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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_469/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. Dezember 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Radek Janis, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Menschenhandel, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 25. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 25. März 2014 zweitinstanzlich von den Vorwürfen des Menschenhandels, der Förderung der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 116 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 [AuG; SR 142.20]) sowie der versuchten Erpressung frei. Es verurteilte sie wegen versuchten betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage und der Verschaffung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz ohne die erforderliche Bewilligung (Art. 116 Abs. 1 lit. b AuG) zu einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu Fr. 40.--. 
 
B.   
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts sei in Bezug auf den Freispruch betreffend Menschenhandel aufzuheben. Die Sache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 X.________ erhebt ihrerseits Beschwerde an das Bundesgericht (6B_484/2014). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die zwei Beschwerden richten sich zwar gegen denselben Entscheid, betreffen aber unterschiedliche, voneinander unabhängige Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich nicht, die Verfahren zu vereinigen. 
 
2.   
Die Vorinstanz stellt fest, A.________ habe der Beschwerdegegnerin und deren Bruder für ihre Vermittlung Fr. 14'000.-- zu bezahlen gehabt. Davon habe sie Fr. 3'000.-- bereits vor ihrem Abflug beglichen. Den restlichen Betrag hätte sie an die Beschwerdegegnerin leisten müssen. Es sei erstellt, dass sie deren Bruder als Sicherheit ein verkehrsfähiges Dokument über das Grundstück ihrer Mutter übergeben habe (Urteil S. 16 E. 2.c). Ebenso sei erstellt, dass die Tätigkeit von A.________ als Tänzerin im Cabaret auch sexuelle Dienstleistungen und die Animation zum Kauf von Champagner umfasst habe. Dies sei der Beschwerdegegnerin, die im selben Cabaret gearbeitet habe, bekannt gewesen. Demgegenüber könne nicht erstellt werden, dass A.________ bei der Erbringung der sexuellen Dienstleistungen externem und insbesondere von der Beschwerdegegnerin herrührendem Zwang unterlegen sei. Sie führe zu deren Rolle aus, diese habe sich darauf beschränkt, ihr die Arbeitsstelle zu zeigen und dabei zu erklären, sie müsse trinken. Der Lohn und die Kommission komme von den Getränken, auch durch das Séparée. Ab Fr. 10'000.-- Umsatz und Kommission werde der Arbeitsvertrag verlängert. Die Beschwerdegegnerin sei nicht die Chefin gewesen. Gemäss Aussagen von A.________ habe zwar die Erwartungshaltung der Etablissementleitung - allenfalls auch der übrigen Tänzerinnen - bestanden, dass jeder, der eine Flasche Champagner kaufe, im Séparée auch sexuell bedient werde. Gleichzeitig habe sie aber erklärt, dass die Ablehnung eines Freiers wohl möglich gewesen wäre, aber "da alle es so gemacht" hätten, habe sie es auch gemacht. Die Beschwerdegegnerin, B.________ (die Bardame des Cabarets) und die Arbeitskolleginnen hätten gesagt, dass sie keinen neuen Arbeitsvertrag erhalte, wenn sie den Umsatz nicht erreiche. Wenn sie abgelehnt hätte, wäre sie von B.________ beschimpft worden (Urteil S. 16 f. E. 2.d und e). 
 
 Die Vorinstanz erwägt, selbst wenn B.________ als Respektsperson anzusehen wäre, vermöge eine Aufforderung Kunden nicht abzuweisen, und die diffuse Angst vor Beschimpfung keinen eigentlichen, unmittelbaren Zwang von hinreichender Intensität zu begründen. B.________ habe ausgesagt, sie habe A.________ lediglich wegen ihres Zuspätkommens zurechtgewiesen und ihr gesagt, dass ihr Vertrag so nicht verlängert werde. Dies sei nicht unglaubhaft. Im Übrigen korrespondiere alles mit der Aussage von A.________, schon gewusst zu haben, was sie hier machen würde. Es sei ihr aber nicht bewusst gewesen, wie streng dieser Job sein würde. Ein strenger Job sei jedoch nicht gleichzusetzen mit erzwungener Prostitution. Dass sich die Abweisung eines Freiers auf ihren Champagnerumsatz und damit auf ihr Einkommen ausgewirkt hätte, vermöge auch keine wesentliche Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit zu begründen, da eine Beteiligung von 5 % (ab Fr. 10'000.-- Umsatz/Monat) neben dem Hauptverdienst als deutlich untergeordnet erscheine. A.________ sei der Prostitution nicht grundsätzlich abgeneigt gewesen, mithin hätte bei Abweisung bestimmter Freier der Umsatz nur diesbezüglich gefehlt (ebenso wie das gemäss ihrer Angabe durch die Prostitution zusätzlich erzielbare Trinkgeld von bis ca. Fr. 400.-- pro Kunde). Vor diesem Hintergrund sei nicht davon auszugehen, dass ihre Chancen, erneut einen Vertrag mit dem Cabaret erhalten zu können, durch die vereinzelte Zurückweisung von Freiern wesentlich beeinträchtigt worden wäre (Urteil S. 17 f. E. 2.e). 
 
 Die Vorinstanz führt weiter aus, ein finanzieller Zwang, jeden Kunden zu bedienen, könne daraus resultieren, dass A.________ die Fr. 11'000.-- habe begleichen müssen. Auch daraus lasse sich jedoch kein Zwang zur vorbehaltlosen Prostitution ableiten. Gemäss ihren Angaben seien weder eine Zahlungsfrist noch -konditionen vereinbart worden. Sie habe sich dazu bei Abschluss der Vereinbarung keine Gedanken gemacht. Ihr Aufenthalt in der Schweiz hätte acht Monate dauern sollen. Ihr Monatseinkommen habe nach Abzug von Kost und Logis Fr. 2'300.-- betragen. Hinzu kämen die Umsatzbeteiligung am Champagnerverkauf und das Trinkgeld für sexuelle Dienstleistungen von durchschnittlich Fr. 100.-- pro Kunde, mit deren Erbringung A.________ ja grundsätzlich einverstanden gewesen sei. Insofern sei ihr selbst bei Annahme, dass die Vermittlungsgebühr innerhalb des ersten Aufenthalts zurückzubezahlen gewesen wäre, immer noch substanziell mehr Einkommen geblieben, als sie in Thailand hätte verdienen können. Diesbezüglich habe sie ausgeführt, dass selbst Akademiker monatlich maximal ca. Fr. 270.-- verdienen. Daraus erhelle, dass es sich A.________ auch mit Blick auf eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beschwerdegegnerin hätte leisten können, einzelne Freier abzuweisen. Mithin sei festzuhalten, dass sie in der Schweiz genau jene Tätigkeit ausgeübt habe, über die sie gemäss eigenen Angaben bereits in Thailand detailliert aufgeklärt worden sei und in welche sie (inkl. Prostitution) auch eingewilligt habe (Urteil S. 18 f. E. 2.e). 
 
3.   
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 182 Abs. 1 StGB und wirft der Vorinstanz eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts vor. Menschenhandel sei ein Tätigkeitsdelikt. Ein über das Handeltreiben hinausgehender "Erfolg" sei nicht vorausgesetzt. Der Tatbestand sei bereits erfüllt, wenn der Handel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung erfolgt sei. Somit habe die Beschwerdegegnerin den Tatbestand schon mit der Vermittlung von A.________ an die Agentur erfüllt. Ihr Einwirken auf die Prostitutionstätigkeit in der Schweiz sei nicht nötig. Weiter unterstelle die Vorinstanz, A.________ sei in der Ausübung der Prostitution frei gewesen, weil sie selbst bei der Annahme, dass die Vermittlungsgebühr beim ersten Aufenthalt zurückzubezahlen gewesen wäre, immer noch substanziell mehr Einkommen gehabt hätte als in Thailand. Die Vorinstanz stelle fest, A.________ habe nach Abzug von Kost und Logis Fr. 2'300.-- erhalten, womit ihr bei Rückzahlungen von Fr. 1'700.-- monatlich noch Fr. 600.-- verblieben wären. Dabei gehe sie aktenwidrig davon aus, im Tänzerinnenvertrag seien Kost und Logis enthalten gewesen. Weiter verkenne die Vorinstanz, dass A.________ auch noch für die Krankenkasse habe aufkommen müssen. Entsprechend dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum habe ihr Einkommen nicht einmal für ihre monatlichen Bedürfnisse gereicht. Daher sei sie gezwungen gewesen, einen Nebenverdienst als Prostituierte zu erzielen und habe auch keine Freier abweisen können (Beschwerde S. 3 ff. Ziff. 2.4 und 3).  
 
3.2. Die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung ist unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen genügt. Soweit sich die Beschwerdeführerin über die vorinstanzliche Beweiswürdigung hinwegsetzt, die tatsächlichen Feststellungen ergänzt und eine eigene Würdigung vornimmt, ohne dass sich aus ihren Ausführungen ergäbe, dass und inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz willkürlich und ihre tatsächlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig wären, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 134 IV 36 E. 1.4.1; zu den Begründungsanforderungen Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228 mit Hinweisen). Dies ist der Fall, wenn sie ohne weitere Begründung ausführt, bei A.________ habe zweifellos vor der Einreise in die Schweiz ein Willensmangel bestanden, der auf der unvollständigen Information der Beschwerdegegnerin beruht habe (Beschwerde S. 5 Ziff. 3.1.3).  
 
 Der Beschwerdeführerin ist zwar beizupflichten, dass die Vorinstanz bei der Berechnung der finanziellen Verhältnisse von A.________ in der Schweiz unzutreffend davon ausgeht, gemäss Vertrag habe ihr Monatseinkommen nach Abzug von Kost und Logis Fr. 2'300.-- betragen (Urteil S. 18; Beschwerde S. 4 Ziff. 3.1.2). Die Kosten für die Unterkunft werden direkt von der Bruttogage abgezogen, während die Essenskosten in der monatlichen Nettogage von rund Fr. 2'300.-- nicht mitberücksichtigt sind (kantonale Akten act. 10/2-5). Entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin sind die Kosten für die Krankenkasse darin aber einbezogen (vgl. 5. Abzug bei der Bruttogage II, KK-Beitrag [fix] SWICA Fr. 386.80). Trotz diesen Klarstellungen sind die Feststellungen der Vorinstanz, A.________ habe substanziell mehr Einkommen gehabt, als in Thailand, und sie hätte es sich auch mit Blick auf eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beschwerdegegnerin leisten können, einzelne Freier zurückzuweisen, nicht zu beanstanden. Diese Bereinigungen sind für den Ausgang des Verfahrens daher nicht entscheidend. 
 
3.3. Des Menschenhandels nach Art. 182 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung seiner Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans. Das Anwerben eines Menschen zu diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt. Dieser Tatbestand schützt Opfer, die etwa unter Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnützung besonderer Hilflosigkeit zum Zweck der Ausbeutung angeworben und ins Ausland gebracht werden (vgl. Art. 3 lit. a des Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels; SR 0.311.542). Das Unrecht besteht in der Ausnützung einer Machtposition durch den Täter und Aufhebung des Selbstbestimmungsrechts des Opfers, über das wie über ein Objekt verfügt wird.  
 
 Der am 1. Dezember 2006 in Kraft getretene Art. 182 StGB erfuhr im Vergleich zu Art. 196 aStGB eine Erweiterung. Im Bereich der sexuellen Ausbeutung hat die Revision materiell keine Änderung gebracht. Die diesbezügliche Rechtsprechung ist weiterhin massgebend (Urteil 6B_1006/2009 vom 26. März 2010 E. 4.2.1 mit Hinweis). 
 
 Nach der Rechtsprechung liegt in der Regel Menschenhandel vor, wenn junge, aus dem Ausland kommende Frauen unter Ausnützung einer Situation der Verletzlichkeit zur Prostitution engagiert werden. Diese besondere Situation kann in prekären wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnissen oder in einschränkenden persönlichen und/oder finanziellen Abhängigkeiten bestehen. Eine Einwilligung in die Tätigkeit als Prostituierte und in die (illegale) Überführung in die Schweiz ist mithin nicht wirksam, wenn sie auf derartige Umstände der Betroffenen im Herkunftsland zurückzuführen ist. Bei dieser Sachlage verfügt diese nicht über die erforderliche Entscheidungsfreiheit (BGE 129 IV 81 E. 3.1; 128 IV 117 E. 4a-c; 126 IV 225 E. 1c f. am Ende; Urteil 6B_81/2010 bzw. 6B_126/2010 vom 29. April 2010 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
 
3.4. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie die Beschwerdegegnerin vom Vorwurf des Menschenhandels freispricht. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass der Tatbestand bereits erfüllt ist, wenn der Handel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung erfolgte, ohne dass diese tatsächlich eingetreten sein muss. Allerdings schliesst die in Kenntnis der konkreten Sachlage erteilte und ihrem tatsächlichen Willen entsprechende Zustimmung der betroffenen Person einen Menschenhandel aus. Ob diese selbstbestimmt gehandelt hat, ist anhand der konkreten Umstände zu beurteilen (BGE 129 IV 81 E. 3.1.; 128 IV 117 E. 4a-c; 126 IV 225 E. 1c f. am Ende; Urteil 6B_81/2010 bzw. 6B_126/2010 vom 29. April 2010 E. 4.1; je mit Hinweisen). Gestützt auf ihre tatsächlichen Feststellungen muss mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass A.________ selbstbestimmt und mit der erforderlichen Entscheidungsfreiheit handelte. Sie war vor ihrer Einreise in die Schweiz hinreichend über die auszuübende Tätigkeit informiert. Sie ging der Prostitution aus freien Stücken nach, da hierzu weder ein Zwang, prekäre wirtschaftliche oder soziale Verhältnisse oder einschränkende persönliche oder finanzielle Abhängigkeiten bestanden, namentlich auch hinsichtlich der Abweisung gewisser Freier.  
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Parteientschädigung auszurichten, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren keine Kosten entstanden sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Dezember 2014 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini