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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_645/2022  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Merz, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt, Spiegelgasse 15, Postfach, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Strassenlärm, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 31. Oktober 2022 (VB.2021.104). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ ist Eigentümer und Bewohner der Liegenschaft am Grenzacherweg xx in Riehen. 2007 baute die Gemeinde Riehen einen lärmarmen Belag am Grenzacherweg ein. 
Ab 2017 wurde der Verkehr aufgrund der Sanierung der Äusseren Baselstrasse umgeleitet, wobei ein grosser Teil des Verkehrs durch den Grenzacherweg floss. Die in diesem Zusammenhang erhobene Beschwerde von A.________ schrieb das Bundesgericht am 25. November 2019 als gegenstandslos geworden ab (1C_291/2019). 
Anfang 2018 gelangte A.________ mit verschiedenen Fragen und einem Antrag auf Erlass einer Feststellungsverfügung zum Lärm an das Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt (AUE). Der Leiter der Lärmschutzabteilung antwortete am 14. März 2018, gemäss Lärmbelastungskataster 2008 seien für die Liegenschaft Grenzacherweg xx die Immissionsgrenzwerte (IGW) in der Nacht eingehalten und am Tag um 1 dB (A) überschritten (ohne Berücksichtigung des eingebauten Flüsterbelags mit einer Lärmreduktion von minus 1 dB). Gestützt auf das neue Gesamtverkehrsmodell (GVM 2010) der Region Basel werde jedoch ab dem 3. April 2018 ein neuer Lärmbelastungskataster online abrufbar sein; ab diesem Zeitpunkt könnten dann definitive Aussagen zur Lärmbelastung gemacht werden. Befristete Umleitungen infolge Baustellen würden jedoch nicht berücksichtigt. 
A.________ erhob daraufhin Aufsichtsbeschwerde beim kantonalen Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU). Der Departementsvorsteher teilte ihm mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 mit, dass kein Anlass bestehe, aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen das AUE einzuleiten. 
 
B.  
Am 25. November 2018 verlangte A.________ erneut den Erlass einer Feststellungsverfügung zu den Lärmimmissionen am Grenzacherweg xx, und zwar für die Zeitpunkte 31. Januar und 25. November 2018. Am 26. Februar 2019 wies das AUE das Feststellungsbegehren für den 31. Januar 2018 mangels Aktualität ab; für den 25. November 2018 stellte es fest, dass die IGW eingehalten seien, weshalb keine Sanierungspflicht bestehe. Diese Feststellung erfolge jedoch unter dem Vorbehalt eines anderslautenden Ergebnisses aus der Überprüfung des GVM 2010. Das AUE führte aus, den Behörden sei aufgefallen, dass der Verkehr gemäss GVM 2010 u.a. an der Grenzacherstrasse abgenommen habe, obwohl nach allgemeiner Erfahrung eher mit einer Zunahme des Verkehrs zu rechnen wäre. Eine Kontrolle der Verkehrszahlen durch Verkehrsmessungen sei jedoch derzeit aufgrund des Umleitverkehrs nicht möglich. Es sei daher beschlossen worden, ein externes Ingenieurbüro mit der Überprüfung des GVM 2010 anhand der bestehenden Verkehrszählungen des kantonalen Amts für Mobilität (MOB) und der Gemeinde Riehen zu beauftragen und einen theoretischen Zustand ohne Baustellenverkehr festzulegen. Sollte sich daraus ergeben, dass der Strassenlärmkataster 2010 nicht korrekt sei, werde auf die Feststellung der Lärmimmissionen zurückzukommen sein. 
 
C.  
Dagegen erhob A.________ am 6. März 2019 Rekurs an das WSU. Er bestritt, dass die IGW nicht überschritten seien, unter Berufung auf einen Bericht der Gruner AG "Verkehrszählung Riehen" vom 25. November 2015, der zur Planung der baustellenbedingten Umleitungen in Riehen in Auftrag gegeben worden war. 
Das Rekursverfahren wurde sistiert, um die Ergebnisse der Überprüfung des GVM 2010 abzuwarten. Mit Bericht vom 2. September 2010 gelangte die Gruner AG zum Ergebnis, dass die massgeblichen IGW am Grenzacherweg xx eingehalten seien. A.________ wandte dagegen ein, die dem Bericht zugrundeliegenden Verkehrszählungen seien nicht repräsentativ, weil sie im März 2011, während der Sport- und Fasnachtsferien, vorgenommen worden seien. Dies wurde vom AUE mit Stellungnahme vom 25. Februar 2020 eingeräumt. Es hielt daher eine neue Verkehrszählung für erforderlich; diese könne allerdings erst nach Wiedereinführung des regulären Verkehrsregimes durchgeführt werden. 
Mit Schreiben vom 20. September 2020 beanstandete A.________ die lange Dauer des Rekursverfahrens und beantragte eine unverzügliche Entscheidfällung. Am 21. Januar 2021 erhob er Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht (nachfolgend: Verwaltungsgericht). 
Am 24. März 2021 wies das WSU den Rekurs ab. Es erwog, dass sich aus den bisherigen Daten keine Sanierungspflicht ergebe. Der Rekurrent habe aber zu Recht auf Mängel der Verkehrszählung 2011 hingewiesen, weshalb nach der Normalisierung der Verkehrsverhältnisse (nach Beendigung der Baustellenumfahrung und der COVID-Einschränkungen) neue Verkehrszählungen vorgenommen würden. Sollte sich daraus eine Grenzwertüberschreitung ergeben, würden die Lärmwertangaben, wie vom Rekurrenten beantragt, rückwirkend per April 2018 korrigiert. 
Das Verwaltungsgericht schrieb die Rechtsverzögerungsbeschwerde am 8. Oktober 2021 infolge Gegenstandslosigkeit ab. Dieser Entscheid wurde nicht angefochten. 
 
D.  
Gegen den Rekursentscheid des WSU gelangte A.________ an den Regierungsrat Basel-Stadt. Dieser überwies den Rekurs zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht. 
Am 7. Juli 2022 reichte das WSU dem Gericht eine Sanierungsaufforderung des AUE, Abteilung Lärmschutz, vom 29. Juni 2022 ein, in welchem dem Gemeinderat Riehen mitgeteilt wurde, dass die IGW am Grenzacherweg während der Tagesstunden flächendeckend überschritten seien und deshalb Massnahmen an der Quelle geprüft und umgesetzt werden müssten. Der Gemeinderat Riehen wurde aufgefordert, bis zum 30. September 2022 mitzuteilen, welche Massnahmen die Gemeinde prüfen werde. Die Sanierungsaufforderung stützt sich auf einen Bericht der Gruner AG vom 18. Januar 2022 betreffend lärmtechnisch relevante Kennzahlen Grenzacherweg und Kohlistieg November 2021. 
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde am 31. Oktober 2022 ab, soweit es darauf eintrat. Es verzichtete auf die Erhebung einer Gebühr, weil die 2021 vorgenommene Verkehrsmessung respektive die darauf basierende Beurteilung der Emissionen ergeben habe, dass die IGW bei der Liegenschaft von A.________ überschritten seien, und nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch schon zu einem früheren Zeitpunkt Grenzwertüberschreitungen vorgelegen hätten. 
 
E.  
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat A.________ am 7. Dezember 2022 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt sei für nichtig zu erklären. Es sei festzustellen, dass das AUE zur Lärmberechnung für den Lärmkataster 2018 willkürliche Verkehrsdaten des GVM 2010 verwendet habe, die somit zu einem willkürlichen Lärmwert für die Liegenschaft des Beschwerdeführers sowie im ganzen Grenzacherweg in Riehen geführt hätten. Weiter sei festzustellen, dass es sich bei der Feststellungsverfügung vom 26. Februar 2019, wonach die IGW im Grenzacherweg eingehalten werden und somit keine Sanierungspflicht bestehe, um eine willkürliche Tatsachenfestellung handle, welche auch mit dem Zusatz, dass die Glaubwürdigkeit eines solchen wahrheitswidrigen Sachverhalts überprüft werde, nicht behoben werden könne. Es sei festzustellen, dass willkürliche Daten in amtlichen Veröffentlichungen etc. nichts zu suchen hätten. Willkürliche Urkunden seien sofort für ungültig zu erklären. Der Beschwerdeführer stellt eine Reihe weiterer Anträge zur "Rechtsklärung", insbesondere zur richtigen Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Anh. 3 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) und Art. 10e USG (SR 814.01). 
 
F.  
Das Appellationsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde. Das AUE hat keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
G.  
Der Beschwerdeführer hat am 7. Dezember 2022 repliziert. Er macht geltend, der seit Juli 2022 vorliegende Lärmwert sei entgegen den Versprechungen nicht auf den 1. April 2018 rückdatiert worden und könne daher als neue Lärmwertüberschreitung ausgegeben werden, mit der Folge, dass keine fixen Sanierungsfristen mehr gälten und sich Gemeinde und Vollzugsbehörden für die Lärmsanierung jegliche Zeit nehmen könnten. 
Er bittet um beförderliche Behandlung der Beschwerde, weil er gegen einen weiteren Entscheid (VD.2022.80/81) Rekurs erhoben habe, für welchen er einen korrekten Lärmwert per 1. April 2018 benötige. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen kantonal letztinstanzliche Endentscheide steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). 
 
1.1. Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung besitzt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Verlangt wird ein aktuelles und praktisches Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Entscheids: Das Bundesgericht soll nicht über rein theoretische Fragen befinden müssen. Ein aktuelles Interesse ist zu bejahen, wenn der erlittene Nachteil im Zeitpunkt der Beurteilung durch das Bundesgericht noch besteht und durch die beantragte Aufhebung des angefochtenen Hoheitsakts beseitigt würde (BGE 136 I 17 E. 2.5; 136 II 101 E. 1.1; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar zum BGG, 3. Aufl., 2018, Art. 89 N. 17).  
 
1.2. Vorliegend ist das aktuelle Interesse des Beschwerdeführers an der Beschwerde nicht dargetan. Die Feststellungsverfügung vom 26. Februar 2019 erging unter dem ausdrücklichen "Vorbehalt eines anderslautenden Ergebnisses aus der Überprüfung des Gesamtverkehrsmodells 2010". Dieser Vorbehalt hat sich zwischenzeitlich realisiert, ergab doch die Überprüfung, dass die IGW am Grenzacherweg flächendeckend überschritten sind. Das AUE hat am 29. Juni 2022 eine Sanierungsaufforderung gegenüber der Gemeinde Riehen erlassen, in der dies ausdrücklich festgehalten wird.  
Das WSU hat im Rekursentscheid zugesichert, dass die Lärmwertangaben rückwirkend per April 2018 korrigiert würden. Die Befürchtung des Beschwerdeführers, die korrigierten Lärmwerte könnten als "neue", erst kürzlich eingetretene Grenzwertüberschreitung qualifiziert werden, mit allfälligen Nachteilen hinsichtlich der Sanierungsfristen, erscheint daher unbegründet. Die geltend gemachten Nachteile im Zusammenhang mit einem Steuerrekursverfahren bzw. einem weiteren Anfechtungsverfahren werden nicht weiter substanziiert. 
Insofern ist auf die Beschwerde mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten, soweit sie sich gegen die Feststellungsverfügung vom 26. Februar 2019 richtet. Es kann daher offenbleiben, ob es sich überhaupt um einen Endentscheid handelt oder ob die Feststellungsverfügung, aufgrund des Vorbehalts der (bereits eingeleiteten) Überprüfung der Lärmwerte, als Zwischenentscheid i.S.v. Art. 93 Abs. 1 BGG zu qualifizieren ist. 
 
1.3. Der Beschwerdeführer beantragt weiter, die Behörden seien wegen Rechtsverzögerung zu rügen, d.h. er beantragt sinngemäss die Feststellung einer nach Art. 29 Abs. 1 BV unzulässigen Rechtsverzögerung.  
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine Verletzung des Verbots der Rechtsverzögerung gemäss Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK auch nach Abschluss des vorinstanzlichen Verfahrens im Dispositiv des bundesgerichtlichen Entscheids festgestellt werden, als eine Art der Wiedergutmachung, zur konkreten und tatsächlichen Durchsetzung der durch die EMRK garantierten Rechte (BGE 129 V 411 E. 1.3; Urteil 1C_370/2013 vom 14. Oktober 2013, in: ZBl 115/2014 385 und RDAF 2015 I 266, E. 6.2; je mit Hinweisen). Allerdings muss das Feststellungsinteresse dargetan und, soweit möglich, belegt werden, soweit das Bedürfnis nach Wiedergutmachung nicht auf der Hand liegt (wie z.B. bei Eingriffen in die persönliche Freiheit). 
Vorliegend ist fraglich, ob Art. 6 Ziff. 1 EMRK überhaupt anwendbar ist; diese Bestimmung wird vom Beschwerdeführer auch nicht angerufen. Zudem ist weder dargetan noch ersichtlich, dass ein aktuelles Interesse daran besteht, zu untersuchen und festzustellen, ob einzelne Verfahrensabschnitte ungebührlich viel Zeit in Anspruch genommen haben. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls (baustellenbedingter Umleitungsverkehr, COVID-Einschränkungen) ist auch nicht anzunehmen, dass sich die aufgeworfenen Fragen in Zukunft unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen könnten. Schliesslich ist (unter dem Gesichtspunkt des Wiedergutmachungsbedürfnisses) zu berücksichtigen, dass die Vorinstanzen gewisse, vom Beschwerdeführer gerügte Fehler ausdrücklich eingeräumt haben (insbesondere das anfängliche Abstellen auf nicht repräsentative Verkehrszählungen zur Ferienzeit). Dem Beschwerdeführer wurden sodann, trotz seines Unterliegens, keine Kosten auferlegt. 
 
1.4. Nicht einzutreten ist schliesslich auch auf die Feststellungsanträge "zur Rechtsklärung": Ein Feststellungsantrag kann nur konkrete Rechte oder Pflichten zum Gegenstand haben, und nicht abstrakte, theoretische Rechtsfragen (vgl. LAURENT MERZ, Basler Kommentar zum BGG, 3. Aufl., 2018 N. 21a zu Art. 42; Urteil 2C_1082/2016 vom 2. Juni 2017 E. 1.2 mit Hinweisen).  
2. 
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten und hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 66 und 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber