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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_248/2022  
 
 
Urteil vom 30. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8 (Neuwiesen), 8400 Winterthur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung; Verwaltungsverfahren), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Februar 2022 (AL.2022.00007). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 30. September 2021 stellte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich den 1990 geborenen A.________, französischer Staatsbürger, wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 21 Tage in der Anspruchsberechtigung zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern ein. Hiegegen reichte der Versicherte am 14. Oktober 2021 eine in französischer Sprache verfasste Einsprache ein. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 setzte die Arbeitslosenkasse A.________ eine Frist bis zum 8. November 2021 an, innert der er den Rechtsbehelf auf Deutsch, der Amtssprache des Kantons Zürich, einzureichen habe. Werde innert Frist keine in Deutsch verfasste Eingabe eingereicht, werde auf die Einsprache nicht eingetreten. Der Versicherte liess die Frist ungenutzt verstreichen, worauf die Arbeitslosenkasse mit Entscheid vom 6. Dezember 2021 auf die Einsprache androhungsgemäss nicht eintrat. 
 
B.  
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 6. Dezember 2021 auf und verpflichtete die Arbeitslosenkasse, auf die Einsprache einzutreten, sofern die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt seien, und diesfalls hernach über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit zu entscheiden (Urteil vom 14. Februar 2022). 
 
C.  
Die Arbeitslosenversicherung führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei der Einspracheentscheid vom 6. Dezember 2021 zu bestätigen. 
 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Endentscheide; Art. 90 BGG). Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid (BGE 133 V 477 E. 4.2 und 5.1), gegen den die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Ein Zwischenentscheid bleibt im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG).  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, mit dem vorinstanzlichen Rückweisungsentscheid werde sie verpflichtet, auf die Einsprache des Beschwerdegegners einzutreten, obwohl sie anderer Aufassung sei. Zudem wäre sie künftig verpflichtet, alle Einsprachen und sonstigen Schriftstücke zu akzeptieren, die in einer der nota bene 24 Amtssprachen der EU verfasst worden seien und diese übersetzen zu lassen. Diese Umstände stellten einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar (2 S. 3 oberhalb Mitte). Dieser Auffassung kann beigepflichtet werden, zumal die Beschwerdeführerin ihren künftigen Verwaltungsakt nicht selbst anfechten können wird (vgl. Urteil 8C_289/2022 vom 5. August 2022 E. 1.3). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, der Beschwerdegegner sei französischer Staatsbürger. Daher komme vorliegend insbesondere der im Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA) als anwendbar erklärte Art. 84 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung. Danach dürften die Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaates die bei ihnen eingereichten Anträge und sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückweisen, weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates verfasst worden seien. Folglich sei es dem Beschwerdegegner offen gestanden, die Einsprache der Beschwerdeführerin in französischer Sprache einzureichen.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Beschwerdeführerin wendet zunächst ein, die Vorinstanz übersehe, dass am 30. April 2004 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Kraft getreten sei, womit hier die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 keine Anwendung finde.  
Das kantonale Gericht habe somit auf aufgehobenes Recht abgestellt. Dieses Vorbringen trifft, allerdings mit anderen Vorzeichen in zeitlicher Hinsicht, an sich zu. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit trat für die Schweiz am 1. April 2012 in Kraft (SR 0.831.109.268.1). Gemäss dessen Art. 90 (1) Abs. 1 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, mit dem Beginn der Anwendung aufgehoben, was auch für Art. 84 Abs. 4 Satz 1 galt. Allerdings wurde dessen Wortlaut in Art. 76 (7) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 übernommen, weshalb die vorinstanzliche Rechtsauffassung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. 
Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist bei der Auslegung eines Staatsvertrages in erster Linie vom Vertragstext auszugehen. Erscheint dieser klar und ist seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende ausdehnende bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist (BGE 109 V 226 E. 3b mit Hinweis). Der Wortlaut von Art. 76 (7) erster Halbsatz der Verordnung Nr. 883/2004 ist klar. Es geht daraus unmissverständlich hervor, dass die Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaates die bei ihnen eingereichten Anträge oder sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückweisen dürfen, weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates abgefasst sind. Für eine davon abweichende Auslegung, wie sie die Beschwerdeführerin geltend macht (die genannte Bestimmung betreffe gemäss ihrer Überschrift einzig die Kommunikation der Behörden der einzelnen Staaten unter einander und nicht die jeweiligen Staatsbürger), besteht offensichtlich kein Raum (vgl. bereits [3] und [4] von Art. 76). Eine Verletzung von Staatsvertragsrecht oder von Art. 48 der Verfassung des Kantons Zürich, wonach Amtssprache Deutsch sei, ist nicht ersichtlich. Zu letztem Punkt sei auf den Grundsatz hingewiesen, dass Völkerrecht kantonalem Recht vorgeht (Art. 190 BV). 
 
2.2.2. Die Beschwerdeführerin wendet schliesslich ein, die Auffassung der Vorinstanz führe zu einer Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Schweizer Bürger gegenüber Bürgern der EU sowie von Drittstaatenangehörigen. Ein französisch oder italienisch sprechender Schweizer Bürger wäre mangels Anwendbarkeit des FZA nicht berechtigt, im Kanton Zürich eine Einsprache in seiner Muttersprache einzureichen. Das ehemalige Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) hat im bereits erwähnten BGE 109 V 224 E. 4b in einem vergleichbaren Fall dazu festgehalten, aus innerstaatlicher Sicht befriedige ein solches Ergebnis zwar nicht. Dies vermöge indessen nicht dazu zu führen, die Bedeutung der einschlägigen Bestimmung des Staatsvertrages entgegen dem Willen der Vertragsparteien in dem Sinne einzuschränken, dass er für eine wesentliche Gruppe der vom Abkommen erfassten Personen nicht Anwendung finde. An dieser Rechtsprechung hat sich bis heute nichts geändert, wobei hier offen bleiben kann, wie im Falle einer tatsächlichen Inländerdiskriminierung zu entscheiden sein wird.  
 
3.  
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird in Anwendung von Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung abgewiesen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder