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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_465/2023  
 
 
Urteil vom 6. März 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiber Hongler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Donato Del Duca, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, 
Migrationsamt, 
Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung / 
Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Solothurn vom 7. Juli 2023 
(VWBES.2022.363). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1985) stammt aus Tansania. Am 20. September 2016 heiratete sie den Schweizer Staatsangehörigen B.________ (geb. 1962), woraufhin sie am 17. Dezember 2016 in die Schweiz einreiste und ihr der Kanton Solothurn am 22. Dezember 2016 eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleib beim Ehegatten erteilte. Diese wurde zuletzt bis zum 31. Dezember 2019 verlängert. 
Am 4. Oktober 2019 begab sich A.________ in Spitalpflege, wo sie von häuslicher Gewalt seitens ihres Ehegatten berichtete. Die Ärzte informierten daraufhin die Polizei. In der Folge wurde ein Strafverfahren gegen B.________ eröffnet. Am 21. Oktober 2019 trat A.________ aus dem Spital direkt in das Frauenhaus F.________ aus, wo sie in der Folge bis zum 1. Januar 2020 blieb; im Anschluss trat sie (weiterhin begleitet von der Postvention des Frauenhauses F.________; Art. 105 Abs. 2 BGG) in eine eigene Wohnung aus. 
Mit Verfügung vom 10. Februar 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Kanton Solothurn ein gegen den Ehegatten eingeleitetes Strafverfahren wegen Vergewaltigung und Tätlichkeiten zum Nachteil von A.________ ein. 
Mit Urteil vom 9. November 2021 des Richteramts Solothurn Lebern wurde die Ehe zwischen A.________ und B.________ geschieden. 
 
B. Am 14. Oktober 2019 ersuchte A.________ um Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. Mit Schreiben vom 28. Mai 2021 stellte das Migrationsamt des Kantons Solothurn A.________ diverse Fragen zur Trennung. Am 23. Februar 2022 wurde ihr das rechtliche Gehör betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz gewährt.  
Mit Verfügung vom 22. September 2022 verweigerte das Migrationsamt die Verlängerung respektive Neuerteilung einer Aufenthaltsbewilligung an A.________. 
Das hiergegen erhobene Rechtsmittel wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 7. Juli 2023 unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und -verbeiständung ab, wobei das Verwaltungsgericht A.________ anwies, die Schweiz innert zwei Monaten nach Rechtskraft des Urteils zu verlassen. 
 
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 31. August 2023 beantragt die Beschwerdeführerin, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 7. Juli 2023 sei aufzuheben, es sei von einer Wegweisung von A.________ aus der Schweiz abzusehen, und es sei ihr die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz ordentlich zu verlängern. Es sei ihr im Verfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und der unterzeichnende Anwalt als unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bestimmen. Auf die Rückforderung der Kosten für den unentgeltlichen Rechtsvertreter sei sodann zu verzichten.  
Das Migrationsamt (namens des Departements des Innern) sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn verzichten auf eine Vernehmlassung und beantragen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das SEM hat sich nicht vernehmen lassen. 
Mit Verfügung vom 4. September 2023 hat die Abteilungspräsidentin das Gesuch um aufschiebende Wirkung als gegenstandslos abgeschrieben. Auf die Einholung eines Kostenvorschusses wurde verzichtet. Dem Bundesgericht liegen alle Akten vor, deren Beizug beantragt worden ist. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei während der Ehe mit einem Schweizer Staatsangehörigen Opfer häuslicher Gewalt geworden, weshalb ihr gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (nachehelicher Härtefall) ein Anspruch auf Weitergeltung der Aufenthaltsbewilligung zukomme. Damit macht sie in vertretbarer Weise einen potentiellen Bewilligungsanspruch geltend (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario); ob die Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, ist nicht Gegenstand der Eintretensfrage, sondern der materiellen Beurteilung (BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 139 I 330 E. 1). Die Beschwerdeführerin ist bereits im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt gewesen und dort mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen. Ausserdem ist sie durch das angefochtene Urteil in ihren schutzwürdigen Interessen besonders berührt. Sie ist somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5; 133 II 249 E. 1.4.1). Der Verletzung von Grundrechten geht das Bundesgericht nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2). Diese qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit nach Art. 106 Abs. 2 BGG verlangt, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4; 133 II 249 E. 1.4.2).  
 
2.2. Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (BGE 140 I 114 E. 3.3.4 mit Hinweisen; Urteile 2C_55/2023 vom 3. August 2023 E. 2.2; 2C_732/2022 vom 2. März 2023 E. 2.2). Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweisen). Offensichtlich unrichtig heisst willkürlich (Art. 9 BV; BGE 147 I 73 E. 2.2; 141 IV 317 E. 5.4 mit Hinweisen). Entsprechende Mängel sind in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufzuzeigen (Art. 106 Abs. 2 BGG); auf rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteil 2C_1057/2022 vom 31. Mai 2023 E. 2.2).  
Insofern die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe neben der rechtlichen Würdigung der Sache nach (auch) die Beweiswürdigung der Vorinstanz kritisiert, sind ihre Vorbringen nicht im dargelegten Sinne substantiiert. Damit ist nachfolgend auf den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt abzustellen. Insofern sich die Beschwerdevorbringen auf die rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts beziehen, sind sie im Folgenden zu beurteilen (dazu unten E. 5). 
 
3.  
Vorliegend ist unbestritten, dass die (in der Schweiz gelebte) Ehe der Beschwerdeführerin mit einem Schweizer Bürger weniger als drei Jahre gedauert hat, weshalb ein Aufenthaltsanspruch gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG ausscheidet und ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung lediglich im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG vorliegen könnte. 
Gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG besteht nach Auflösung der Ehe- oder Familiengemeinschaft weiterhin Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung des (ausländischen) Ehegatten, wenn wichtige Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (BGE 138 II 229 E. 3.1; sog. "nachehelicher Härtefall"; Urteile 2C_827/2022 vom 31. März 2023 E. 3.1; 2C_115/2022 vom 9. Juni 2022 E. 3.1). Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde oder die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AIG). 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe rechtsgenüglich dargetan, Opfer von ehelicher Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AIG geworden zu sein; weil deshalb ein nachehelicher Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG vorliege, habe sie nach Massgabe der genannten Bestimmung einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Sie greift damit insbesondere die Rechtsanwendung der Vorinstanz an, die einen Aufenthaltsanspruch im angefochtenen Urteil verneint. 
 
4.1. Nach der Rechtsprechung ist im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AIG jede Form ehelicher bzw. häuslicher Gewalt, sei sie körperlicher oder psychischer Natur, ernst zu nehmen. Häusliche Gewalt bedeutet systematische Misshandlung mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben (BGE 138 II 229 E. 3.2.1 mit Hinweisen). Auch psychische bzw. sozio-ökonomische Druckausübung wie dauerndes Beschimpfen, Erniedrigen oder Drohen kann einen für die Annahme eines nachehelichen Härtefalles relevanten Grad an unzulässiger Oppression erreichen. Dies ist praxisgemäss (nur) der Fall, wenn die psychische Integrität des Opfers bei einer Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft schwer beeinträchtigt würde. Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet indessen bereits einen nachehelichen Härtefall und ein weiteres Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Die anhaltende, erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen, dass von der betroffenen Person unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen die Ehe aufrechterhält und in einer ihre Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt (BGE 138 II 229 E. 3.2.2; Urteile 2C_435/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 5.1; 2C_1016/2021 vom 12. Oktober 2022 E. 4.2; 2C_423/2020 vom 26. August 2020 E. 2.2.1).  
 
4.2. Gemäss der nicht abschliessenden Aufzählung in Art. 77 Abs. 6 VZAE gelten als Hinweise für eheliche Gewalt insbesondere Arztzeugnisse (lit. a); Polizeirapporte (lit. b); Strafanzeigen (lit. c); Massnahmen im Sinne von Art. 28b ZGB (lit. d); oder entsprechende strafrechtliche Verurteilungen (lit. e). Gemäss Art. 77 Abs. 6bis VZAE werden die Hinweise und Auskünfte von spezialisierten Fachstellen bei der Prüfung der wichtigen persönlichen Gründe nach Art. 50 Abs. 1 Bst. b AIG mitberücksichtigt.  
In Zusammenhang mit der Geltendmachung von erlebter ehelicher Gewalt trifft die ausländische Person bei den Feststellungen des entsprechenden Sachverhalts eine weitreichende Mitwirkungspflicht. Sie muss eheliche Gewalt bzw. häusliche Oppression und deren Schwere in geeigneter Weise glaubhaft machen (Arztberichte oder psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte/Einschätzungen von Fachstellen, glaubwürdige Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen oder Nachbarn; vgl. zu den Beweisanforderungen: BGE 142 I 152 E. 6.2 mit Hinweisen). In diesem Fall trifft die Bewilligungs- bzw. Beschwerdeinstanz im Rahmen der Untersuchungsmaxime eine eigenständige Abklärungspflicht (Urteile 2C_1016/2021 vom 12. Oktober 2023 E. 4.3; 2C_752/2021 vom 22. November 2021 E. 3.2; 2C_585/2020 vom 22. März 2021 E. 3.2.2). Allgemein gehaltene Behauptungen oder Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen hingegen nicht (BGE 138 II 229 E. 3.2.3 mit Hinweisen). 
 
 
4.3. Unbestritten ist, dass es Ende September/Anfang Oktober 2019 zu einem Vorfall zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ex-Ehegatten kam. Infolgedessen begab sich die Beschwerdeführerin am 4. Oktober 2019 in Spitalpflege, wo sie von häuslicher Gewalt berichtete, weshalb die Ärzte die Polizei informierten. Die Eheleute bewerteten den Vorfall gemäss den Strafakten unterschiedlich. Gemäss der Beschwerdeführerin, die zu diesem Zeitpunkt an einer Erkrankung im Intimbereich (unter anderem Geschwüre an den äusseren Geschlechtsorganen) litt, habe der Ex-Ehegatte vaginalen Geschlechtsverkehr erzwungen, obwohl sie unter grossen Schmerzen gelitten, geweint, und sich gewehrt habe. Gemäss ihrem Ex-Ehegatten habe er erst nach dem (einvernehmlichen) Geschlechtsverkehr erfahren, dass die Beschwerdeführerin unter Schmerzen gelitten habe. Nach einem mehrwöchigen Spitalaufenthalt trat die Beschwerdeführerin am 21. Oktober 2019 aus dem Spital direkt ins Frauenhaus F.________ aus. Dort hielt sie sich in der Folge über zwei Monate lang auf. Am 1. Januar 2020 verliess die Beschwerdeführerin das Frauenhaus, wobei sie nicht zum Ex-Ehegatten zurückkehrte, sondern stattdessen in eine eigene Wohnung austrat, wobei sie mindestens bis Ende Februar 2020 noch durch das Frauenhaus F.________ begleitet wurde.  
Im angefochtenen Urteil stellte die Vorinstanz fest, dass sich aus den differenzierten Angaben insbesondere der Beschwerdeführerin ein detailliertes Bild einer wenig erfahrenen, jungen Frau ergebe, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Schweiz in eine ungesunde und gefährliche Abhängigkeit zu einem ihr intellektuell unterlegenen Mann begeben habe, der ihre Bedürfnisse nicht habe erkennen oder respektieren können. Auch wenn der Tatbestand der Vergewaltigung durch den Vorfall vom 30. September 2019 in strafrechtlicher Hinsicht verneint und das Strafverfahren letztlich eingestellt worden sei, habe es sich klar um einen unzulässigen sexuellen Übergriff auf die Beschwerdeführerin gehandelt. Es sei nachvollziehbar, dass sich die Beschwerdeführerin nach diesem Vorfall von ihrem Ehemann getrennt habe, und dass sie nicht mehr zu ihm habe zurückkehren wollen. Die Beschwerdeführerin habe aber klar angegeben, es sei das erste Mal gewesen, dass ihr Ehegatte sie zu sexuellem Kontakt gegen ihren Willen gezwungen habe; sonst habe sie zu den sexuellen Kontakten (trotz Desinteresse) jeweils eingewilligt. Sie habe im Strafverfahren denn auch angegeben, ihr Ehegatte sei eigentlich ein guter Mann und dass sie ihn nicht anzeigen wolle, um ihn schlecht zu machen. Dieses Gefühl habe sie nicht, aber sie wolle ein zufriedenes Leben haben und frei sein, auch mit ihren Nachbarn zu sprechen. Gegenüber dem Migrationsamt habe sie zudem angegeben, dass sie ihren Mann nicht habe anzeigen wollen, weil sie ihn geliebt und gehofft habe, es könnte besser werden. 
In der Folge erwog die Vorinstanz, es könne nicht geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin in einer ihre Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung hätte ausharren müssen, und dass ihr die Weiterführung ihrer Lebensgemeinschaft schlicht nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Zwar sei erkennbar, dass die Beziehung unter mehreren Aspekten (insbesondere auch auf sexueller Ebene) problematisch gewesen sei, doch bestünden keine Hinweise, dass die Beschwerdeführerin diese Ehe nicht aus freiem Willen eingegangen wäre; sie habe nicht nachgewiesen, dass die Druckausübung des Ehegatten derart intensiv und konstant und für sie derart belastend gewesen wäre, dass ihre psychische Integrität durch einen weiteren Verbleib bei ihm ernsthaft gefährdet worden wäre. Sie könne deshalb weder gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG noch aus einer anderen Rechtsgrundlage einen Anspruch auf Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltsbewilligung ableiten. 
 
4.4. Zu prüfen ist, ob die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 50 Abs. 2 AIG verletzt.  
Abzustellen ist dafür auf den von der Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. oben E. 2); dabei ist zu beachten, dass die Vorinstanz die Angaben insbesondere der Beschwerdeführerin soweit ersichtlich als glaubhaft erachtet hat (vgl. anders bspw. das Urteil 2C_45/2021 vom 12. März 2021 E. 4.1-4.3). 
 
4.4.1. Gemäss den im Urteil der Vorinstanz ausführlich aufgeführten Beweiselementen (polizeiliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin vom 5. Oktober 2019; polizeiliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 21. Oktober 2019; Schreiben des Ehegatten vom 25. Oktober 2019; polizeiliche Einvernahme des Ehegatten vom 29. Oktober 2019; Bericht des Frauenhauses F.________ von Februar 2020) sagte die Beschwerdeführerin - detailliert und über die verschiedenen Beweiselemente weitgehend übereinstimmend - aus, der Ehemann habe sehr oft sexuellen Kontakt gewünscht; sie habe dann jeweils eingewilligt, aber nur unter der Bedingung, dass es nach zwei Tagen auch wieder einen Tag Pause gebe respektive dass sie eine Pause haben könne, wenn sie ihre Periode habe. Im Bericht des Frauenhauses F.________ von Februar 2020 - der im angefochtenen Urteil ebenfalls ausführlich wiedergegeben wird - hält die Beraterin fest, laut der Beschwerdeführerin habe ihr Ehemann ihr gesagt, sie sei nur "fürs Kochen, Putzen und [ihn] sexuell zu befriedigen" da. Ebenfalls übereinstimmend gab die Beschwerdeführerin an, ihr Ex-Gatte habe sie im Alltag kontrolliert. So habe sie beispielsweise nicht in die Waschküche gehen dürfen, weil seine Ex-Partnerin ihn in der Waschküche betrogen habe. Er habe sie auch sonst kontrolliert (Briefpost, Kontakt zu den Nachbarn) und sie ausserhalb des Hauses - so zum Deutschkurs - überallhin begleitet. Schliesslich habe er sie regelmässig beschimpft, und ihr gedroht, wenn sie nicht mache, was er wolle, würde sie in ihr Heimatland ausgeschafft.  
 
4.4.2. Auch der Vorfall von Ende September 2019 wird im angefochtenen Urteil eingehend thematisiert. Obwohl das Strafverfahren gegen den Ex-Ehegatten eingestellt wurde, zeugt der Umstand, dass dieser die Beschwerdeführerin trotz Geschwüren im Intimbereich zum Geschlechtsverkehr drängte (und diesen auch vollzog), von einer erheblichen Rücksichtslosigkeit gegenüber ihrer physischen und psychischen Integrität. Die Vorinstanz beurteilt den Vorfall denn auch ausdrücklich als unzulässigen sexuellen Übergriff. Sogar falls die Beschwerdeführerin - so die Einstellungsverfügung der Solothurner Staatsanwaltschaft - den Geschlechtsverkehr geduldet respektive implizit eingewilligt hat, unterstreicht der Vorfall unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung, dass der Ex-Ehegatte zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse die Beeinträchtigung der physischen (und psychischen) Integrität der Beschwerdeführerin ohne Weiteres in Kauf nahm. Die Beschwerdeführerin kehrte denn nach dem Vorfall und dem mehrwöchigen Spitalaufenthalt auch nicht etwa in die eheliche Wohnung zurück. Stattdessen begab sie sich für fast zweieinhalb Monate in ein Frauenhaus und lebt seither getrennt vom Ehemann. Diese Umstände zeigen die erhebliche Belastung der Beschwerdeführerin durch den Vorfall, vor dem Hintergrund einer mehrjährigen Abhängigkeitsbeziehung. Die konsequente Trennung und Distanzierung zum Ehegatten stellt dabei ein Indiz für die Unzumutbarkeit der Weiterführung der ehelichen Beziehung respektive das Vorliegen einer von Art. 50 Abs. 2 AIG erfassten Situation dar (vgl. e contrario : Urteil 2C_1004/2020 vom 23. März 2021 E. 4.2).  
 
4.4.3. Schliesslich ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil auch, dass die Beziehung und der Vorfall von Ende September 2019 bei der Beschwerdeführerin anhaltende psychische Folgen nach sich gezogen haben. Gemäss dem Bericht von Februar 2020 des Frauenhauses F.________ - wo sich die Beschwerdeführerin nach dem Vorfall von Ende September 2019 und einem mehrwöchigen Spitalaufenthalt während mehr als zwei Monaten aufhielt - war die Beschwerdeführerin aufgrund der erlebten Gewalt sehr verunsichert und fragil; sie habe sich langsam körperlich erholen können, habe aber unter einer depressiven Stimmung gelitten und immer wieder weinen müssen. Sie habe sich Vorwürfe gemacht, die Gewalt geduldet zu haben. Der Bericht verweist zudem darauf, dass die Beschwerdeführerin unter Flashbacks betreffend die erlittene sexuelle Gewalt leide, und dass sie Mühe habe, zu schlafen. Die Intensität der psychischen Belastung der Beschwerdeführerin wird auch dadurch untermauert, dass sie bereits in der Einvernahme vom 21. Oktober 2019 in Übereinstimmung mit dem Bericht des Frauenhauses geschildert hatte, sie habe manchmal wenn sie schlafe das Gefühl, ihr Ehegatte sei da, woraufhin sie aufwache und Angst habe.  
 
4.4.4. Der rechtliche Schluss im angefochtenen Urteil ist nicht mit den Feststellungen betreffend die Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ex-Ehegatten in Einklang zu bringen (vgl. auch oben E. 4.3). Es entleert den Sinngehalt von Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AIG wesentlich, wenn die Vorinstanz zwar einerseits (gestützt auf verschiedene Beweiselemente und die Aussagen der Betroffenen) eine ungesunde und gefährliche Abhängigkeit, eine auf sexueller Ebene problematische Beziehung sowie einen unzulässigen sexuellen Übergriff feststellt und es als nachvollziehbar bezeichnet, dass die Beschwerdeführerin nicht zu ihrem Ehemann habe zurückkehren wollen, andererseits aber darauf schliesst, das Weiterführen der Beziehung sei zumutbar. Daran ändert auch die Begründung der Vorinstanz, es bestünden keine Hinweise, dass die Beschwerdeführerin die Ehe nicht aus freiem Willen eingegangen sei, nichts: Selbstverständlich kann häusliche Gewalt auch vorkommen, wenn eine Beziehung (ursprünglich) einmal freiwillig eingegangen worden ist. Insgesamt ergibt sich aus dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt, dass die Beschwerdeführerin in einer Abhängigkeitsbeziehung zum Ehegatten stand, in der ihre Menschenwürde und Persönlichkeit systematisch verneint wurden. Hierfür liegen ausreichende (übereinstimmende) Indizien im Sinne von Art. 77 Abs. 6 und Abs. 6bis vor. Von der Beschwerdeführerin konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und insbesondere nach dem Vorfall von Ende September 2019 nicht vernünftigerweise erwartet werden, die Beziehung einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen aufrechtzuerhalten.  
 
4.4.5. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht mit seiner rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts Bundesrecht verletzt. Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG i.V.m. Art. 50 Abs. 2 AIG.  
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist begründet und deshalb gutzuheissen. Das Urteil der Vorinstanz wird aufgehoben und das Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, angewiesen, der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG i.V.m. Art. 50 Abs. 2 AIG zu erteilen.  
 
5.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird dadurch gegenstandslos. Zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfrage für das kantonale Verfahren wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 i.V.m. Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 7. Juli 2023 wird aufgehoben und das Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, angewiesen, der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfrage für das kantonale Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. März 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: D. Hongler