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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_93/2021  
 
 
Urteil vom 5. Mai 2021  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Grimmer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Arbeitslosenkasse syndicom, 
Looslistrasse 15, 3027 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (versicherter Verdienst), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. November 2020 (AL.2019.00137). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1966 geborene A.________ war als Personalfachfrau mit einem Beschäftigungsgrad von 70 % bei der B.________ AG angestellt. Am 13. März 2017 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug an. Per Ende Juni 2017 wurde das obige Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. In diesem Zeitpunkt war A.________ wegen Krankheit zu 50 % arbeitsunfähig. Am 28. Juni 2017 meldete sie sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Bülach zur Arbeitsvermittlung ab 1. Juli 2017 an. Am 7. Juli 2017 stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2017. Per Ende September 2017 meldete sie sich wieder ab. Nach einer weiteren Anmeldung beim RAV Bülach vom 27. Februar 2018 meldete sie sich am 2. Juli 2018 wieder ab. Am 27. Dezember 2018 meldete sich A.________ beim RAV Bülach erneut zur Arbeitsvermittlung an. Am 28. Januar 2019 stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2017 sowie ab 27. Februar und 27. Dezember 2018. Mit Verfügung vom 19. Februar 2019 sprach die IV-Stelle A.________ vom 1. Februar 2018 bis 31. Mai 2018 eine ganze Invalidenrente zu. Mit Verfügung vom 8. März 2019 setzte die Arbeitslosenkasse syndicom (nachfolgend Kasse) den versicherten Verdienst auf Fr. 4252.- fest. Hieran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 10. April 2019 fest. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde der A.________ setzte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ihren versicherten Verdienst ab 1. Januar 2019 auf Fr. 5103.- fest (Entscheid vom 30. November 2020). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei der versicherte Verdienst per 1. Januar 2019 bei einem Vermittlungsgrad von 70 % auf Fr. 5954.- festzulegen. Es seien ihr die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zwecks weiterer Abklärung an die Vorinstanz bzw. die Kasse zurückzuweisen. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. Mit Eingabe vom 3. Februar 2021 brachte die Beschwerdeführerin zwei Korrekturen betreffend ihre Beschwerdebegründung an. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den versicherten Verdienst der Beschwerdeführerin ab 1. Januar 2019 auf Fr. 5103.- festsetzte.  
 
2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Taggeldbemessung (Art. 22 AVIG) und den Begriff des versicherten Verdienstes (Art. 23 Abs. 1 AVIG; Art. 37, Art. 40b AVIV; BGE 142 V 380 E. 3.2.2, 140 V 89 E. 5.2, 133 V 530 E. 4.1.2 und 524, 132 V 357 E. 3.2.4.3) richtig dargelegt. Gleiches gilt für die Rechtsprechung zum massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1). Darauf wird verwiesen.  
Zu wiederholen ist, dass der nach Art. 23 Abs. 1 AVIG und 37 AVIV ermittelte Verdienst dem "Vermittlungsgrad" anzupassen und entsprechend zu kürzen ist (Urteil 8C_736/2011 vom 8. November 2011 E. 2.3). Gemäss AVIG-Praxis ALE Rz. C23 Satz 2 ist der versicherte Verdienst entsprechend zu reduzieren, wenn der gewünschte Beschäftigungsgrad unter dem Beschäftigungsgrad im Bemessungszeitraum liegt. 
 
3.   
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, unbestritten sei, dass die Rahmenfrist für den Leistungsbezug am 1. Juli 2017 eröffnet und der Durchschnittslohn der Beschwerdeführerin der letzten sechs respektive zwölf Beitragsmonate (Art. 37 Abs. 1 und 2 AVIV) davor grundlegend sei. Ihr Gehalt bei der B.________ AG habe von Januar bis Juni 2017 Fr. 5495.- pro Monat zuzüglich Anteil 13. Monatslohn, insgesamt damit gerundet Fr. 5953.- (Fr. 71'435 : 12), betragen. Zum Vermittlungsgrad der Beschwerdeführerin sei den Akten Folgendes zu entnehmen: Bei der ersten Anmeldung zur Arbeitsvermittlung vom 28. Juni 2017 habe sie einen Beschäftigungsgrad von 80 % aufgeführt, den sie in der Anmeldebestätigung vom 7. Juli 2017 auf 70 % korrigiert habe. Bei der zweiten Anmeldung vom 27. Februar 2018 sei ein Beschäftigungsgrad von 60 % vermerkt worden. Bei der dritten Anmeldung vom 27. Dezember 2018 sei in der Anmeldebestätigung vom 8. Januar 2019 ein Beschäftigungsgrad von 70 % aufgeführt worden, der in der Anmeldebestätigung vom 11. Januar 2019 wieder auf 60 % reduziert worden sei. Im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 28. Januar 2019 habe die Beschwerdeführerin vermerkt, sie sei bereit und in der Lage, in einem Pensum von höchstens 70 % einer Vollzeitbeschäftigung zu arbeiten. Im Lichte dieser unterschiedlichen Aussagen falle entscheidend ins Gewicht, dass sie in den Angaben der versicherten Person (AVP) der Monate Dezember 2018 bis Mai 2019 die Frage, ob sie im gleichen Umfang (%) Arbeit suche wie im Vormonat, jeweils mit "Ja" und mit dem Vermerk "60 %" beantwortet habe. Die Angabe im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 28. Januar 2019, sie sei bereit und in der Lage, ein Teilzeitpensum von höchstens 70 % einer Vollzeitbeschäftigung auszuüben, vermöge nicht in Zweifel zu ziehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich ein Arbeitspensum von 60 % angestrebt habe. Ihr Einwand, die Nennung einer 60%igen Stelle in den AVP-Formularen entspreche ihrem Wunschpensum und heisse nicht, dass sie nicht auch eine Stelle mit einem 70%igen Pensum annähme, bestätige gerade, dass sie in erster Linie eine 60%ige Arbeitsstelle angestrebt habe. Dies bedeute nichts anderes, als dass sie bei zwei gleichwertigen Stellenangeboten mit einem 60%igen und einem 70%igen Pensum jene Stelle mit dem Pensum von 60 % annehmen würde. Daher sei auch ihr weiterer Einwand, sie habe sich auf Stellen mit einem Pensum zwischen 40 % und 80 % beworben, nicht ausschlaggebend. Da der Beschäftigungsgrad ab 1. Januar 2019 unter denjenigen vor der Eröffnung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug falle, sei der versicherte Verdienst dem gewünschten Beschäftigungsgrad anzupassen. Das kantonale Gericht setzte den versicherten Verdienst gestützt auf einen Beschäftigungsgrad von 60 % auf Fr. 5103.- fest. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, ihre Angaben zum "Vermittlungsgrad" seien variierend. Dennoch zeige die Auflistung seit der Anmeldebestätigung zur Arbeitsvermittlung vom 28. Juni 2017 auf, dass sie den Beschäftigungsgrad von 60 % ungefähr gleich oft wie denjenigen von 70 % genannt habe. Entgegen der Kasse sei es somit nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie lediglich ein 60%iges Pensum angestrebt habe. Dies ergebe sich auch daraus, dass sie vor Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses mehr als ein Jahr lang mit einem Pensum von 70 % gearbeitet habe. Die Kasse selbst sei stets der Ansicht gewesen, dass sie eine Arbeit mit einem Pensum von mindestens 70 % suche. Dies zeige sich an ihren Taggeldabrechnungen von März bis Juni 2018. Weiter sei zu beachten, dass sie von der IV-Stelle im Rahmen der Verfügung vom 19. Februar 2019 als Teilerwerbstätige, bei einem Erwerbsanteil von 70 % taxiert worden sei. Diesen Punkt habe die Vorinstanz ausser Acht gelassen, obwohl selbst die Kasse in der Verfügung vom 8. März 2019 und im strittigen Einspracheentscheid vom 10. April 2019 entsprechend der IV-Stelle von einem 70%igen Pensum der Beschwerdeführerin ausgegangen sei. Erst im Rahmen der vorinstanzlichen Beschwerdeantwort habe die Kasse erstmals vorgebracht, die Beschwerdeführerin suche eine 60%ige Arbeitsstelle. Dies sei treuwidrig. Folglich sei die vorinstanzliche Begründung und Beweiswürdigung willkürlich. Zudem habe sie vorinstanzlich die Edition der Nachweise ihrer Arbeitsbemühungen durch das RAV verlangt. Aus diesen wäre ersichtlich gewesen, dass sie sich auf Stellen mit Pensen von 40 % bis 80 % beworben und damit keine 60%igen Stellen bevorzugt habe. Indem die Vorinstanz diese Edition unterlassen habe, habe sie ihren Gehörsanspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin reicht vor Bundesgericht erstmals die Taggeldabrechnungen von März bis Juni 2018 ein. Diese sind weder in den Verwaltungsakten noch in den vorinstanzlichen Akten enthalten. Da diese Taggeldabrechnungen vor dem angefochtenen Gerichtsentscheid vom 30. November 2020 datieren, handelt es sich um unechte Noven, deren Einbringung vor Bundesgericht nur im Rahmen von Art. 99 Abs. 1 BGG zulässig ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass für die Zulässigkeit unechter Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 143 V 19 E. 1.2). Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass ihr die Einreichung dieser Taggeldabrechnungen bei der Vorinstanz trotz hinreichender Sorgfalt prozessual unmöglich und objektiv unzumutbar war. Diese Unterlagen und die darauf basierenden Ausführungen der Beschwerdeführerin sind somit unbeachtlich (Urteil 8C_598/2020 vom 3. Dezember 2020 E. 5).  
 
4.3. Nicht stichhaltig ist die Berufung der Beschwerdeführerin auf die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Februar 2019, worin sie als zu 70 % Erwerbstätige qualifiziert wurde. Denn diese Verfügung betraf den Zeitraum der vom 1. Februar 2018 bis 31. Mai 2018 befristeten Rentenzusprache. Vorliegend geht es indessen um die Zeit ab 1. Januar 2019.  
 
4.4. Es trifft zu, dass die Kasse mit Verfügung vom 8. März 2019 bzw. mit dem strittigen Einspracheentscheid vom 10. April 2019 unter Verweis auf die Einschätzung der IV-Stelle noch von einem mutmasslichen 70%igen Arbeitspensum der Beschwerdeführerin ausging. Die Vorinstanz hat indessen richtig erkannt, dass hierbei die von der Beschwerdeführerin seit 1. Januar 2019 wiedererlangte 100%ige Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit unberücksichtigt blieb. Es war somit zu prüfen, in welchem Umfang sie seither eine Arbeitsstelle suchte. Dass die Kasse diesen neuen Aspekt erst mit der vorinstanzlichen Beschwerdeantwort vorbrachte, ist nicht treuwidrig. Im Übrigen hat die Beschwerdeinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln und ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 61 lit. c und d ATSG).  
 
4.5.  
 
4.5.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe seit der Anmeldebestätigung zur Arbeitsvermittlung vom 28. Juni 2017 bis zu den AVP für den Monat März 2019 die Beschäftigungsgrade von 60 % und 70 % ungefähr gleich oft genannt, weshalb nicht auf den Ersteren abgestellt werden könne. Dem ist entgegen zu halten, dass vorliegend einzig der von ihr gewünschte Beschäftigungsgrad ab 1. Januar 2019 massgebend ist.  
 
4.5.2. Die Vorinstanz stellte richtig fest, dass die Beschwerdeführerin in den AVP für die Monate Januar 2019 bis Mai 2019 die Frage, ob sie im gleichen Umfang (%) Arbeit suche wie im Vormonat, jeweils mit "Ja" und mit dem Vermerk "60 %" beantwortet habe. Wenn die Vorinstanz dies als ausschlaggebend ansah für den Schluss, dass der von der Beschwerdeführerin angestrebte Beschäftigungsgrad trotz abweichender Angaben 60 % betrage (vgl. E. 3 hiervor), erscheint dies weder als offensichtlich unrichtig noch anderweitig als bundesrechtswidrig. Der zutreffenden und einlässlichen Begründung im angefochtenen Entscheid ist nichts beizufügen.  
 
4.5.3. Die Vorinstanz durfte auf weitere Abklärungen verzichten, weil davon keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der von der Beschwerdeführerin vorinstanzlich beantragten Edition der Nachweise ihrer Arbeitsbemühungen durch das RAV. Denn massgebend ist der beabsichtigte Beschäftigungsgrad und nicht der Umstand, auf welche Arbeitsstellen sich die Beschwerdeführerin bewarb. Diese antizipierte Beweiswürdigung verstösst nicht gegen Bundesrecht, weshalb sich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als unbegründet erweist (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 144 V 361 E. 6.5, 136 I 229 E. 5.3; Urteile 8C_44/2021 vom 5. März 2021 E. 5.4 und 8C_739/2020 vom 17. Februar 2021 E. 5.4).  
 
5.   
Nach dem Gesagten berechnete die Vorinstanz den versicherten Verdienst ab 1. Januar 2019 zu Recht entsprechend einem Vermittlungsgrad von 60 %. 
 
6.   
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, I. Kammer, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. Mai 2021 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar