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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_355/2023  
 
 
Urteil vom 7. September 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Beusch, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
WAS Wirtschaft Arbeit Soziales, 
Ausgleichskasse Luzern, 
Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. April 2023 (5V 22 253). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1941 geborene A.________ bezieht eine Altersrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Im Jahr 2016 verlor er über eine Tradingwebsite rund Fr. 160'000.-; nachdem ihm eine unbekannte Täterschaft in Aussicht gestellt hatte, das im Jahr 2016 verlorene Geld wiederzubeschaffen, investierte er Fr. 376'710.36 in Kryptowährungen - auch aus dieser Investition resultierte ein Totalverlust. Zwischen dem 1. November 2021 bis 31. Januar 2022 wurde er erneut betreffend einer angeblichen Möglichkeit zur Wiederbeschaffung der verlorenen Gelder kontaktiert. Auf Betreiben einer unbekannten Person, die sich als Mitglied einer britischen Behörde ausgab, tätigte er im Zeitraum zwischen dem 9. Dezember 2021 bis 12. Januar 2022 Zahlungen im Gesamtwert von rund Fr. 485'063.- auf verschiedene Kryptowährungsplattformen, auf welche er keinen Zugriff mehr hat.  
 
A.b. Am 9. Februar 2022 meldete sich A.________ zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Mit Verfügung vom 14. März 2022 und Einspracheentscheid vom 8. Juni 2022 lehnte die Ausgleichskasse Luzern einen entsprechenden Antrag ab, da er bei Anrechnung eines Verzichtsvermögens von Fr. 485'063.- die Vermögensschwelle (Obergrenze) nach ELG überschreite.  
 
B.  
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 12. April 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, ihm sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen zuzuerkennen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Dritte öffentlich-rechtliche Abteilung (bis Ende Dezember 2022: Zweite sozialrechtliche Abteilung) ist zuständig für Beschwerden betreffend die Ergänzungsleistungen die bis zum 30. Juni 2023 eingereicht worden sind (vgl. Art. 82 lit. a BGG sowie Art. 31 lit. g des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR; SR 173.110.131] in der vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2023 geltenden Fassung). Bei dieser Zuständigkeit bleibt es, auch wenn Beschwerden betreffend die Ergänzungsleistungen, die nach dem 1. Juli 2023 eingereicht worden sind, durch die Vierte öffentlich-rechtliche Abteilung beurteilt werden (vgl. den auf den 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Art. 32 lit. i BGerR). 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
Streitig ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Ergänzungsleistungen für das Jahr 2022. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es den Betrag von Fr. 485'063.- als Verzichtsvermögen zum Reinvermögen des Beschwerdeführers hinzurechnete. 
 
4.  
Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht gemäss Art. 9 Abs. 1 ELG dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Nach Art. 9a Abs. 1 ELG setzt ein Anspruch voraus, dass die betreffende Person über ein Reinvermögen unterhalb der Vermögensschwelle verfügt. Die Vermögensschwelle liegt für alleinstehende Personen bei Fr. 100'000.-, für Ehepaare bei Fr. 200'000.- und für rentenberechtigte Waisen und für Kinder bei Fr. 50'000.-. Zum Reinvermögen zählen in Anwendung von Art. 9a Abs. 2 ELG auch Vermögensteile, auf die verzichtet worden ist. Von einem Verzicht ist insbesondere dann auszugehen, wenn Vermögen ohne Rechtspflicht und ohne gleichwertige Gegenleistung hingegeben wird (vgl. Art. 11a Abs. 2 ELG). Seit dem 1. Januar 2021 bestimmt Art. 17a Abs. 3 lit. c ELV, dass für die Ermittlung der Höhe des Verzichts unter anderem unfreiwillige Vermögensverluste, die nicht auf ein absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten der Bezügerin oder des Bezügers zurückzuführen sind, nicht mitberücksichtigt werden. 
 
5.  
 
5.1. Aufgrund der grundsätzlich verbindlichen vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen steht fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 9. Dezember 2021 bis 12. Januar 2022 Zahlungen im Gesamtwert von rund Fr. 485'063.- auf verschiedene Kryptowährungskonti tätigte und er nunmehr keinen Zugriff auf diese Gelder hat. Er tätigte diese Zahlungen auf Veranlassung einer unbekannten Person, welche sich als Mitglied einer britischen Behörde ausgab. Diese sollte ihm helfen, die in den vorangegangenen Jahren verlorenen Gelder zurückzuerhalten. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der Gesamtumstände die Vorgehensweise des Beschwerdeführers als leichtsinnig qualifiziert und ihm entsprechend ein Verzichtsvermögen in der Höhe der geleisteten Zahlungen angerechnet.  
 
5.2. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen Erwägungen vorbringt, vermag die Sachverhaltsfeststellungen nicht als offensichtlich unrichtig und die daraus gezogenen Schlüsse nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Der Beschwerdeführer verweist zwar zunächst auf die Rechtsprechung, wonach Vermögensrückschläge, welche Folge einer Straftat sind, als unfreiwillige Vermögensverluste anzusehen sind (vgl. Urteil 9C_180/2010 vom 15. Juni 2010 E. 5.2 mit weiterem Hinweis). Jedenfalls seit Inkrafttreten des Art. 17a Abs. 3 lit. c ELV auf den 1. Januar 2021 sind jedoch auch unfreiwillige Vermögensverluste als Verzichtsvermögen anzurechnen, wenn diese Folge eines grobfahrlässigen Verhaltens der leistungsansprechenden Person sind. Somit hat das kantonale Gericht kein Bundesrecht verletzt, als es die Frage, ob der Beschwerdeführer Opfer einer Straftat geworden ist, offengelassen hat.  
 
 
5.3. Nicht zu überzeugen vermögen im Weiteren die Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er die Grobfahrlässigkeit seines Vorgehens bestreitet. Die Vorstellung, ein im legalen Rahmen handelndes Mitglied einer britischen Behörde würde mit ihm fast täglich - auch während den gesetzlichen Feiertagen - korrespondieren, um ihn zur Überweisung einer sechsstelligen Summe auf Kryptowährungskonti zu veranlassen, damit im Vereinigten Königreich beschlagnahmte Vermögenswerte entsperrt werden könnten, erscheint geradezu abenteuerlich. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die unbekannte Person mutmasslich mit einigem psychologischen Geschick vorgegangen ist. Wer aufgrund einer solcher Geschichte eine grössere Geldsumme auf Kryptowährungskonti, zu denen er keinen Zugriff hat, einzahlt, muss mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, einen Totalverlust der eingesetzten Gelder zu erleiden. Musste unter den konkreten Umständen von Anfang an mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Verlust des gesamten Vermögens gerechnet werden, so ist davon auszugehen, dass kein vernünftiger Mensch eine solche Anlage getätigt hätte (vgl. auch Urteil 9C_904/2011 vom 5. März 2012 E. 4.1). Da bereits diese Verhaltensweise als grobfahrlässig zu qualifizieren ist, braucht nicht näher geprüft zu werden, wie es sich mit den weiteren Gesichtspunkten (Kopieren der Ausweise, Ignorieren von Warnhinweisen, Aussichten auf einen hohen "Gewinn", Zulassen der Fremdsteuerung des Computers), welche gemäss Vorinstanz den Eindruck des Leichtsinns des Beschwerdeführers noch verstärken, verhält. Selbst wenn einzelne dieser Elemente vom kantonalen Gericht unzutreffend gewürdigt worden sein sollten, so vermöchte dies nichts daran zu ändern, dass die Vermögensverminderung zwar unfreiwillig gewesen, jedoch auf ein grobfahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen war. Entsprechend verstösst es nicht gegen Bundesrecht, den Betrag von Fr. 485'063.- ergänzungsleistungsrechtlich als Verzichtsvermögen zu qualifizieren.  
 
5.4. Bei Anrechnung der geleisteten Zahlungen von Fr. 485'063.- als Verzichtsvermögen übersteigt das anrechenbare Vermögen die Vermögensschwelle nach Art. 9a Abs. 1 ELG. Damit hat das kantonale Gericht einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu Recht verneint; die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
6.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. September 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold