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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_154/2022  
 
 
Urteil vom 27. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Merz, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ Sàrl, c/o B.________ Sàrl, 
2. Stockwerkeigentümergemeinschaft C.________, bestehend aus:, 
3. D.D.________ und E.D.________, 
4. F.________, 
5. G.________, 
6. H.________, 
7. A.________ Sàrl, c/o B.________ Sàrl, 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Walter Streit, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Gampelen, Baupolizeibehörde, Oberdorfstrasse 14, 3236 Gampelen, 
Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3013 Bern. 
 
Gegenstand 
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands bezüglich Zufahrt und Vorplatz, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 1. Februar 2022 (100.2020.340U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der Regierungsstatthalter des Verwaltungskreises Seeland erteilte der A.________ Sàrl im Dezember 2014 die Bewilligung für den Bau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten in Gampelen. Das Projekt sah zudem den Bau von sieben nebeneinander liegenden Garagen im Abstand von 5 m zur angrenzenden Kantonsstrasse (Tschuggstrasse) vor. Zu Diskussionen führte dabei der Übergang von der Kantonsstrasse zum Garagen-Vorplatz, den die Bauherrin auf der ganzen Länge offen gestalten wollte. Auf Verlangen des Tiefbauamts des Kantons Bern (TBA) wurden die ursprünglichen Pläne dahingehend angepasst, dass der Vorplatz nur noch über eine 3 m breite Zufahrt erreicht werden kann und dieser sonst durch eine Rabatte in der Breite von 1 m von der Kantonsstrasse abgetrennt ist. 
 
B.  
Nachdem das TBA festgestellt hatte, dass die A.________ Sàrl die Rabatte nicht erstellt, sondern den Vorplatz über die gesamte Länge direkt an die Kantonsstrasse angeschlossen hatte, verfügte die Gemeinde Gampelen im Mai 2018 die Herstellung des rechtmässigen, bewilligten Zustands. Dagegen erhob die Bauherrin Beschwerde bei der damaligen Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE). 
Dieses Verfahren wurde aufgrund eines nachträglichen Baugesuchs der A.________ Sàrl sistiert. Nachdem dieses Gesuch durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2019 rechtskräftig abgewiesen worden war, nahm die BVE das Verfahren betreffend die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands wieder auf und beteiligte die Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft (STWEG) am Verfahren. Im August 2020 wies sie die Beschwerde ab. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. Februar 2022 ebenfalls ab. 
 
C.  
Dagegen führen die A.________ Sàrl und die STWEG mit Eingabe vom 7. März 2022 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, es sei auf die 1 m breite, nicht überfahrbare Rabatte zu verzichten; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Gemeinde Gampelen verweist in ihrer Vernehmlassung auf ihre Wiederherstellungsverfügung. Die heutige Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVB) sowie das Verwaltungsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Bausache. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführenden haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind als Bauherrin bzw. Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist somit grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Dieses wendet das Bundesgericht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht - wird vom Bundesgericht allerdings nur insoweit geprüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Hierzu gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 138 I 171 E. 1.4 mit Hinweisen).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, deren Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung nach Art. 97 Abs. 1 BGG kann nur erhoben werden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 2 BGG). Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführenden werfen der Vorinstanz in verschiedener Hinsicht eine offensichtlich unrichtige, mithin willkürliche Feststellung des Sachverhalts vor. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Einschätzung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Soweit die Beschwerdeführenden geltend machen, der Fachbericht des TBA kranke an einem inneren Widerspruch, handelt es sich nicht um eine vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, gegen welche die Rüge der offensichtlichen Unrichtigkeit erhoben werden kann. Ob eine Ausfahrt in der Breite von 3 m aus Gründen der Rechtssicherheit notwendig ist, stellt sodann eine Rechtsfrage dar und beschlägt nicht den Sachverhalt. Betreffend Kreuzungsmanöver auf der Tschuggstrasse ist es schliesslich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden nicht willkürlich festzuhalten, der Verfahrensgegenstand sei nicht die Gestaltung des Strassenraums, sondern der rechtmässige Strassenanschluss der Bauparzelle.  
 
2.3. Im Zusammenhang mit den Verkehrsfragen auf dem Vorplatz und auf der Strasse sind die Beschwerdeführenden der Auffassung, ein Augenschein wäre nötig gewesen; anhand von Fahrdemonstrationen hätten sie aufzeigen wollen, dass "eine abweichende Gestaltung der Zufahrt und des Vorplatzes im Interesse der Verkehrssicherheit vorteilhafter ist und zudem erlaubt, die Garagen bestimmungsgemäss zu nutzen". Die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie auf den beantragten Augenschein verzichtet habe.  
Diese Rüge ist unbegründet. Dies zum einen deshalb, weil die Fragen der Verkehrssicherheit bereits im seinerzeitigen Baubewilligungsverfahren erörtert worden waren und das fachlich zuständige TBA die von den Beschwerdeführenden gewünschte, durchgehende Zufahrt von der Tschuggstrasse auf den Vorplatz (und umgekehrt) aus Sicherheitsgründen als nicht bewilligungsfähig erachtet hatte. Die Beschwerdeführenden haben diese Einschätzung damals akzeptiert und ihr Projekt entsprechend angepasst. Sie können diese Frage daher im Wiederherstellungsverfahren nicht erneut zur Diskussion stellen. Zum andern war der nachgesuchte Augenschein aus Sicht der Vorinstanz auch deshalb nicht erforderlich, weil nicht bestritten ist, dass nach dem Erstellen der von den kantonalen Behörden geforderten Rabatten nicht mehr alle Garagen nutzbar sein werden, jedenfalls nicht ohne bauliche Anpassungen. Dies wird von den Behörden vielmehr in Kauf genommen. 
 
2.4. Die Beschwerdeführenden anerkennen, dass auch bei einer bloss 3 m breiten Einfahrt in den Vorplatz eine oder zwei Garagen ohne bauliche Veränderungen benutzt werden können. Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, es könnten mindestens drei Garagen mit mehrmaligem Vor- und Zurücksetzen befahren werden. Dass dies möglich ist, scheint mit Blick auf die von den Beschwerdeführenden im vorinstanzlichen Verfahren als Beilagen 3 und 4 eingereichten Pläne plausibel (vgl. insbes. die Beilage 4 mit Ausfahrt ohne weiteres Manöver). Offensichtlich unrichtig ist dies jedenfalls nicht, zumal die Beschwerdeführenden ihre gegenteilige Behauptung nicht belegen.  
 
3.  
In der Sache machen die Beschwerdeführenden eine Verletzung verschiedener verfassungsmässiger Rechte und Verfassungsgrundsätze geltend. Diese Rügen sind nachfolgend zu prüfen. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die materielle Rechtswidrigkeit der aktuellen Vorplatzgestaltung rechtskräftig feststeht, diese also namentlich nicht bewilligt werden kann, weil wesentliche Gründe der Verkehrssicherheit dagegen sprechen. Darauf ist im Wiederherstellungsverfahren nicht zurückzukommen. Deshalb ist auf die Vorbringen der Beschwerdeführenden insoweit nicht weiter einzugehen, als sie auf die (vermeintlichen) Vorzüge der aktuellen, illegalen Situation hinweisen und gestützt darauf die Anordnungen der kantonalen Behörden kritisieren. Dies gilt etwa dort, wo sie den Sinn einer 1 m breiten Rabatte sowie einer bloss 3 m breiten Zufahrt in Zweifel ziehen. Über diese Fragen ist im Baubewilligungsverfahren rechtskräftig entschieden worden. 
 
3.1. Die Beschwerdeführenden erachten die strittigen Anordnungen, welche die Eigentumsgarantie beeinträchtigen würden, als nicht verhältnismässig, weil sie zur Erreichung des Ziels der Verkehrssicherheit weder geeignet noch erforderlich und ihnen im Übrigen auch nicht zuzumuten seien.  
Die Beschwerdeführenden gehen davon aus, wegen der Verengung des Vorplatzes seien für das Einparkieren in die Garagen (bzw. für die Ausfahrt aus den Garagen) Manöver auf der Tschuggstrasse nötig. Davon ist aber nach den willkürfreien Feststellungen der Vorinstanz nicht auszugehen (vgl. oben E. 2.4). Vor allem aber verhindert die Verengung der Ausfahrt, dass von den Garagen (bzw. von allen) rückwärts auf die Kantonsstrasse gefahren werden kann; derartige Manöver sind angesichts der eingeschränkten Sicht beim Rückwärtsfahren offensichtlich gefährlich. Anders als die Beschwerdeführenden meinen, ist die Wiederherstellung des bewilligten Zustands somit geeignet, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. 
Soweit die Beschwerdeführenden die Erforderlichkeit der Massnahmen bestreiten, weil eine schmalere Rabatte von 60 cm ebenso geeignet wäre, beschlägt dies eine Frage, die Gegenstand des Baubewilligungsverfahren war und dort rechtskräftig entschieden wurde. 
Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ist auch nicht unzumutbar, denn entgegen der Behauptung der Beschwerdeführenden stünden der Liegenschaft weiterhin Garagenparkplätze zur Verfügung. Wieviele davon ohne bauliche Massnahmen weiter genutzt werden könnten, steht zwar nicht fest; wie die Vorinstanz willkürfrei entschieden hat, würden die Minimalvorgaben nach kantonalem Recht aber eingehalten. Um zusätzliche Garagenplätze nutzen zu können, wären offenbar - unter Umständen erhebliche - bauliche Massnahmen erforderlich, doch ist dies die Konsequenz des Bauens entgegen der erteilten Bewilligung; jedenfalls die Beschwerdeführerin 1 hat sich dies selbst zuzuschreiben. 
 
3.2. Aus diesem Grund zielen die Rügen der Willkür und der Treuwidrigkeit (Art. 9 BV) ebenfalls ins Leere: Es mag zwar sein, dass auch das TBA die Probleme hätte erkennen können, die sich durch die von der Beschwerdeführerin 1 geplante Gestaltung von Zufahrt und Garagen-Vorplatz ergeben würden. Dieses Amt hat sich aber primär um ein sicheres Strassennetz zu kümmern und im vorliegenden Zusammenhang um den sicheren Anschluss von Baugrundstücken an die öffentlichen Strassen. Es ist in allererster Linie Sache der Bauherrschaft, ihre Vorhaben so zu planen und auszuführen, dass sie bestimmungsgemäss genutzt werden können.  
 
3.3. Die Beschwerdeführenden machen schliesslich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 8 BV) geltend. Wenn sie ausführen, weder das kantonale Strassengesetz noch die Strassenverordnung noch die VSS-Normen würden eine Rabatte von 1 m Breite bzw. einen Vorplatz von bloss 3 m Breite verlangen, hat das allerdings mit der Rechtsgleichheit nichts zu tun. Insbesondere liegt es auf der Hand, dass die genannten Regelwerke nicht für jeden Einzelfall direkt anwendbare Bestimmungen enthalten und die rechtsanwendenden Behörden die Situation im Einzelfall berücksichtigen dürfen und müssen.  
Ungenügend begründet ist endlich die Behauptung, in Gampelen seien in den letzten Jahren verschiedene Zufahrten und Vorplatzsituationen mit wesentlich breiteren Zufahrten bewilligt worden. Die Beschwerdeführenden verweisen hierfür einzig auf die "bei den Vorakten liegenden Fotodokumentationen". Nach der Rechtsprechung muss die Begründung in der Beschwerde selbst enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten genügt nicht (BGE 133 II 396 E. 3.2 S. 400; Urteil 2C_187/2013 vom 31. Januar 2014 E. 1.4, nicht publiziert in: BGE 140 II 112). Auf das entsprechende Vorbringen kann nicht eingetreten werden. 
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die von der Vorinstanz festgesetzte Frist zur Wiederherstellung ist inzwischen abgelaufen. Es ist daher eine neue Wiederherstellungsfrist anzusetzen, wobei es sich rechtfertigt, deren Dauer analog der Vorinstanz auf etwa drei Monate anzusetzen. 
Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführenden kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands wird auf den 30. Oktober 2023 festgesetzt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführenden unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Einwohnergemeinde Gampelen, der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni