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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.148/2005 
6S.477/2005 /rom 
 
Urteil vom 6. Oktober 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Karlen, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt 
lic. iur. Henri Zegg, 
 
gegen 
 
B.________, vertreten durch Fürsprecher Bruno C. Lenz, 
C.________, 
D.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Patrick Lafranchi, 
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern, 
Kassationshof des Obergerichts des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
6P.148/2005 
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und auf Verteidigung (Art. 32 Abs. 2 BV), Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV), Anspruch auf ein unabhängiges Gericht Art. 6 Ziff. 1 EMRK 
 
6S.477/2005 
Einziehung von Vermögenswerten (Art. 59 StGB), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.148/2005) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.477/2005) gegen das Urteil des Kassationshofs des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. November 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ gab A.________ am 30. April 2001 schriftlich die Zusage, das Schloss T.________ im Zürcher Unterland für 7 Mio. Franken zu kaufen. Für den Fall, dass eine Partei vom Vertrag zurücktreten sollte, wurde diese zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtet. Der Verkauf kam in der Folge nicht zustande. 
 
Mit veruntreuten Geldern hatte X.________ drei Anzahlungen von Fr. 100'000.--, Fr. 300'000.-- und Fr. 700'000.-- an A.________ geleistet. Letzterem war die deliktische Herkunft des Geldes nicht bekannt. 
B. 
Der Kassationshof des Obergerichts des Kantons Bern verpflichtete am 8. November 2005 im Appellationsverfahren A.________, dem Kanton Bern als Ersatzanspruch gemäss Art. 59 Ziff. 2 StGB Fr. 650'000.-- zu bezahlen. 
C. 
A.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils des Kassationshofs vom 8. November 2005 in den Dispositivziffern 4 und 5. Mit Nichtigkeitsbeschwerde verlangt er zudem die Feststellung, dass er keine Ersatzforderung gemäss Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu leisten habe, und dass die auf dem Wohnhaus an der F.________-Strasse in Adliswil lastenden Inhaberschuldbriefe im Betrag von Fr. 1'450'000.-- freizugeben seien. 
D. 
Der Kassationshof verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Beschwerden. Der Generalprokurator des Kantons Bern und der Beschwerdegegner D.________ ersuchen um Abweisung der beiden erhobenen Rechtsmittel, soweit darauf einzutreten sei. Die zwei übrigen Beschwerdegegner haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
I. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde 
1. 
Soweit der Beschwerdeführer Feststellungs- und Herausgabebegehren stellt, verlangt er mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, was angesichts der rein kassatorischen Natur der Nichtigkeitsbeschwerde unstatthaft ist (vgl. Art. 277ter Abs. 1 BStP; BGE 129 IV 276 E. 2.1; 125 IV 298 E. 1). Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die von ihm erbrachten gleichwertigen Gegenleistungen im Sinne Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB überstiegen den von ihm erhaltenen Betrag von 1,1 Mio. Franken bei weitem. Für eine Ersatzforderung bestehe daher kein Raum. Er kritisiert die restriktive Auslegung des Begriffs der gleichwertigen Gegenleistung im angefochtenen Entscheid. Ausserdem rügt er, dass die Vorinstanz nur liquide Positionen als Gegenleistungen zum Abzug von der Ersatzforderung zulassen will. 
2.2 Nach dem angefochtenen Entscheid fällt eine Ersatzforderung in dem Umfang ausser Betracht, in dem synallagmatische Austauschleistungen sowie Vor- und Nebenleistungen im Blick auf die Vertragserfüllung erbracht worden sind. Die Höhe des massgeblichen Betrags der erlangten Vermögenswerte sei nach dem sog. Nettoprinzip zu berechnen. Der Aufwand, der dem gutgläubigen Empfänger der Vermögenswerte im Rahmen des Rechtsgeschäfts mit dem Täter entstehe, müsse abgezogen werden. 
 
Gestützt auf diese Erwägungen anerkennt die Vorinstanz als gleichwertige Gegenleistungen des Beschwerdeführers zunächst Hypothekarzinsen von 100'000 Franken für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2001, während dem der Beschwerdeführer das Verkaufsobjekt für den Vertragsvollzug bereit halten musste und nicht vermieten konnte. Ausserdem rechnet sie einen Mietzinsausfall von 150'000 Franken für zehn Monate (Januar bis Oktober 2002) an, weil sich das Verkaufsobjekt nach dem Scheitern des Vertrags nicht sofort habe vermieten lassen. Weiter werden Architekturleistungen im Umfang von 150'000 Franken als gleichwertige Gegenleistung erachtet. Schliesslich erfolgt in Anwendung des Nettoprinzips ein Abzug von 50'000 Franken für Notariats-, Mahn-, Makler- und Anwaltskosten. 
2.3 
2.3.1 Nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist die Einziehung von Vermögenswerten ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat. In den Grenzen dieser Bestimmung erkennt der Richter gegenüber einem Dritten auf eine Ersatzforderung, soweit die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB). Zur Durchsetzung der Ersatzforderung können Vermögenswerte des Betroffenen mit Beschlag belegt werden (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 StGB). 
2.3.2 Streitgegenstand bildet die Bestimmung der Ersatzforderung, die der Beschwerdeführer gemäss Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB dem Kanton Bern zu leisten hat. Der Beschwerdeführer hat von X.________ in mehreren Raten insgesamt 1,1 Mio. Franken als Anzahlung für den Verkauf des Schlosses T.________ erhalten, ohne von der deliktischen Herkunft des Geldes Kenntnis zu haben. Das Geschäft kam schliesslich nicht zustande. Der Beschwerdeführer erbrachte die vorgesehene Gegenleistung - die Übertragung der Liegenschaft mit dem Schloss T.________ - nicht. Die kantonalen Instanzen gelangen zum Schluss, dass der Beschwerdeführer denjenigen Teil des erhaltenen Betrags von 1,1 Mio. Franken dem Staat Bern bezahlen müsse, für den er keine gleichwertige Gegenleistung im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erbracht habe. Umstritten ist einzig die Ermittlung der Gegenleistung des Beschwerdeführers. 
 
Die kantonalen Instanzen lassen sich bei der Auslegung von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu Recht von der Überlegung leiten, dass sich Delikte nicht nur für den Täter, sondern auch für Dritte nicht lohnen sollen und deshalb bei ihnen liegende Vermögenswerte aus Straftaten grundsätzlich einzuziehen sind (Niklaus Schmid, Kommentar Einziehung - Organisiertes Verbrechen - Geldwäscherei, Band I, Zürich 1998, § 2 N. 87). Eine Einziehung soll daher bei unentgeltlichen Zuwendungen (durch Schenkung oder Erbgang) auch möglich sein, wenn der Erwerber gutgläubig war. Umgekehrt schliesst das Gesetz die Einziehung bei Drittpersonen aus, wenn diese für die empfangenen Vermögenswerte eine gleichwertige Gegenleistung erbracht haben. Nach Ansicht der kantonalen Gerichte ist der Begriff der Gegenleistung restriktiv auszulegen. Sie rechnen dazu in erster Linie Leistungen im Rahmen synallagmatischer Verträge. Dagegen lehnen sie die Lehrmeinung ab, die alle Vermögenswerte von der Einziehung ausnehmen will, die der Empfänger zur Abgeltung einer Verpflichtung (z.B. auch Unterhaltsbeiträge, Sozialversicherungsbeiträge, Steuern) entgegennimmt (so Niklaus Schmid, a.a.O., § 2 N. 89). Insbesondere stünden allfällige Schadenersatzansprüche der Drittperson gegenüber dem Täter einer Einziehung nicht ohne weiteres entgegen. Es müsse verhindert werden, dass eine Drittperson in Form des entgangenen Gewinns (lucrum cessans) Profite auf Kosten des strafrechtlich Geschädigten machen könne (nähere Darstellung dieser Auffassung bei Georges Greiner/ Diana Akikol, Grenzen der Vermögenseinziehung bei Dritten [Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB] - unter Berücksichtigung von zivil- und verfassungsrechtlichen Aspekten, AJP 2005 S. 1347 ff.). 
 
Es erübrigt sich, zu der von den kantonalen Instanzen vertretenen Auffassung gesamthaft Stellung zu nehmen. Nach ihren Feststellungen hat der Beschwerdeführer am 26. Oktober 2001 mit X.________ eine Zahlung von 1,5 Mio. Franken für den Fall vereinbart, dass eine Partei vom Vertrag zurücktreten sollte. Es handle sich dabei um ein Reugeld oder um eine Konventionalstrafe. In beiden Fällen erscheine die vereinbarte Summe nur in dem Umfang als Gegenleistung im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, in welchem dadurch Aufwendungen im Hinblick auf die Vertragserfüllung (damnum emergens) abgedeckt würden. Dies treffe dagegen nicht zu, soweit sie einen Ersatz für entgangenen Gewinn (lucrum cessans) bezwecke. Der Beschwerdeführer wendet zu Recht ein, dass eine gleichwertige Gegenleistung nach der erwähnten Gesetzesbestimmung auch vorliege, wenn der Dritte beim fraglichen Geschäft einen marktüblichen Gewinn mache. Wer einem nicht erkannten Drogenhändler Uhren verkauft, kann das zur Zahlung entgegengenommene Geld aus dem Betäubungsmittelhandel behalten, und zwar auch den damit üblicherweise verbundenen Gewinn (vgl. BGE 115 IV 175 E. 2b/bb S. 179). Der Gesetzgeber will lediglich unentgeltliche Zuwendungen an Drittpersonen der Einziehung unterwerfen, aber nicht auch den bei Gegenleistungen üblichen Gewinn. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut, der bei gleichwertigen Gegenleistungen, d.h. bei solchen zu dem im normalen Rechtsverkehr üblichen Marktpreis, die Einziehung ausschliesst (Niklaus Schmid, a.a.O., § 2 N. 90 mit Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft). Lediglich übersetzte Leistungen unterliegen im Umfang, in dem sie das Marktübliche übersteigen, der Einziehung. 
 
Ein Reugeld oder eine Konventionalstrafe stellen, wie die kantonalen Vorinstanzen selber anerkennen, keine unentgeltliche Zuwendung dar, soweit sie nicht übersetzt sind. Sie bilden die Gegenleistung für die im Hinblick auf einen Vertragsschluss bzw. die Vertragserfüllung getätigten Aufwendungen und den Verzicht auf die Wahrnehmung anderer Marktchancen. Nach Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sind die dafür empfangenen Zahlungen daher, soweit ihre Gleichwertigkeit gegeben ist, von der Einziehung ausgeschlossen. 
2.3.3 Die Vorinstanz trifft keine näheren Feststellungen zu der zwischen dem Beschwerdeführer und X.________ getroffenen Vereinbarung über ein Reugeld oder eine Konventionalstrafe, sondern verweist lediglich auf das erstinstanzliche Urteil. Dieses erwähnt zwar mehrfach das zwischen dem Beschwerdeführer und X.________ vereinbarte Reugeld bzw. eine Konventionalstrafe, ohne aber auf den Inhalt und die Qualifikation sowie auf den Zweck der geleisteten Anzahlungen näher einzugehen. Offen ist auch, ob die getroffene Vereinbarung in der vorgeschriebenen Form abgeschlossen wurde. Ein Formmangel würde indessen an der Beurteilung der Einziehbarkeit gemäss Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nichts ändern, sofern der Empfänger die der Anzahlung entsprechende Gegenleistung erbracht hat (Greiner/Akikol, a.a.O., S. 1348; vgl. auch BGE 112 II 330 E. 2b S. 334 f.). Schliesslich finden sich im angefochtenen Entscheid auch keine tatsächlichen Feststellungen, welche über die Gleichwertigkeit der Gegenleistungen Aufschluss gäbe. 
2.4 
Die Bundesrechtskonformität des angefochtenen Entscheids lässt sich demnach mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen. Der angefochtene Entscheid ist daher im streitigen Umfang in Anwendung von Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
II. Staatsrechtliche Beschwerde 
3. 
Mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde ist die staatsrechtliche Beschwerde infolge Wegfalls ihres Anfechtungsobjekts gegenstandslos geworden. 
III. Kosten und Entschädigungen 
4. 
Im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde werden die Kosten dem mit seiner Stellungnahme unterliegenden Beschwerdegegner D.________ auferlegt (Art. 278 Abs. 1 BStP). Dem obsiegenden Beschwerdeführer wird eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. Der unterliegende Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Bundesgerichtskasse hierfür Ersatz zu leisten (Art. 278 Abs. 3 BStP). Im Verfahren der gegenstandslos gewordenen staatsrechtlichen Beschwerde werden praxisgemäss keine Kosten erhoben und keine Entschädigung zugesprochen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit auf sie einzutreten ist, in Anwendung von Art. 277 BStP gutgeheissen, das Urteil des Kassationshofs des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. November 2005 im angefochtenen Umfang aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird als gegenstandslos geworden am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren wird dem Beschwerdegegner D.________ auferlegt. 
4. 
Der Beschwerdeführer wird für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren mit Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt. Der Beschwerdegegner D.________ wird verpflichtet, ihr dafür Ersatz zu leisten. 
5. 
Für das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen ausgerichtet. 
6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Kassationshof des Obergerichts des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 6. Oktober 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: