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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_375/2019  
 
 
Urteil vom 4. September 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Frey, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
beco Berner Wirtschaft, Arbeitslosenkasse Kanton Bern, Lagerhausweg 10, 3018 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 26. April 2019          (200 18 657 ALV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1957 geborene A.________ war von Januar 2006 bis Dezember 2017 teilzeitlich als Verkäuferin bei der Bäckerei/Konditorei B.________ GmbH tätig gewesen. Eine Weiterbeschäftigung durch die Stiftung C.________, die den Betrieb per 1. Januar 2018 übernommen hatte, lehnte sie ab und löste das Arbeitsverhältnis auf Ende Dezember 2017 auf. Die Pensionskasse D.________, bei der A.________ berufsvorsorgeversichert gewesen war, richtete ihr daraufhin eine Altersleistung von Fr. 9'940.- aus. Am 19. März 2018 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Am 26. März 2018 ersuchte sie ferner um Leistungen der Arbeitslosenversicherung ab 1. April 2018. 
Mit Verfügung vom 9. Mai 2018 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Bern (beco Berner Wirtschaft) einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mangels Erfüllung der Beitragszeit ab, woran sie mit Einspracheentscheid vom 12. Juli 2018 festhielt. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 26. April 2019 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr die gesetzlichen Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu gewähren. 
Die Arbeitslosenkasse beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden, wobei das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde legt, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über die Beitragszeit vorzeitig Pensionierter (namentlich Art. 13 Abs. 3 AVIG und Art. 12 AVIV) sind im angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben (vgl. auch BGE 126 V 393; 129 V 327 und THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 224 ff. S. 2331 ff. mit weiteren Hinweisen). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verneinenden Einspracheentscheid vom 12. Juli 2018 bestätigt hat. Dabei steht insbesondere die Frage im Raum, ob die Beschwerdeführerin als vorzeitig pensioniert im Sinne des Art. 12 Abs. 1 AVIV zu gelten hat und demzufolge nur Beitragszeiten nach der auf den 31. Dezember 2017 erfolgten Kündigung berücksichtigt werden können, was Vorinstanz und Verwaltung bejahen, die Versicherte hingegen verneint.  
 
3.   
Die Vorinstanz erwog, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Bäckerei/Konditorei B.________ GmbH sei die reglementarische Altersgrenze für die frühzeitige Pensionierung überschritten gewesen. Der Vorbezug einer Altersleistung der beruflichen Vorsorge setze voraus, dass die Erwerbstätigkeit endgültig aufgegeben werde. Die Versicherte habe am 12. Januar 2018 ein entsprechendes Formular "Meldung im Altersfall" unterzeichnet und einer vorzeitigen Pensionierung ausdrücklich zugestimmt. Sie habe sich unter klarem Hinweis auf die Alternativen für die Altersleistung entschieden. Von der berufsvorsorgerechtlich eingeräumten Möglichkeit, statt das Altersguthaben zu beziehen, das Kapital als Austrittsleistung entweder an eine neue Vorsorgeeinrichtung oder auf ein Freizügigkeitskonto überweisen zu lassen, habe sie keinen Gebrauch gemacht (vgl. Art. 2 ff. FZG). Daran ändere nichts, dass die Versicherte, wie sie einwende, zum damaligen Zeitpunkt die Konsequenzen bezüglich der Arbeitslosenversicherung nicht erkannt habe, zumal sie damals eine Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung offenbar gar nicht in Betracht gezogen habe. Die vorzeitige Pensionierung habe der Intention der Beschwerdeführerin entsprochen. Dies zeige auch der Umstand, dass sie sich nach der Kündigung nicht um eine neue Stelle bemüht habe, obwohl ihr (wegen einer klinisch manifesten Osteoporose) behandelnder Arzt eine leidensangepasste Tätigkeit stets für möglich angesehen habe (Bericht des Dr. med. E.________ vom 3. März 2018). Erst nachdem die Versicherte sich bereits berufsvorsorglich für die Frühpensionierung entschieden gehabt habe, sei die Anmeldung bei der Arbeitslosen- und Invalidenversicherung erfolgt. Der Tatbestand der freiwilligen vorzeitigen Pensionierung sei gegeben, weshalb die Beschwerdeführerin zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung nur berechtigt sei, wenn sie eine genügende Beitragszeit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 AVIV vorweisen könne, was zu verneinen sei. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin wurde unbestrittenermassen weder aus wirtschaftlichen Gründen noch aufgrund zwingender Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensioniert. Mit Unterzeichnung des Formulars am 12. Januar 2018 meldete sie der Vorsorgeeinrichtung vielmehr ausdrücklich den Eintritt des Versicherungsfalls Alter, nachdem ihr die Pensionskasse D.________ mit Schreiben vom 9. Januar 2018 vorgängig mit Blick auf ihr Vorsorgekapital die Möglichkeit aufgezeigt hatte, anstelle einer Altersleistung - und damit einer vorzeitigen Pensionierung - eine Austrittsleistung zu wählen. Dieses Schreiben der Pensionskasse D.________ orientierte sich in korrekter Weise an Art. 2 Abs. 1 bis FZG, wonach Versicherte auch eine Austrittsleistung beanspruchen können, wenn sie die Vorsorgeeinrichtung zwischen dem frühestmöglichen und dem ordentlichen reglementarischen Rentenalter verlassen und die Erwerbstätigkeit weiterführen oder als arbeitslos gemeldet sind. Nicht stichhaltig ist das Argument der Beschwerdeführerin, nach ihrem Verständnis hätte die Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung im Zeitpunkt des Schreibens bereits vorliegen müssen, um eine Austrittsleistung wählen zu können. Sofern sie sich über den Inhalt dieses Dokuments oder die Folgen ihrer Wahl nicht im Klaren gewesen wäre, wäre es ihr jedenfalls offen gestanden, sich mit der Pensionskasse in Verbindung zu setzen und um Erläuterung desselben zu bitten. Eine Rückantwortfrist wurde ihr bis 31. Januar 2018 eingeräumt; eine Anmeldung zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung bis zur Rückantwort wäre daher möglich gewesen. Dass sich die Beschwerdeführerin nicht arbeitslos gemeldet und auch keine neue Arbeitsstelle gesucht hatte, ist ihrem freiwilligen Entschluss geschuldet, wie die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig feststellte. Nicht als willkürlich gerügt wird in diesem Zusammenhang die Feststellung der Vorinstanz, sie sei zu keinem Zeitpunkt aus medizinischer Sicht vollständig arbeitsunfähig gewesen, weshalb die Stellensuche auch aus gesundheitlichen Gründen möglich gewesen wäre. Eine Anmeldung bei der Invalidenversicherung erfolgte sodann, selbst wenn sie eine frühzeitigere Anmeldung ins Auge gefasst haben mag, wie die Versicherte anführt, tatsächlich erst im März 2018, weshalb sie auch hieraus nichts zu ihren Gunsten ableiten kann. Überdies spricht die Wahl der Alters- anstatt der Austrittsleistung umso mehr für die Absicht, sich aus dem Erwerbsleben zurückziehen zu wollen, als gesundheitliche Gründe für die abgelehnte Weiterführung des Arbeitsverhältnisses bei der Bäckerei/Konditorei B.________ GmbH angeführt werden (vgl. BGE 129 V 327 E. 4.6 S. 334).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind insgesamt nicht offensichtlich unrichtig und ihre rechtliche Würdigung bundesrechtskonform, womit die vor der freiwilligen vorzeitigen Pensionierung zurückgelegte Beitragszeit gemäss Art. 12 Abs. 1 AVIV nicht anrechenbar ist. Erfüllt die Versicherte damit die Beitragszeit als Voraussetzung für einen Arbeitslosenentschädigungsanspruch nicht, stellt sich ferner die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 AVIG) oder der Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 30 AVIG) nicht. Eine diesbezüglich rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung kann dem kantonalen Gericht nicht vorgeworfen werden.  
 
4.2.2. Nicht durchzudringen vermag die Beschwerdeführerin sodann mit der Rüge, angesichts des geringen Umfangs der Altersleistung sei die Anwendung von Art. 12 AVIV gesetzeswidrig und mit Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 3 AVIG nicht zu vereinbaren. Sie führe zu einem stossenden Ergebnis. Das Bundesgericht hat in BGE 129 V 327 E. 4.6 S. 333 f. die Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit des Art. 12 AVIV bejaht, soweit darin von Personen, die sich durch die Wahl einer Alters- statt einer Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge freiwillig vorzeitig pensionieren lassen, die Erfüllung der Beitragszeit durch eine nach der Pensionierung ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung verlangt wird und zwar unabhängig von der Höhe der in Frage kommenden Leistungen (BGE 129 V 327 E. 4.4 S. 332). Deshalb ist unerheblich, dass es hier um eine Kapitalabfindung von geringer Höhe geht. Es besteht kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. Für die Qualifikation als Altersleistung ist es schliesslich unerheblich, ob es sich um eine Altersrente oder eine Kapitalabfindung handelt (Art. 37 Abs. 3 BVG). Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem beco Berner Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla