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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_48/2022  
 
 
Urteil vom 18. Juli 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Stadelmann, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Frei, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Dezember 2021 (IV 2021/86). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1995 geborene A.________ erlitt im Dezember 2017 einen Verkehrsunfall, bei dem er u.a. das rechte Bein verlor. Im Juli 2018 beantragte er bei der Invalidenversicherung eine Prothesenversorgung nach Oberschenkelamputation rechts. Am 4. Dezember 2018 erteilte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen Kostengutsprache für eine Oberschenkel-Prothese rechts mit elektronischem Kniegelenk des Typs "C-Leg 4" im Gesamtbetrag von Fr. 40'116.35 (inklusive Service 24. und 48. Monat sowie Garantieverlängerung von sechs Jahren). Am 1. Februar 2019 ersuchte A.________ um Zusprache eines elektronischen Kniegelenks des Typs "Genium X3" anstatt "C-Leg 4". Am 16. April 2019 erneuerte die IV-Stelle ihre frühere Kostengutsprache für das "C-Leg 4" unter Erhöhung des Gesamtbetrages auf Fr. 43'537.40. Der Versicherte wurde mit einer Prothese mit dem von ihm gewünschten elektronischen Kniegelenk "Genium X3" versorgt. Nach weiteren Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verweigerte die IV-Stelle mit Verfügung vom 6. April 2021 ein elektronisches Kniegelenk der Typen "Genium X3" und "Genium". 
 
B.  
Im daran anschliessenden Beschwerdeverfahren beantragte A.________ ein elektronisches Kniegelenk des Typs "Genium X3", eventualiter "Genium". In der Folge unterbreitete die IV-Stelle am 11. August 2021 einen Vergleichsvorschlag. Darin bot sie an, bei einer Einigung auf ein Kniegelenk des Typs "Genium" die entsprechenden Kosten zu übernehmen. A.________ schlug den Vorschlag aus und beharrte auf seinem (Haupt-) Antrag. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Dezember 2021 insoweit gut, als es A.________ ein elektronisches Kniegelenk des Typs "Genium" zusprach. 
 
C.  
Die IV-Stelle beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 20. Dezember 2021 sei aufzuheben und die Verfügung vom 6. April 2021 sei zu bestätigen; eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
A.________ lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen. Das kantonale Gericht nimmt Stellung, ohne einen formellen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die in Art. 50 Abs. 1 ATSG statuierte und nach Art. 50 Abs. 3 ATSG sinngemäss auch im Beschwerdeverfahren geltende Befugnis, Streitigkeiten über sozialversicherungsrechtliche Leistungen durch Vergleich zu erledigen, ermächtigt die Behörde nicht, bewusst eine gesetzwidrige Vereinbarung zu schliessen bzw. von einer von ihr als richtig erkannten Gesetzesanwendung im Sinne eines Kompromisses abzuweichen. Ist der Vergleich im Gesetzesrecht zugelassen, wird damit aber den Parteien bei ungewisser Sach- oder Rechtslage die Befugnis eingeräumt, ein Rechtsverhältnis vertraglich zu ordnen, um die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Damit wird in Kauf genommen, dass der Vergleichsinhalt von der Regelung des Rechtsverhältnisses abweicht, zu der es bei umfassender Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage allenfalls gekommen wäre. Ein Vergleich ist somit zulässig, soweit der Verwaltung ein Ermessensspielraum zukommt sowie zur Beseitigung rechtlicher und/oder tatsächlicher Unklarheiten (BGE 140 V 77 E. 3.2.1 mit Hinweisen; Urteil 8C_616/2022 vom 15. März 2023 E. 3.3).  
Anders als der Versicherte und das kantonale Gericht annehmen, handelt die IV-Stelle nicht widersprüchlich oder treuwidrig, indem sie Beschwerde führt und von ihrer Position im Vergleichsvorschlag abweicht. Ein solcher steht naturgemäss unter dem Vorbehalt, dass er durch die Gegenseite akzeptiert wird. Der im vorinstanzlichen Verfahren unterbreitete - und vom Beschwerdegegner abgelehnte - Vergleichsvorschlag stellt keine Vertrauensgrundlage im Sinne von Art. 9 BV dar (zu den Voraussetzungen des Vertrauensschutzes vgl. BGE 143 V 95 E. 3.6.2 mit Hinweisen); ebensowenig steht er der Beschwerdebefugnis der IV-Stelle (im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG) entgegen. 
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG haben invalide oder von einer Invalidität bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit (a) diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern und (b) die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind. Laut Art. 8 Abs. 1bis Satz 2 IVG (in der bis Ende 2021 geltenden und hier anwendbaren [vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1] Fassung) ist bei der Festlegung der Massnahmen die gesamte noch zu erwartende Dauer des Erwerbslebens zu berücksichtigen. Nach Massgabe insbesondere des Art. 21 IVG besteht der Anspruch auf Leistungen unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich (Art. 8 Abs. 2 IVG). Zu den Eingliederungsmassnahmen gehört nach Art. 8 Abs. 3 lit. d IVG auch die Abgabe von Hilfsmitteln.  
Der Versicherte hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren er für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit im Aufgabenbereich, zur Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit, für die Schulung, die Aus- und Weiterbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 IVG). Der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel (Art. 21 Abs. 2 IVG). Die Versicherung gibt die Hilfsmittel zu Eigentum oder leihweise in einfacher und zweckmässiger Ausführung ab (Art. 21 Abs. 3 IVG). 
 
2.2. Art. 2 der Verordnung des EDI vom 29. November 1976 über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI; SR 831.232.51), der in Verbindung mit Art. 14 IVV (SR 831.201) anwendbar ist, konkretisiert Art. 21 IVG u.a. wie folgt: Im Rahmen der im Anhang aufgeführten Liste besteht Anspruch auf Hilfsmittel, soweit diese für die Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig sind (Art. 2 Abs. 1 HVI). Anspruch auf die in dieser Liste mit (*) bezeichneten Hilfsmittel besteht nur, soweit diese für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung, die funktionelle Angewöhnung oder für die in der zutreffenden Ziffer des Anhangs ausdrücklich genannte Tätigkeit notwendig sind (Art. 2 Abs. 2 HVI). Es besteht nur Anspruch auf Hilfsmittel in einfacher, zweckmässiger und wirtschaftlicher Ausführung. Durch eine andere Ausführung bedingte zusätzliche Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen (Art. 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 HVI).  
Die Liste der Hilfsmittel im Anhang HVI nennt unter Ziff. 1.01 (ohne Einschränkung gemäss Art. 2 Abs. 2 HVI) definitive funktionelle Fuss- und Beinprothesen. 
 
2.3. Als Eingliederungsmassnahme unterliegt jede Hilfsmittelversorgung den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 IVG. Sie hat somit neben den dort ausdrücklich genannten Erfordernissen der Geeignetheit und Notwendigkeit auch denjenigen der Angemessenheit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne) als drittem Teilgehalt des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu genügen. Die Abgabe eines Hilfsmittels muss demnach unter Berücksichtigung der gesamten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalles in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Eingliederungsziel stehen. Dabei lassen sich vier Teilaspekte unterscheiden, nämlich die sachliche, die zeitliche, die finanzielle und die persönliche Angemessenheit. Danach muss die Massnahme prognostisch ein bestimmtes Mass an Eingliederungswirksamkeit aufweisen; sodann muss gewährleistet sein, dass der angestrebte Eingliederungserfolg voraussichtlich von einer gewissen Dauer ist; des Weiteren muss der zu erwartende Erfolg in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten der konkreten Eingliederungsmassnahme stehen; schliesslich muss die konkrete Massnahme dem Betroffenen auch zumutbar sein (BGE 143 V 190 E. 2.2 mit Hinweisen).  
Das Erfordernis der finanziellen Angemessenheit wird im Hilfsmittelrecht durch Art. 21 Abs. 3 IVG und Art. 2 Abs. 4 HVI zum Ausdruck gebracht, wonach nur Anspruch auf Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung besteht; durch eine andere Ausführung verursachte zusätzliche Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen. Die versicherte Person hat demnach nur Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen (resp. besseren) Vorkehren. Denn das Gesetz will die Eingliederung soweit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 143 V 190 E. 2.3 mit Hinweisen; Urteil 8C_758/2021 vom 8. November 2022 E. 4.1; vgl. auch Urteil 8C_542/2021 vom 26. Januar 2022 E. 3.2 betreffend die Unfallversicherung). 
 
3.  
 
3.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Invalidenversicherung die Prothesenversorgung (zumindest) im Umfang der Kosten für ein elektronisches Kniegelenk des Typs "C-Leg 4" übernimmt (zur Austauschbefugnis vgl. Art. 21bis IVG). Zu prüfen ist einzig die Rechtsfrage (vgl. BGE 143 V 190 E. 3 und 7), ob es sich beim von der Vorinstanz zugesprochenen Kniegelenk des Typs "Genium" um ein einfaches und zweckmässiges Hilfsmittel handelt oder um eine darüber hinausgehende bestmögliche resp. bessere Vorkehr, die (in Bezug auf die Mehrkosten im Vergleich zum "C-Leg 4") von der IV-Stelle nicht zu übernehmen ist.  
 
3.2. Diesbezüglich hat die Vorinstanz erwogen, die gesetzlichen Kriterien der Einfachheit und Zweckmässigkeit ständen der Abgabe eines dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Hilfsmittels nicht entgegen, wenn dieses den Versorgungszweck besser als ein anderes erfülle. Im Vergleich zum Gelenk "C-Leg 4" koste das "Genium" in der Anschaffung (mit einem Preis von Fr. 32'500.-) rund Fr. 15'000.- und im Unterhalt jährlich etwa Fr. 2'000.- mehr. Es erfülle seine Funktion wesentlich präziser und "natürlicher", weshalb es den angestrebten Zweck - die Kompensation der nicht mehr vorhandenen Körperfunktion - deutlich besser erreiche, obwohl sich die beiden Typen vom Funktionsumfang her nicht wesentlich unterscheiden würden. Der Hersteller preise das "Genium" als Weiterentwicklung des "C-Leg 4" an. Die verbesserte, ausgebaute Sensortechnologie ermögliche - auch beim Rückwärts- und Treppengehen - intuitive und natürliche Bewegungsabläufe, einen Wechsel zwischen verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Schrittlängen und damit insgesamt mehr Sicherheit sowie eine Entlastung des anderen Beines. Vor diesem Hintergrund sei das "Genium" nicht als besonderer "Luxus" zu qualifizieren. Die Ärzte des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD; Stellungnahmen vom 19. Januar und 21. Juli 2021) hätten überzeugend dargelegt, dass der Versicherte mit dem "Genium" in allen Lebensbereichen wesentlich mobiler sei als mit dem "C-Leg". Die Versorgung mit dem "Genium" dürfte eher geeignet sein, eine allfällige Verschlechterung des Zustands des linken Beines, das beim Unfall ebenfalls schwer verletzt worden sei, zu verlangsamen. Der Versicherte müsse in seinem Beruf ausgesprochen mobil sein und sich regelmässig in unebenem Gelände bewegen. Dabei habe er zufolge seiner Konzentrationsstörung nach dem beim Unfall ebenfalls erlittenen Schädelhirntrauma keine Kapazitäten, sich während der Berufsausübung im Freien auch noch auf den eigentlichen Gehvorgang zu konzentrieren. Entgegen der Vorgabe in BGE 143 V 190 spiele es keine Rolle, ob der Versicherte aus beruflichen Gründen auf ein "Genium" angewiesen sei. Hier liege aber ohnehin ein Sachverhalt vor, der mit jenem des BGE 143 V 190 vergleichbar sei. Folglich hat das kantonale Gericht den Anspruch auf ein Kniegelenk des Typs "Genium" bejaht.  
 
3.3. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, das kantonale Gericht missachte die Rechtsprechung gemäss BGE 143 V 190. Zudem sei der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht mit dem des genannten BGE vergleichbar. Den medizinischen Unterlagen lasse sich nicht entnehmen, dass der Versicherte keine Kapazitäten habe, sich während der Berufsausübung im Freien auch noch auf den eigentlichen Gehvorgang zu konzentrieren, oder dass er zur Berufsausübung auf ein "Genium" angewiesen sei, während ein "C-Leg 4" dafür nicht genüge. Die Konzentrationsstörung habe den zum Agrar- und Pflanzenschutzingenieur ausgebildeten Versicherten weder am Abschluss seines Masterstudiums (im Juni 2020) noch an der anschliessenden Berufsausübung als Aussendienstmitarbeiter gehindert. Sie sei im neuropsychologischen Bericht vom 17. August 2020 als diffus bezeichnet und einer vorübergehenden psychischen Beeinträchtigung zugeordnet worden und wiege jedenfalls nicht so schwer, dass deswegen ein "Genium" notwendig gewesen wäre. Für das Gehen und Stehen auf unebenem Gelände und damit das Begehen von Feldern genüge das "C-Leg 4". Der Versicherte müsse nur selten Sachen heben und weder schwere und teure Materialien transportieren noch ständig Treppen bewältigen oder gar rückwärtsgehen.  
 
4.  
 
4.1. Dass Ziff. 1.01 Anhang HVI keine Einschränkung gemäss Art. 2 Abs. 2 HVI (*) vorsieht, bedeutet nicht, dass für den hier umstrittenen Anspruch die Berufstätigkeit der versicherten Person keine Rolle spielt. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit (vgl. vorangehende E. 2.3) mit Blick auf die gesamten tatsächlichen Umstände insbesondere dem individuellen Eingliederungszweck und damit auch der beruflichen Situation Rechnung zu tragen ist. Das Bundesgericht erwog in BGE 143 V 190 E. 7.3.2 Folgendes:  
 
"Die einfache und zweckmässige Hilfsmittelversorgung muss zeitgemäss sein. Die Invalidenversicherung kann sich der fortlaufenden Entwicklung im Bereich der technisch-orthopädischen Versorgungsmöglichkeiten, die in einzelnen bestimmten Fällen eine erheblich bessere Eingliederung gewährleisten, nicht verschliessen (BGE 132 V 215 E. 4.3.3 S. 227). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte im soeben zitierten Entscheid jedoch in E. 4.3.4 erkannt, den Einsatz des C-Leg-Kniegelenksystems auf jene Fälle zu beschränken, in denen ein besonders gesteigertes Eingliederungsbedürfnis nachgewiesen ist. Es wird folglich verlangt, dass die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk im konkreten Fall berufsbedingt notwendig ist (vgl. auch BGE 141 V 30 E. 3.2.3 S. 34 f.; bereits zitiertes Urteil 9C_457/2016 E. 2.2). Daran ist auch in Bezug auf die Genium-Prothese festzuhalten." 
Ernsthafte Gründe für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung (vgl. zu den Voraussetzungen für eine Praxisänderung BGE 145 V 304 E. 4.4; 141 II 297 E. 5.5.1) sind nicht ersichtlich. 
 
4.2. In BGE 143 V 190 E. 7 wurde dargelegt, dass das Bundesgericht bis zu dessen Erlass einen Anspruch auf Hilfsmittelversorgung durch eine Kniegelenkprothese des Typs "Genium" verneint hatte (vgl. Urteile 9C_457/2016 vom 13. Februar 2017; 8C_52/2016 vom 8. April 2016; 8C_279/2014 vom 10. Juli 2015). Eine kostengünstigere Variante ("C-Leg"-System oder eine mechanische Prothese) hatte die Eingliederungsbedürfnisse der Versicherten in den genannten Entscheiden jeweils vollständig abgedeckt. Im Fall des BGE 143 V 190 selbst erkannte das Bundesgericht (vgl. BGE 143 V 190 E. 5.1 und 7.3.2) ein besonders gesteigertes Eingliederungsbedürfnis in der speziellen beruflichen Anforderung an die Gehfähigkeit des Betroffenen (als EDV-Verantwortlicher) in der Produktionsstätte und dem Treppensteigen mit Herumtragen von EDV-Geräten in Kombination mit einer limitierenden Seheinschränkung (kein räumliches bzw. kein Stereosehen und eingeschränktes Gesichtsfeld). Im Urteil 8C_542/2021 vom 26. Januar 2022 betreffend einen 1996 geborenen Schreiner, der sich auch auf Baustellen bewegen muss, in der Landwirtschaft seiner Eltern hilft, in einem anspruchsvollen geografischen Umfeld wohnt und täglich viele Waldwege, unebenes Gelände, Kopfsteinpflaster sowie viele Treppen überwinden muss (E. 4.2 und 10 des genannten Urteils), wurde die Versorgung mit einem elektronischen Kniegelenk "Rheo Knee XC" als verhältnismässig erachtet und der Anspruch auf die kostspieligeren Typen "Genium" und "Genium X3" verneint.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass das (teurere) "Genium" als Weiterentwicklung des "C-Leg 4" über bessere Funktionen als dieses verfügt (vgl. dazu auch BGE 143 V 190 E. 4). Dieser Umstand allein schliesst aber nicht aus, dass auch ein "C-Leg 4" die Bedürfnisse des Versicherten bei der beruflichen Integration zufriedenstellend resp. genügend erfüllen kann (vgl. Urteile 8C_214/2022 vom 16. Februar 2023 E. 4.3.1; 9C_457/2016 vom 13. Februar 2017 E. 4.2.2).  
Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 140 V 193 E. 3.2; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a). 
 
4.3.2. Dass der Versicherte beim Gebrauch eines Kniegelenks des Typs "C-Leg 4" anstelle eines solchen des Typs "Genium" unter orthopädischen Gesichtspunkten resp. aufgrund des Zustandes seines linken Beines konkret mit gesundheitlichen Nachteilen hätte rechnen müssen, lässt sich weder den Berichten der behandelnden Ärzte (vgl. insbesondere Berichte des Dr. med. B.________ vom 14. Februar 2020 [worin die Situation betreffend das linke Bein als unauffällig bezeichnet wurde] und des Dr. med. C.________ vom 5. August 2020) noch den Stellungnahmen der RAD-Ärzte (zur Aufgabe des RAD vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2bis IVG und Art. 49 IVV [je in der bis Ende 2021 geltenden Fassung]; BGE 135 V 254 E. 3.3.2) vom 19. Januar und 21. Juli 2021 entnehmen. Abgesehen davon, dass es sich bei den RAD-Stellungnahmen mangels eigener Untersuchungen nicht um Berichte im Sinne von Art. 49 Abs. 2 IVV handelt, fehlen in jener vom 19. Januar 2021 Angaben zum linken Bein, während diesbezüglich in jener vom 21. Juli 2021 lediglich die telefonisch bei einem Fachgeschäft für Orthopädietechnik eingeholten Auskünfte zusammengefasst und die Vorzüge des "Genium/Genium X3" im Vergleich zum "C-Leg 4" in allgemeiner Weise dargelegt werden. Die vorinstanzliche Annahme, wonach die Versorgung mit dem "Genium" eher geeignet sein dürfte, eine allfällige Verschlechterung des Zustands des linken Beines zu verlangsamen, kann nicht mit einer konkreten medizinischen Notwendigkeit dafür gleichgesetzt werden.  
 
4.3.3. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass kognitive Defizite, die zu erhöhten Anforderungen an die Mobilität (wie sie hier bestehen) hinzutreten, grundsätzlich geeignet sein können, ein besonders gesteigertes Eingliederungsbedürfnis zu bewirken und damit den Anspruch auf die Versorgung mit dem "Genium" zu begründen.  
Für den konkreten Fall wurden im neuropsychologischen Bericht des Spitals D.________ vom 17. August 2020 diffuse kognitive Defizite erkannt. Diese wurden als ätiologisch unspezifisch bezeichnet und für vereinbar mit einer reaktiven Depression infolge des Unfalls gehalten. Inwiefern post-kontusionelle organisch bedingte Funktionseinbussen vorliegen, könne bei der reduzierten Untersuchungsdauer und fehlenden Bildgebung nicht verlässlich abgeschätzt werden. Es sei weiterhin von guten kognitiven Ressourcen auszugehen, auch wenn der Versicherte einen kompensatorischen Mehraufwand berichtet habe und Verluste im Vergleich zum früheren Leistungsniveau möglich seien. Es wurde die Fortführung einer "kürzlich" begonnenen Psychotherapie zur Behandlung der depressiven Symptomatik empfohlen. Anhaltende kognitive Defizite infolge des Schädelhirntraumas von erheblicher Ausprägung sind somit durchaus möglich, indessen weder mit diesem Bericht noch mit den Stellungnahmen der RAD-Ärzte ausgewiesen. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach der Versicherte keine (genügenden) Kapazitäten habe, sich während der Berufsausübung im Freien auch noch auf den eigentlichen Gehvorgang zu konzentrieren, ergibt sich nicht aus der allgemeinen Lebenserfahrung und entbehrt einer beweismässigen Grundlage; sie ist daher nicht haltbar (vgl. vorangehende E. 1.2). Somit kann auch (noch; vgl. sogleich E. 4.4) nicht von einer mit der Situation in BGE 143 V 190 (vgl. vorangehende E. 4.2) vergleichbaren Mehrfachbehinderung gesprochen werden. 
 
4.4. Nach dem Gesagten lässt sich bei der gegebenen Aktenlage nicht beurteilen, ob zur mittel- bis langfristigen Erhaltung des Funktionsniveaus des Versicherten unter medizinischen Gesichtspunkten die Abgabe eines "C-Leg 4" ausreichend oder die Versorgung mit einem "Genium"-Gelenk notwendig und angemessen ist (vgl. Urteil 9C_408/2020 vom 20. August 2020 E. 3.2.4). Der Beschwerdeführerin ist insoweit beizupflichten, als eine weitere Abklärung der medizinischen Verhältnisse angezeigt gewesen wäre (vgl. Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Das wird sie nachzuholen haben.  
 
5.  
 
5.1. Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid praxisgemäss als volles Obsiegen (BGE 141 V 281 E. 11.1; Urteil 9C_37/2022 vom 11. August 2022 E. 6.1). Dementsprechend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
5.2. Der Ausgang dieses Verfahrens gibt keinen Anlass, die Kostenverlegung im vorinstanzlichen Verfahren (Dispositiv-Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Entscheids) zu ändern (vgl. Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziff. 1 des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 20. Dezember 2021 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 6. April 2021 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Juli 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Stadelmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann