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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_248/2023  
 
 
Urteil vom 25. August 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, 
Bundesrichter Müller, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch HEKS Rechtsschutz Bundesasylzentren Nordwestschweiz, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Datenschutz (ZEMIS), 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung IV, vom 17. April 2023 (D-1009/2023). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ stellte am 28. September 2022 in der Schweiz ein Asylgesuch. Dabei gab er an, am 15. April 2005 geboren worden zu sein. Mit Verfügung vom 13. Februar 2023 trat das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf das Gesuch nicht ein und wies ihn in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaat (Bulgarien) weg. Weiter stellte es fest, dass im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) der 1. Januar 2004 mit Bestreitungsvermerk als Geburtsdatum registriert worden sei.  
 
A.________ focht diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht an. Dieses wies die Beschwerde betreffend das Nichteintreten auf das Asylgesuch und die Wegweisung mit Urteil vom 30. März 2023 ab und hielt gleichzeitig fest, über die Datenänderung im ZEMIS werde in einem separaten Verfahren entschieden.  
 
Im Rahmen des datenschutzrechtlichen Verfahrens (betreffend den Eintrag im ZEMIS) wies die lnstruktionsrichterin mit Zwischenverfügung vom 17. April 2023 das Gesuch von A.________ um unentgeltliche Prozessführung ab. Sie forderte ihn auf, innert 30 Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 500.-- zu leisten, und drohte ihm an, andernfalls auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Sein Gesuch, das SEM im Sinne einer superprovisorischen Massnahme anzuweisen, bis zur Rechtskraft der angefochtenen Verfügung im ZEMIS den 15. April 2005 als Geburtsdatum einzutragen, wies sie ebenfalls ab. Zur Begründung hielt sie insbesondere fest, es sei ihm im Asylverfahren nicht gelungen, seine Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Stellung des Asylgesuchs glaubhaft zu machen, und seither seien keine neuen Beweismittel zu den Akten gereicht worden. Das von ihm geltend gemachte Geburtsdatum (15. April 2005) dürfte deshalb nicht wahrscheinlicher sein als das im ZEMIS eingetragene (1. Januar 2004). Die Beschwerde erscheine daher nach summarischer Prüfung der Prozesschancen als aussichtslos. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 19. Mai 2023 beantragt A.________, die Zwischenverfügung vom 17. April 2023 sei aufzuheben, die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er das Bundesgericht, die Vollzugsbehörde vorsorglich anzuweisen, ihn nicht nach Bulgarien zu überstellen.  
 
Das Bundesverwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das SEM hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
C.  
Mit Präsidialverfügung vom 15. Juni 2023 hat das Bundesgericht das Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen Massnahme abgewiesen. Zur Begründung hielt es fest, der verlangte Aufschub der Wegweisung nach Bulgarien betreffe das Asylverfahren und liege deshalb ausserhalb des Streitgegenstands. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts betrifft in der Hauptsache den Eintrag des Geburtsdatums des Beschwerdeführers im ZEMIS, mithin eine datenschutzrechtliche bzw. öffentlich-rechtliche Angelegenheit (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Die Ausnahme von Art. 83 lit. d BGG greift nicht, da es sich nicht um einen Entscheid auf dem Gebiet des Asyls handelt.  
 
Es handelt sich indes um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG, gegen den die Beschwerde gemäss Abs. 1 lit. a dieser Bestimmung nur zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Rechtsprechungsgemäss ist das bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege der Fall, wenn der rechtsuchenden Person, die mangels verfügbarer Mittel nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss zu leisten, der Prozessverlust droht (vgl. BGE 142 III 798 E. 2; 129 I 129 E. 1.1; Urteil 1B_414/2022 vom 14. Februar 2023 E. 1.1 f.; je mit Hinweisen). Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig.  
 
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist vorbehältlich einer hinreichenden Begründung einzutreten. 
 
2.  
In der Begründung der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht, prüft das Bundesgericht nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Insofern gelten qualifizierte Begründungsanforderungen. Soweit diese nicht eingehalten sind, ist auf die Rügen nicht einzutreten (zum Ganzen: BGE 147 II 44 E. 1.2; 145 I 26 E. 1.3; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen teilweise nicht. 
 
Nicht hinreichend substanziiert ist zunächst die Rüge, der aus Art. 29 Abs. 3 BV fliessende Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung sei verletzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Hinsicht auf seine ausführliche Erwägung 7 im Urteil vom 30. März 2023 verwiesen (s. zur Zulässigkeit eines solchen Verweises BGE 142 II 20 E. 4.1 mit Hinweis). Daraus schloss es, dass die Beschwerde nach summarischer Prüfung der Prozesschancen als aussichtslos erscheine. Der Beschwerdeführer schreibt dazu in seiner Beschwerdeschrift, die Aussichtslosigkeit werde gestützt auf das Dublin-Urteil, welches aufgrund der Trennung der Verfahren die Frage der Minderjährigkeit lediglich summarisch zum Gegenstand gehabt habe. Auf die erwähnten Ausführungen geht er nicht ein. Auch der Vorwurf, die "leichthin angenommene Nichtanerkennung der Minderjährigkeit" beruhe auf einem unfair geführten Verfahren und verstosse gegen Art. 6 EMRK, wird nicht in genügender Weise substanziiert. 
 
Dasselbe gilt für die angebliche Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV). Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts bei der Behandlung paralleler Asyl- und datenschutzrechtlicher Verfahren sei uneinheitlich. Er zeigt jedoch weder konkret auf, dass er gegenüber Beschwerdeführern in vergleichbaren Fällen benachteiligt wurde, noch, dass die im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Verfahrenstrennung rechtswidrig ist. Darauf ist ebensowenig einzutreten wie auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur Prozessökonomie, zu Art. 3 EMRK und zum Kindeswohl, denen sich ebenfalls kein hinreichend substanziierter Hinweis auf eine Bundesrechtsverletzung entnehmen lässt. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, weshalb im datenschutzrechtlichen Verfahren Art. 3 EMRK oder das Kindeswohl von Bedeutung sein sollten. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das prozessuale Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichts, nämlich die getrennte Behandlung der Beschwerde betreffend das Asyl einerseits und betreffend den Eintrag im ZEMIS andererseits, verletze die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV. Es führe bei negativem Urteil über den Dublin-Entscheid stets dazu, dass sich das Gericht nie vertieft inhaltlich mit dem Begehren zum ZEMIS-Eintrag befasse.  
 
3.2. Gemäss dem ersten Satz von Art. 29a BV hat zwar jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Das Bundesgericht hat jedoch klargestellt, dass sich daraus kein Recht auf unentgeltliche Rechtspflege ergibt (BGE 141 I 241 E. 4.1 mit Hinweisen). Hätte der Beschwerdeführer den Kostenvorschuss bezahlt oder würde die vorliegende Beschwerde vom Bundesgericht gutgeheissen, wäre auf sein Rechtsmittel - unter Vorbehalt der weiteren Sachurteilsvoraussetzungen - einzutreten und wären seine Vorbringen im Einzelnen zu prüfen. Seine Behauptung, bei negativem Urteil über den Dublin-Entscheid würde sich das Bundesverwaltungsgericht nie vertieft inhaltlich mit dem Begehren zum ZEMIS-Eintrag befassen, ist deshalb falsch.  
 
4.  
 
4.1. Weiter behauptet der Beschwerdeführer, mit der Erhebung eines Kostenvorschusses und dem pauschalen Verweis auf den Ausgang des Asylverfahrens zeige das Gericht seine Voreingenommenheit gegenüber der Fragestellung, insbesondere da es sich um das gleiche Richtergremium handle.  
 
4.2. Mit seinem Vorbringen macht der Beschwerdeführer sinngemäss geltend, Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger sei befangen. Diese hat zum einen als Instruktionsrichterin die hier angefochtene Zwischenverfügung gefällt und zum andern als Einzelrichterin das Urteil vom 30. März 2023 (Nichteintreten auf das Asylgesuch).  
 
4.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung müssen Ausstandsgründe unverzüglich nach Kenntnis geltend gemacht werden, ansonsten sie als verwirkt gelten. Es verstösst gegen Treu und Glauben, Einwände dieser Art erst nach einem ungünstigen Prozessausgang im Rechtsmittelverfahren vorzubringen, wenn der Mangel schon vorher hätte gerügt werden können (BGE 140 I 271 E. 8.4.3; 135 III 334 E. 2.2; Urteil 1B_562/2021 vom 16. November 2021 E. 3.2; je mit Hinweisen). Eine Ausnahme wird nur bei offensichtlichen Befangenheitsgründen gemacht (BGE 134 I 20 E. 4.3.2; Urteil 1B_562/2021 vom 16. November 2021 E. 3.2; je mit Hinweisen). Der Rüge des Beschwerdeführers könnte somit nur Erfolg beschieden sein, wenn der geltend gemachte Befangenheitsgrund offensichtlich wäre. Dies ist jedoch angesichts der unterschiedlichen Fragestellung und des unterschiedlichen Beweismasses in den beiden Verfahren nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hat die Rüge durch sein Zuwarten deshalb verwirkt. Auf sein Vorbringen ist nicht einzutreten.  
 
5.  
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.  
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung (Art. 64 Abs. 1 BGG). Aufgrund der Aussichtslosigkeit seiner Rechtsbegehren ist dieses Gesuch abzuweisen. Umständehalber ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung IV, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. August 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold