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Chapeau

149 III 370


45. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_81/2022 vom 12. Mai 2023

Regeste

Art. 32, en relation avec l'art. 27 al. 1, art. 73 al. 1, art. 199 LDIP; transcription à l'état civil d'un acte de naissance et de reconnaissance de paternité allemand; réserve de l'ordre public.
La reconnaissance et l'inscription ultérieure d'une reconnaissance d'enfant intervenue en Allemagne en 1967, qui établit un lien de filiation avec le père après une modification en droit allemand, ne contrevient pas à l'ordre public suisse (consid. 3).

Faits à partir de page 371

BGE 149 III 370 S. 371

A.

A.a C.C., nunmehr C., wurde (...) 1967 in U./Deutschland als nicht eheliches Kind von D. geboren. Sie ist in Deutschland wohnhaft und deutsche Staatsangehörige.
Am 7. August 1967 anerkannte E. (geb. 1942), von V./SG, mit Wohnsitz in der Schweiz, beim Amtsgericht U. die Vaterschaft des nicht ehelichen Kindes und verpflichtete sich zur Zahlung von Unterhalt.
E. verstarb (...) 2016. Aus seiner Ehe mit A. (geb. 1947) ging die Tochter B. (geb. 1988) hervor. Sie sind gemäss Erbenbescheinigung (des Bezirksgerichts Imboden vom 11. April 2016) die gesetzlichen Erben.

A.b Im März 2017 gelangte C. an die Zivilstandsbehörden im Kanton St. Gallen und verlangte die Eintragung bzw. Nachbeurkundung der in Deutschland beurkundeten Geburt und des Kindesverhältnisses zu E. Sie stützte sich auf die Anerkennungserklärung vom 7. August 1967 sowie Registerauszüge, wie u.a. den Auszug aus dem Geburtsregister des Standesamtes U. (vom 4. Juli 2017) mit dem (am 20. November 1967 erfolgten) Eintrag über die Kindesanerkennung von E. und die Geburtsurkunde (Auszug aus dem Geburtseintrag auf internationalem Formular vom 4. Juli 2017) mit dessen Eintragung als rechtlicher Vater.

A.c Mit Verfügung vom 24. April 2018 wies das Amt für Bürgerrecht und Zivilstand (AfBZ) des Kantons St. Gallen, als kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen, das Gesuch um Eintragung und Anerkennung des nach deutschem Recht begründeten Kindesverhältnisses zwischen C. und E. selig ab. Die Verfügung wurde vom
BGE 149 III 370 S. 372
kantonalen Departement des Innern (DI) am 1. Februar 2019 bestätigt. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von C. erhobene Beschwerde gut; die Angelegenheit wurde zur neuen Beurteilung - in Anwendung des IPRG - an die Erstinstanz (AfBZ) zurückgewiesen.

A.d Das AfBZ verfügte am 4. Mai 2020 die Anerkennung der Geburtsurkunde und Anerkennungsurkunde vom 7. August 1967 und des damit gemäss deutschem Recht begründeten rechtlichen Kindesverhältnisses zwischen C. und E. und ordnete die Eintragung im schweizerischen Personenstandsregister an.

B. Gegen die Verfügung gelangten A. und B. an das kantonale Departement des Innern (DI), welches den Rekurs mit Entscheid vom 4. Juni 2021 abwies. Mit Entscheid vom 14. Dezember 2021 bestätigte das Verwaltungsgericht den Departementsentscheid.

C. Mit Eingabe vom 1. Februar 2022 haben A. und B. als Erbengemeinschaft Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten erhoben. Die Beschwerdeführerinnen verlangen, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und es sei das Gesuch von C. (Beschwerdegegnerin) um Anerkennung und Eintragung des Kindesverhältnisses zu E. selig in das schweizerische Personenstandsregister abzuweisen.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)

Considérants

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur Beschwerde gibt der Entscheid des Verwaltungsgerichts, welches die Nachbeurkundung einer durch Kindesanerkennung in Deutschland im Jahre 1967 begründeten Zahlvaterschaft und damit die Beurkundung eines rechtlichen Kindesverhältnisses bewilligt hat.

3.1 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass sich die Anerkennung und Vollstreckung im konkreten Fall nicht nach dem IPRG richten, sondern nach dem bei Geburt der Beschwerdegegnerin (im Jahre 1967) massgebenden Recht, mithin dem früher geltenden Bundesgesetz vom 25. Juni 1891 betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter (NAG AS 12 369). Gemäss dem damals geltenden Art. 8 NAG sei das Heimatrecht des
BGE 149 III 370 S. 373
Anerkennenden, mithin schweizerisches Recht massgebend. Da die Voraussetzungen zur Aufwertung der Zahlvaterschaft nach Art. 13a SchlT ZGB nicht erfüllt seien, bleibe es beim fehlenden rechtlichen Kindesverhältnis.

3.2 Es steht fest, dass die Anerkennungserklärung vom 7. August 1967 von E. im Geburtsregister des Standesamtes U. am 20. November 1967 eingetragen wurde und ihn als Vater des nicht ehelich geborenen Kindes aufführt (Auszug aus dem Geburtsregisters des Standesamtes U. vom 4. Juli 2017). Es ist nicht strittig, dass die damalige Anerkennung nach deutschem Recht eine Zahlvaterschaft darstellte. Fest steht weiter, dass später ausgestellte deutsche Registerauszüge (wie der Geburtsregisterauszug des Standesamtes U. vom 4. Juli 2017) E. als rechtlichen Vater ausweisen.

3.3 Umstritten ist zunächst, ob für den vorliegenden Antrag auf Nachbeurkundung der Geburt und des Kindesverhältnisses das IPRG anwendbar ist.

3.3.1 Die allgemeine Regel über die Nichtrückwirkung des IPRG (gemäss Art. 196 IPRG) steht im Zusammenhang mit den besonderen übergangsrechtlichen Bestimmungen von Art. 197-199 IPRG (DUTOIT/ BONOMI, Droit international privé suisse, 6. Aufl. 2022, N. 13 zu Art. 196-199 IPRG). Gemäss Art. 199 IPRG richten sich Begehren auf Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, die beim Inkrafttreten des IPRG hängig waren, nach den Voraussetzungen der Anerkennung oder Vollstreckung des IPRG.

3.3.2 Das Urteilsdatum ist nicht erheblich: Wenn sich die Anerkennungs- und Vollstreckungsfrage nach dem 1. Januar 1989 stellt, sind die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln des IPRG massgebend (DUTOIT/BONOMI, a.a.O., N. 19 zu Art. 196-199 IPRG; GEISER/JAMETTI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 6 zu Art. 199 IPRG; TRÜTEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Bd. II, 3. Aufl. 2018, N. 3 zu Art. 199 IPRG). Das gilt auch für andere, vor dem 1. Januar 1989 ergangene Rechtsakte, wie z.B. die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Kindesanerkennung (DUTOIT/ BONOMI, a.a.O., N. 21 zu Art. 196-199 IPRG, mit Hinweis auf Art. 73 IPRG; GEISER/JAMETTI, a.a.O., N. 5 zu Art. 199 IPRG). Das Gleiche bestätigt der von den Beschwerdeführerinnen zitierte Kommentator (VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 18 zu Art. 196-199 IPRG) und die Rechtsprechung (Urteil 5A_680/ 2018 vom 19. November 2019 E. 3.2 betreffend Kindesanerkennung;
BGE 149 III 370 S. 374
vgl. Urteil 5A_285/2009 vom 21. August 2009 E. 2.1 betreffend Adoption; allgemein BGE 145 III 109 E. 4.2).

3.3.3 Wenn das Verwaltungsgericht auf das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Anerkennung und Nachbeurkundung von Rechtsakten und Zivilstandsurkunden, die vor dem 1. Januar 1989 ergangen sind, das IPRG angewendet hat, ist dies nicht zu beanstanden.

3.4 Die Nachbeurkundung des im Ausland begründeten Kindesverhältnisses im schweizerischen Zivilstandsregister erfolgt gemäss Art. 32 IPRG (Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB) durch Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde über das Zivilstandswesen (Abs. 1). Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der Artikel 25-27 IPRG erfüllt sind (Abs. 2).

3.5 Nach der besonderen Regel von Art. 73 IPRG wird die im Ausland erfolgte Anerkennung eines Kindes in der Schweiz anerkannt, wenn sie nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, nach dessen Heimatrecht, nach dem Recht am Wohnsitz oder nach dem Heimatrecht der Mutter oder des Vaters gültig ist (Abs. 1). Zu prüfen ist, ob die Nennung des Vaters in einer ausländischen Geburtsurkunde des Kindes gemäss dem massgeblichen Recht auf einer verwandtschaftsbegründenden Erklärung beruht (SIEGENTHALER, Das Personenstandsregister, 2013, Rz. 82, 400).

3.5.1 In Art. 73 IPRG werden die in Art. 72 Abs. 1 IPRG genannten Rechtsordnungen bezeichnet, nach welcher die Anerkennung gültig sein muss. Es genügt (in favorem recognitionis) zur Anerkennung, wenn eine im Ausland erfolgte Kindesanerkennung nach einer in Art. 73 Abs. 1 IPRG genannten Rechtsordnung inhaltlich und der Form nach gültig ist (BGE 148 III 384 E. 6.1; SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 2 zu Art. 73 IPRG). Zur genannten (ausländischen) Rechtsordnung gehören auch die Regeln des IPR sowie des Übergangsrechts (vgl. BGE 148 III 384 E. 6.1; SCHWANDER, Einführung in das internationale Privatrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, Rz. 364).

3.5.2 Die Beschwerdegegnerin hat unstrittig (seit jeher) die deutsche Staatsangehörigkeit und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Massgebend für die Kindesanerkennung ist unter anderem das Recht Deutschlands als Aufenthalts- und Heimatrecht des Kindes (Beschwerdegegnerin). Zur Anerkennung genügt, wenn die im Jahre 1967 in Deutschland erfolgte Kindesanerkennung (Zahlvaterschaft) nach der (gesamten) deutschen Rechtsordnung als rechtliches Kindesverhältnis gilt.
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3.5.3 Gleich wie in der Schweiz und anderen Staaten Europas hat in den 1960/70er Jahren auch Deutschland das Kindesrecht geändert und die Rechtsstellung der ausserhalb der Ehe geborenen Kinder derjenigen der ehelichen Kinder angeglichen. Mit dem Gesetz vom 19. August 1969 über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (Nichtehelichengesetz; NEhelG DE), welches am 1. Juli 1970 in Kraft getreten ist, besteht zwischen dem ausserhalb der Ehe geborenen Kind und dessen Vater nicht mehr bloss eine schuldrechtliche Unterhaltsverpflichtung (Zahlvaterschaft), sondern eine echte rechtliche Eltern-Kind-Beziehung. Nach der übergangsrechtlichen Bestimmung von Art. 12 § 3 Abs. 1 NEhelG DE ist ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in einer öffentlichen Urkunde seine Vaterschaft anerkannt hat oder sich einem vollstreckbaren Schuldtitel zu Unterhalt verpflichtet hat, ipso iure als (rechtlicher) Vater im Sinne des neuen Gesetzes anzusehen, d.h. sind die früheren deutschen Zahlvaterschaften von Gesetzes wegen rechtlich umgewandelt bzw. aufgewertet worden. Das gilt nach der deutschen Rechtsprechung auch, wenn sich ein Ausländer vor Inkrafttreten des NEhelG DE im Geburtsregister eintragen liess, ohne Rücksicht darauf, ob die Vaterschaft auch nach dem Heimatrecht des betreffenden Ausländers besteht. Diese Rechtslage in Deutschland - die nachträgliche Aufwertung deutscher Zahlvaterschaften zu einem rechtlichen Kindesverhältnis - wird bereits im Jahre 1980 der schweizerischen Praxis zugrunde gelegt (VPB 44/1980 Nr. 109 E. 4, E. 5 mit Hinweisen).

3.5.4 Das Verwaltungsgericht hat sich auf diese Rechtslage und damit auf die Gültigkeit der Vaterschaftsaufwertung nach deutschem Recht gestützt, ebenso auf die später ausgestellten deutschen Registerauszüge, worin diese Rechtslage - die rechtliche Vaterschaft von E. - wiedergegeben wird (u.a. Geburtsregisterauszug des Standesamtes U. vom 4. Juli 2017). Die Gültigkeit der rechtlichen Vaterschaft nach deutschem Recht wird von den Beschwerdeführerinnen zu Recht nicht in Frage gestellt: Das (mittlerweile revidierte) deutsche IPR bringt deutsches (Kindesaufenthalts-) Recht und damit das NEhelG DE mit der erwähnten massgebenden Übergangsbestimmung zur Anwendung (HELMS, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB, Internationales Privatrecht I, Bd. 12, 8. Aufl. 2020, N. 40 zu Art. 19 EGBGB; WELLENHOFER, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, BGB, Familienrecht II, Bd. 10, 8. Aufl. 2020, N. 116 zu § 1600d BGB). Wenn das
BGE 149 III 370 S. 376
Verwaltungsgericht festgehalten hat, dass E. nach deutschem Recht gestützt auf die in Deutschland am 7. August 1967 erfolgte gültige Kindesanerkennung als rechtlicher Vater der Beschwerdegegnerin gilt, ist dies nicht zu beanstanden.

3.6 Die im Ausland erfolgte Kindesanerkennung (Art. 73 Abs. 1 IPRG), welche nach Art. 32 IPRG einzutragen ist, steht unter dem Vorbehalt des Ordre public: Die Eintragung der ausländischen Kindesanerkennung wird nicht bewilligt, wenn deren Anerkennung in der Schweiz mit dem schweizerischen Ordre public - den hiesigen rechtlichen und ethischen Wertvorstellungen - offensichtlich unvereinbar wäre. Als Ausnahmeklausel ist der Ordre public-Vorbehalt zurückhaltend anzuwenden (Art. 27 Abs. 1 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 IPRG; BGE 141 III 328 E. 5.1; zuletzt Urteil 5A_760/2021 vom 22. Juli 2022 E. 5.1.1; SIEHR/MARKUS, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 3. Aufl. 2018, N. 13 zu Art. 73 IPRG).

3.6.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen kann eine Nachbeurkundung und Anerkennung des deutschen rechtlichen Kindesverhältnisses nicht erfolgen, weil der materielle Ordre public entgegenstehe. Eine "Privilegierung ausländischer Kinder gegenüber einheimischen" wäre unerträglich und mit dem hiesigen Rechtsempfinden nicht vereinbar. Die Änderung in der deutschen Rechtsordnung (wie durch das NEhelG DE) habe keine Auswirkung auf das Kindesverhältnis nach schweizerischem Recht, andernfalls ein (Ordre public-widriger) Verstoss gegen das Rückwirkungsverbot von Gesetzen vorliege.

3.6.2 Mit der Frage, ob die deutsche Übergangsregelung (rückwirkende Aufwertung von Zahlvaterschaften) für das schweizerische Rechtsempfinden derart stossend sei, dass der Ordre public-Vorbehalt greifen müsse, hat sich die Praxis bereits vor über 40 Jahren befasst. Das Bundesamt für Justiz hat die Frage damals mit guten Gründen verneint (VPB, a.a.O., E. 8a, E. 9).
Hauptziel der Revision des neuen, am 1. Januar 1978 in Kraft getretenen schweizerischen Kindesrechts war die Verbesserung der Rechtsstellung des ausserehelichen Kindes und seiner Mutter. Die diskriminierende Unterscheidung zwischen Ehelichkeit und Ausserehelichkeit wurde abgeschafft; an ihre Stelle trat der Grundsatz der Einheit des Kindesverhältnisses. Gleichzeitig wurde auch der Dualismus von Standesfolge- und Zahlvaterschaft aufgehoben (vgl. BGE 108 II 527 E. 1b mit Hinweisen).
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Im Unterschied zum deutschen Übergangsrecht wurden jedoch die altrechtlich begründeten Zahlvaterschaften nicht ipso iure in Vaterschaften mit Standesfolge übergeleitet. Die Rückwirkung ging weniger weit: Nach Art. 13a SchlT ZGB hat jedes Kind, für das beim Inkrafttreten des neuen Rechts eine Zahlvaterschaftsregelung bestand und das zehnte Altersjahr noch nicht vollendet hatte, die Möglichkeit, innert zwei Jahren auf Feststellung zu klagen (vgl. BGE 108 II 527 E. 2a). Die Möglichkeit der ex lege- Umwandlung nach dem Muster des NEhelG DE wurde ebenfalls diskutiert (Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1 Ziff. 342.4, S. 103); die getroffene Übergangsregelung ist eine Kompromisslösung (vgl. BGE 124 III 1 E. 1c; PIOTET, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. II, 2016, N. 3 f. zu Art. 13a SchlT ZGB).

3.6.3 Ein Ordre public-Verstoss liegt bei Anerkennung der deutschen Vaterschaftsaufwertung nicht vor, weil beide Rechtsordnungen im Grundsatz die gleiche Zielrichtung haben, nämlich dem nichtehelichen Kind eine dem ehelichen Kind entsprechende Rechtsstellung zu verschaffen (vgl. VPB, a.a.O.). Auch nach der Lehre gibt es insgesamt nur wenige Vorbehalte gegen ausländische Kindesanerkennung, wie denjenigen des im Inland schon bestehenden Kindesverhältnisses zu einem anderen Mann. Erweiterte Anerkennungsmöglichkeiten sollen nicht gegen den Ordre public verstossen (SIEHR/MARKUS, a.a.O., N. 13 zu Art. 73 IPRG). Wenn das Verwaltungsgericht mit Blick darauf, dass eine Umwandlung der altrechtlichen Zahlvaterschaft in ein umfassendes Kindesverhältnis rechtspolitisch im Grundsatz erwünscht und möglich war, geschlossen hat, dass die Anerkennung der grosszügigeren deutschen Aufwertung des Kindesverhältnisses (auch) zum heutigen Zeitpunkt nicht als Ordre public-Verstoss gewertet werden kann, ist dies nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von Art. 32 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 IPRG ist nicht ersichtlich.

3.7 Die Beschwerdeführerinnen erblicken eine "Privilegierung ausländischer (nicht ehelicher) Kinder gegenüber einheimischen". Sie kritisieren damit die unterschiedliche Regelung nach schweizerischem und ausländischem Recht zur Aufwertung von Zahlvaterschaften in den 1960/70er Jahren und erachten die Besserstellung nach deutschem Recht im Vergleich zur schweizerischen Übergangsregelung als ungerechtfertigt und diskriminierend.

3.7.1 Die Beschwerdeführerinnen blenden aus, dass für einen Ordre public-Verstoss nicht genügt, dass die im Ausland getroffene Lösung
BGE 149 III 370 S. 378
von der nach schweizerischem Recht vorgesehenen abweicht oder in der Schweiz unbekannt ist (BGE 126 III 101 E. 3b). Als Ausnahmeklausel bleibt einzig der allfällige Einsatz des schweizerischen Ordre public gegen das Gültigkeitsstatut bzw. deutsche Recht, wie die Beschwerdeführerinnen selber an anderer Stelle zu Recht ausführen. Ein offensichtlicher Verstoss gegen das schweizerische Rechtsempfinden liegt jedoch - wie dargelegt - in der Anerkennung der deutschen Regelung zur rückwirkenden Aufwertung von Zahlvaterschaften nicht vor.

3.7.2 Ob die damals getroffene Übergangsregelung von Art. 13a SchlT ZGB, mit welcher altrechtliche Zahlvaterschaften im schweizerischen Recht ungleich behandelt werden (BGE 124 III 1 E. 2c), heute mit der BV und der EMRK vereinbar ist, stellt eine andere Frage dar. Die Vereinbarkeit mit Grundrechten wird vom Verwaltungsgericht und von der Lehre (u.a. PIOTET, a.a.O.) bezweifelt und die Anwendbarkeit vom Bundesamt für Justiz in seiner Stellungnahme zur Beschwerde als klärungsbedürftig erachtet. Die Frage ist im vorliegenden Fall nicht zu erörtern, weil nicht schweizerisches, sondern deutsches Recht für die Gültigkeit der Anerkennung zur Anwendung kommt.

3.8 Schliesslich machen die Beschwerdeführerinnen geltend, die Vorinstanz habe das "abweisende, treuwidrige" Verhalten der Beschwerdegegnerin gegenüber ihrem Vater zu Unrecht ausser Acht gelassen; das Begehren um Nachbeurkundung und Anerkennung sei rechtsmissbräuchlich.

3.8.1 Die Vorinstanz hat festgehalten, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen das (behauptete und bestrittene) persönliche Benehmen und Verhältnis der Beschwerdegegnerin zu ihrem Vater für die Frage der Eintragungs- und Anerkennungsfähigkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht rechtserheblich sei. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Beschwerdegegnerin das Gesuch um Nachbeurkundung und Anerkennung der im Ausland erfolgten Kindesanerkennung nach dem Tod des Anerkennenden (E.) gestellt habe.

3.8.2 Die Beschwerdeführerinnen erneuern ihre Vorbringen, legen indes in keiner Weise dar, inwiefern die Auffassung des Verwaltungsgerichts gegen die Regeln über die Anerkennung von im Ausland erfolgten Kindesanerkennungen (Art. 73 Abs. 1 IPRG) verstossen habe. Sie behaupten selber nicht, dass das hier ausschlaggebende deutsche Recht (Gültigkeitsstatut für die Kindesanerkennung) eine "besondere persönliche Beziehung" zwischen Kind und
BGE 149 III 370 S. 379
Anerkennendem voraussetze. Inwiefern die Vorinstanz in diesem Zusammenhang den Begriff des Ordre public (Art. 27 Abs. 1 IPRG) bzw. das Rechtsmissbrauchsverbot verkannt haben soll, ist nicht ersichtlich, zumal die Beschwerdegegnerin als ausländische Staatsangehörige, die mit dem Anerkennenden in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, ausländische Erklärungen, die den Personenstand betreffen, den schweizerischen Behörden zu melden hat (Art. 39 ZStV; SR 212.112.2).

3.9 Nach dem Dargelegten stellt es keine Rechtsverletzung dar, wenn das Verwaltungsgericht die Nachbeurkundung und Anerkennung der in Deutschland erfolgten Kindesanerkennung als rechtliches Kindesverhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und E. selig bestätigt hat.

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Etat de fait

Considérants 3

références

ATF: 148 III 384, 108 II 527, 124 III 1, 145 III 109 suite...

Article: Art. 197-199 IPRG, Art. 73 IPRG, Art. 13a SchlT ZGB, art. 27 al. 1, art. 73 al. 1, art. 199 LDIP suite...