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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_20/2023  
 
 
Urteil vom 14. März 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Clément. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Nico Gächter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
2. B.________, vertreten durch Rechtsanwältin Debora Bilgeri, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Einstellung (Veruntreuung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 8. Dezember 2022 (AK.2022.392-AK [ST.2020.38049]). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Untersuchungsamt Altstätten führte gegen B.________, Assistentin der Geschäftsleitung der A.________ AG, ein Strafverfahren wegen Veruntreuung. Es wurde ihr vorgeworfen, sie habe eine Mietkaution in bar entgegengenommen und nicht weitergeleitet. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 14. September 2022 stellte das Untersuchungsamt Altstätten das Strafverfahren gegen B.________ ein. Die dagegen von der A.________ AG erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 8. Dezember 2022 kostenpflichtig ab. 
 
C.  
Dagegen gelangt die A.________ AG mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Sie beantragt, der Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 8. Dezember 2022 sei aufzuheben. Eventualiter sei die Staatsanwaltschaft St. Gallen, Untersuchungsamt Altstätten, anzuweisen, Anklage zu erheben. Subeventualiter sei die Sache an die Staatsanwaltschaft St. Gallen, Untersuchungsamt Altstätten, zurückzuweisen. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Beschluss) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Die Beschwerde wurde frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und grundsätzlich formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren als Privatklägerin teilgenommen.  
Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1; je mit Hinweisen). Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 186 E. 1.4.1; je mit Hinweisen). 
 
1.2. Die Beschwerdeführerin verlangt unter dem Titel Schadenersatz die angeblich von der Beschwerdegegnerin 2 veruntreute Mietkaution. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verletze den Grundsatz in dubio pro duriore. Sie stelle den Sachverhalt offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, fest, nehme in unzulässiger Weise eine antizipierte Beweiswürdigung vor und greife in die einem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung ein. Dies betreffe die Frage, ob die Beschwerdeführerin die Entgegennahme von Bargeld gegenüber Mitarbeitenden stets quittiert bzw. die Beschwerdegegnerin 2 ihren Vorgesetzten die Übergabe von Bargeld jeweils per WhatsApp-Nachricht und Foto mit dem Hinterlegungsort im Büro gemeldet habe. Es gebe Anhaltspunkte in den Akten (Aussagen und Belege), wonach immer Quittungen für die Übergabe von Bargeld ausgestellt worden seien. Die Vorinstanz lasse dies unberücksichtigt. Sie schliesse sodann bei den Aussagen von C.________ willkürlich darauf, dass diese namentlich mit Blick auf das bestehende Arbeitsverhältnis zur Beschwerdeführerin nicht aussagekräftig seien.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Eine Verfahrenseinstellung hat nach Art. 319 Abs. 1 lit. a und b StPO namentlich dann zu erfolgen, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt, oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist. Bei der Entscheidung über die Einstellung eines Verfahrens ist der Grundsatz "in dubio pro duriore" zu beachten. Das Verfahren darf grundsätzlich nur bei offensichtlicher Straflosigkeit oder offensichtlichem Fehlen der Prozessvoraussetzungen eingestellt werden. Hingegen ist Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch und eine Erledigung durch Strafbefehl nicht in Betracht kommt. Halten sich Freispruch und Verurteilung in etwa die Waage, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schwereren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1). Bei der Prüfung dieser Fragen verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Beurteilungsspielraum, in den das Bundesgericht nur zurückhaltend eingreift (BGE 146 IV 68 E. 2.2; 143 IV 241 E. 2.3.3; 138 IV 186 E. 4.1).  
 
2.2.2. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft aber im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht wie etwa bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausgegangen ist oder willkürlich bestimmte Tatsachen als "klar festgestellt" angenommen hat. Dies ist dann der Fall, wenn von einer klaren Sachverhaltsfeststellung offensichtlich nicht gesprochen werden kann oder eine solche Schlussfolgerung schlechthin unhaltbar ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2 f.; Urteile 7B_163/2022 vom 30. August 2023 E. 2.2.2; 7B_153/2022 vom 20. Juli 2023 E. 3.3.3; 6B_790/2022 vom 15. Juni 2023 E. 4.2.3).  
 
2.3. Die Beschwerdegegnerin 2 bestreitet nicht, die fragliche Mietkaution von Fr. 4'805.-- im Namen der Beschwerdeführerin am 7. Oktober 2019 für das Mietobjekt Bahnhofstrasse 32 in Sevelen in bar entgegengenommen zu haben. Hiervon besteht eine Quittung, welche die Beschwerdegegnerin 2 gegenüber den Mietern ausgestellt hat. Umstritten ist bloss, ob die Beschwerdegegnerin 2 dieses Geld veruntreut (Version der Beschwerdeführerin) oder aber der Beschwerdeführerin durch Deponierung in deren Büroräumlichkeiten weitergeleitet hat (Version Beschwerdegegnerin 2). Für die Deponierung des Geldes in den Büroräumlichkeiten fehlen objektive Beweismittel (wie Quittungen, WhatsApp-Nachricht oder Fotos). Vorhanden sind einzig die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2, welche angibt, das Geld weitergeleitet zu haben.  
Der Umstand, dass die Vorinstanz in dieser Konstellation von einem klaren Sachverhalt ausgeht, der eine Verfahrenseinstellung rechtfertigt, steht in Einklang mit Bundesrecht. Die Frage, was mit der von den Mietern der Bahnhofstrasse 32 in Sevelen am 7. Oktober 2019 in bar einbezahlten Mietkaution geschehen ist, lässt sich mangels objektiver Beweismittel und mangels Aussagen von Drittpersonen, die Wahrnehmungen hierzu gemacht haben, nicht klären. Als einziges Beweismittel existieren die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2, die sich selbst nicht belastet. Weder der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin noch deren Angestellte C.________ können eigene konkrete Wahrnehmungen zur fraglichen Mietkaution schildern. Insoweit liegt ein klarer Fall von Beweislosigkeit vor. 
Daran ändern die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum generellen Ablauf, wie Angestellte Bargeld für die Beschwerdeführerin entgegen genommen haben und ob diesbezüglich eine Praxis bestand, nichts. 
Daraus lässt sich nicht ableiten, was im konkreten Fall mit der Mietkaution vom 7. Oktober 2019 geschehen ist. Da es sich um einen einmaligen Vorfall handelt, der über zwei Jahre später angezeigt wurde und keine objektiven Anhaltspunkte bestehen, dass die Beschwerdegegnerin 2 unangemessene Geldbeträge für sich ausgegeben hätte, die nicht mit ihrem Erwerbseinkommen oder ihrem Vermögen korrespondieren, lassen sich - anders etwa als bei systematischen Vermögensdelikten mit hohen Geldbeträgen - aus dem Nichtvorhandensein von Belegen keine Erkenntnisse gewinnen, geschweige denn die von der Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin 2 unterstellte Tat strafrechtlich positiv beweisen. Vielmehr ist die Vorinstanz richtigerweise davon ausgegangen, dass die von der Beschwerdegegnerin 2 gegenüber der Mieterschaft ausgestellte Quittung für das Mietzinsdepot eher gegen den Willen spricht, Geld zu Lasten der Beschwerdeführerin veruntreuen zu wollen. 
Nichts für die Argumentation der Beschwerdeführerin lässt sich aus der behaupteten Praxis von C.________ ableiten, Bargeld zur Not mitzunehmen und nicht im Büro zu lassen. Ebenso wenig ableiten lässt sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich anderweitiger Kritik an der Arbeitsleistung der Beschwerdegegnerin 2. Diesbezüglich ist eine strafrechtliche Relevanz nicht ersichtlich. 
Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass Dritte grundsätzlich Zugang zum Büro hatten, wie die Vorinstanz feststellt. Daher ist die Variante, dass Dritte das deponierte Bargeld an sich genommen haben könnten, nicht von der Hand zu weisen. Insgesamt verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie zum Schluss gelangt, es liege kein hinreichender Tatverdacht gegen die Beschwerdegegnerin 2 vor, und sie die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Beschwerdegegnerin 2 durch die Staatsanwaltschaft schützt. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Clément