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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_318/2022  
 
 
Urteil vom 29. Juni 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Tellco pk, Bahnhofstrasse 4, 6430 Schwyz, 
vertreten durch Advokat Thomas Käslin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ GmbH, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Mai 2022 (BV.2022.00010). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 25. Januar 2022 erhob die Tellco pk (früher Tellco pkPRO) Klage gegen die A.________ GmbH betreffend Beiträge an die berufliche Vorsorge mit den Rechtsbegehren, es sei die Beklagte zur Zahlung von Fr. 3'371.30 nebst Zins zu 6 % seit dem 1. Januar 2021 sowie von Fr. 1'250.- nebst Zins zu 6 % seit Klageeinreichung sowie Betreibungskosten von Fr. 73.30 zu verurteilen; der in der Sache erhobene Rechtsvorschlag sei aufzuheben und es sei die definitive Rechtsöffnung zu gewähren. Mit Urteil vom 4. Mai 2022 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage insoweit gut, als es die Beklagte verpflichtete, der Klägerin Fr. 3'371.30 nebst Zins zu 6 % seit dem 1. Januar 2021 zu bezahlen und es den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes U.________ aufhob (Dispositiv-Ziffer 1). Die Gerichtskosten von Fr. 500.- auferlegte das kantonale Gericht den Parteien je zur Hälfte (Dispositiv-Ziffer 2). Prozessentschädigungen sprach es keine zu (Dispositiv-Ziffer 3). 
 
B.  
Tellco pk führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, das Urteil vom 4. Mai 2022 sei insoweit aufzuheben, als es die Kostenfolgen betrifft; die Gerichtskosten im vorinstanzlichen Verfahren seien vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen und es sei der Klägerin eine angemessene Parteientschädigung zuzüglich Mehrwertsteuer für das vorinstanzliche Verfahren zuzusprechen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die A.________ GmbH und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Angefochten wurde das vorinstanzliche Urteil einzig im Kostenpunkt. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es von einer mutwilligen Prozessführung der (im vorinstanzlichen Verfahren) klägerischen Vorsorgeeinrichtung ausging und ihr in der Folge die Hälfte der Gerichtskosten auferlegte und - trotz deren Obsiegen im Hauptpunkt - von einer Parteientschädigung an die Klägerin absah.  
 
2.2. Soweit die Vorsorgeeinrichtung nicht nur beantragt, dass sie keine Gerichtskosten zu tragen habe, sondern darüber hinaus verlangt, diese seien vollumfänglich der (im vorinstanzlichen Verfahren) Beklagten aufzuerlegen, ist mangels Rechtsschutzinteresses (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG) auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Das Verfahren nach Art. 73 BVG ist in der Regel kostenlos (Art. 73 Abs. 2 BVG; BGE 126 V 143 E. 4b). Diese bundesrechtliche Minimalanforderung steht unter dem Vorbehalt des allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Verfahrensgrundsatzes, dass die Partei nicht in Mutwilligkeit oder Leichtsinn verfallen ist. Die Bejahung einer mutwilligen oder leichtsinnigen Prozessführung führt nicht nur zur Pflicht, die Verfahrenskosten zu tragen, sondern begründet auch die Pflicht, die obsiegende Vorsorgeeinrichtung (und gegebenenfalls weitere Verfahrensbeteiligte), soweit anwaltlich vertreten, zu entschädigen, vorausgesetzt es finde sich im kantonalen Verfahrensrecht für einen solchen Parteientschädigungsanspruch die erforderliche gesetzliche Grundlage (BGE 128 V 323 E. 1a; Urteil B 108/01 vom 16. Oktober 2002 E. 5.1.1; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Begriffe der Mutwilligkeit und des Leichtsinns gehören dem Bundesrecht an. Ihre Tatbestände können als erfüllt betrachtet werden, wenn eine Partei Tatsachen wider besseres Wissen als wahr behauptet oder ihre Stellungnahme auf einen Sachverhalt abstützt, von dem sie bei der ihr zumutbaren Sorgfalt wissen müsste, dass er unrichtig ist. Mutwillig ist ferner das Festhalten an einer offensichtlich gesetzwidrigen Auffassung. Leichtsinnige oder mutwillige Prozessführung liegt aber so lange nicht vor, als es der Partei darum geht, einen bestimmten, nicht als willkürlich erscheinenden Standpunkt durch das Gericht beurteilen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht die Partei im Laufe des Verfahrens von der Unrichtigkeit ihres Standpunktes überzeugen und zu einem entsprechenden Verhalten (Beschwerde- oder Klagerückzug) veranlassen will. Die Erhebung einer aussichtslosen Beschwerde darf einer leichtsinnigen oder mutwilligen Beschwerdeführung nicht gleichgesetzt werden. Das Merkmal der Aussichtslosigkeit für sich allein lässt einen Prozess noch nicht als leichtsinnig oder mutwillig erscheinen. Vielmehr bedarf es zusätzlich des subjektiven - tadelnswerten - Elements, dass die Partei die Aussichtslosigkeit bei der ihr zumutbaren vernunftgemässen Überlegung ohne Weiteres erkennen konnte, den Prozess aber trotzdem führt. Mutwillige Prozessführung kann ferner darin begründet liegen, dass eine Partei eine ihr in dieser Eigenschaft obliegende Pflicht (Mitwirkungs- oder Unterlassungspflicht) verletzt (BGE 128 V 323 E. 1b; Urteil 8C_365/2015 vom 17. Juli 2015 E. 3.2 mit Hinweis auf Urteil 8C_903/2008 vom 27. März 2009 E. 4.1, zusammengefasst in Anwaltsrevue 6-7/2009 S. 333).  
 
4.  
Das kantonale Gericht hiess die Klage der Vorsorgeeinrichtung insoweit gut, als es die Beklagte verpflichtete, der Klägerin im Zusammenhang mit ausstehenden Beitragsforderungen den Betrag von Fr. 3'371.30 nebst Zins zu 6 % seit dem 1. Januar 2021 zu bezahlen. Den Antrag der Klägerin auf Zusprechung einer reglementarisch festgelegten Prozessentschädigungspauschale in der Höhe von Fr. 1'250.- wies es dagegen ab. Da es sowohl das Verhalten der Klägerin als auch jenes der Beklagten als mutwillig qualifizierte, wich es vom Grundsatz der Kostenfreiheit (vgl. E. 3.1) ab und auferlegte den Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte. Zudem sah das kantonale Gericht von einer Parteientschädigung an die obsiegende Vorsorgeeinrichtung ab; dies obwohl es wegen des mutwilligen Verhaltens der Beklagten eine solche gestützt auf § 34 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht (GSVGer/ZH; LS 212.81) grundsätzlich als geschuldet erachtete. Die Vorinstanz begründete die Mutwilligkeit der Prozessführung der Klägerin mit deren Antrag auf Zusprechung einer Pauschale von Fr. 1'250.-, obschon diese bereits wiederholt auf die Unzulässigkeit einer reglementarisch festgelegten Prozessentschädigungspauschale hingewiesen worden sei und ihr im Falle eines Festhaltens an dieser Argumentation Kostenfolgen angedroht worden seien. 
 
5.  
 
5.1. Der Auffassung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden: Die klägerische Vorsorgeeinrichtung hat im Hauptpunkt (Beitragsforderungen) obsiegt; von einer mutwilligen Prozessführung auszugehen, weil sie sich im Kostenpunkt auf eine in ihrem Reglement vorgesehene Entschädigungspauschale beruft, ist mit der oben dargelegten Rechtsprechung (vgl. E. 3.2) nicht vereinbar. Dies gilt jedenfalls für die vorliegend geltend gemachte Pauschale, zeigt die Beschwerdeführerin doch auf, dass die Praxis des kantonalen Gerichts diesbezüglich keineswegs einheitlich ist. So hat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich in der Vergangenheit bereits wiederholt die Zulässigkeit einer reglementarisch festgelegten Prozessentschädigungspauschale bejaht und der Beschwerdeführerin eine entsprechende Entschädigung zugesprochen (vgl. Urteile des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Juni 2012 [BV.2012.00007], 12. Dezember 2014 [BV.2014.00077] und 30. Juni 2017 [BV.2017.00041]).  
 
5.2. Die Beschwerde ist demzufolge gutzuheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Urteils ist insoweit aufzuheben, als sie die Auferlegung der Gerichtskosten an die Vorsorgeeinrichtung betrifft. Dispositiv-Ziffer 3 ist aufzuheben und die Sache ist zur Neuverlegung der Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei hat sie zu berücksichtigen, dass seitens der Vorsorgeeinrichtung keine mutwillige Prozessführung vorliegt.  
 
6.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Dispositiv-Ziffer 2 des Urteils des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Mai 2022 wird insoweit aufgehoben, als sie die Auferlegung der Gerichtskosten an die Beschwerdeführerin betrifft. Dispositiv-Ziffer 3 wird aufgehoben und die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. Juni 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger