; für dessen Entzug sei aber erforderlich, dass sich der Mangel (schwerwiegender Dauerkonflikt oder anhaltende Kommunikationsunfähigkeit) negativ auf das Kindeswohl auswirke und von einer Alleinzuteilung eine Verbesserung erwartet werden könne. Dies sei vorliegend nach den klaren Aussagen des Obergerichtes bislang nicht der Fall und es sei versäumt worden, mildere Massnahmen zu ergreifen. 
Der angefochtene Entscheid hält - unter Berücksichtigung des den kantonalen Gerichten bei allen Kindesbelangen zukommenden Ermessens (Art. 4 ZGB) - vor Bundesrecht stand: Es ist aktenkundig, dass die Eltern einen heftigen und chronischen Konflikt haben. Dieser bezieht sich zwar momentan primär auf das Besuchsrecht. Indes ist der Beschwerdeführer für die Mutter oft über lange Zeit kaum oder gar nicht erreichbar, was gemeinsame Entscheide betreffend die Lebensplanung des Kindes, welche den Kern der elterlichen Sorge ausmachen, weitgehend verunmöglicht. Einzig die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge vermag diesem nicht im Kindeswohl liegenden Missstand Abhilfe zu verschaffen. Dabei darf entgegen dem sinngemässen Vorbringen des Beschwerdeführers auch die zukünftige Entwicklung in die Gesamtbetrachtung miteinbezogen werden, ist doch in Bezug auf die Auswirkungen des Dauerkonfliktes und der Kommunikationsunfähigkeit auf das Kind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zwangsläufig eine sachverhaltsbasierte Prognose anzustellen (Urteile 5A_186/2016 vom 2. Mai 2016 E. 4; 5A_903/2016 vom 17. Mai 2017 E. 4.1; 5A_809/2018 vom 18. Dezember 2019 E. 4.2.2; 5A_248/2023 vom 17. August 2023 E. 5.1). Vor diesem Hintergrund ist die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge im vorliegenden Fall nicht bundesrechtswidrig. 
 
6.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Indes lässt sich nicht sagen, die Beschwerde sei geradezu von Anfang an aussichtslos gewesen, weshalb dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen und er durch Rechtsanwalt Peter Egli zu verbeiständen ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Er ist somit unter Vorbehalt der erteilten unentgeltlichen Rechtspflege kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden, da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege erteilt und er wird durch Rechtsanwalt Peter Egli verbeiständet. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, jedoch einstweilen auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Rechtsanwalt Peter Egli wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'000.-- entschädigt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Februar 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli